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Text des Beschlusses
XI ZB 10/07;
Verkündet am:
22.01.2008
BGH Bundesgerichtshof
Rechtskräftig: unbekannt! Beschluss - Kurz Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Nobbe und die Richter Dr. Müller, Dr. Ellenberger, Dr. Grüneberg und Maihold am 22. Januar 2008 beschlossen: Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des 4. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 15. Februar 2007 wird auf seine Kosten zurückgewiesen. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 194.736,95 € festgesetzt. I. Der Kläger verlangt von der Beklagten als Rechtsnachfolgerin der G. e.G. (nachfolgend: Bank) Schadensersatz, weil ein Mitarbeiter der Bank bei der Vermittlung einer Immobilienkapitalanlage ihn nicht über die Grundwasserproblematik der Immobilie aufgeklärt habe. Diese sei auch in dem Verkaufprospekt verschwiegen worden. Kurz vor dem auf den 19. April 2006 anberaumten Verhandlungstermin vor dem Landgericht hat der Kläger die Klage auch gegen die beiden Herausgeber des Verkaufsprospekts gerichtet und einen Musterfeststellungsantrag nach § 1 Abs. 1 KapMuG wegen verschiedener Rechtsfragen gestellt. Das Landgericht hat das Verfahren gegen die beiden Prospektherausgeber abgetrennt, die Klage durch Urteil vom 19. April 2006 abgewiesen und den Musterfeststellungsantrag mit Beschluss vom gleichen Tage nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 KapMuG als unzulässig zurückgewiesen, weil der Rechtsstreit entscheidungsreif sei. Der Kläger hat gegen das klageabweisende Urteil Berufung und gegen die Ablehnung des Musterfeststellungsantrages sofortige Beschwerde eingelegt. Das Kammergericht (abgedruckt in ZIP 2007, 1679) hat die Beschwerde als unzulässig zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde des Klägers. II. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 ZPO), in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§ 577 Abs. 1 ZPO), aber nicht begründet. 1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Die Beschwerde sei unzulässig. Nachdem das Verfahren für die erste Instanz durch Endurteil abgeschlossen sei, könne ein Musterfeststellungsverfahren nicht mehr durchgeführt werden, weil dieses nur im erstinstanzlichen Verfahren statthaft sei. Das Beschwerdegericht habe dabei nicht zu prüfen, ob das Landgericht zu Recht eine Entscheidungsreife des Rechtsstreits angenommen habe, denn eine Aufhebung und Zurückverweisung komme in diesem Verfahrensstadium nicht mehr in Betracht, da die Hauptsache bereits beim Berufungsgericht anhängig sei. 2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung stand. Wie das Beschwerdegericht zutreffend ausgeführt hat, kann dahinstehen, ob das Landgericht zu Recht eine Entscheidungsreife i.S. von § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 KapMuG angenommen hat. Jedenfalls sind die Voraussetzungen für einen Musterfeststellungsantrag mit Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens entfallen. Ein Musterfeststellungsantrag kann gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 KapMuG nur in einem erstinstanzlichen Verfahren gestellt werden. Der Antrag ist nach Wortlaut und Systematik der Norm unzulässig, wenn er erst in der Berufungsinstanz gestellt wird. Wenn der Musterfeststellungsantrag - wie hier - zwar im ersten Rechtszug gestellt wird, der Rechtsstreit aber durch Einlegung der Berufung in der Rechtsmittelinstanz anhängig geworden ist, kann das erstinstanzliche Gericht mangels Anhängigkeit eines Hauptsacheverfahrens bei ihm darüber nicht mehr entscheiden. Auch eine Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung im Beschwerde- oder Rechtsbeschwerdeverfahren kommt bei dieser Prozesslage nicht in Betracht. Denn auch dafür gilt der Grundsatz, dass nach dem Ende der Anhängigkeit des Rechtsstreits in erster Instanz ein Musterverfahren nicht mehr eingeleitet werden kann (vgl. eingehend BGH, Beschlüsse vom 3. Dezember 2007 - II ZB 15/07, WM 2008, 124 f., Tz. 8 ff.; II ZB 12/07, Umdruck S. 3 f., Tz. 6 f.; II ZB 17/07, Umdruck S. 4 ff., Tz. 8 ff. und II ZB 18/07, Umdruck S. 4 ff., Tz. 8 ff.). Ohne Erfolg wendet die Rechtsbeschwerde ein, der Kläger und Antragsteller eines Musterfeststellungsantrages sei der Zurückweisung bei gleichzeitigem (berichtigt gemäß Berichtigungsbeschluss vom 03.03.2008 durch Salomonia) Erlass eines Endurteils in erster Instanz schutzlos ausgeliefert. Diese Konsequenz ist im Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz angelegt. Sie belastet den Kläger nicht unmittelbar und entspricht außerdem dem Gebot der Prozessökonomie. Erweist sich das klageabweisende erstinstanzliche Urteil als zutreffend, steht fest, dass es auf die Vorlagefragen nicht ankommt. Wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen, kann der Kläger vor dem Landgericht erneut einen Antrag nach § 1 KapMuG stellen. Wenn das Berufungsgericht der Klage in vollem Umfang stattgibt, wird der Kläger nicht belastet. Nur wenn es der Klage nur teilweise entspricht, kann überhaupt eine vom Kläger im Kapitalanleger-Musterverfahren hinzunehmende Belastung gegeben sein (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. Dezember 2007 - II ZB 15/07, WM 2008, 125, Tz. 10; II ZB 17/07, Umdruck S. 5 f., Tz. 10 und II ZB 18/07, Umdruck S. 5 f., Tz. 10). III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Nobbe Müller Ellenberger Grüneberg Maihold ----------------------------------------------------- Die von uns erfassten Urteile wurden oft anders formatiert als das Original. 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