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Text des Beschlusses
BVerwG 1 WB 24.08;
Verkündet am:
30.09.2008
BVerwG Bundesverwaltungsgericht
Rechtskräftig: unbekannt! Aussagegenehmigung; Strafantrag; Rechtsschutzbedürfnis. Leitsatz des Gerichts: Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung, mit dem die Verpflichtung zur Erteilung einer Aussagegenehmigung nach § 62 Abs. 3 BBG angestrebt wird, setzt voraus, dass der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an der Genehmigungserteilung darlegt. Der Antragsteller ist Berufssoldat. Er sieht sich durch den Inhalt einer gegen einen anderen Soldaten erhobenen Dienstaufsichtsbeschwerde in seiner Ehre verletzt. Seinen Antrag auf Erteilung einer Aussagegenehmigung, um gegen den Verfasser der Dienstaufsichtsbeschwerde Strafantrag wegen Beleidigung stellen zu können, lehnte das Bundesministerium der Verteidigung ab. Gegen den hierauf vom Antragsteller eingelegten Antrag auf gerichtliche Entscheidung wandte der Bundesminister der Verteidigung (unter anderem) ein, dem Antragsteller fehle für den Antrag das Rechtsschutzbedürfnis, weil er nicht Adressat der Dienstaufsichtsbeschwerde sei. Das Bundesverwaltungsgericht hat den Antrag als unzulässig verworfen. Aus den Gründen: ... 15Für das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers ist der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten eröffnet (vgl. Beschluss vom 3. Oktober 1974 - BVerwG 1 WB 1.74 - BVerwGE 46, 303 <305> = NZWehrr 1975, 104). Gemäß § 21 Abs. 1 WBO ist das Bundesverwaltungsgericht sachlich zuständig, weil die Aussagegenehmigung durch den - hierzu allein befugten (§ 14 Abs. 2 Satz 3 SG, § 62 Abs. 4 BBG) - Bundesminister der Verteidigung versagt worden ist. 16Der Streit um die Erteilung einer Aussagegenehmigung für einen Soldaten betrifft eine anfechtbare dienstliche Maßnahme im Sinne des § 17 Abs. 3 WBO. Der Antragsteller hat insoweit eine Verletzung seiner Rechte bzw. eine Verletzung von Pflichten eines Vorgesetzten ihm gegenüber geltend gemacht, die im Zweiten Unterabschnitt des Ersten Abschnitts des Soldatengesetzes (mit Ausnahme der §§ 24, 25, 30 und 31) geregelt sind (§ 17 Abs. 1 Satz 1 WBO i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO), nämlich eine Verletzung seines Anspruchs darauf, dass ihm die Genehmigung zur Aussage in eigener Sache vor Strafverfolgungsbehörden und Gerichten nur unter den gesetzlichen Voraussetzungen versagt werden darf (§ 14 Abs. 2 Satz 3 SG i.V.m. § 62 Abs. 1, Abs. 3 BBG; vgl. hierzu auch Beschluss vom 3. Oktober 1974 a.a.O.; Walz/Eichen/Sohm, SG, 2006, § 14 Rn. 19). ... 18Der Antrag ist aber unzulässig, weil dem Antragsteller das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlt. 19Für die gerichtlich angestrebte Verpflichtung zur Erteilung einer Aussagegenehmigung nach § 62 BBG ist ein Rechtsschutzbedürfnis erforderlich (Zängl, in: GKÖD, Bd. I, Stand: August 2008, K § 62 Rn. 39; Urteil vom 2. Dezember 1969 - BVerwG 6 C 138.67 - BVerwGE 34, 252 <255>, vgl. ferner VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29. Mai 1989 - 4 S 2862/88 - juris Rn. 27). Es kann offenbleiben, ob das Rechtsschutzbedürfnis im Rahmen des - hier allein in Betracht kommenden - § 62 Abs. 3 BBG schon dann abzulehnen ist, wenn die vom jeweiligen Antragsteller beabsichtigte Rechts- oder Strafverfolgung, für die die Aussagegenehmigung rechtliche Bedeutung als Mittel zum Zweck hat, von vornherein und offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat (so ausdrücklich für ein Privatklageverfahren VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29. Mai 1989 a.a.O.). Jedenfalls fehlt das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, wenn der jeweilige Antragsteller nicht darlegt, dass und inwiefern er ein für ihn persönlich rechtlich geschütztes Interesse an der Erteilung einer Aussagegenehmigung hat. Dazu gehören in einem Verfahren, das - wie im vorliegenden Fall - nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 BBG der Wahrnehmung der „berechtigten Interessen“ des Antragstellers dienen soll, nähere Ausführungen zum Inhalt dieser berechtigten Interessen. Diese Voraussetzungen erfüllt das Vorbringen des Antragstellers nicht. 20Der Antragsteller trägt zwar - unter Hinweis auf den Inhalt der Dienstaufsichtsbeschwerde vom 13. September 2007 - vor, gegen Herrn Dr. V. Strafantrag wegen Beleidigung (§§ 185 ff. StGB) stellen zu wollen, macht aber seine dafür notwendige persönliche Betroffenheit nicht geltend. Der Strafantrag ist für alle Beleidigungstatbestände des 14. Abschnitts (§§ 185 bis 189 StGB) eine erforderliche Prozessvoraussetzung (Fischer, StGB, 55. Aufl. 2008, § 194 Rn. 2). Strafantragsberechtigt ist gemäß § 77 StGB zunächst nur der von der Tat Verletzte (vgl. dazu Fischer, a.a.O. § 77 Rn. 2). Dabei kommt es für die Wirksamkeit der Strafantragstellung zwar weder darauf an, ob tatsächlich eine Straftat vorliegt, noch darauf, dass der Antragsteller die Tat rechtlich richtig bewertet oder sie konkret beschreibt. Der Verfolgungswille muss sich aber auf eine bestimmte Tat im Sinne der §§ 155, 264 StPO beziehen, also auf einen geschichtlichen Vorgang, in dem die Erfüllung eines gegen den Verletzten gerichteten, bestimmten Tatbestandes zu erblicken ist. Entscheidend ist aus diesem Grund der äußere Befund, der ohne Rücksicht auf die Willensrichtung des Täters den Verdacht einer rechtsgutverletzenden Handlung, mithin eines Eingriffs in die Rechtssphäre des Antragstellers begründet (vgl. Jähnke, in: Leipziger Kommentar, StGB, Bd. 3, 12. Aufl. 2008, § 77 Rn. 18). 21Die - zumindest in Grundzügen zu leistende - Darlegung eines möglichen Eingriffs in seine individuelle Rechtssphäre und damit die Erläuterung seiner berechtigten Interessen hat der Antragsteller unterlassen. Dazu ergibt sich auch nichts aus dem Inhalt der vorgelegten Akten. Nach dem Wortlaut der Dienstaufsichtsbeschwerde richten sich alle Vorwürfe des Herrn Dr. V. ausdrücklich und ausschließlich gegen Stabsfeldwebel Vi. und nicht gegen den Antragsteller. Der Antragsteller wird lediglich beiläufig als Gesprächsteilnehmer erwähnt, dabei aber weder direkt noch indirekt für die Äußerungen des Stabsfeldwebels Vi. verantwortlich gemacht. Das Schreiben der Frau V. vom 6. Oktober 2007 und ihre „Schilderung der Zwischenfälle“ beim Gespräch am 4. September 2007 betreffen ebenfalls ausnahmslos Stabsfeldwebel Vi. ... 22Ein rechtlich geschütztes Interesse des Antragstellers folgt auch nicht aus der von ihm angedeuteten Möglichkeit, für einen Dritten (hier für Stabsfeldwebel Vi.) tätig werden zu müssen. Soweit der Antragsteller ausführt, sein Rechtsschutzbedürfnis ergebe sich aus § 194 Abs. 3 StGB, verkennt er, dass das Strafantragsrecht des Disziplinarvorgesetzten eines von einer Beleidigung betroffenen Soldaten (§ 194 Abs. 3 Satz 1 StGB i.V.m § 77a Abs. 2 Satz 2 StGB) maßgeblich auf dem Verfolgungsinteresse der Behörde beruht. Dieses Interesse der Behörde tritt zusätzlich neben ein Verfolgungsinteresse des verletzten Amtsträgers oder Soldaten (vgl. die gesetzliche Formulierung „auch“; ebenso: Fischer, a.a.O. § 194 Rn. 5 m.w.N.). Die Wahrnehmung des Strafantragsrechts durch den Disziplinarvorgesetzten knüpft damit ausschließlich an dessen Funktion als Interessensachwalter im Auftrag der Behörde an, verleiht ihm aber kein subjektives Recht. § 194 Abs. 3 Satz 1 StGB begründet daher für den Antragsteller kein individuell geschütztes rechtliches Interesse. Golze Dr. Frentz Dr. Langer ----------------------------------------------------- Die von uns erfassten Urteile wurden oft anders formatiert als das Original. Dies bedeutet, daß Absätze eingefügt und Hervorhebungen durch fett-/kursiv-/&farbig-machen sowie Unterstreichungen vorgenommen wurden. Dies soll verdeutlichen, aber keinesfalls natürlich den Sinn verändern.Wenn Sie vorsichtshalber zusätzlich die Originalversion sehen möchten, hier ist der Link zur Quelle (kein Link? Dann ist dieser Link nicht in unserer DB gespeichert, z.B. weil das Urteil vor Frühjahr 2009 gespeichert worden ist). |