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Text des Beschlusses
BVerwG 1 WB 4.07;
Verkündet am: 
 29.01.2008
BVerwG Bundesverwaltungsgericht
 

Rechtskräftig: unbekannt!
Beschwer; Gründe eines Beschwerdebescheids; Zeichnungsbefugnis.
Leitsatz des Gerichts:
1. Ein Soldat kann im Wehrbeschwerdeverfahren nur die Aufhebung einer Maßnahme wegen ihrer Rechtswidrigkeit, nicht aber die Aufhebung aus einem bestimmten Grund verlangen. Im Falle der Erledigung der Maßnahme kann er - unter den Voraussetzungen des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO - nur die Feststellung der Rechtswidrigkeit, nicht jedoch die Feststellung eines bestimmten Rechtswidrigkeitsgrundes verlangen. Auch Feststellungen im Tatbestand und in der rechtlichen Begründung des Beschwerdebescheids, deren Richtigkeit bestritten wird, stellen grundsätzlich keinen selbständigen Beschwerdegegenstand dar.

2. Es bestehen keine rechtlichen Bedenken gegen eine Regelung, wonach die Entscheidung des Bundesministers der Verteidigung über eine Beschwerde, die sich gegen einen Inspekteur der Bundeswehr richtet, außer von dem Minister selbst auch von dessen (in der Geschäftsordnung der Bundesregierung bestimmten) Vertreter unterzeichnet werden darf.
Der Antragsteller, gegen den zu dieser Zeit Ermittlungen in einem gerichtlichen Disziplinarverfahren geführt wurden, erlitt bei einem Verkehrsunfall schwere Verletzungen. Nach seiner Genesung ordnete die Disziplinarvorgesetzte an, die Dienst- und Verwendungsfähigkeit des Antragstellers im Rahmen eines stationären Aufenthalts in einem Bundeswehrkrankenhaus zu untersuchen.

Einer der Inspekteure der Bundeswehr gab darüber hinaus die Anweisung, die Begutachtung der Dienst- und Verwendungsfähigkeit um eine Untersuchung der „Verhandlungs-, Vernehmungs- bzw. Befragungsfähigkeit“ des Antragstellers zu ergänzen. Der hiergegen erhobenen Beschwerde des Antragstellers gab der Bundesminister der Verteidigung statt und stellte fest, dass der Inspekteur nicht zu der Anweisung berechtigt war. In den Gründen wurde u.a. ausgeführt, dass der Inspekteur seine Pflicht aus § 10 Abs. 4 des Soldatengesetzes (SG) verletzt habe, Befehle nur zu dienstlichen Zwecken und nur unter Beachtung der Gesetze und der Dienstvorschriften zu erteilen. Dem Inspekteur wurde andererseits zugute gehalten, dass sein Verhalten vor allem durch ein nicht zu beanstandendes Verständnis von kameradschaftlicher Fürsorge geprägt gewesen sei. Der Beschwerdebescheid wurde von einem (beamteten) Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung unterzeichnet.

Gegen den stattgebenden Beschwerdebescheid beantragte der Antragsteller die gerichtliche Entscheidung. Der Bescheid habe seiner Beschwer nur teilweise abgeholfen. So sei in den Gründen des Bescheids der Vorwurf der entwürdigen Behandlung zurückgewiesen worden; auch seien einzelne Umstände seiner Aufnahme in das Bundeswehrkrankenhaus unrichtig dargestellt und gewürdigt worden. Schließlich hätte wegen der gravierenden Dienstpflichtverletzung eines Inspekteurs der Bundeswehr der Bescheid von dem Bundesminister der Verteidigung selbst unterzeichnet werden müssen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat den Antrag als unzulässig verworfen.

Aus den Gründen:
...

23Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unzulässig.

24Soweit sich der Antragsteller gegen die rechtliche Würdigung und Bewertung des Verhaltens des Inspekteurs durch den Bundesminister der Verteidigung wendet, ist der Antrag unzulässig, weil der Antragsteller insoweit durch den angefochtenen Bescheid nicht beschwert ist.

25Der angefochtene Bescheid gibt der Beschwerde des Antragstellers - ohne Einschränkung - statt und stellt fest, dass der Inspekteur nicht zu der Anweisung berechtigt war, die Begutachtung der Dienst- und Verwendungsfähigkeit des Antragstellers um eine Untersuchung seiner Verhandlungs-, Vernehmungs- oder Befragungsfähigkeit zu ergänzen. Damit hat der Antragsteller alles erlangt, was er bezogen auf die beanstandete Maßnahme überhaupt beanspruchen kann.

26Ein Soldat, der eine ihn belastende Maßnahme angefochten hat, kann von dem zuständigen Vorgesetzten oder vom Gericht nur die Aufhebung der Maßnahme wegen ihrer Rechtswidrigkeit, nicht jedoch die Aufhebung aus einem bestimmten Grund verlangen. Sowohl der Vorgesetzte als auch das Gericht können die vorgetragenen Rechtswidrigkeitsgründe ganz oder teilweise offenlassen und die Aufhebung der Maßnahme tragend nur auf einen dieser Gründe oder auch auf einen nicht vorgetragenen Grund stützen; denn es gibt - abgesehen von dem hier nicht einschlägigen Fall der Nichtigkeit - keine unterschiedlichen Qualitäten der Rechtswidrigkeit einer Maßnahme (vgl. Beschluss vom 5. September 1984 BVerwG 1 WB 131.82 - BVerwGE 76, 258 = NZWehrr 1985, 23). Ebenso kann der Soldat im Falle der Erledigung der Maßnahme unter den Voraussetzungen des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO - lediglich die Feststellung der Rechtswidrigkeit, nicht jedoch die Feststellung eines bestimmten Rechtswidrigkeitsgrundes verlangen (vgl. Beschluss vom 16. Oktober 1989 - BVerwG 7 B 43.89 - Buchholz 11 Art. 2 GG Nr. 59). Die Tatsache, dass der angefochtene Bescheid in der Begründung das Vorliegen einer entwürdigenden Behandlung des Antragstellers verneint, beschwert damit den Antragsteller schon deshalb nicht, weil dieser nicht beanspruchen kann, dass die Feststellung der Rechtswidrigkeit der von dem Inspekteur erteilten Anweisung - außer auf einen Verstoß gegen § 10 Abs. 4 SG - gerade auch auf den Grund der entwürdigenden Behandlung gestützt wird. Soweit der Antragsteller der Ansicht gewesen sein sollte, es liege insoweit eine Straftat (§ 31 WStG) vor, hätte es ihm freigestanden, bei den Strafverfolgungsbehörden Strafanzeige zu erstatten.

27Entsprechendes gilt, soweit sich der Antragsteller gegen einzelne Feststellungen, insbesondere zu den Umständen seiner Aufnahme in das Bundeswehrkrankenhaus, in den Gründen des angefochtenen Bescheids wendet. Feststellungen im Tatbestand und in der rechtlichen Begründung eines im Wehrbeschwerdeverfahren ergangenen Bescheids, deren Richtigkeit bestritten wird, stellen als solche - von dem hier nicht vorliegenden Fall der erstmaligen Beschwer eines Dritten abgesehen - grundsätzlich keine selbständigen Beschwerdeanlässe und -gegenstände dar (vgl. Beschlüsse vom 21. August 1973 BVerwG 1 WB 23.73, 24.73 - BVerwGE 46, 149 und vom 5. September 1984 a.a.O. ). Im Übrigen beruhte die Pflicht des Antragstellers, sich in das Bundeswehrkrankenhaus stationär aufnehmen zu lassen, nicht auf der hier streitgegenständlichen Anweisung des Inspekteurs, sondern auf der gemäß Formblatt BA 90/5 angeordneten Untersuchung des Antragstellers auf seine Dienst- und Verwendungsfähigkeit; diese Begutachtungsanordnung hat der Antragsteller nicht angefochten.
...

32Der Senat weist ergänzend darauf hin, dass der Antrag auch unbegründet wäre, soweit der Antragsteller meint, dass der angefochtene Bescheid nicht von einem Staatssekretär hätte unterzeichnet werden dürfen, sondern vom Bundesminister der Verteidigung selbst hätte unterzeichnet werden müssen.

33Hat der Bundesminister der Verteidigung über Beschwerden in truppendienstlichen Angelegenheiten zu entscheiden, so kann sein Vertreter die Beschwerdeentscheidung unterzeichnen; der Bundesminister der Verteidigung kann die Zeichnungsbefugnis weiter übertragen (§ 9 Abs. 2 Satz 1 WBO). Die Vorschrift hat den Zweck, die erhebliche Arbeitsbelastung zu mindern, die den Bundesminister als obersten Disziplinarvorgesetzten trifft. Auf der Grundlage von § 9 Abs. 2 WBO (und § 21 Abs. 3 WBO) hat der Bundesminister der Verteidigung die Anordnung über die Übertragung der Zeichnungsbefugnis bei Beschwerden und Anträgen auf Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in truppendienstlichen Angelegenheiten vom 8. Dezember 1997 (VMBl 1998, S. 91) erlassen, die - gestuft nach der Bedeutung der Angelegenheiten - die Zeichnungsbefugnisse im Einzelnen festlegt. Gemäß Nr. 1.1 und Nr. 1.2 1. Spiegelstrich der Anordnung unterzeichnet Entscheidungen über Beschwerden in truppendienstlichen Angelegenheiten, wenn Betroffener der Beschwerde einer der Inspekteure der Bundeswehr ist, - übereinstimmend mit der gesetzlichen Regelung des § 9 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 WBO - der Minister oder sein Vertreter, sofern die Beschwerde nicht unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist. Der beamtete Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung war als Vertreter des Bundesministers der Verteidigung (§ 14 Abs. 3 der Geschäftsordnung der Bundesregierung) somit berechtigt, den angefochtenen Beschwerdebescheid zu unterzeichnen.

34Gegen die Regelung des § 9 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 WBO (und der insoweit übereinstimmenden Anordnung vom 8. Dezember 1997) bestehen keine rechtlichen Bedenken; sie bedarf auch keiner einschränkenden Auslegung. Zwar gilt der Grundsatz der an die Dienststellung und die Person des Inhabers der Dienststellung gebundenen Disziplinargewalt (§ 27 Abs. 2 Satz 1 und 2 WDO) nicht nur für die Ausübung der Disziplinarbefugnis nach der Wehrdisziplinarordnung, sondern darüber hinaus für alle Entscheidungen, die nur ein Disziplinarvorgesetzter treffen darf (vgl. Böttcher/Dau, WBO, 4. Aufl. 1997, § 9 Rn. 25 f. und 66), also auch für Entscheidungen über Beschwerden in truppendienstlichen Angelegenheiten nach der Wehrbeschwerdeordnung (§ 9 Abs. 1 Satz 1 WBO). Die (bloße) Übertragung der Zeichnungsbefugnis lässt diesen Grundsatz jedoch unberührt. Auch bei Unterzeichnung durch den Staatssekretär als Vertreter ergeht die Entscheidung durch den Bundesminister der Verteidigung, der für sie die volle persönliche und sachliche Verantwortung trägt. Die Zuständigkeit und Verantwortlichkeit des Bundesministers wird auch nicht faktisch ausgehöhlt, solange zwischen der Bedeutung der Angelegenheit, über die zu entscheiden ist, und der dienstlichen Stellung dessen, der zur Zeichnung befugt ist, ein angemessenes Verhältnis besteht. Ein solches angemessenes Verhältnis ist jedenfalls gewahrt, wenn bei denjenigen Beschwerden gegen Inspekteure der Bundeswehr, die substantielle Fragen aufwerfen das heißt nicht unzulässig oder offensichtlich unbegründet sind -, neben dem Bundesminister nur dessen (ständige) Vertreter, also nur die Staatssekretäre zeichnungsbefugt sind (vgl. für strukturell ähnliche Konstellationen Beschlüsse vom 15. August 1972 - BVerwG 1 DB 10.72 - BVerwGE 46, 14 <15> und vom 2. Juni 1995 BVerwG 1 DB 7.95 - BVerwGE 103, 240 <241> = Buchholz 235 § 91 BDO Nr. 1: Unterzeichnung der Verfügung für die Einleitung eines förmlichen Disziplinarverfahrens bzw. der Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung und der teilweisen Einbehaltung von Dienstbezügen wegen der Bedeutung dieser Maßnahmen nur durch den Leiter der Einleitungsbehörde oder dessen allgemeinen Vertreter).

Golze Dr. Frentz Dr. Langer
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