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Text des Beschlusses
BVerwG 1 B 36.06;
Verkündet am:
22.09.2006
BVerwG Bundesverwaltungsgericht
Rechtskräftig: unbekannt! Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe liegen vor (§ 166 VwGO, §§ 114 ff. ZPO). hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 22. September 2006 durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Eckertz-Höfer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Hund und Richter beschlossen: Dem Beigeladenen wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt …, beigeordnet. Der Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 20. Dezember 2005 wird aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen. Die Kostenentscheidung in der Hauptsache bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der vorbehaltenen Kostenentscheidung in der Hauptsache. 1Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe liegen vor (§ 166 VwGO, §§ 114 ff. ZPO). 2Die Beschwerde des Beigeladenen hat mit einer Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) Erfolg. Der angefochtene Beschluss verletzt den Anspruch des Beigeladenen auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Wegen dieses Verfahrensmangels, auf dem die Entscheidung beruhen kann, weist der Senat die Sache gemäß § 133 Abs. 6 VwGO im Interesse der Verfahrensbeschleunigung unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses an das Berufungsgericht zurück. 3Der Beigeladene, ein irakischer Staatsangehöriger, hat im Berufungsverfahren geltend gemacht, ihm drohten bei einer Rückkehr in den Irak nunmehr nach der während des Asylverfahrens eingetretenen Beseitigung des Regimes von Saddam Hussein, vor dem er geflohen war und asylrechtlichen Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG (jetzt § 60 Abs. 1 AufenthG) erhalten hatte Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure (insbesondere der Miliz des Muqtada al Sadr, die er früher unterstützt habe), „weil er als Spion gelte und im Übrigen wegen seiner Ehe mit einer Marokkanerin seitens der Milizen mit Schwierigkeiten rechnen müsse“ (BA S. 6). Das Berufungsgericht hat dieses Vorbringen des Beigeladenen in dem im vereinfachten Berufungsverfahren nach § 130a VwGO ergangenen Beschluss als „nicht ausreichend untermauert“ angesehen und bereits deshalb einen Anspruch auf weitere Aufklärung des Sachverhalts und auf Anerkennung als Flüchtling nach § 60 Abs. 1 AufenthG verneint (a.a.O.). Der Vortrag erschöpfe sich „in diesbezüglichen Behauptungen, ohne dass ausreichend nachvollziehbar vorgetragen“ werde, „wie der Beigeladene zu seinen Erkenntnissen“ komme. Die von ihm benannten Quellen bezögen „sich allgemein auf die Sadriyun“ und seien zum Teil „nicht mehr aktuell“. 4Die Beschwerde rügt insoweit zu Recht, dass das Berufungsgericht diesen Schluss unter den Umständen des vorliegenden Falles nicht hätte ziehen dürfen, ohne den Beigeladenen in einer persönlichen Anhörung vor dem Berufungsgericht erstmals hierzu und zu dem Zusammenhang mit dem vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) für glaubhaft angesehenen früheren Verfolgungsvortrag zu befragen oder ihm zumindest sonst Gelegenheit zu geben, seinen neuen Sachvortrag zu ergänzen. Außerdem hat das Berufungsgericht seine Erkenntnisse dazu, dass die vom Beigeladenen benannten Quellen teilweise überholt seien, weder näher ausgeführt noch in einer durch die Verfahrensbeteiligten und das Revisionsgericht nachprüfbaren Weise (insbesondere mit neueren Erkenntnismitteln) belegt. Die angefochtene Entscheidung kann auf dem Gehörsverstoß beruhen. 5Da die Beschwerde schon wegen des festgestellten Verfahrensmangels Erfolg hat, kommt es auf die weiteren Rügen nicht an. Zur Förderung des weiteren Verfahrens bemerkt der Senat, dass das Berufungsgericht den Vortrag des Beigeladenen, „er habe als Rückkehrer weder eine Existenzmöglichkeit noch sei er vor Überfällen oder gar Tötung sicher“ (BA S. 7) und „wegen seiner Erkrankungen und seiner eingeschränkten Leistungsfähigkeit könne er in keiner Region des Irak überleben“ (BA S. 8), nicht nur bei der Anwendung von § 60 Abs. 7 AufenthG, sondern auch bei der Prüfung einer inländischen Fluchtalternative beachten und bescheiden muss. Es trifft mit anderen Worten nicht zu, dass diesem Vorbringen von vornherein „im Zusammenhang des § 60 Abs. 1 AufenthG“ keine Bedeutung zukommt (BA S. 8) oder dass es insoweit als nicht entscheidungserheblich (BA S. 7) außer Betracht bleiben kann. Eine inländische Fluchtalternative besteht nämlich nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung auch an einem verfolgungssicheren Ort im Heimatstaat nur, wenn dort (mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit) keine anderen Gefahren und Nachteile drohen, die nach ihrer Intensität und Schwere einer asylerheblichen Rechtsgutbeeinträchtigung gleichkommen, sofern diese existenzielle Gefährdung am Herkunftsort so nicht bestünde (vgl. grundlegend BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1989 2 BvR 502/86 u.a. BVerfGE 80, 315 zu Art. 16 GG; zu § 51 Abs. 1 AuslG vgl. zuletzt etwa BVerwG, Beschluss vom 30. Juni 2004 BVerwG 1 B 290.03 Buchholz 402.240 § 51 AuslG Nr. 64; zur künftigen Rechtslage nach der sog. Qualifikationsrichtlinie vgl. ferner Art. 8 RL 2004/83/EG). Eckertz-Höfer Hund Richter ----------------------------------------------------- Die von uns erfassten Urteile wurden oft anders formatiert als das Original. 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