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Text des Beschlusses
X ZR 153/04;
Verkündet am:
28.07.2009
BGH Bundesgerichtshof
Vorinstanzen: 4 Ni 17/03 (EU) Bundespatentgericht ; Rechtskräftig: unbekannt! Bei Bestimmung des Werts des Patentnichtigkeitsverfahrens ist Klagesumme einer bezifferten Patentverletzungsschadensersatzklage regelmäßig in voller Höhe zu berücksichtigen Titelauswahl: Franz-Anton Plitt, Chisinau - Internet entrepreneurLeitsatz des Gerichts: GKG § 51 Abs. 1 Bei der Bestimmung des Werts des Patentnichtigkeitsverfahrens ist die Klage-summe einer bezifferten Patentverletzungsschadensersatzklage regelmäßig in voller Höhe zu berücksichtigen. Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Juli 2009 durch den Vorsitzenden Richter Scharen sowie die Richter Asendorf, Gröning, Dr. Berger und Dr. Grabinskibeschlossen: Der Wert des Gegenstands des Nichtigkeitsberufungsverfahrens wird auf 30.000.000 € festgesetzt. 1 I. Die Beklagte hat wegen Verletzung des Streitpatents Klage erhoben, die u.a. eine auf 32.672.592 € bezifferte Schadensersatzforderung zum Gegen-stand hat. Der Verletzungsprozess ist mit Blick auf das inzwischen abgeschlos-sene Nichtigkeitsverfahren ausgesetzt worden. Der Senat hat den Parteien Ge-legenheit zur Stellungnahme zur Wertfestsetzung gegeben. 2 Die Klägerin hält lediglich den Wert von 2.500.000 € für angemessen, den auch das Bundespatentgericht erstinstanzlich festgesetzt hat. Sie macht geltend, von der Schadensersatzforderung der Beklagten seien schon deshalb erhebliche Abstriche zu machen, weil das Oberlandesgericht im Verletzungs-verfahren zu Unrecht eine unmittelbare Patentverletzung anstatt der allenfalls vorliegenden mittelbaren angenommen habe, wobei zudem 80 % der Lieferungen in das Ausland erfolgt seien und insoweit keine schadensbegründende Handlung vorliege. Des Weiteren habe die Beklagte ihrer Schadensberechnung auch nicht berücksichtigungsfähige Umsätze zugrunde gelegt und dort in gro-ßem Umfang nicht erstattungsfähige Positionen eingestellt, insbesondere Kos-ten für Entwicklung/Konstruktion sowie Herstellung und Vertrieb. Der Gewinn der Klägerin reduziere sich schon deshalb auf unter 12.500.000 €. Dieser Ge-winn stehe aber nicht in vollem Umfang in ursächlichem Zusammenhang mit der ihr vorgeworfenen Patentverletzung, sondern schätzungsweise nur in Höhe von 10 %, so dass der Verletzergewinn sogar deutlich unter dem erstinstanzlich festgesetzten Streitwert liege. 3 Die Beklagte regt an, den Streitwert auf 2.500.000 € festzusetzen. Zwar sei nach den Grundsätzen der bisherigen Rechtsprechung auch ein Streitwert in der Größenordnung des Betrags der Schadensersatzklage gut vertretbar, jedoch müsse auch mit Blick auf den Popularklagencharakter des Patentnich-tigkeitsverfahrens vermieden werden, dass von der Wertfestsetzung eine prohi-bitive Wirkung ausgehe. 4 II. Das Prozessgericht hat den Wert für die zu erhebenden Gebühren festzusetzen, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht (§ 63 Abs. 2 Satz 1 GKG). Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt, nachdem das Nichtigkeitsberufungsverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist. 5 Der Wert des Gegenstands des Nichtigkeitsverfahrens ist nach § 51 GKG nach billigem Ermessen zu bestimmen. Nach der ständigen Rechtspre-chung des Senats sind dafür im Allgemeinen der Betrag der bis dahin entstan-denen Schadensersatzforderungen und der gemeine Wert des Patents bei Er-hebung der Klage bzw. bei Einlegung der Berufung maßgeblich (Sen.Beschl. v. 11.10.1956 - I ZR 28/55, GRUR 1957, 79; vgl. auch Beschl. v. 17.12.1963 - I ZR 146/59, Mitt. 1963, 60 und Beschl. v. 7.11.2006 - X ZR 138/04, GRUR 2007, 175 - Sachverständigenentschädigung IV). 6 Ist zu diesem Zeitpunkt über die streitige Höhe des wegen Verletzung des Streitpatents bereits entstandenen Schadens noch keine abschließende gerichtliche Entscheidung ergangen, entspricht es regelmäßig billigem Ermessen, den bezifferten Betrag der Schadensersatzforderung in voller Höhe in die Wertbestimmung einzustellen. Gegenstand des Verfahrens zur Wertfestsetzung im Rahmen eines im Allgemeininteresse liegenden Verfahrens auf Nichtigerklä-rung eines Patents ist nicht die gegebenenfalls im Wege gesetzlich zulässiger Schätzung vorzunehmende Ermittlung der durch die unerlaubte Benutzung der patentierten Lehre entstandenen Schadensersatzansprüche. Das ist den Ver-letzungsgerichten im Rahmen eines Patentverletzungsprozesses vorbehalten. Dementsprechend gehen auch beide Parteien in ihren Stellungnahmen zu der Frage des Streitwerts für das Nichtigkeitsberufungsverfahren übereinstimmend davon aus, dass es nicht Aufgabe des Senats ist, zum Zwecke der Wertfestset-zung eine konkrete Schadensermittlung vorzunehmen. Dann aber ist Klage-summe der bezifferten Schadensersatzforderung regelmäßig der insoweit ein-zige substanzielle Anhaltspunkt für die Wertbestimmung. Der Wert der Klage-forderung erlaubt - abgesehen davon, dass der Zahlbetrag das betragsmäßige Interesse des Beklagten an der Schadensersatzklage darstellt - objektiv, von einem mindestens entsprechenden Interesse des Klägers auszugehen, weil mit der erstrebten Vernichtung des Streitpatents der Patentverletzungsklage die Grundlage entzogen werden soll. Angesichts dessen wäre jede von dem mittels Klage bezifferten Schadensersatzbetrag abweichende Festlegung einer bereits entstandenen Schadensersatzforderung im Rahmen der Streitwertbestimmung regelmäßig ohne sachlichen Bezug. 7 Es ist nicht ersichtlich und auch nicht dargetan, dass hier ausnahmswei-se eine andere Wertung geboten sein könnte. Das Argument der Klägerin, an-gesichts der geltend gemachten Mängel der Berechnung der eingeklagten Schadensersatzforderung durch die Beklagte könne und werde der Schadener-satzprozess bei weitem nicht zu dem beantragten Verurteilungsbetrag führen, betrifft lediglich die Frage der Berechtigung der Schadensersatzforderung, die nach dem Vorgesagten ausschließlich im Patentverletzungsprozess zu klären ist. Auch der erhobene Vorwurf, die Beklagte habe einen völlig unrealistischen "Phantasiewert" eingeklagt, kann daher nicht als berechtigt erkannt werden. Angesichts der Vorschusspflichten, die der eingeklagte außerordentlich hohe Betrag für die Beklagte mit sich gebracht hat, kann abgesehen davon jedenfalls hier nicht angenommen werden, dass die Beklagte sich von Beweggründen hat leiten lassen, die auch im Streitwertfestsetzungsverfahren keine Beachtung ver-dienen. 8 In Anbetracht der Regelung in § 144 PatG, § 51 Abs. 2 GKG erfordert schließlich eine andere Entscheidung auch nicht der in der Stellungnahme der Beklagten anklingende Gesichtspunkt, wenn der Streitwert für das Nichtigkeits-verfahren unter Berücksichtigung des vollen Betrags einer hohen Schadenser-satzklage festgesetzt werde, könne womöglich das verfassungsmäßige Recht auf Zugang zu den Gerichten betroffen sein. Durch die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit, auf gesonderten Antrag gegebenenfalls nach einem herabgesetz-ten Streitwert (Teilstreitwert) eine gerichtliche Entscheidung über den Bestand eines Patents zu erlangen, ist gewährleistet, nicht wegen eines auf Grund einer bezifferten Schadensersatzklage festzusetzenden Streitwerts und der deshalb drohenden Kosten von der Nichtigkeitsklage Abstand nehmen zu müssen, die als Reaktion auf die Patentverletzungsklage für geboten erachtet wird. 9 Da die Klagesumme im Verletzungsprozess vorliegend über 32.000.000 € beträgt, ist allerdings die - bereits zur maßgeblichen Zeit der Ein-legung des Rechtsmittels (§ 40 GKG) geltende - Kappungsgrenze von 30.000.000 € (§ 39 Abs. 2 GKG a.F.) zu berücksichtigen. Deshalb ist der Wert des Nichtigkeitsberufungsverfahrens in dieser Höhe festzusetzen. Auf den an sich additiv zu berücksichtigenden gemeinen Wert des Streitpatents in der Zeit von der Berufungseinlegung bis zum Ablauf der Schutzdauer kommt es danach nicht mehr an. Scharen Asendorf Gröning Berger Grabinski ----------------------------------------------------- Die von uns erfassten Urteile wurden oft anders formatiert als das Original. Dies bedeutet, daß Absätze eingefügt und Hervorhebungen durch fett-/kursiv-/&farbig-machen sowie Unterstreichungen vorgenommen wurden. Dies soll verdeutlichen, aber keinesfalls natürlich den Sinn verändern.Wenn Sie vorsichtshalber zusätzlich die Originalversion sehen möchten, hier ist der Link zur Quelle (kein Link? Dann ist dieser Link nicht in unserer DB gespeichert, z.B. weil das Urteil vor Frühjahr 2009 gespeichert worden ist). |