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Text des Urteils
3 AZB 23/06;
Verkündet am: 
 17.09.2007
BAG Bundesarbeitsgericht
 

Rechtskräftig: unbekannt!
Prozesskostenhilfe - Zu den die Beiordnung eines Verkehrsanwalts rechtfertigenden besonderen Umständen
Tenor


Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 30. März 2006 - 5 Ta 44/06 - aufgehoben.

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein - Auswärtige Kammern Landau in der Pfalz - vom 2. Februar 2006 - 6 Ca 1360/05 - abgeändert, soweit die Beiordnung des Prozessbevollmächtigten des Klägers unter Ausschluss der Erstattungsfähigkeit etwaiger Reisekosten vom Ort der Kanzlei zum Gerichtsort (Ort des Gerichtstages) erfolgte. Er wird insoweit wie folgt gefasst:

Zur Wahrnehmung der Rechte in diesem Rechtszug wird ihm Rechtsanwalt Chaudhry - jedoch unter Ausschluss der Erstattungsfähigkeit von Tage- und Abwesenheitsgeld - beigeordnet. Reisekosten des Prozessbevollmächtigten des Klägers sind aus der Landeskasse bis zu dem Betrag zu erstatten, der bei zusätzlicher Beiordnung eines Verkehrsanwalts angefallen wäre.


Gründe


1

I. Mit der am 7. Dezember 2005 beim Arbeitsgericht Ludwigshafen - Auswärtige Kammern Landau - eingegangenen und der Beklagten am 13. Dezember 2005 zugestellten Klage hat der anwaltlich vertretene Kläger die Beklagte auf Zahlung von Überstundenvergütung in Höhe von 4.495,05 Euro brutto in Anspruch genommen. Zugleich hat er beantragt, ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten zu bewilligen. Dieser hat seinen Kanzleisitz in Frankfurt am Main, dem Wohnort des Klägers. In der Güteverhandlung am 2. Februar 2006 schlossen die Parteien zur Beendigung des Rechtsstreits einen Vergleich. Zuvor, nämlich mit Beschluss vom gleichen Tage, hatte das Arbeitsgericht Ludwigshafen - Auswärtige Kammern Landau - dem Kläger für den ersten Rechtszug in vollem Umfang Prozesskostenhilfe bewilligt und ihm zur Wahrnehmung der Rechte in diesem Rechtszug seinen Prozessbevollmächtigten - jedoch unter Ausschluss der Erstattungsfähigkeit von Tage- und Abwesenheitsgeld sowie etwaiger Reisekosten vom Ort der Kanzlei zum Gerichtsort (Ort des Gerichtstages) - beigeordnet. Der gegen den Ausschluss der Erstattungsfähigkeit der Reisekosten gerichteten sofortigen Beschwerde half das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 20. Februar 2006 nicht ab und legte sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vor. Mit Beschluss vom 30. März 2006 hat das Landesarbeitsgericht die sofortige Beschwerde des Klägers kostenpflichtig zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich der Kläger mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.
2

II. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und hat in der Sache Erfolg. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat Anspruch auf Erstattung von Reisekosten durch die Landeskasse, soweit die Kosten der Beiordnung eines Verkehrsanwalts erspart werden.
3

1. Vorliegend konnte offenbleiben, ob der Beiordnungsantrag regelmäßig ein konkludentes Einverständnis des Prozessbevollmächtigten mit einer dem Mehrkostenverbot des § 121 Abs. 3 ZPO in der bis zum 31. Mai 2007 geltenden Fassung entsprechenden Einschränkung der Beiordnung enthielt (BGH 10. Oktober 2006 - XI ZB 1/06 - NJW 2006, 3783 mwN) . Ebenso wenig musste entschieden werden, ob durch die Neuregelung des Anwaltsvergütungsrechts die Auffassung überholt ist, aus § 121 Abs. 3 ZPO aF ergebe sich, dass ein beim Prozessgericht nicht zugelassener Rechtsanwalt keine höheren Kosten verlangen könne als ein beim Prozessgericht zugelassener Rechtsanwalt; deshalb könne jener nur zu den Bedingungen eines zugelassenen Rechtsanwalts beigeordnet werden (Zöller/Philippi ZPO 26. Aufl. § 121 Rn. 13 mwN) . Insoweit könnte sich auswirken, dass sowohl § 126 Abs. 1 Satz 2 BRAGO als auch § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO mit der Einführung des RVG ersatzlos weggefallen sind und nach § 46 Abs. 1 RVG Auslagen des Rechtsanwalts, insbesondere Reisekosten, nur dann nicht vergütet werden, wenn sie zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit nicht erforderlich waren. Für die Entscheidung des Rechtsbeschwerdeverfahrens kommt es hierauf nicht an.
4

2. Unter Geltung des § 121 Abs. 3 ZPO aF war es im arbeitsgerichtlichen Verfahren zulässig, einen Rechtsanwalt im Rahmen der Prozesskostenhilfe nur zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts beizuordnen. Nach § 121 Abs. 3 ZPO aF konnte ein nicht bei dem Prozessgericht zugelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstanden. Da es im arbeitsgerichtlichen Verfahren eine Zulassung bei einem Gericht für Arbeitssachen nicht gibt, waren die nach § 11a Abs. 3 ArbGG “entsprechend” anwendbaren Vorschriften der ZPO dahingehend auszulegen, dass es in § 121 Abs. 3 ZPO aF nicht auf die Zulassung eines Rechtsanwalts bei einem bestimmten Gericht, sondern auf dessen Ansässigkeit am Ort des Gerichts ankam (BAG 18. Juli 2005 - 3 AZB 65/03 - AP ZPO § 121 Nr. 3 = EzA ZPO 2002 § 121 Nr. 1) .
5

Allerdings waren die Reisekosten eines Prozessbevollmächtigten insoweit aus der Staatskasse erstattungsfähig, als die Kosten eines Verkehrsanwalts erspart wurden. Und dies galt unabhängig davon, ob der Beiordnungsantrag ein (konkludentes) Einverständnis des Prozessbevollmächtigten mit einer dem Mehrkostenverbot des § 121 Abs. 3 ZPO aF entsprechenden Einschränkung der Beiordnung enthielt. Im Rahmen einer bewilligten Prozesskostenhilfe war bei der Beiordnung eines nicht bei dem Prozessgericht niedergelassenen Rechtsanwalts stets zu prüfen, ob besondere Umstände für die Beiordnung eines zusätzlichen Verkehrsanwalts iSv. § 121 Abs. 4 ZPO vorlagen. Nur wenn dieses nicht der Fall war, durfte der auswärtige Anwalt “zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts” iSv. § 126 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz BRAGO beigeordnet werden (BAG 18. Juli 2005 - 3 AZB 65/03 - AP ZPO § 121 Nr. 3 = EzA ZPO 2002 § 121 Nr. 1; BGH 23. Juni 2004 - XII ZB 61/04 - BGHZ 159, 370) .
6

Im vorliegenden Fall lagen die Voraussetzungen für die Beiordnung eines Verkehrsanwalts vor. Nicht nur der Kläger, sondern auch sein Prozessbevollmächtigter mussten von Frankfurt am Main aus eine nicht unerhebliche Strecke, nämlich rund 140 km (einfache Fahrt) zum Terminsort zurücklegen. Der Kläger hätte demnach von seinem Wohnort aus eine mehrstündige Fahrt nach und von Landau/Pfalz unternehmen müssen, um dort persönlich einen Anwalt zu beauftragen. Es war ihm auch nicht zumutbar, einen in Landau/Pfalz ansässigen Rechtsanwalt schriftlich oder telefonisch zu beauftragen. Dies gilt nicht nur vor dem Hintergrund, dass dies einem Rechtssuchenden grundsätzlich nicht zugemutet wird; es kommt hinzu, dass es sich vorliegend um ein Verfahren auf Zahlung von Überstundenvergütung handelt, das eine detaillierte Aufarbeitung des hierfür notwendigen Tatsachenmaterials notwendig machte. Zudem hatte der Kläger in Frankfurt in seinem Prozessbevollmächtigten einen Rechtsanwalt gefunden, mit dem er sich unproblematisch verständigen konnte, da dieser seiner Muttersprache “Urdu” bzw. “Punjabi” mächtig war.

Reinecke Zwanziger Schlewing
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