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Text des Beschlusses
BVerwG 2 WD 22.06;
Verkündet am: 
 30.10.2007
BVerwG Bundesverwaltungsgericht
 

Rechtskräftig: unbekannt!
Zurückverweisung; nochmalige Verhandlung und Entscheidung; Sachaufklärung; Beschleunigungsgebot.
Leitsatz des Gerichts:
1. Nach den Regelungen der Wehrdisziplinarordnung ist es nicht Aufgabe des Berufungsgerichts, anstelle der dazu berufenen Truppendienstkammer notwendige gerichtliche Feststellungen zum entscheidungserheblichen Sachverhalt erstmals zu treffen.

2. Zu den Voraussetzungen der Zurückverweisung zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung gemäß § 120 Abs. 1 Nr. 2 WDO.
Das Truppendienstgericht hatte das gerichtliche Disziplinarverfahren gegen einen Soldaten, dem als Dienstvergehen zur Last gelegt wurde, seinen Vorgesetzten mit der Faust ins Gesicht geschlagen zu haben, unter Feststellung eines Dienstvergehens eingestellt. Die von der Wehrdisziplinaranwaltschaft eingelegte Berufung führte zur Zurückverweisung der Sache an eine (andere) Kammer desselben Truppendienstgerichts zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung.


Aus den Gründen:
...

10Die Truppendienstkammer hat gemäß § 106 Abs. 1 WDO zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind. Dieses dem § 244 Abs. 2 StPO entsprechende Rechtsgebot verpflichtet das Wehrdienstgericht, alle sachlich oder verfahrensrechtlich erheblichen Tatsachen unabhängig von Beweisanträgen der Beteiligten von Amts wegen aufzuklären (Beschluss vom 28. April 1993 BVerwG 2 WD 68.91 ). Dazu gehören nicht nur die den äußeren Geschehensablauf des angeschuldigten Dienstvergehens kennzeichnenden Tatsachen, sondern auch Schuldausschließungsgründe sowie gegebenenfalls Umstände, die für die Maßnahmebemessung von Bedeutung sind (Urteil vom 9. Oktober 1985 BVerwG 2 WD 25.85 ).

11Daran fehlt es vorliegend.
...

14Somit ergibt sich, dass weitere Sachaufklärungen erforderlich sind. Auch die Wehrdisziplinaranwaltschaft hat durch das in vollem Umfang eingelegte Rechtsmittel zum Ausdruck gebracht, dass sie die Tat- und Schuldfeststellungen und die Grundlagen der Zumessungserwägungen für überprüfungsbedürftig hält.

15Der Senat könnte zwar im Rahmen der Anschuldigung (§ 123 Satz 1 i.V.m. § 107 Abs. 1 WDO) eigene Tat- und Schuldfeststellungen treffen, sie rechtlich würdigen und die sich daraus ergebenden Folgerungen ziehen. Eine solche Verfahrensweise würde dem Beschleunigungsgebot nach § 17 Abs. 1 WDO Rechnung tragen, aber dem Anspruch des Soldaten zuwiderlaufen, dass über den gegen ihn erhobenen Vorwurf im Rahmen der Anschuldigung in zwei Instanzen ordnungsgemäß verhandelt und entschieden wird (vgl. Beschlüsse vom 9. Februar 1983 BVerwG 2 WD 19.82 BVerwGE 76, 63 <65>, vom 16. September 1996 BVerwG 2 WD 30.96 BVerwGE 103, 386 = Buchholz 235.0 § 115 WDO Nr. 1 = NZWehrr 1997, 115, vom 25. März 1997 BVerwG 2 WD 4.97 DokBer (B) 1998, 12 und vom 11. Mai 2006 BVerwG 2 WD 25.05 Buchholz 11 Art. 101 GG Nr. 22).

16Wurde eine Sachverhaltsaufklärung erstinstanzlich gar nicht erst begonnen (vgl. dazu Beschlüsse vom 28. April 1993 BVerwG 2 WD 68.91 und vom 16. September 1996 a.a.O.) oder war sie weitgehend unzulänglich (vgl. dazu u.a. Beschlüsse vom 14. September 1988 BVerwG 2 WD 17.88 , vom 15. April 1992 BVerwG 2 WD 13.92 und vom 25. März 1997 a.a.O.), ist in aller Regel auch in Ansehung des Beschleunigungsgebotes eine Zurückverweisung durch das Berufungsgericht geboten. Es ist nach den Regelungen der Wehrdisziplinarordnung nicht Aufgabe des Berufungsgerichts, an Stelle der dazu berufenen Truppendienstkammer notwendige gerichtliche Feststellungen zum entscheidungserheblichen Sachverhalt erstmals zu treffen. Ein angeschuldigter Soldat hat zudem Anspruch darauf, dass bereits im ersten Rechtszug nach Maßgabe der prozessrechtlichen Vorschriften alle erforderlichen Maßnahmen zur Aufklärung der Sach- und Rechtslage ordnungsgemäß getroffen werden. Denn nur bei einer auf dieser Grundlage ergehenden, die Instanz abschließenden Entscheidung der Truppendienstkammer wird er in die Lage versetzt, eine verantwortliche Entscheidung darüber zu treffen, ob er von seinem Recht auf Einlegung einer Berufung Gebrauch machen und ein Berufungsverfahren einleiten und durchführen lassen will. Auch der Bundeswehrdisziplinaranwalt hat in seinem Vorlageschreiben zum Ausdruck gebracht, dass im vorliegenden Fall wegen der dargelegten Mängel des erstinstanzlichen Urteils im Ergebnis dessen Aufhebung und die Zurückverweisung der Sache an eine andere Truppendienstkammer im Beschlusswege angezeigt erscheint. Eine Zurückverweisung sei als unausweichlich anzusehen, wenn wie vorliegend die Tatzeugen „gar nicht erst gehört, sondern stattdessen frühere Vernehmungen unzulässig verlesen werden und die Entscheidung so einseitig allein auf die Erklärungen des Soldaten gestützt wird.“ Der Soldat hat durch seine Verteidigung in seinem Schriftsatz vom 4. Oktober 2007 damit im Ergebnis übereinstimmend zum Ausdruck gebracht, dass er gegen eine Zurückverweisung an eine andere Kammer des Truppendienstgerichts „keine Bedenken“ habe.

17Die Sache ist deshalb gemäß § 120 Abs. 1 Nr. 2 WDO an eine andere Kammer des Truppendienstgerichts Süd zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
...

Golze Prof. Dr. Widmaier Dr. Deiseroth
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