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Pressemitteilung
2 StR 150/08;
Verkündet am: 
 16.11.2008
BGH Bundesgerichtshof
 

Vorinstanzen:
2030 Js 18453/99
Landgericht
Koblenz;
Rechtskräftig: unbekannt!
Freispruch einer Mutter vom Vorwurf der Tötung ihrer Kinder aufgehoben
Das Landgericht Koblenz hat die Angeklagte vom Vorwurf des Mordes aus niedrigen Beweggründen in 2 Fällen und der gefährlichen Körperverletzung freigesprochen.

Die Staatsanwaltschaft hatte der heute 31-jährigen Angeklagten vorgeworfen, in den Jahren 1993 und 1996 zwei ihrer insgesamt 6 Kinder, nämlich den zur Tatzeit 14 Monate alten Alexander und den seinerzeit 8 Monate alten Leon, getötet zu haben. Alexander habe sie mit einem Kissen erstickt, da sie ihn als Belastung und Einschränkung in ihrer Lebensführung empfunden habe. Aus dem gleichen Grund habe sie 3 Jahre später ihrem Sohn Leon einen Finger so tief in den Rachenraum eingeführt, dass bei diesem die Sauerstoffzufuhr unterbrochen worden sei, er erbrochen und Erbrochenes eingeatmet habe. Hieran verstarb das Kind. Im Jahr 1999 habe die Angeklagte in der gleichen Weise einen Finger in den Rachenraum ihres damals knapp 2 Monate alten Sohns Justin eingeführt, wodurch es zu einer Unterbrechung der Sauerstoffversorgung und heftigem Erbrechen des Säuglings gekommen sei. Sie habe dann jedoch von ihrem Vorhaben abgelassen und einen Notarzt verständigt, wodurch das Kind gerettet werden konnte.

Das Landgericht hat die Angeklagte von diesen Vorwürfen freigesprochen, da es eine sichere Überzeugung vom Hergang der Taten und einer etwaigen Täterschaft der Angeklagten nicht zu gewinnen vermochte.

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hat der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofes das Urteil des Landgerichts aufgehoben, weil der Freispruch der sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht standhielt.

Die Ausführungen des Landgerichts sind den gesetzlichen Anforderungen an ein freisprechendes Urteil nicht gerecht geworden, weil sie keine ausreichenden Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen und zum Werdegang der Angeklagten enthielten. Solche Feststellungen sind aber auch bei freisprechenden Urteilen zu treffen, wenn sie für den Tatvorwurf eine Rolle spielen können und deshalb zur Überprüfung des Freispruchs durch das Revisionsgericht notwendig sind. So drängte es sich hier auf, dass der bisherige Lebensweg der Angeklagten, insbesondere mögliche Risikofaktoren in ihrer Entwicklung sowie ihre persönliche und familiäre Lebenssituation zu den jeweiligen Tatzeiten, von Bedeutung für den Tatvorwurf sein konnte.

Auch die Beweiswürdigung des Landgerichts als solche erwies sich als rechtsfehlerhaft, weil sie über verschiedene schwer wiegende Verdachtsmomente gegen die Angeklagte hinweg ging und weil das Landgericht es unterlassen hat, die einzelnen belastenden Gesichtspunkte nicht nur isoliert zu werten, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung aufzunehmen. So hat die Jugendkammer etwa eine belastende, von ihr aber als widersprüchlich erachtete Aussage eines Zeugen, der bekundet hatte, die Angeklagte habe ihm nach dem Tod des zweiten Kindes unter Tränen gestanden, das erste mit einem Kissen erstickt zu haben, nicht im Hinblick darauf gewürdigt, dass ein solcher Geschehensablauf mit den ärztlichen Befunden zur Todesursache vereinbar gewesen wäre. Auch hat das Landgericht sich mit Widersprüchen in den eigenen Angaben der Angeklagten zum Geschehensablauf beim Tod ihres zweiten Kindes nicht hinreichend auseinander gesetzt. Es hat schließlich in seine Würdigung auch nicht ausreichend einbezogen, dass mehrere im erstinstanzlichen Verfahren tätige Sachverständige Hinweise auf eine seelische Störung der Angeklagten im Sinne eines sog. "Münchhausen-by-proxy"-Syndroms ("Münchhausen-Stellvertreter"-Syndroms) festgestellt hatten, eine psychiatrische Erkrankung, bei der der Erkrankte – mehr oder weniger reflektierte – Tötungsversuche an einer anderen Person, etwa dem eigenen Kind, unternimmt oder sonst akut lebensbedrohliche Zustände herbeiführt, die sich nicht mit bekannten medizinischen Krankheitsbildern decken.

Der 2. Strafsenat hat die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine Jugendkammer des Landgerichts Mainz zurückverwiesen.
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