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Text des Beschlusses
BVerwG 8 B 57.07;
Verkündet am: 
 12.12.2007
BVerwG Bundesverwaltungsgericht
 

Rechtskräftig: unbekannt!
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Es liegt ein geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs.2 Nr. 3 VwGO).
In der Verwaltungsstreitsache


hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts

am 12. Dezember 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Pagenkopf und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg

beschlossen:

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 21. März 2007 wird aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 55 930 € festgesetzt.


Gründe:


1Die zulässige Beschwerde ist begründet. Es liegt ein geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs.2 Nr. 3 VwGO).

2Das Verwaltungsgericht hat das Recht der Beigeladenen auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs.1 GG, § 108 Abs.2 VwGO) verletzt. Das rechtliche Gehör wird verletzt, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den Sachvortrag stellt, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchte (stRspr, vgl. z.B. BVerfGE 84, 188 <190>). Das Gericht ist zwar nicht verpflichtet, zur rechtlichen Würdigung des Sachverhalts die Beteiligten schon vorab darauf hinzuweisen, auf welchen von mehreren denkbaren rechtlichen Gesichtspunkten es seine Entscheidung stützen und wie es sie im einzelnen begründen will (stRspr, vgl. z.B. Beschlüsse vom 30. Oktober 1987 BVerwG 2 B 85.87 Buchholz 310 § 104 VwGO Nr. 20 m.w.N. und vom 27. Mai 2003 BVerwG 9 BN 3.03 Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 98). Das Gericht darf seine Entscheidung aber nicht auf neue Gesichtspunkte stützen, ohne dass die Beteiligten damit rechnen konnten (vgl. Beschlüsse vom 8. August 1994 BVerwG 6 B 87.93 Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 335; vom 29. Februar 2000 BVerwG 4 B 13.00 Buchholz 310 § 104 VwGO Nr. 29 und vom 27. Mai 2003 BVerwG 9 BN 3.03 a.a.O.). Ein unzulässiges „Überraschungsurteil“ liegt deshalb dann vor, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchten (stRspr, vgl. Beschluss vom 23. Dezember 1991 BVerwG 5 B 80.91 Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 241 m.w.N.).

3Das ist hier der Fall. Das Verwaltungsgericht hat mit dem Hinweis auf § 15 der Verordnung über die Vollstreckung in Grundstücke und Gebäude (Vollstr-VO) vom 18. Dezember 1975 (GBl. DDR 1976 I S. 1) einen für das Verwaltungsgericht rechtlich erheblichen Gesichtspunkt in das Verfahren eingeführt, der in dem bisherigen Verfahren keine Rolle spielte und auch von den Beteiligten nicht angesprochen worden war. Das Urteil begründet den in § 4 Abs. 3 Buchst. a VermG vorausgesetzten Verstoß gegen allgemeine Rechtsvorschriften damit, dass die Beigeladenen durch ihre Weigerung, das Haus anderen Kaufinteressenten zu zeigen, bewirkt hätten, dass § 15 Vollstr-VO, der auch die Abgabe von Kaufangeboten anderer Kaufinteressenten ermöglichte, nicht zur Anwendung gekommen und insoweit der gerichtliche Verkauf nicht im Einklang mit dieser Rechtsvorschrift vorgenommen worden sei.

4Dieser rechtliche Gesichtspunkt war neu und für die Verfahrensbeteiligten nicht erkennbar. Das Verwaltungsgericht hätte deshalb auf die Rechtserheblichkeit dieser Vorschrift hinweisen müssen. In der Beschwerdeschrift haben die Beigeladenen dargelegt, sie hätten auf einen entsprechenden Hinweis des Gerichts vorgetragen, dass sie im Termin des gerichtlichen Verkaufs den höchstzulässigen Preis geboten hatten und damit Meistbietende waren. Sie sprechen damit der Sache nach an, dass im Verkaufsbeschluss vorrangig der Miteigentümer und danach die Mieter als Erwerber festzustellen waren, wenn mehrere Kaufinteressenten Kaufangebote zu einem gleich hohen zulässigen Kaufpreis abgegeben hatten (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 und 3 Vollstr-VO). Danach hätten andere Kaufinteressenten beim gerichtlichen Verkauf nicht den Zuschlag erhalten können.

5Ob die Beigeladenen den höchstzulässigen Preis geboten hatten, wird das Verwaltungsgericht aufzuklären haben. Nach dem Ausgangsbescheid vom 22. Oktober 1998 war der höchstzulässige Kaufpreis auf 8 880 M festgesetzt. Das Verwaltungsgericht hat demgegenüber einen Kaufpreis von 8 397 M festgestellt. Das stimmt allerdings zum Teil mit dem Akteninhalt nicht überein (vgl. BA III S. 10: 8 397 M; BA III S. 6: gezahlter Kaufpreis 8 880 M; BA IV S. 125: 8 880 M).

6Die Beigeladenen hätten nach ihrem Vorbringen in der Beschwerdeschrift ferner vorgetragen, dass andere potentielle Kaufinteressenten nicht als Käufer in Betracht gekommen wären, da sie keine Bietgenehmigung hätten erhalten können. Nach § 3 Abs. 3 der Grundstücksverkehrsverordnung vom 15. Dezember 1977 (GBl. DDR 1978 I S. 73) benötigte jeder Kaufinteressent die Genehmigung zur Abgabe von Kaufangeboten, wenn das Grundstück im Wege des gerichtlichen Verkaufs erworben werden sollte.

7Im Interesse der Verfahrensbeschleunigung macht der Senat von der Möglichkeit Gebrauch, das angefochtene Urteil durch Beschluss aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 133 Abs. 6 VwGO).

8Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 GKG.

Gödel Dr. Pagenkopf Dr. von Heimburg
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