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Text des Beschlusses
BVerwG 2 WDB 1.08;
Verkündet am: 
 31.07.2008
BVerwG Bundesverwaltungsgericht
 

Rechtskräftig: unbekannt!
Disziplinarbeschwerde; Besetzung des Gerichts; ehrenamtliche Richter; dienstliche Meldung; Sorgfaltspflicht.
Leitsatz des Gerichts:
Über (weitere) Beschwerden nach § 42 Satz 1 WDO entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in der Besetzung mit ehrenamtlichen Richtern.

Zur Sorgfaltspflicht eines Offiziers bei der Abgabe dienstlicher Meldungen.
Gegen den Soldaten wurden wegen des Verdachts eines Dienstvergehens disziplinare Ermittlungen geführt. Der Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis stellte die Ermittlungen ein und sah von der Verhängung einer Disziplinarmaßnahme ab. Er stellte zugleich fest, dass der Soldat ein Dienstvergehen gemäß § 23 SG begangen habe, weil er unter den erschwerenden Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 SG die Wahrheitspflicht nach § 13 Abs. 1 SG verletzt habe, und missbilligte das Verhalten des Soldaten (§ 23 Abs. 3 Satz 2 WDO). Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus:

„Am 29. August 2005 meldeten Sie in K. auf entsprechende Aufforderung von Oberst K. vom 26. August 2005, einem Befehl des Abteilungsleiters Oberst i.G. Kr. nachzukommen und die von Ihnen diesem bereits am 25. August 2005 schriftlich übermittelte Vorlage betreffend die Darlegung der Notwendigkeit des Tagungsortes S. für eine geplante Arbeitstagung ‚BGV ...’ elektronisch zu übermitteln, wahrheitswidrig, dass Ihnen das Schriftstück nicht mehr auf Ihrem PC vorliege und Sie es nach Rücklauf der Vorlage von Ihrem PC gelöscht hätten. Tatsächlich war die betreffende, von Ihnen auf dem Dezernatslaufwerk bearbeitete Datei auf dem Dezernatslaufwerk abgelegt und somit auch auf Ihrem dienstlichen PC weiterhin verfügbar, was Sie zumindest hätten wissen können und müssen.“

Mit weiterem Bescheid hob der Stellvertreter des Generalinspekteurs und Inspekteur der Streitkräftebasis seine Verfügung insoweit auf, als er darin das Verhalten des Soldaten missbilligt hatte. Dadurch, dass der Bescheid erst 14 Tage nach Ablauf der sechsmonatigen Verhängungsfrist ausgehändigt worden sei, sei das Aussprechen einer Missbilligung zwischenzeitlich wegen Verjährung unzulässig geworden.

Aus den Gründen:
...

12Der als weitere Beschwerde auszulegende Rechtsbehelf des Soldaten hat keinen Erfolg.

131. Der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten ist eröffnet.

14Der Senat ist für die Entscheidung sachlich zuständig. Mit der vorliegenden weiteren Beschwerde wendet sich der Soldat gegen die Feststellung eines Dienstvergehens, die der Disziplinarvorgesetzte im Zusammenhang mit der Entscheidung getroffen hat, von einer Disziplinarmaßnahme abzusehen. Es handelt sich daher um eine Entscheidung nach § 36 Abs. 1 WDO, gegen die das Rechtsmittel der Beschwerde nach Maßgabe des § 42 WDO gegeben ist. Über eine weitere Beschwerde gegen Disziplinarmaßnahmen und sonstige Maßnahmen und Entscheidungen des Disziplinarvorgesetzten nach der Wehrdisziplinarordnung entscheidet nach § 42 Nr. 6 Satz 1 WDO das Truppendienstgericht, bzw., wenn wie hier der Bundesminister der Verteidigung über die Beschwerde entschieden hat, das Bundesverwaltungsgericht (§ 42 Nr. 6 Satz 2 WDO).

152. Die Entscheidung des Senats ergeht in der Besetzung mit ehrenamtlichen Richtern. Auf das Beschwerdeverfahren finden nach § 42 Satz 1 WDO die Vorschriften der Wehrbeschwerdeordnung Anwendung. Abschließende Sachentscheidungen werden im Wehrbeschwerdeverfahren in der Besetzung mit ehrenamtlichen Richtern getroffen (vgl. Böttcher/Dau, WBO, 4. Aufl. 1997, § 18 Rn. 7 und Einf. Rn. 102). § 80 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 WDO gilt, wie das Wort „Hauptverhandlung“ zeigt, nur für das gerichtliche Disziplinarverfahren und nicht für Wehrbeschwerdesachen und damit wegen der Regelung des § 42 Satz 1 WDO auch nicht für Beschwerdeverfahren nach § 42 WDO. Soweit dies dazu führt, dass der Senat in den Fällen des § 42 WDO, die regelmäßig einfache Disziplinarmaßnahmen und damit weniger schwerwiegende Dienstvergehen betreffen, mit der Besetzung von drei Richtern und zwei ehrenamtlichen Richtern entscheidet, während in Verfahren nach § 92 Abs. 4 i.V.m. § 42 Nr. 3 Satz 2 WDO, bei denen wegen der Schwere des Dienstvergehens zunächst die Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens in Betracht gezogen wurde, der Senat wegen der Vorschrift des § 80 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 WDO nur in der Besetzung mit drei Richtern entscheidet, ist diese Ungereimtheit als Folge der vom Gesetzgeber gewählten Konstruktion des § 42 WDO hinzunehmen.

16Der Senat entscheidet gemäß § 42 Satz 1 WDO i.V.m. § 18 Abs. 2 Satz 3 WBO durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung. Von einer mündlichen Verhandlung hat der Senat abgesehen, weil der Sachverhalt soweit entscheidungserheblich geklärt ist und den Verfahrensbeteiligten hinreichend Gelegenheit gegeben worden ist, ihre unterschiedlichen Rechtsauffassungen darzulegen und dazu wechselseitig Stellung zu nehmen. Davon haben sie auch Gebrauch gemacht.

173. Die weitere Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig.

18Sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht erhoben worden. ...

194. Die weitere Beschwerde ist aber unbegründet.

20Die Feststellung eines Dienstvergehens des Antragstellers durch den Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis ist rechtmäßig und verletzt den Soldaten nicht in seinen Rechten.

21a) Gemäß § 42 Nr. 6 Satz 3 i.V.m. Nr. 3 Satz 3 und 4 WDO unterliegt die angefochtene Maßnahme der gerichtlichen Überprüfung in vollem Umfang, also hinsichtlich der Rechtmäßigkeit sowie der Angemessenheit und der Zweckmäßigkeit der angefochtenen Maßnahme, allerdings mit der Maßgabe, dass die Disziplinarmaßnahme nicht verschärft werden darf (§ 42 Nr. 4 WDO). Danach muss das Gericht bei seiner Überprüfung die Voraussetzungen berücksichtigen, die der Disziplinarvorgesetzte bei der Durchführung seiner Maßnahme zu beachten hatte. Es muss nach pflichtgemäßer Prüfung und gegebenenfalls weiteren Ermittlungen von der Schuld des Soldaten überzeugt sein. Da hier keine Disziplinarmaßnahme verhängt wurde und die ausgesprochene Missbilligung durch den Bescheid vom 10. April 2006 ausdrücklich aufgehoben wurde, hat der Senat nur über die Frage zu entscheiden, ob der Stellvertreter des Generalinspekteurs und Inspekteur der Streitkräftebasis in dem Bescheid vom 21. Februar 2006 zu Recht festgestellt hat, dass der Soldat ein Dienstvergehen begangen hat.

22b) Der Senat hat auf Grund des Akteninhalts folgende tatsächliche Feststellungen getroffen:

23Der Soldat erstellte im Juli/August 2005 auftragsgemäß den Entwurf für den „Stabsbefehl für die Durchführung der zweiten Arbeitstagung zur Problematik BGV A 3 in Verbindung mit Schulungs- und Ausbildungsgerät“. Der Abteilungsleiter, Oberst i.G. Kr., erhielt diesen Befehlsentwurf in Papierform am 1. August 2005 zur Abzeichnung vorgelegt. Da er weder mit dem Inhalt des beigefügten Programms noch mit dem geplanten Tagungsort „.../S.“ einverstanden war, übergab er den mit Anmerkungen versehenen Entwurf persönlich Oberstleutnant B., der zu diesem Zeitpunkt den Gruppenleiter II der Abteilung vertrat, und befahl ihm, eine Vorlage zu erstellen, in der insbesondere zu begründen sei, weshalb die Veranstaltung an der ...schule in .../S. stattfinden müsse. Im Zuge einer Sachstandsanfrage am 8. August 2005 erhielt Oberst i.G. Kr. von Oberstleutnant B. die Antwort, dass der Soldat ihm die Notwendigkeit des Veranstaltungsortes ... mündlich erläutert habe und die entsprechende Vorlage erstellt werde. Die Vorlage ging bis zum 10. August 2005 nicht ein. Vom 11. bis 15. August 2005 war der Abteilungsleiter urlaubsbedingt abwesend. Am 11. August 2005 wurde der Befehlsentwurf in der ursprünglichen Fassung seinem Stellvertreter, Oberst W., erneut vorgelegt und von diesem abgezeichnet und weitergeleitet. Ob dem Entwurf die angeforderte Vorlage zur Wahl des Veranstaltungsortes in Papierform beigefügt war, konnte nicht mehr geklärt werden. Nach Schlusszeichnung des Befehls durch den Chef des Stabes des Streitkräfteunterstützungskommandos erhielt Oberst i.G. Kr. den Befehl am 23. August 2005 als Rückläufer. Daraufhin befahl er am 25. August 2005 dem Gruppenleiter II, Oberst Dr. K., ihm die entsprechende Vorlage zu bringen. Am 26. August 2005 wurde das vom Soldaten unterschriebene Schriftstück dem Abteilungsleiter vorgelegt. Gegen 10.40 Uhr des 26. August 2005 befahl dieser Dr. K. mündlich, ihm die Vorlage bis 12.00 Uhr am gleichen Tag in einer elektronischen Version übersenden zu lassen. Gegen 11.00 Uhr meldete Dr. K., dass er den Befehl an Oberstleutnant M. weitergegeben habe und sichergestellt sei, dass der Abteilungsleiter die Datei erhalte. Am Montag, dem 29. August 2005 um 7.55 Uhr, meldete Dr. K. dem Abteilungsleiter auf entsprechende Nachfrage per E-Mail, dass die elektronische Übersendung des Befehls dem Soldaten am Freitag, dem 26. August 2005, verzugslos befohlen worden sei. Dieser habe ihm aber heute, am 29. August 2005, mitgeteilt, dass das Dokument nicht mehr in elektronischer Form vorliege; er habe es nach Rücklauf der Vorlage von seinem PC gelöscht. Von Oberst i.G. Kr. veranlasste weitere Nachforschungen ergaben, dass sich die entsprechende Datei noch immer unter dem Namen „Vorlage Al.doc“ im Dezernatslaufwerk ..., auf das auch der Soldat zugreifen konnte, befand. Deswegen befahl der Abteilungsleiter gegen 9.30 Uhr Oberst Dr. K., ihm bis zum Dienstschluss eine dienstliche Erklärung des Soldaten zu dem Sachverhalt vorzulegen. Bei einer daraufhin auf Bitte des Soldaten erfolgten persönlichen Rücksprache wiederholte dieser gegenüber dem Abteilungsleiter seine Aussage, er habe die Datei nicht mehr.

24Nicht geklärt ist, ob der Soldat am 29. August 2005 gegenüber Oberst Dr. K. und gegenüber Oberst i.G. Kr. wie diese bekundet haben gemeldet hat, er habe die Datei auf seinem PC gelöscht, oder ob der Soldat wie er sich einlässt erklärt hat, er habe die Datei auf seinem PC nicht finden können und sich dies nur dadurch erklären könne, dass er die Datei nach Rücklauf der Vorlage gelöscht habe. Außerdem ist ungeklärt, ob sowie ggf. wann und von wem der Soldat, wie er vorträgt, aufgefordert wurde, auf seinem PC nach der Datei zu suchen. Einer Klärung dieser Fragen bedurfte es nicht, weil sie für die Entscheidung des Senats nicht erheblich sind.

25c) Die Verfügung vom 21. Februar 2006 ist formell rechtmäßig.

26aa) Gemäß § 32 Abs. 5 WDO war der Soldat vor der Feststellung des Dienstvergehens anzuhören, ob er etwas zu seiner Entlastung vorbringen wolle. Dem wurde durch die am 20. Februar 2006 durchgeführte und protokollierte Schlussanhörung des Soldaten durch einen Vertreter des Referats Fü S/RB im Bundesministerium der Verteidigung entsprochen. Die Vertrauensperson der Offiziere im Personalrat beim Streitkräfteunterstützungskommando (§ 52 Abs. 2 SBG) wurde am 27. Januar 2006 gem. § 27 Abs. 1 SBG angehört.

27bb) Der Feststellungsbescheid vom 21. Februar 2006 genügte auch den Anforderungen des § 37 Abs. 3 Satz 2 WDO. Danach sind im Tenor der Verfügung Zeit, Ort und Sachverhalt des Dienstvergehens anzugeben. Diese Bestimmung gilt ihrem Wortlaut nach zwar nur für Disziplinarverfügungen, muss aber für die Feststellung eines Dienstvergehens entsprechend angewendet werden. Sinn und Zweck des § 37 Abs. 3 WDO ist es sicherzustellen, dass die Disziplinarverfügung als Grundlage für spätere Beschwerdeentscheidungen die notwendigen Mindestangaben enthält, um eine hinreichende Nachprüfung zu ermöglichen. Der Soldat muss zudem deutlich erkennen können, weshalb er disziplinar gemaßregelt wurde, um aufgrund dieser Erkenntnis die Entscheidung treffen zu können, ob und wie er sich gegen die Disziplinarmaßnahme wenden soll (vgl. dazu Dau, WDO, 4. Aufl. 2002, § 37 Rn. 22). Etwas anderes kann auch nicht bei der Feststellung eines Dienstvergehens gelten. Auch hier muss der Soldat wissen, was ihm vorgeworfen wird und in welchem Umfang er sich dagegen verteidigen kann. Dies folgt schon daraus, dass eine derartige Maßnahme für den Soldaten länger andauernde negative Auswirkungen nach sich ziehen kann. Die Unterlagen über die Feststellung eines Dienstvergehens werden zu den Personalakten genommen, die gemäß § 8 Abs. 9 WDO erst nach Ablauf von 2 Jahren zu tilgen sind.

28Der Feststellungsbescheid vom 21. Februar 2006 in der Fassung vom 10. April 2006 entspricht den dargelegten Anforderungen des § 37 Abs. 3 Satz 2 WDO. Dem Soldaten wird darin vorgeworfen, er habe, nachdem ihm mündlich der Befehl des Oberst i.G. Kr. übermittelt worden war, eine Datei elektronisch zu übersenden, am 29. August 2005 in K. wahrheitswidrig gemeldet, dass er dies nicht könne, weil die Datei auf seinem Arbeitsplatzcomputer nicht mehr vorliege, da er sie nach Rücklauf der Vorlage gelöscht habe. Zwar war der Verfügung vom 21. Februar 2006 zunächst nicht eindeutig zu entnehmen, ob die Meldung gegenüber Oberst Dr. K. oder diejenige im Gespräch mit Oberst i.G. Kr. gemeint war. Ob diese Unklarheit im Hinblick darauf, dass der entscheidungserhebliche Inhalt der Meldung in beiden Fällen sowohl nach Aussage der beiden genannten Vorgesetzten als auch nach der Einlassung des Soldaten jeweils identisch gewesen sein soll, hier überhaupt erheblich gewesen wäre, kann dahinstehen. Denn jedenfalls ist der Vorwurf durch den Beschwerdebescheid vom 9. November 2007 dahin konkretisiert worden, dass die Meldung „Ihrem Abteilungsleiter gegenüber“, also die im persönlichen Gespräch mit Oberst i.G. Kr. erstattete, gemeint ist. Insgesamt ist demnach das Verhalten nach Ort, Zeit und Sachverhalt hinreichend bestimmt geschildert.

29d) Die Verfügung ist auch materiell rechtmäßig.

30Der Soldat hat ein Dienstvergehen gemäß § 23 i.V.m § 13 Abs. 1 SG unter der verschärfenden Wirkung des § 10 Abs. 1 SG begangen, da er einem Vorgesetzten wahrheitswidrig die Auskunft erteilte, die Datei „Vorlage Al.doc“ elektronisch nicht mehr vorlegen zu können. Objektiv ist der Tatbestand des § 13 Abs. 1 SG erfüllt. Die dienstliche Meldung des Soldaten, er könne die Datei „Vorlage Al.doc“ auf elektronischem Weg nicht vorlegen, entsprach nicht der Wahrheit, weil sich diese Datei am 29. August 2005 unbestritten auf dem Dezernatslaufwerk befand, auf das der Soldat von seinem Arbeitsplatzcomputer aus problemlos hätte zugreifen können. Dabei geht der Senat von der Einlassung des Soldaten aus, dass „an ihn die Anforderung weitergeleitet (wurde), dass (er) die Vorlage … in elektronischer Form vorlegen solle“. Damit wird die Angabe des Abteilungsleiters bestätigt, er habe befohlen, dass ihm die Vorlage in elektronischer Form vorgelegt werden sollte. Ausgehend von diesem Befehl entsprach die von dem Soldaten insoweit nicht bestrittene Meldung, er könne die Datei nicht elektronisch vorlegen, selbst dann objektiv nicht der Wahrheit, wenn der Soldat zur Begründung geäußert haben sollte, die Datei sei auf seinem PC nicht mehr vorhanden. Aus der Sicht eines verständigen Empfängers konnte die Meldung nämlich nur so verstanden werden, der Soldat habe überhaupt keinen Zugriff mehr auf die Datei; denn für die Befolgung des Befehls Übermittlung der Vorlage in elektronischer Form war es ersichtlich unerheblich, wo die Datei gespeichert war (auf der Festplatte des PC oder im Gruppenlaufwerk auf dem Server), solange der Befehlsempfänger nur Zugriff auf beide Laufwerke hatte. Die Möglichkeit des Zugriffs auf das Dezernatslaufwerk bestreitet der Soldat in seiner Einlassung nicht. Sein Einwand, „sowohl der Zeuge Kr. als auch der Zeuge K. (hatten selbst) unmittelbaren Zugriff auf das Dezernatslaufwerk“, rechtfertigt keine andere Beurteilung, weil es für den Inhalt eines Befehls ersichtlich nicht darauf ankommt, ob der Befehlsgeber in der Lage wäre, die befohlene Handlung auch selbst vorzunehmen.

31Im subjektiven Bereich kann dem Soldaten allerdings lediglich Fahrlässigkeit nachgewiesen werden. Vorsatz setzte voraus, dass der Soldat mit Wissen und Wollen handelte, also die Unwahrheit seiner Aussage zumindest billigend in Kauf genommen hätte. Für eine solche Annahme liegen keine ausreichenden Beweise vor. Dem Soldaten ist nicht zu widerlegen, dass er zum Zeitpunkt der Meldung davon ausging, nicht mehr über die geforderte Datei zu verfügen. Der insoweit zu Gunsten des Soldaten anzunehmende Irrtum kann ihn aber nicht von dem berechtigten Vorwurf der Fahrlässigkeit befreien (vgl. § 16 Abs. 1 Satz 2 StGB). Bei der für einen Offizier im Rang eines Hauptmanns gebotenen Sorgfalt bei der Ausführung von Befehlen hätte der Soldat, der seit mehreren Jahren in einer Abteilung einer höheren Kommandobehörde als Technischer Betriebsführungsoffizier eingesetzt und dementsprechend intensiv und umfangreich mit der Arbeit an einem Computer samt Netzwerk gewöhnt war, einerseits erkennen müssen, dass es für die Erledigung des Befehls nicht darauf ankommen konnte, wo die Datei gespeichert war, und andererseits auch im Dezernatslaufwerk nach der Datei suchen müssen, zumal er als Ersteller der Datei sie dort gespeichert haben musste. Hätte er sie nämlich (ausschließlich) auf der nur ihm zugänglichen Festplatte seines PC gespeichert, hätte kein anderer Zugriff auf die Datei gehabt und sie deswegen auch nicht auf das Dezernatslaufwerk „verschieben“ können. Im Übrigen ist weder vom Soldaten dargetan noch sonst ersichtlich, dass die Speicherung einer dienstlichen Datei (zumindest auch) im Dezernatslaufwerk besonders ungewöhnlich wäre. Im Gegenteil dürfte es gerade der Zweck des gemeinsamen Laufwerks sein, allen Angehörigen des Dezernats den Zugriff auf derartige Dateien zu ermöglichen. Ohne Bedeutung ist es deshalb, ob dem Soldaten neben dem Befehl zur elektronischen Übermittlung der Datei von welchem Vorgesetzten auch immer aufgegeben wurde, er solle die Datei auf seinem PC suchen. Denn jedenfalls konnte der Soldat ohne Verstoß gegen seine Sorgfaltspflicht nicht annehmen, der Abteilungsleiter wolle seinen Auftrag in diesem Sinne beschränkt wissen. Zumindest hätte der Soldat sich über die Richtigkeit dieser Auslegung des Befehls durch entsprechende Nachfrage vergewissern müssen.

32Nach alledem ist es auch nicht erheblich, ob der Soldat in seiner Meldung weiter wahrheitswidrig angegeben hat, er habe die Datei gelöscht, oder ob er insoweit nur eine (unzutreffende) Vermutung geäußert hat, zumal auch die fahrlässige Äußerung unzutreffender Vermutungen geeignet sein kann, bei dem Empfänger der Äußerung einen falschen Eindruck von den Geschehnissen hervorzurufen.

33Dahinstehen kann schließlich, ob die Ergebnisse der Durchsuchung des Arbeitsplatzcomputers des Soldaten deswegen einem Beweisverwertungsverbot unterliegen, weil das Truppendienstgericht Nord mit unanfechtbarem Beschluss vom 13. März 2008 entschieden hat, dass die am 1./2. September 2005 durchgeführte Durchsuchung des auf der Festplatte des Arbeitsplatzcomputers des Soldaten befindlichen Datenbestandes rechtswidrig war. Denn das Vorhandensein der Datei im Dezernatslaufwerk war bereits am 29. August 2005 und damit vor der Durchsuchung des Computers festgestellt worden und deswegen kein Ergebnis der rechtswidrigen Durchsuchung.

34Schuldausschließungs- oder Entschuldigungsgründe kommen ersichtlich nicht in Betracht. Darauf hat sich der Soldat auch nicht berufen.

35Da nach alledem ein schuldhafter Verstoß gegen eine Dienstpflicht und damit ein Dienstvergehen im Sinne des § 23 SG vorliegt, ist die weitere Beschwerde unbegründet, unbeschadet der Frage, ob dieser Pflichtenverstoß eine und ggf. welche Disziplinarmaßnahme gerechtfertigt hätte und unter welchen Umständen es dazu gekommen ist.

Golze Dr. Müller Dr. Deiseroth
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