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Text des Urteils
8 Sa 366/98;
Verkündet am:
30.11.1998
LAG Landesarbeitsgericht Erfurt
Vorinstanzen: 8 Ca 2833/97 Arbeitsgericht Erfurt; Rechtskräftig: unbekannt! Bietet ein Arbeitgeber der öffentlichen Hand allen infrage kommenden Arbeitnehmern zur Vermeidung von betriebsbedingten Kündigungen Änderungsverträge an, dann stellt die dadurch bewirkte erhebliche Verkleinerung ... Leitsatz des Gerichts: 1. Bietet ein Arbeitgeber der öffentlichen Hand allen infrage kommenden Arbeitnehmern (hier: Erzieherinnen in Kindertageseinrichtungen einer Großstadt) zur Vermeidung von betriebsbedingten Kündigungen Änderungsverträge mit erheblicher Reduzierung der Arbeitszeit unter Einräumung eines mehrjährigen Kündigungsschutzes an und nehmen eine große Anzahl von Arbeitnehmern dieses Angebot an, dann stellt die dadurch bewirkte erhebliche Verkleinerung der in die Sozialauswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer eine bloße Reflexwirkung dieser Unkündbarkeitsvereinbarungen und keine Umgehung des § 1 Abs. 3 KSchG mit der Folge der Nichtberücksichtigung dieser Vereinbarungen dar. 2. Beruft sich der bei der anschließenden Kündigungswelle aus betriebsbedingten Gründen entlassene Arbeitnehmer, der sich zu einer Vertragsänderung mit Herabsetzung der Arbeitszeit unter Gewährung von Kündigungsschutz nicht bereit erklärt hatte, darauf, die Änderungsverträge seien nur zu dem Zweck geschlossen worden, um ältere und länger beschäftigte Arbeitnehmer - angesichts des Ausschlusses von jüngeren und kürzer beschäftigten Arbeitnehmern aus der Sozialauswahl - entlassen zu können, trägt dieser Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass mit den Änderungsvereinbarungen gerade diese Absicht verfolgt wurde und dass das erklärte Ziel, nämlich Kündigungen zu vermeiden, nur vorgeschoben war. 1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 10.03.1998 - 8 Ca 2833/97 - wird kostenpflichtig als unbegründet zurückgewiesen. 2. Die Revision wird zugelassen. Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung, die gegenüber der seit 1986 als Erzieherin im Bereich der Kindertageseinrichtungen bei der beklagten Stadt bzw. ihrer Rechtsvorgängerin beschäftigten Klägerin am 26.06.1997 zum 31.12.1997 ausgesprochen wurde. Anlass für die Kündigung der Klägerin wie auch weiterer 86 Erzieherinnen aus Kindertageseinrichtungen der beklagten Stadt war der starke Rückgang der angemeldeten Kinder aus geburtenschwachen Jahrgängen für die Planungsphase 1997/98. Dieser Umstand hatte schon in den vergangenen Jahren mehrfach zu Massenkündigungen von Erzieherinnen in städtischen Kindertageseinrichtungen geführt. Zuvor hatte die Beklagte durch Tarifverträge mit kurzen Laufzeiten bzw. durch einzelvertragliche Abreden versucht, betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden oder auf das unvermeidbare Maß zu beschränken. So war mit Tarifvertrag vom 27.08.1996 die durchschnittliche regelmäßige Arbeitszeit i. S. des § 15 Abs. 1 BAT-O für die Zeit vom 01.10.1996 bis 28.02.1997 auf 32 Stunden gesenkt worden, wobei während der Laufzeit des Tarifvertrages die davon erfassten Erzieherinnen Schutz vor betriebsbedingten Kündigung genossen. Mit Tarifvertrag vom 03.02.1997 (Bl. 44 d. A.) wurde die gleiche Regelung mit Absenkung der Arbeitszeit und Kündigungsschutz auf den Zeitraum vom 01.03. - 31.05.1997 verlängert. In der Protokollerklärung Nr. 3 zu diesem Tarifvertrag heißt es, dass die Parteien sich darin einig seien, dass während der Laufzeit des Tarifvertrages verbindliche Teilzeitangebote unterbreitet und durch die Beschäftigten verbindliche Annahmeangebote gemacht würden. Mit Tarifvertrag vom 28.04.1997 (Bl. 42 d. A.) wurde die regelmäßige Arbeitszeit für den Zeitraum 01.07.1997 - 28.02.1998 auf 32 Stunden für die Erzieherinnen abgesenkt, die am 01.07.1997 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis standen; für den gleichen Zeitraum wurde in § 3 des Tarifvertrages Schutz gegenüber betriebsbedingten Kündigung vereinbart. Mit Stadtratsbeschluss vom 18.12.1996 (Bl. 28 d. A.) wurde der Bedarfsplan Tageseinrichtungen für Kinder 1997 II/1998 I bestätigt, der u. a. die Schließung von 10 Kindertagesstätten zum Schuljahresbeginn 1997/98 vorsah. Der Oberbürgermeister wurde mit der Umsetzung aller sich aus dem Bedarfsplan ergebenden Maßnahmen und Konsequenzen beauftragt. Im Stellenplan vom 21.01.1997 betreffend das pädagogische Personal in Kindertages-einrichtungen (Auszug Bl. 39 d. A.), der durch Haushaltssatzung vom Stadtrat beschlossen und durch den Stellenzuweisungsplan (Bl. 85 d. A.) ergänzt wurde, wurden von den 712 Planstellen 417 Stellen ohne Kw-Vermerk aufgeführt und 88 Stellen mit Kw-Vermerk 3/97, 172 Stellen mit Kw-Vermerk 9/97 und 35 Stellen mit undatiertem Kw-Vermerk versehen. Mit Schreiben vom 06.01.1997 (Bl. 217 d. A.) wurden alle Mitarbeiter/innen der Stadtverwaltung gefragt, ob sie ggf. mit einer einzelvertraglichen Reduzierung der Arbeitszeit auf 30 Stunden oder 20 Stunden einverstanden wären, wobei bei Teilzeitarbeit von 30 Wochenstunden ein Kündigungsschutz von drei Jahren und bei Teilzeitarbeit von 20 Stunden ein Kündigungsschutz von fünf Jahren in Aussicht gestellt wurde. Die Klägerin bestätigte am 21.01.1997 unverbindlich ein Interesse an einer Arbeitszeitverkürzung auf 30 Wochenstunden. Unter Bezugnahme auf den Tarifvertrag vom 03.02.1997 und auf die Anfrage vom 06.01.1997 wurde allen Erzieherinnen mit Schreiben vom 18.02.1997 (Bl. 46 d. A.) mitgeteilt, dass sich die Mehrzahl aller Erzieherinnen für 30 Wochenstunden entschieden hätten und dass dies aber zur Reduzierung des Personalüberhangs nicht ausreiche. Die Erzieherinnen wurden aufgefordert, durch Ausfüllung eines beigefügten Antrages verbindlich und fristgerecht ihre Bereitschaft zu einer Arbeitsreduzierung auf 20 Stunden mit einem Beschäftigungsschutz von fünf Jahren zu erklären. Die Klägerin füllte diesen Antrag nicht aus. Mit 318 Erzieherinnen und sechs Leiterinnen konnte die Stadt eine entsprechende Vereinbarung einschließlich eines fünfjährigen Schutzes gegen betriebsbedingte Kündigungen treffen (vgl. Liste Bl. 51 f d. A.). Unter Berücksichtigung der tariflichen und arbeitsvertraglichen Arbeitszeitverkürzung ergab die Berechnung der Beklagten einen Personalüberhang von 75,35 Vollbeschäftigteneinheiten (VbE). Unter Berücksichtigung einer Sozialauswahl nach Punkten, wobei pro Lebensalter ab dem 21. Lebensjahr ein Punkt, für jedes volle Jahr der anerkannten Beschäftigungszeit ein weiterer Punkt und je Unterhaltsverpflichtung sieben Punkte vergeben wurden, wurden sämtliche Erzieherinnen - mit Ausnahme der oben erwähnten 318 Erzieherinnen mit Kündigungsschutz - in eine Sozialauswahlliste mit den jeweils von ihnen erreichten Sozialpunkten aufgenommen (vgl. Bl. 65 f d. A.). Alle 95 Erzieherinnen bis zu einer Gesamtpunktzahl von 55 - gekennzeichnet durch Punkte der Liste - sollten gekündigt werden. Nach Abschluss von acht Aufhebungsverträgen und einer angezeigten Schwangerschaft wurden dann nach Anhörung des Personalrates 86 Kündigungen ausgesprochen. Davon betroffen war auch die Klägerin, die 29 Sozialpunkte erhalten hatte und bei der sich in einem abschließenden Sozialgespräch keine weiteren zu berücksichtigenden oder abweichenden Kriterien für eine besondere Schutzbedürftigkeit ergeben hatten (vgl. Aktenvermerk vom 23.04.1997 Bl. 64 d. A.). Wegen des erstinstanzlichen Parteivortrages, wegen der gestellten Anträge und wegen der richterlichen Feststellungen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils gem. § 543 Abs. 1 ZPO Bezug genommen. Das Arbeitsgericht Erfurt hat die Klage mit Urteil vom 10.03.1998 aus den aus den Entscheidungsgründen (Bl. 161 - 167 d. A.) ersichtlichen Gründen abgewiesen. Gegen dieses ihrem Prozessbevollmächtigten am 21.04.1998 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 14.05.1998, am 20.05.1998 beim Berufungsgericht einging, Berufung eingelegt und die Berufung mit dem am gleichen Tag eingegangenen Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 22.07.1998 begründet, nachdem die Berufungsbegründungsfrist mit Verfügung des Vorsitzenden vom 22.06.1998 bis zum 22.07.1998 verlängert worden war. Sie wendet sich nicht gegen die von der Beklagten zur Begründung der Betriebsbedingtheit der Kündigung vorgetragenen Umstände und rügt auch nicht die korrekte Handhabung der Personalratsanhörung, sondern erhebt nur Einwendungen gegen die von der Beklagten durchgeführte Sozialauswahl, ohne allerdings das auf der Grundlage eines Punktesystems und eines Abschlussgespräches durchgeführte grundlegende System der Sozialauswahl anzugreifen. Die Klägerin rügt einmal, dass die Beklagte nicht alle Erzieherinnen in eine Sozialauswahl einbezogen habe, sondern die 318 Erzieherinnen, die auf Grund ihrer Bereitschaft zur Arbeitszeitverkürzung Kündigungsschutz erhielten, außen vorgelassen habe. Dabei behauptet sie, sie hätte auch eine Änderungskündigung mit Reduzierung der Arbeitszeit auf 20 Stunden und einem fünfjährigen Kündigungsschutz unter Vorbehalt angenommen, wenn ihr in den Schreiben vom 06.01.1997 und 18.02.1997 deutlich gemacht worden wäre, dass anderenfalls eine Beendigungskündigung ausgesprochen würde. Dies wäre im Übrigen auch die einzig richtige Vorgehensweise gewesen, um insgesamt bei sämtlichen Erzieherinnen die Arbeitszeit zu reduzieren. Darüber hinaus könnte sie sich gegenüber der Kollegin I., wenn diese trotz Kündigungsschutz in die Sozialauswahl einbezogen worden wäre, darauf berufen, dass sie als ausgebildete Kraft leistungsstärker sei und das objektive betriebliche Interesse ihrer Weiterbeschäftigung und nicht die von Frau I. erfordere. Die Beklagte hätte auch Frau S., die zwar älter sei, aber eine kürzere Beschäftigungsdauer und keine Unterhaltspflichten aufweise vorrangig entlassen müssen; es werde mit Nichtwissen bestritten, dass sie im Kündigungszeitpunkt als Ersatzmitglied des Personalrates unkündbar gewesen sei. Und letztlich hätte die Beklagte auch die Erzieherinnen M. B., I. B., S. K., C. M. und S. W. vorrangig entlassen müssen, weil allesamt sozial stärker seien. Dass sie sich im Kündigungszeitpunkt im Erziehungsurlaub befunden hätten und damit unkündbar gewesen seien, hätte kein Hinderungsgrund sein dürfen, weil sie bis Ende Juli oder August 1997 ihren Erziehungsurlaub beendet hätten und angesichts der kurzen Beschäftigungszeit bis zum Austrittsdatum am 31.12.1997 jedenfalls noch hätten entlassen werden können. Der Beklagten sei also ein Abwarten mit dem Ausspruch der Kündigung von ca. vier bis acht Wochen zumutbar gewesen. Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils: 1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung vom 26.06.1997 nicht aufgelöst worden ist, sondern fortbesteht. 2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin über den 31.12.1997 hinaus zu unveränderten Bedingungen auf demselben Arbeitsplatz weiterzubeschäftigen. Die Beklagte beantragt: Die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 10.03.1998 zurückzuweisen. Sie verteidigt unter Eingehens auf den Berufungsvortrag die tragenden Gründe der angefochtenen Entscheidung und weist insbesondere darauf hin, dass die Klägerin wie alle anderen betroffenen Erzieherinnen genau gewusst habe, dass eine Kündigung drohe, falls sie nicht ihre Bereitschaft zur Arbeitszeitreduzierung erkläre und dass mit der vertraglichen Vereinbarung eines Kündigungsschutzes keinerlei Missbrauchsabsichten verbunden gewesen seien, weil sämtliche Betroffenen dieses Angebot erhalten hätten und es nur darum gegangen sei, betriebsbedingte Kündigungen möglichst zu vermeiden. Frau I. sei wegen ihrer längeren Beschäftigungszeit und des höheren Lebensalters sowie der Unterhaltsverpflichtung für zwei Kinder sozial schwächer als die Klägerin. Frau S. habe im Jahr 1997 mehrfach an Personalratssitzungen teilgenommen, weil reguläre Mitglieder des Personalrats zeitweilig wegen Krankheit und Urlaub gehindert gewesen seien. Sie sei älter und länger beschäftigt als die Klägerin und ebenso einem Kind unterhaltspflichtig und damit sozial schwächer. Von den im Erziehungsurlaub befindlichen Arbeitnehmerinnen seien die Mitarbeiterinnen B., B., M., W. und K. sozial schutzwürdiger als die Klägerin; die Mitarbeiterin B. sei zwar sozial stärker, hätte aber wegen ihrer Unkündbarkeit nicht in die Sozialauswahl einbezogen werden dürfen. Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt der beiderseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Die nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete und damit insgesamt zulässige Berufung ist nicht begründet, weil das Arbeitsgericht die Klage zu Recht abgewiesen hat. Die gegenüber der Klägerin ausgesprochene Kündigung ist nach § 1 KSchG, dessen Anwendungsvoraussetzungen vorliegen, sozial gerechtfertigt, weil dringende betriebliche Erfordernisse ihrer Weiterbeschäftigung entgegenstehen und weil auch gegen die Gesetzmäßigkeit der durchgeführten Sozialauswahl keine Einwände erhoben werden können. Im Einzelnen gilt Folgendes: 1. Stelleneinsparungen in einem Haushaltsplan einer Körperschaft des öffentlichen Rechtes - etwa zur Anpassung an einen Personalschlüssel oder an einen tatsächlichen Personalbedarf - können eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen. Werden etwa in einem zur Haushaltssatzung gehörenden Stellenplan bestimmte, nach sachlichen Merkmalen festgelegte Stellen in der Verwaltung gestrichen oder mit einem datierten Kw-Vermerk versehen, ist darin grundsätzlich ein betriebliches Erfordernis i. S. des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG zu sehen (vgl. BAG, Urteil vom 03.05.1978, 4 AZR 698/76, EzA § 1 KSchG, Betriebsbedingte Kündigung 8; BAG, Urteil vom 06.09.1978, 4 AZR 84/77, EzA § 1 KSchG, Betriebsbedingte Kündigung 9). Eine derartige Entscheidung ist von den Gerichten für Arbeitssachen - vorbehaltlich einer Missbrauchskontrolle - grundsätzlich als gegeben hinzunehmen. Voraussetzung ist aber, dass sich der Haushaltsgesetzgeber oder im kommunalen Bereich der Stadtrat mit den Verhältnissen der konkreten Stelle in dem Sinne befasst hat, dass die innerbetriebliche Entscheidung für den Wegfall der konkreten Stellen damit abschließen getroffen wurde, was nicht der Fall ist, wenn die Verwaltung erst noch zwischen verschiedenen Möglichkeiten einer Umsetzung des Kw-Vermerks mit unterschiedlichen Auswirkungen auf die Dienststellen entscheiden muss (vgl. BAG, Urteil vom 19.03.1998, 8 AZR 626/96, EzA Art. 20 EV, Entsch. 62 als Revisionsentscheidung zu dem Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 13.08.1996, 5 Sa 210/94, LAGE § 1 KSchG, Betriebsbedingte Kündigung, Entsch. 39). Diese Voraussetzungen liegen hier vor, da der Stadtrat der Beklagten sowohl den Bedarfsplan 1997/98 für die städtischen Kindertageseinrichtungen, der den in den einzelnen Einrichtungen ganz konkret bestehenden Bedarf an Erzieherinnen berechnet, bestätigt wie auch den Stellenplan vom 21.01.1997 im Rahmen der Verabschiedung des Haushaltsplanes beschlossen hat, der unter Berücksichtigung des in Bezug genommenen Stellenverteilungsplans eine ganz konkrete Aufteilung der verbleibenden Stellen auf die einzelnen Tageseinrichtungen festgeschrieben hat. Der Verwaltung wurde durch diese konkrete Festlegung kein Entscheidungsspielraum mehr eingeräumt, dass und welche organisatorischen Maßnahmen bzgl. der einzelnen Tageseinrichtungen noch ergriffen werden sollten. Die angefochtene Kündigung vollzieht auf der Grundlage der bestehenden kommunalrechtlichen Verpflichtung diesen Stadtratsbeschluss. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass vor oder nach Ausspruch der angegriffenen Kündigung einzelne Arbeitnehmerinnen, aus welchen Gründen auch immer, bei der Beklagten ausgeschieden sind oder wegen angezeigter Schwangerschaften oder wegen vertraglichen Kündigungsschutzes von der Kündigung ausgenommen wurden. Die Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung wäre nur dann in Betracht zu ziehen, wenn die Beklagte über das vom Stadtrat beschlossene Maß hinaus gekündigt hätte (so zu Recht Sächsisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 17.12.1997, 2 Sa 777/97 n. v.). Dies ist hier aber nicht der Fall. Auf Grund der bindenden Vorgaben durch den Stadtratsbeschluss mit seinen konkreten Stellenstreichungen kommt es auf den tatsächlichen Arbeitskräftebedarf nicht an. Die von der Beklagten durchgeführte Personalbedarfsplanung kann deshalb nicht etwa auf ihre Richtigkeit hin überprüft werden. Das Gericht hat sich insoweit unter Berücksichtigung der Darlegungen der Klägerin auf eine Missbrauchskontrolle zu beschränken, wobei es ihr oblegen hätte, im Einzelnen darzulegen, dass der Stadtratsbeschluss auf einer willkürlichen und rechtsmissbräuchlich fehlerhaften Bedarfsrechnung beruhte. Solchen Vortrag hat die Klägerin aber offensichtlich mit Absicht - zumindest in der Berufungsinstanz - unterlassen und im Gegenteil die von der Beklagten zur Begründung der Betriebsbedingtheit vorgetragenen Tatsachen keine Einwände mehr erhoben. 2. Es ist auch nicht nachvollziehbar, weshalb die Kündigung deshalb unwirksam sein sollte, weil die Beklagte gegenüber der Klägerin keine Änderungskündigung mit Herabsetzung der Arbeitszeit um die Hälfte ausgesprochen hat und ihr die drohende Beendigungskündigung nicht deutlich angekündigt hat. Zum einen ist die Beklagte rechtlich nicht verpflichtet, zur Vermeidung von Beendigungskündigungen die Arbeitszeit aller Arbeitnehmer durch den Ausspruch von Änderungskündigungen auf Dauer zu verkürzen. Dies wäre ein Eingriff in die durch § 2 KSchG geschützte Rechtsposition der anderen Arbeitnehmer. Dazu ist der Arbeitgeber genauso wenig gehalten wie etwa dazu, anstelle mehreren Änderungskündigungen eine geringere Anzahl von Beendigungskündigungen vorzunehmen (vgl. BAG, Urteil vom 19.05.1993, EzA § 1 KSchG, Betriebsbedingte Kündigung, Entsch. 73; KR-Etzel, 5. Aufl., § 1 KSchG Rz 547 m. w. N.). Zum anderen hatte es die Klägerin gerade versäumt, das Angebot der Beklagten auf Reduzierung der Arbeitszeit unter Einräumung von Kündigungsschutz verbindlich anzunehmen. Sie hatte durch diese Handlungsweise gegenüber der Beklagten deutlich gemacht, dass sie nicht bereit sei, eine solche Änderung der Arbeitszeit ohne Widerspruch hinzunehmen, so daß die Beklagte nicht gehalten war, ihr das gleiche Angebot nochmals im Rahmen einer entsprechenden Änderungskündigung zu machen und somit Gefahr zu laufen, in eine gerichtliche Auseinandersetzung über die soziale Rechtfertigung dieser Änderung der Arbeitszeit zu geraten. Unter dem dargelegten Gesichtspunkt, dass der Arbeitgeber nicht verpflichtet ist zur Vermeidung von Beendigungskündigungen eine größere Anzahl von Änderungskündigungen mit Reduzierung der Arbeitszeit auszusprechen, kann die Klägerin auch nicht aus diesem Aspekt die Unwirksamkeit der ihr gegenüber ausgesprochenen Beendigungskündigung in Zweifel ziehen. Und drittens musste die Klägerin aus den einschneidenden tariflichen Herabsetzungen der Arbeitszeit über längere Zeiträume, aus dem unverbindlichen Anschreiben vom 06.01.1997, aus dem mehreren Kündigungswellen der letzten Jahre im Erziehungsbereich der Beklagten sowie aus der Fassung des Schreibens vom 18.02.1997 mit dem Hinweis auf den trotz aller Maßnahmen weiter drohenden Personalüberhang und auf die Förmlichkeit und Verbindlichkeit des Antrags den Eindruck gewinnen, dass erneut betriebsbedingte Kündigungen unmittelbar bevorstünden, wenn sich nicht eine ausreichende Anzahl von Arbeitnehmerinnen zu einer Reduzierung der Arbeitszeit auf 20 Stunden entscheiden würden. Die Ernstlichkeit der Situation hätte sich von Seiten der Klägerin bei etwaigen Zweifeln auch ganz einfach durch die angebotenen Rückfragen bei Mitarbeitern des Personalamtes und des Jugendamtes sowie im Rahmen der Beratungsveranstaltung des Jugendamtsleiters klären lassen. Die Klägerin hat diese Chance zur Vermeidung der Kündigung offensichtlich ganz bewusst in Kenntnis ihres Risikos und der etwaigen Folgen eines Arbeitsplatzverlustes nicht wahrgenommen. 3. Die von der Beklagten durchgeführte Sozialauswahl ist dem Grundsatz nach nicht zu beanstanden. Sie hat sich eines Punkteschemas bedient, in dem die Wertigkeit jedes Kriteriums, d. h. der Betriebszugehörigkeit, des Lebensalters und der Unterhaltspflicht, festgelegt und angemessen berücksichtigt wurde. Eine Berücksichtigung weiterer sozialer Gesichtspunkte ist nach der Neufassung des § 1 Abs. 3 KSchG ab 01.10.1996 nicht mehr erforderlich, so daß eine individuelle Abschlussprüfung der Auswahl entbehrlich ist. Solche Punkteschemata können deshalb vom Arbeitgeber zur abschließenden Ermittlung der sozialen Schutzwürdigkeit der Arbeitnehmer herangezogen werden (vgl. KR-Etzel, a. a. O., Rz 700). Angesichts des Vortrags der Beklagten wird allerdings darauf hingewiesen, dass vorliegend keine Auswahlrichtlinie i. S. des § 1 Abs. 4 S. 1 KSchG in Frage steht, weil keine schriftliche Dienstvereinbarung als eine dem § 95 BetrVG "entsprechende Richtlinie" vorliegt (vgl. Fischermeier, NZA 97, 1095; KR-Etzel, a. a. O., Rz 725). Der - jedenfalls behauptete - nicht rechtzeitig eingelegte Widerspruch des Personalrats gegen die Absicht der Beklagten, ein verbindliche Auswahlrichtlinie für die Kündigungen der Erzieherinnen festzulegen, vermag eine schriftliche Dienstvereinbarung i. S. des § 72 Abs. 1 ThürPersVG nicht zu ersetzen. 4. Zu beanstanden ist auch nicht, dass die Beklagte die Erzieherinnen, die vertraglichen Kündigungsschutz genossen, nicht in die Sozialauswahl einbezogen hat. Auf Grund der Vertragsfreiheit bestehen zunächst einmal keine Bedenken dagegen, dass der Arbeitgeber mit einzelnen Arbeitnehmern eine Vereinbarung trifft, dass auf Dauer oder für einen bestimmten Zeitraum eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung ausgeschlossen ist. Für eine solche Vereinbarung im Einzelfall mag es vielfältige Gründe, wie Sicherung der sozialen Situation des Arbeitnehmers, Bindung einer wertvollen Fachkraft an das Unternehmen etc. geben. Ein derart geschützter Arbeitnehmer kann in eine Sozialauswahl im Rahmen einer beabsichtigten betriebsbedingten Kündigung schlechterdings keine Berücksichtigung finden, da es einen unlösbaren Wertungswiderspruch darstellen würde, wenn der Arbeitgeber vom Gericht darauf hingewiesen würde, er müsste statt des konkret gekündigten Arbeitnehmers einen sozial stärkeren anderen Arbeitnehmer kündigen, dieser andere Arbeitnehmer aber auf Grund des vertraglich eingeräumten Kündigungsschutzes gar nicht mit ordentlicher Frist kündbar, sondern allenfalls außerordentlich kündbar ist. Solche einzelvertraglichen Kündigungsschutzvereinbarungen richten sich in aller Regel auch nicht andere Arbeitnehmer und wollen deren Kündigungsschutz nicht beschränken. Sollte im Einzelfall eine solche Vereinbarung gerade mit dem Ziel getroffen worden sein, den betreffenden Arbeitnehmer von der Sozialauswahl auszunehmen, könnte sie wegen Umgehung des § 1 Abs. 3 KSchG als unwirksam angesehen werden (vgl. Sächsischen Landesarbeitsgericht, Urteil vom 28.03.1996, 6 Sa 1026/95, LAGE § 1 KSchG, Soziale Auswahl 18). Die gleichen Grundsätze müssen nach ganzherrschender Meinung, der sich das Berufungsgericht anschließt, auch dann gelten, wenn bei bevorstehenden Massenentlassungen vom Arbeitgeber versucht wird, Entlassungen dadurch zu vermeiden, dass alle sich zu Arbeitszeitkürzungen bereit erklären und als Gegenleistung für diese Bereitschaft und für die damit verbundenen zum Teil ganz erheblichen finanziellen Opfer einen mehrjährigen Kündigungsschutz erhalten. Dies muss ganz besonders dann gelten, wenn - wie hier - solche Vereinbarungen in einer Protokollerklärung zu einem Tarifvertrag ausdrücklich vorgesehen sind, weil nämlich dann davon ausgegangen werden kann, dass die Tarifvertragsparteien die Bedeutung und die Tragweite einer solchen Vereinbarung erkannt und gegenüber den Nachteilen für andere Arbeitnehmer abgewogen haben. Dabei wird keineswegs verkannt, dass die Reflexwirkungen solcher Vereinbarungen dazu führen, dass sich einerseits der Kreis der von der Kündigung bedrohten und der in die Sozialauswahl einzubeziehenden Mitarbeiter ggf. ganz erheblich einschränkt und dass andererseits das Risiko der außenstehenden Mitarbeiter, von einer betriebsbedingten Kündigung durch eben diese eingeschränkte Sozialauswahl betroffen zu werden, erheblich vergrößert. Diese Reflexwirkung muss aber wegen des beabsichtigten Zweckes solcher Vereinbarungen, nämlich möglichst viele betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden, in Kauf genommen werden. Dieses Ziel ist nämlich in einem sich sozialen Grundsätzen verpflichtet fühlenden Gemeinwesen vorrangig und hat etwa in den das gesamte Kündigungsrecht beherrschenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie auch etwa in § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB III seine konkrete Ausprägung gefunden. Soweit betriebsbedingte Kündigungen vermieden werden können, sollen sie vermieden werden (vgl. zu allem KR-Etzel, a. a. O., Rz 679, 680; Pauly, Arbeit und Recht 97, 94; Bram in: Bader-Bram-Dörner-Wenzel, KSchG § 1, Rz 319; Ascheid in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 1 KSchG, Rz 514; Stahlhacke-Preis, Kündigungen und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 6. Aufl., Rz 662; Dorndorf in: Dorndorf-Weller-Hauck, KSchG § 1, Rz 1055; RGRK-Weller, Vor § 620 BGB, Rz 228; Schwerdtner in: Münchner Kommentar zum Arbeitsrecht, Vor § 620 BGB, Rz 520; Kittner-Trittin, Kündigungsschutzrecht, 3. Aufl., § 1 KSchG, Rz 445 f). Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte diese Vereinbarungen aus einem rechtlich zu missbilligenden Grund, etwa zur Umgehung der Grundsätze der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG, geschlossen hat, sind von der Klägerin weder vorgetragen noch ersichtlich. 5. Unabhängig davon, dass die Klägerin sozial stärker als die von ihr benannte Frau I. ist, kann sie sich nicht darauf berufen, dass sie als voll ausgeführte Kraft leistungsstärker als diese Mitarbeiterin sei und deshalb gem. § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG nicht in die Sozialauswahl einzubeziehen sei, weil nämlich ihre Weiterbeschäftigung im berechtigten betrieblichen Interesse liege. Arbeitnehmer können sich nämlich nicht auf dieses allein dem Arbeitgeber zustehende Recht berufen, denen keine entsprechende Verpflichtung des Arbeitgebers entspricht. Der Arbeitgeber ist also nicht verpflichtet, Arbeitnehmer, die besonders qualifiziert sind, nicht in die soziale Auswahl einzubeziehen (KR-Etzel, a. a. O., Rz 645; Ascheid, a. a. O., Rz 554; Dorndorf, a. a. O., Rz 1100; Bram, a. a. O., Rz 322 b; Pauly, MDR 97, 513 f, 516). 6. Die von der Klägerin weiter benannte Frau S. hat im Kündigungszeitpunkt wegen ihrer Teilnahme an Betriebsratssitzungen im Jahr 1997 vor Ausspruch der Kündigung nach § 15 Abs. 2 KSchG nachwirkenden absoluten Kündigungsschutz und war deshalb nicht in die Sozialauswahl einzubeziehen (vgl. KR-Etzel, a. a. O., Rz 678). Da die Beklagte behauptet, Frau S. sei entsprechend den mitgeteilten Sozialdaten sozial schwächer als die Klägerin, hätte es im Übrigen dieser gem. § 1 Abs. 3 S. 3 KSchG oblegen, die Tatsachen zu behaupten und zu beweisen, die die durchgeführte Sozialauswahl aus diesem Grund als Fehlerhaft erscheinen ließen. 7. Die im Kündigungszeitpunkt in Erziehungsurlaub befindlichen Arbeitnehmerinnen hatten Kündigungsschutz nach § 18 BErzGG. Arbeitnehmer, deren Kündigung von der Zustimmung einer Behörde abhängt, sind in die Sozialauswahl nur einzubeziehen, wenn die Zustimmung erteilt ist und bis zum Ausspruch der Kündigung vorliegt (einhellige Meinung, vgl. Ascheid, a. a. O., Rz 511, 526). Liegt die Zustimmung nicht vor, scheiden sie als vergleichbare Arbeitnehmer aus; der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, die Zustimmung einzuholen (KR-Etzel, a. a. O., Rz 678 m. w. N.; Hueck-von Hoyningen-Huene, KSchG, 12. Aufl., § 1 Rz 454; Dorndorf, a. a. O., Rz 1053). Entscheidend ist aber der Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung. Der Arbeitgeber ist nicht etwa verpflichtet, mit dem Ausspruch der Kündigung zuzuwarten, bis der Kündigungsschutz der betroffenen Arbeitnehmer nicht mehr besteht. Dies muss schon deshalb gelten, weil bei einem weiteren Hinausschieben der Kündigung unter Umständen wieder andere Arbeitnehmer besonderen Kündigungsschutz genießen würden, die dann zu Lasten der Klägerin erneut und ebenfalls nicht in die Sozialauswahl einzubeziehen wären. In diesem Falle wieder abzuwarten, bis der besondere Kündigungsschutz dieser Arbeitnehmer nicht mehr bestünde, könnte für den Arbeitgeber bedeuten, die Kündigung auf unabsehbare Zeit nicht aussprechen zu können. Dies erscheint nicht angängig. Da also nach alledem die gegenüber der Klägerin ausgesprochene Kündigung sozial gerechtfertigt ist, hat sie zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf der Kündigungsfrist geführt. Das Arbeitsgericht hat die Klage also zu Recht abgewiesen; die Berufung ist demnach als unbegründet zurückzuweisen. Die Klägerin hat als unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§ 91 ZPO). Wegen grundsätzlicher Bedeutung hat die Berufungskammer die Revision zugelassen. ----------------------------------------------------- Die von uns erfassten Urteile wurden oft anders formatiert als das Original. Dies bedeutet, daß Absätze eingefügt und Hervorhebungen durch fett-/kursiv-/&farbig-machen sowie Unterstreichungen vorgenommen wurden. Dies soll verdeutlichen, aber keinesfalls natürlich den Sinn verändern.Wenn Sie vorsichtshalber zusätzlich die Originalversion sehen möchten, hier ist der Link zur Quelle (kein Link? Dann ist dieser Link nicht in unserer DB gespeichert, z.B. weil das Urteil vor Frühjahr 2009 gespeichert worden ist). |