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Text des Beschlusses
BVerwG 1 WB 2.07;
Verkündet am: 
 29.01.2008
BVerwG Bundesverwaltungsgericht
 

Rechtskräftig: unbekannt!
Laufbahn; Zulassung; Aufstiegslaufbahn; „Seiteneinsteiger“.
Leitsatz des Gerichts:
Zu der durch eine ermessensbindende Verwaltungsvorschrift angeordneten gesonderten Betrachtung von sogenannten „Seiteneinsteigern“ bei der Zulassung zu einer Offizierlaufbahn der Bundeswehr.
Die Antragstellerin ist Berufssoldatin, die mit dem Dienstgrad „Feldwebel“ in die Laufbahn der Feldwebel des Truppendienstes übernommen wurde. Ihren Antrag auf Zulassung zu einer Offizierlaufbahn lehnte das Personalamt der Bundeswehr ab, nachdem es die Antragstellerin in einen Eignungs- und Leistungsvergleich mit sämtlichen Bewerbern ohne Differenzierung nach den Einstellungsmodalitäten einbezogen hatte.

Das Bundesverwaltungsgericht hat den Ablehnungsbescheid aufgehoben und den Bundesminister der Verteidigung zur Neubescheidung des Antrags verpflichtet.


Aus den Gründen:

...


17Die Entscheidung über die Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes gemäß § 40 Abs. 1 SLV i.V.m. den konkretisierenden Regelungen der ZDv 20/7 (Kapitel 8) betrifft keine statusrechtliche Angelegenheit. Sie ist vielmehr eine truppendienstliche Verwendungsentscheidung, für die gemäß § 21 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 17 Abs. 1, Abs. 3 WBO der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten hier zum Bundesverwaltungsgericht eröffnet ist (stRspr, vgl. z.B. Beschlüsse vom 20. Juni 2005 BVerwG 1 WB 60.04 Buchholz 252 § 20 SBG Nr. 1 und vom 24. Januar 2006 BVerwG 1 WB 9.05 Buchholz 449.2 § 40 SLV 2002 Nr. 1 ).

...


19Der Antrag ist auch begründet.

20Die angefochtenen Bescheide des Personalamtes der Bundeswehr und des Bundesministers der Verteidigung sind rechtswidrig und verletzen die Antragstellerin in ihren Rechten. Die Entscheidung, die Antragstellerin zu der von ihr angestrebten Laufbahn nicht zuzulassen, weist einen Ermessensfehler auf, der einen Anspruch auf Neubescheidung begründet.

21Zwar hat ein Soldat keinen Anspruch auf eine bestimmte örtliche oder fachliche Verwendung. Dies gilt auch für die Entscheidung über die Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes (stRspr, vgl. u.a. Beschlüsse vom 24. Januar 2006 a.a.O. m.w.N. und vom 24. Januar 2006 BVerwG 1 WB 25.05 ). Ein dahingehender Anspruch lässt sich auch aus der Fürsorgepflicht des Vorgesetzten nicht ableiten. Das mit einem entsprechenden Antrag befasste Gericht kann daher nur prüfen, ob der zuständige Vorgesetzte den jeweiligen Antragsteller oder die jeweilige Antragstellerin mit der Ablehnung der Zulassung zu der angestrebten Laufbahn durch Überschreitung oder Missbrauch dienstlicher Befugnisse in deren Rechten verletzt hat (§ 17 Abs. 3 Satz 2 WBO), d.h., ob er dabei die gesetzlichen Grenzen des ihm insoweit eingeräumten Ermessens überschritten oder von diesem in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 114 VwGO analog; Beschlüsse vom 24. Januar 2006 jeweils a.a.O.). Hat der Bundesminister der Verteidigung das ihm oder einer von ihm beauftragten Stelle eingeräumte Ermessen in Richtlinien oder Verwaltungsvorschriften gebunden, ist vom Gericht auch zu prüfen, ob diese Richtlinien unter dem Blickwinkel des Art. 3 Abs. 1 GG eingehalten worden sind.

22Das Bundesministerium der Verteidigung hat die Zulassung von Unteroffizieren zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes gemäß § 40 Abs. 1 SLV aufgrund der Ermächtigung in § 44 SLV in Kapitel 8 der ZDv 20/7 näher geregelt. Nach § 40 Abs. 1 SLV sowie nach Nr. 801 ZDv 20/7 steht die Zulassung zu dieser Laufbahn im Ermessen des Bundesministeriums der Verteidigung und setzt Bedarf und Eignung der Bewerber voraus. Die Auswahl für die Zulassung erfolgt gemäß Nr. 805 ZDv 20/7 nach den „Richtlinien BMVg PSZ I 1 und den ergänzenden Durchführungsbestimmungen der Fü TSK/San“, hier nach der „Richtlinie für die Auswahl von Feldwebeln für die Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes“ des Bundesministeriums der Verteidigung PSZ I 1 Az.: 16-05-12/16 vom 23. Juli 2002 im Folgenden: Auswahlrichtlinie . Zur Konkretisierung des nach § 3 Abs. 1 SG sowie nach Nr. 1 der Auswahlrichtlinie maßgeblichen Ziels, die nach Eignung, Befähigung und Leistung für die Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes am besten geeigneten Bewerberinnen und Bewerber auszuwählen und zur Zulassung vorzuschlagen, bestimmt Nr. 18 der Auswahlrichtlinie im Rahmen der Auswahlkriterien folgende Bewertungsgrundlagen:

die letzte planmäßige Beurteilung als Feldwebel,

gegebenenfalls Sonderbeurteilung, die Laufbahnbeurteilung, das Ergebnis der Laufbahnprüfung zum Feldwebel/Bootsmann und ergänzende teilstreitkraft-/sanspezifische Kriterien (z.B. PFT, AEF, u.ä.).

23In der Fußnote Nr. 5 zu dem (dritten) Auswahlkriterium des Ergebnisses der Laufbahnprüfung ist festgelegt, dass das Verfahren für Soldatinnen und Soldaten, die mit dem Dienstgrad Feldwebel/Bootsmann eingestellt oder zum Feldwebel/Bootsmann befördert wurden, in Anlage 1 Nr. 4 gesondert geregelt ist.

24Nach Anlage 1 Nr. 4 können bei Soldatinnen und Soldaten, die mit dem Dienstgrad Feldwebel/Bootsmann eingestellt oder zum Feldwebel/Bootsmann befördert wurden, für die Reihung „nur“ die Kriterien 1 (letzte planmäßige Beurteilung/Sonderbeurteilung als Feldwebel) und 2 (Laufbahnbeurteilung), gegebenenfalls noch teilstreitkraft- bzw. sanspezifische Kriterien herangezogen werden, selbst wenn sie (d.h. diese Soldatinnen und Soldaten) im Rahmen ihrer Ergänzungsausbildung am Feldwebellehrgang (einschließlich Abschlussprüfung) teilgenommen haben. Für die Auswahl sind diese Soldatinnen und Soldaten unter Berücksichtigung weiterer Erkenntnisse „gesondert“ zu betrachten.

25Mit diesen Regelungen in Anlage 1 Nr. 4 i.V.m. Fußnote 5 zu Nr. 18 der Auswahlrichtlinie hat das Bundesministerium der Verteidigung eine Ermessensbindung hinsichtlich der Reihung und der Betrachtung in der Auswahl für die Soldatinnen und Soldaten vorgenommen, die nicht den regulären Werdegang in Gestalt einer Aufstiegslaufbahn für Unteroffiziere absolviert haben, sondern als „Seiteneinsteiger“ in die Bundeswehr eingetreten sind. Dieser Regelung liegt wie der Bundesminister der Verteidigung sowohl im Beschwerdebescheid als auch in der Vorlage an den Senat betont die Erwägung zugrunde, dass nicht alle „Seiteneinsteiger“ mit dem Dienstgrad Feldwebel den Feldwebellehrgang absolviert haben, weil die entsprechenden laufbahnrechtlichen Voraussetzungen bereits anderweitig nachgewiesen worden sind. An diese ermessensbindende Bestimmung ist der Bundesminister der Verteidigung bzw. die von ihm beauftragte personalbearbeitende Stelle bei der Auswahl der Bewerber für die Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes unter dem Aspekt des Art. 3 Abs. 1 GG gebunden.

26Die Entscheidung, die Antragstellerin für die angestrebte Laufbahn nicht zuzulassen, beruht auf einem Verstoß gegen das Gebot der „gesonderten“ Betrachtung der mit dem Dienstgrad Feldwebel/Bootsmann eingestellten oder zum Feldwebel/Bootsmann beförderten Soldatinnen und Soldaten.

27In dem angefochtenen Beschwerdebescheid nimmt der Bundesminister der Verteidigung ausdrücklich für sich in Anspruch, eine „gesonderte“ Betrachtung der Antragstellerin im Vergleich zu den anderen Laufbahnbewerbern durchgeführt zu haben. Er hat jedoch wie er selbst einräumt kein Verfahren festgelegt und auch keine (gemäß Art. 3 Abs. 1 GG bindende) ständige Verwaltungspraxis entwickelt, wie die in der Auswahlrichtlinie angeordnete „gesonderte“ Betrachtung erfolgen soll. Die Auswahlrichtlinie lässt nicht nur offen, in welcher Form das Prinzip der Bestenauslese bei der gesonderten Betrachtung der „Seiteneinsteiger“ zu verwirklichen ist. Sie lässt auch offen, mit welchem Anteil die Gruppe der gesondert betrachteten „Seiteneinsteiger“ oder mit welchem Rang der jeweilige Bewerber aus dieser Gruppe im Verhältnis zu den auf der Vorsortierungsliste platzierten „regulären“ Bewerbern bei der Zulassung im Rahmen des festgestellten Ergänzungsbedarfs zu berücksichtigen ist. Dies könnte z.B. in Gestalt einer gesonderten Quote für die „Seiteneinsteiger“ oder in Form einer Umrechnung der Ergebnisse der „Seiteneinsteiger“ auf die Ergebnisse der „regulären“ Bewerber mit Hilfe eines „Verzahnungsfaktors“ und anschließender Reihung aller Bewerber oder in anderer Weise geschehen. In Betracht kommt auch, die „Seiteneinsteiger“ mit erfolgreich absolviertem Feldwebel-Lehrgang gesondert von den Bewerbern ohne diese Ausbildung mit den „regulären“ Bewerbern zu vergleichen. Eine derartige Verfahrensregelung obliegt allerdings ausschließlich dem Bundesminister der Verteidigung als dem Träger des Ermessens; sie kann nicht vom Senat unterstellt oder ersetzt werden.

28Damit fehlt für den Bereich der „gesonderten“ Betrachtung der Bewerber nach Anlage 1 Nr. 4 der Auswahlrichtlinie eine nachvollziehbare schriftlich festgelegte oder ständig praktizierte Verfahrensgestaltung, die dem Senat eine tatsächlich wirksame Überprüfung der Auswahlentscheidung ermöglichen könnte (zu diesem Erfordernis verfahrensrechtlicher Regelungen oder Vorkehrungen bei Auswahlentscheidungen Beschluss vom 25. April 2007 BVerwG 1 WB 31.06 Buchholz 449 § 3 SG Nr. 41).

29Die Antragstellerin ist, wie teilweise auch schon im Bescheid des Personalamts ausgeführt, nicht ausschließlich mit als „Seiteneinsteiger“ in die Bundeswehr eingestellten Soldaten verglichen worden, sondern ohne erkennbare Differenzierung mit sämtlichen anderen Laufbahnbewerbern, darunter auch mit den Bewerbern, die (lediglich) im Wege der Umsetzung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes zugelassen wurden. Diese Handhabung der Auswahl und die folgende Auswahlentscheidung beruhen auf einem nicht nachvollziehbaren Verfahren, das der angeordneten „gesonderten“ Betrachtung widerspricht; sie leiden deshalb an einem Ermessensfehler.

Golze Dr. Frentz Dr. Langer
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