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Text des Urteils
4 U 805/08;
Verkündet am:
23.12.2009
OLG Oberlandesgericht Jena
Vorinstanzen: 10 O 529/07 Landgericht Erfurt; Rechtskräftig: unbekannt! Zur Haftung eines Veterinärmediziners bei übersehener Zwillingsträchtigkeit (einer Stute) Titelauswahl: Franz-Anton Plitt, Chisinau - Internet entrepreneurLeitsatz des Gerichts: 1. Auch im Tierarzthaftungsprozess sind nur maßvolle Anforderungen an den Klägervortrag zu stellen, so weit ein Behandlungsfehler (des Tierarztes) behauptet wird. Dabei reicht es aus, wenn der Kläger – unter Verweis auf ein Privatgutachten – plausibel darlegt, dass – wie hier bei der Trächtigkeitsuntersuchung einer Stute – der Ausschluss einer (unerwünschten) Zwillingsträchtigkeit bei einer positiven Trächtigkeitsuntersuchung stets vorzunehmen ist und damit zu einer „lege artis“ durchgeführten Trächtigkeitsuntersuchung gehört. 2. Ist danach festzuhalten, dass das Nichterkennen der Zwillingsträchtigkeit gegen den gesicherten Standard des (einfachen) Veterinärmediziners verstoßen kann und kommt es für das Schadensmanagement entscheidend auf die möglichst frühzeitige (zutreffende) Diagnose an, so ist diese Frage entscheidungserheblich und muss folglich durch Einholung eines veterinärmedizinischen Fachgutachtens abgeklärt werden. 3. Bei Unterlassen dieser (notwendigen) Beweiserhebung fehlt der (die Klage abweisenden) Sachentscheidung die Entscheidungsreife, was auf entsprechenden Antrag (nach § 538 Abs. 2 ZPO) zur Aufhebung und Zurückverweisung des Rechtsstreits an die Ausgangsinstanz führen kann. In dem Rechtsstreit S. M. - Kläger und Berufungskläger - Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte gegen Dr. med. vet. T. R. - Beklagter und Berufungsbeklagter - Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Bach, hat der 4. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Müller, Richterin am Oberlandesgericht Friebertshäuser und Richter am Landgericht Gollnick aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 09.12.2009 für Recht erkannt: Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 19.09.2008 – Az.: 10 O 529/07 – aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens werden niedergeschlagen; im Übrigen bleibt die Kostenentscheidung dem Landgericht vorbehalten. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Kläger nimmt den Beklagten wegen (streitiger) tierärztlicher Fehlbehandlung im Zusammenhang mit Trächtigkeitsuntersuchungen bei einer Stute auf Schadensersatz in Anspruch. Der Kläger ließ seine im März 1990 geborene Stute „Inka“ in der Woche vom 24. zum 30.05.2005 durch den Hengst „Dream Rubin“ decken. Im Auftrag des Klägers und dessen Lebensgefährtin – der Miteigentümerin und Zeugin M. K. – führte der als niedergelassener Tierarzt praktizierende Beklagte am 18.06.2005 eine sonographische Trächtigkeitsuntersuchung durch. Hierbei stellte er fest, dass die Stute tragend war. Am 12.10.2005 stellten der Kläger und die Zeugin Keith die Stute erneut vor; der Beklagte stellte die fortbestehende Trächtigkeit fest. Am 18.03.2006 kam es zur (verfrühten) Geburt von zwei toten Fohlen. Die Zwillingsträchtigkeit war bis zur Geburt nicht festgestellt worden. Der Kläger, der sich alle etwaigen Ansprüche von der Zeugin K. hat abtreten lassen, nimmt nun den Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch; und zwar auf 5.000,-- € für das „entgangene“ Fohlen des Jahres 2006 sowie auf weitere 388,50 € wegen der Kosten der komplizierten Fehlgeburt und des Abtransports der toten Fohlen (vgl. hierzu die der Klage beigefügten Tierarzt- und Entsorgungsrechnungen, Bd. I, Bl. 15f.). Vor dem Hintergrund, dass mit einer Zwillingsgravidität beim Pferd das hohe Risiko eines Aborts oder – wie hier – der Frühgeburt nicht überlebensfähiger Fohlen verbunden ist, hat der Kläger in der ersten Instanz als Behandlungsfehler gerügt, dass der Beklagte die Zwillingsträchtigkeit weder bei der Untersuchung vom 18.06.2005 noch vom 12.10.2005 erkannt hat. Wegen dieses Fehlers sei die – nicht erkannte – risikobehaftete Zwillingsträchtigkeit nicht auf eine Einlingsträchtigkeit reduziert bzw. kein Trächtigkeitsabbruch eingeleitet worden; und zwar mit der Folge, dass die Geburt eines lebenden (gesunden) Fohlens für das Jahr 2006 verhindert worden sei. Selbst im Falle eines (vollständigen) Trächtigkeitsabbruchs wäre es hierzu gekommen; eine – durch das gezahlte Deckgeld abgegoltene – Nachbesamung der Stute wäre noch im Jahr 2005 möglich gewesen. Hilfsweise hat der Kläger als schadenskausalen Behandlungsfehler gerügt, dass der Beklagte im März 2006 den Transport der hochträchtigen Stute über mehrere Hundert Kilometer im Ergebnis einer (klinischen) Untersuchung des Tieres als problem- und gefahrlos eingestuft habe; hiermit habe der Beklagte die (Hilfs-)Ursache für die Todgeburten gesetzt. Ferner hat der Kläger auch die – tatsächlich auch eine Behandlungsrüge darstellende – Aufklärungsrüge erhoben. Der Beklagte habe es bei der Erstuntersuchung am 18.06.2005 unterlassen, auf eine – zum sicheren Ausschluss einer Zwillingsträchtigkeit erforderliche – zweite Trächtigkeitsuntersuchung zwischen dem 40. und 50. Trächtigkeitstag (im Juli/ August 2005) hinzuweisen; eine solche Zweituntersuchung sei dann notwendig, wenn eine sichere Aussage am 18. bis 21. Tag post ovulationem (noch) nicht möglich sei. Der Beklagte hat den Rat zum Transport der hochträchtigten Stute bestritten; er habe im Gegenteil hiervon abgeraten. Über die Notwendigkeit einer (frühzeitigen) zweiten Trächtigkeitsuntersuchung zwischen dem 40. und (spätestens) 60. Trächtigkeitstag habe er ausführlich belehrt. Gegen den Vorwurf der (fehlerhaft) nicht erkannten Zwillingsträchtigkeit hat er sich damit verteidigt, dass im Frühstadium der Trächtigkeit ein zweifelsfreier Ausschluss oder die Bestätigung einer Zwillingsträchtigkeit nicht möglich sei; das Nichterkennen der Zwillingsträchtigkeit bei der Erstuntersuchung am 18.06.2005 sei daher nicht sorgfaltswidrig gewesen. Gleiches habe für die Zweituntersuchung am 12.10.2005 zu gelten. Hier sei die Trächtigkeit zu weit fortgeschritten gewesen, um Feststellungen zu einer Zwillingsträchtigkeit zu treffen. Dem Kläger sei im Übrigen aus dem (vermeintlichen) Behandlungs- und Aufklärungsfehler aber auch kein Schaden erwachsen. Die Reduktion auf eine Einlingsträchtigkeit sei ein wegen der hohen Gefahr des Verlustes beider Fohlen äußerst riskanter Eingriff. Sie sei zudem auch nur im Frühstadium der Trächtigkeit möglich und hätte sich daher hier nach der Zweituntersuchung vom 12.10.2005 verboten. Im Ergebnis wäre es damit lediglich möglich gewesen, einen (vollständigen) Abort einzuleiten, um eine neue Bedeckungschance zu erhalten. Auch bei einem frühzeitigen Trächtigkeitsabbruch wäre ein erneutes Decken noch in der Decksaison 2005 aber nicht mehr möglich gewesen. Wegen der in der ersten Instanz gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Das Landgericht hat die Klage ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens abgewiesen; und zwar mit der Begründung, im Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme (Vernehmung der Zeugin Keith und Anhörung des Klägers sowie des Beklagten) davon überzeugt zu sein, dass der Beklagte über eine zum Ausschluss bzw. Nachweis einer Zwillingsträchtigkeit erforderliche Untersuchung zwischen dem 40. und 50. Trächtigkeitstag aufgeklärt und diese empfohlen habe. Dieser (tier-)ärztlichen Empfehlung seien der Kläger und die Zeugin K. nicht gefolgt. Habe der Kläger daher den behaupteten Aufklärungsfehler nicht bewiesen, sei der Frage des Behandlungsfehlers nicht weiter nachzugehen gewesen; die Einholung des vom Kläger beantragten Sachverständigengutachtens habe unterbleiben können. Betreffend die Erstuntersuchung vom 18.06.2005 habe der Kläger den Vorwurf des Behandlungsfehlers (alternativ) darauf gestützt, dass der Beklagte die Zwillingsträchtigkeit sorgfaltswidrig nicht erkannt oder auf das Erfordernis der weiteren Untersuchung nicht hingewiesen habe. Dieser Hinweis sei aber – wie die Beweisaufnahme ergeben habe – tatsächlich erfolgt. Ob dem Beklagten für den 12.10.2005 ein Behandlungsfehler vorzuwerfen sei, könne deshalb offen bleiben, weil der Kläger selbst vorgetragen habe, dass die Schadensursache – der unterbliebene Trächtigkeitsabbruch oder die unterbliebene Reduktion auf eine Einlingsträchtigkeit – zeitlich früher - nämlich im Juli/August 2005 – liege. Im Übrigen seien dem Kläger und der Zeugin K. ein ganz erhebliches Mitverschulden anzulasten, da sie dem Rat des Beklagten zur weiteren Untersuchung zwischen dem 40. und 50. Trächtigkeitstag nicht gefolgt seien. Das Mitverschulden führe dazu, dass mit der Folge jedenfalls nicht von einem groben Behandlungsfehler auszugehen sei, dass der Kläger den Nachweis der Schadenskausalität führen müsse. Dieser Nachweis, dass bei anderem Verlauf der Dinge im Jahr 2006 ein einzelnes gesundes Fohlen zur Welt gekommen wäre, könne ihm nicht gelingen. Gegen das seiner Prozessbevollmächtigten am 23.09.2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 08.10.2008 Berufung eingelegt und diese am 05.11.2008 begründet. Zentraler Berufungsangriff ist der Vorwurf der unvollständig gebliebenen bzw. falschen Tatsachenfeststellung. Das Landgericht habe den unter Sachverständigenbeweis gestellten Klägervortrag übergangen, dass die Zwillingsträchtigkeit schon bei der Erstuntersuchung am 18.06.2005 hätte erkannt werden können und müssen. Bereits dieser Behandlungsfehler allein führe zur Haftung des Beklagten, da er – was die Berufungsbegründung mit einem tierärztlichen Gutachten aus einem anderen Prozess (Bd. I Bl. 191 ff.) vortragsmäßig untermauert – als „grob fahrlässige Sorgfaltspflichtverletzung“ zu werten sei. Aber nicht nur der Klägervortrag sei fehlinterpretiert bzw. übergangen worden. Indem es eine hinreichende Aufklärung angenommen habe, habe das Landgericht (verfahrensfehlerhaft und unzulässig) auch mehr in den Beklagtenvortrag hineininterpretiert als tatsächlich vorgebracht worden sei. Seiner Aufklärungspflicht wäre der Beklagte nur dann nachgekommen, wenn er – was er nicht einmal selber behauptet habe - nach der Ultraschalluntersuchung vom 18.06.2005 mitgeteilt hätte, dass er eine (gefährliche) Zwillingsträchtigkeit nicht sicher ausschließen könne und deshalb zu einer zeitnahen zweiten Untersuchung rate. Der Kläger beantragt, unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Erfurt vom 19.09.2008 - Az.: 10 O 529/07 – den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 5.388,50 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.07.2006 sowie 546,69 € vorgerichtliche Anwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 285,24 € seit Rechtshängigkeit der Klage und aus weiteren 261,45 € seit Zustellung der Berufungsbegründung zu zahlen, hilfsweise, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils vom 19.09.2008 den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen. Der Beklagte verteidigt das Urteil des Landgerichts und beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 511 ZPO) und auch im Übrigen in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden; insbesondere ist sie form- und fristgerecht erhoben sowie begründet worden (§§ 517, 519, 520 Abs. 2, 3 ZPO). In der Sache führt die Berufung – auf den Hilfsantrag des Klägers – zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht (§ 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Das Verfahren des ersten Rechtszugs leidet an wesentlichen Mängeln, auf denen das Urteil beruht. Für die mit der Berufung angefochtene Klageabweisung fehlt es an einer ausreichenden (tatsächlichen) Entscheidungsgrundlage. Das Landgericht hat eine in mehrfacher Hinsicht noch gar nicht spruchreife Sachentscheidung getroffen. In der Folge der hierin liegenden Verfahrensmängel wird eine – bislang unterbliebene – umfängliche Sachaufklärung nachzuholen sein. Zu Unrecht hat das Landgericht dem Klägervortrag ein – nicht vorhandenes – Alternativverhältnis (Sorgfaltsverstoß entweder nur das Nichtfeststellen der Zwillingsträchtigkeit oder die Nichtaufklärung über die erforderliche weitere Untersuchung) entnommen. Tatsächlich hat der Kläger – insbesondere in dem vom Landgericht benannten Schriftsatz vom 21.08.2008 (Bd. I, Bl. 119 f.) – ausdrücklich gerügt, „bereits bei der ersten Untersuchung hätte eine Zwillingsträchtigkeit festgestellt werden können und müssen“. Letztlich kommt es aber auch nicht darauf an, wie der Kläger – als veterinärmedizinischer Laie – die Sorgfaltsanforderungen bewertet hat. Im (Tier-)Arzthaftungsprozess sind die Anforderungen an den Parteivortrag geringer als im „normalen“ Zivilprozess. Ausreichend ist es, wenn sich dem Sachvortrag der der Behandlungsseite im Wissen unterlegenen Patientenseite im Kern der Vorwurf entnehmen lässt, der (Tier-)Arzt habe nicht kunstgerecht gehandelt. Ob und in welchem Umfang dies tatsächlich der Fall ist, ist dann im Prozess durch Sachverständigengutachten festzustellen. Vor diesem Hintergrund durfte das Landgericht die Frage, ob der Beklagte die Zwillingsgravidität (in der Veterinärmedizin als Zwillingsträchtigkeit bezeichnet) am 18.06.2005 hätte erkennen müssen, nicht dahin stehen lassen. Hiermit hat es erheblichen (streitigen) Parteivortrag verkannt bzw. übergangen und das rechtliche Gehör des Klägers verletzt, was – im Ergebnis – einen wesentlichen Verfahrensfehler im Sinne des § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO darstellt (vgl. hierzu BVerfG NJW 1991, 2824; BGH NJW 1984, 306; 1993, 538; OLG Frankfurt/Main NJW-RR 1992, 62; OLG Düsseldorf NJW-RR 1996, 1021; OLG Brandenburg, Urteil v. 05.12.2006 – Az.: 11 U 48/06 -, zitiert nach juris). Die bereits in der ersten Instanz erhobene Behandlungsrüge, der Beklagte hätte schon bei der Erstuntersuchung am 18.06.2005 auf den Ausschluss einer Zwillingsträchtigkeit bedacht sein müssen und die hier tatsächlich bestehende auch erkennen können und müssen, hat der Kläger – ohne hierzu aus den vorgenannten Gründen verpflichtet zu sein – in der Berufungsinstanz noch näher ausgeführt. Mit dem von ihm vorgelegten veterinärmedizinischen Gutachten (aus einem anderen Verfahren) hat er den folgenden qualifizierten und plausiblen Parteivortrag gehalten: „Zwillingsgraviditäten sind in der Pferdezucht äußerst unerwünscht, da sie mit fortschreitender Trächtigkeit aufgrund der zunehmenden Missverhältnisse zwischen den Ansprüchen zweier Föten und der Versorgungskapazität der Gebärmutter fast stets zu einem Abort oder der Frühgeburt von nicht überlebensfähigen Fohlen führen“ (S. 3 des Gutachtens). Hiermit ist plausibel dargetan, dass der Ausschluss einer Zwillingsträchtigkeit – mit den Worten des Gutachtens – „bei einer positiven Trächtigkeitsuntersuchung stets vorzunehmen ist und zu einer lege artis durchgeführten Trächtigkeitsuntersuchung gehört“ (vgl. hierzu S. 7 des Gutachtens) Dass die Zwillingsgravidität der Stute „Inka“ bei der vom Beklagten am 18.06.2005 – und damit am 18. oder 20. Trächtigkeitstag (hier variieren Kläger- und Beklagtenvortrag!) – durchgeführten Ultraschall-Untersuchung hätte erkannt werden können und müssen, ist (insbesondere) mit folgende Passage des (Partei-)Gutachtens qualifiziert behauptet: „Mit Hilfe der transrektalen Ultraschalluntersuchung kann die Frühträchtigkeit bei der Stute in den meisten Fällen mit ausreichender Sicherheit festgestellt werden. Diese Untersuchung ist ein gynäkologisches Routineverfahren. Für die zu der lege artis durchgeführten Trächtigkeitsuntersuchung gehörende Ausschlussuntersuchung einer Zwillingsgravidität ist es notwendig, dass die gesamte Gebärmutter (beide Hörner und der Corpus uteri) mittels Ultraschall erfasst werden. ....Der Nachweis bzw. Ausschluss einer Zwillingsgravidität mittels rektaler Ultraschalluntersuchung ist solange sicher möglich, bis durch das Fortschreiten der Trächtigkeit der Uterus nicht mehr komplett sonographisch erfasst werden kann (ca. Ende des 4. Trächtigkeitsmonats)“ (S. 7 des Gutachtens). Letztlich hat der Kläger mit dem im Berufungsverfahren vorgelegten Gutachten auch einen groben Behandlungsfehler (substantiiert) behauptet, indem es auf S. 7 des Gutachtens heißt: „Das Nichterfassen einer Zwillingsgravidität ist als grob fahrlässig anzusehen.“ Nach alledem gilt es ergänzende Feststellungen zu treffen; und zwar durch die Einholung eines veterinärmedizinischen Sachverständigengutachtens. Ob dem Beklagten mit dem Nichterkennen der Zwillingsträchtigkeit am 18.06.2005 ein Behandlungsfehler – sei es als Fehlinterpretation des sonographischen Befundes unter dem Stichwort des Diagnosefehlers oder als nicht umfassende Ultraschalluntersuchung (Abbruch der Untersuchung vor Erfassen beider Hörner und des corpus uteri nach Identifizierung nur einer Fruchtblase) unter dem Stichwort des Befunderhebungsfehlers – vorzuwerfen ist, wird das Landgericht aufzuklären haben. Dabei wird es allerdings zunächst die Behandlungsdokumentation des Beklagten, die sich bislang noch nicht bei der Gerichtsakte befindet, anfordern müssen, damit der Sachverständige die für eine (genaue) Bewertung erforderlichen Anknüpfungstatsachen kennt. Dass das Landgericht – den in der zweiten Instanz nur vertieften – entscheidungserheblichen Klägervortrag zu dem – auf den 18.06.2005 bezogenen – Behandlungsfehler übergangen und damit das rechtliche Gehör des Klägers verletzt hat, steht auch nicht deshalb in Frage, weil eine Haftung – wie der Beklagte meint – ohnehin aus anderen Gründen scheitert. Ob dem Beklagten ein Behandlungsfehler vorzuwerfen ist, kann nicht deshalb dahin stehen, weil es – wie er selbst geltend macht – jedenfalls an der Schadenskausalität fehlt. Primärschaden ist hier die Frühgeburt von zwei (noch) nicht lebensfähigen Fohlen oder – kurz gesagt – deren Todgeburt. Dass hierfür die nicht erkannte Zwillingsträchtigkeit ursächlich war, hat der Kläger in hinreichendem Maße behauptet. Nach seinem qualifizierten Berufungsvortrag (dem als Parteigutachten vorgelegten Sachverständigengutachten aus einem anderen Verfahren) erscheint dies sogar höchst wahrscheinlich. Selbst wenn dem Kläger daher nur der Beweis eines einfachen Diagnosefehlers gelingen sollte und er demzufolge für den Ursachenzusammenhang zwischen Behandlungsfehler und Primärschaden beweisbelastet bleibt, spricht viel dafür, dass ihm dieser Beweis gelingen kann. Entgegen dem Dafürhalten des Beklagten erscheint es auch nicht fernliegend, dass dem Kläger der Nachweis der haftungsausfüllenden Kausalität zwischen Primärschaden (Todgeburt) und Sekundärschaden („Ausfall“ des Fohlens des Jahres 2006 etc.) gelingt. Hier gilt es zu sehen, dass mit dem von ihm in zweiter Instanz vorgelegten Gutachten bei einer frühzeitigen Reduktion der Zwillings- auf eine Einlingsgravidität eine sehr hohe Überlebenschance für den „Einling“ von 75 % bis mehr als 90 % besteht; und zwar dann, wenn die Reduktion „bei unilateralen Früchten bis zum 20. Tag und bei bilateraler Lokalisation bis zum 30. Tag der Trächtigkeit durchgeführt wird“ (S. 4 des Gutachtens). Selbst wenn dem Kläger kein (nach § 287 ZPO hinreichender) Nachweis einer erfolgreichen Reduktionsbehandlung gelingen sollte, stünde damit nicht etwa bereits seine Beweisfälligkeit fest. Dem Kläger bliebe immer noch die Möglichkeit, eine noch im Jahr 2005 erfolgreiche Nachbesamung nach einem Trächtigkeitsabbruch zu beweisen. Dass eine solche Nachweisführung wegen des Zeitmoments von vornherein ausgeschlossen ist, kann auch unter Berücksichtigung der vom Beklagten vorgebrachten Schonfrist für die Stute nach einem Trächtigkeitsabbruch nicht angenommen werden. Die Frage, ob der Beklagte die Zwillingsträchtigkeit am 18.06.2005 (eventuell sogar grob) behandlungsfehlerhaft übersehen hat, kann schließlich auch nicht – wie das Landgericht argumentiert hat – deshalb offen bleiben, weil den Kläger wegen der nicht wahrgenommenen Untersuchung im zweiten Trächtigkeitsmonat ein (überwiegendes) Mitverschulden an der Todgeburt vom 18.03.2006 trifft. In diese Richtung könnte allenfalls dann argumentiert werden, wenn dem Kläger und der Zeugin K. das mit einer Zwillingsträchtigkeit verbundene hohe Verlustrisiko bewusst war. Hierfür hat die vom Landgericht durchgeführte Beweisaufnahme – wie die Berufung mit Recht rügt – aber keinen Anhalt erbracht; nicht einmal der Beklagte selbst hat bei seiner Anhörung ausgeführt, hierüber am 18.06.2005 aufgeklärt zu haben. Seiner (streitigen) Schilderung, erläutert zu haben, dass man „wegen der Trächtigkeitsrisiken grundsätzlich drei Schritte gehen sollte; wobei es bei der zweiten Untersuchung am 40. bis 50. – oder auch am 50. bis 60. – Trächtigkeitstag darum geht, die Chance wahrzunehmen, eine eventuelle Zwillingsträchtigkeit zu reduzieren“, lässt sich nicht entnehmen, dass er den Kläger und die Zeugin K. über das hohe Abort- bzw. Frühgeburtsrisiko bei einer Zwillingsträchtigkeit aufgeklärt hat. Selbst wenn der Beklagte im vorstehenden Sinn aufgeklärt haben sollte, ist der Kläger einem ganz überwiegenden und – im Ergebnis – die Haftung des Beklagten zurücktreten lassenden Eigenverschulden substantiiert entgegen getreten. Mit dem von ihm vorgelegten Gutachten hat er (substantiiert) dargetan, dass „eine möglichst frühzeitige Diagnose für ein erfolgreiches Management der Zwillingsträchtigkeit entscheidend ist; bei unmittelbar benachbarter Positionierung der Embryonen ergibt sich ansonsten ab dem 25. Trächtigkeitstag die Gefahr, dass im Ultraschallbild die Trennlinie zwischen den beiden Fruchtanlagen fehlinterpretiert wird“ (S. 4 des Gutachtens). Im Weiteren hat der Kläger (gleichermaßen substantiiert) vorgetragen, dass der Zeitfaktor nicht nur für die Diagnose, sondern auch für die (schadensvermeidende) Behandlung der gefährlichen Zwillingsträchtigkeit entscheidend ist. Nach seinem Vortrag ist die Reduktion auf einen überlebensfähigen „ Einling bei unilateralen Früchten bis zum 20. Tag und bei bilateraler Lokalisation bis zum 30. Tag der Trächtigkeit mit Erfolg (75 bis 90 %) möglich. Wird die Zwillingsgravidität erst zu einem späteren Zeitpunkt erkannt, ist die Reduk-tion auf einen Einling aufwendiger und mit einem hohen Risiko des Totalverlustes der Gravidität verbunden“ (S. 4 des Gutachtens). Sollte der – mit dem Gutachten plausibel und substantiiert gehaltene – Klägervortrag, beim „Schadensmanagement“ der Zwillingsgravidität einer Stute käme es entscheidend auf die möglichst frühzeitige (tierärztliche) Diagnose an, zutreffend sein, ist die Annahme eines (überwiegenden) Mit- oder Eigenverschuldens des Klägers abwegig. Als (Zwischen-)Ergebnis gilt es daher nach alledem festzuhalten, dass die Frage, ob das Nichterkennen der Zwillingsträchtigkeit am 18.06.2005 gegen den (gesicherten) Standard des (einfachen) Veterinärmediziners verstoßen hat und daher einen Behandlungsfehler darstellt, entscheidungserheblich und folglich durch das Einholen eines Sachverständigengutachtens aufzuklären ist. Der in dem Unterlassen dieser Sachaufklärung liegende, das rechtliche Gehör des Klägers verletzende Verfahrensfehler hat die – auf den (Hilfs-) Antrag des Klägers eröffnete – Ermessensentscheidung (§ 538 Abs. 2 Satz 1 ZPO) dahin ausfallen lassen, dass das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen ist. Bei seiner Ermessensentscheidung hat sich der Senat im Übrigen aber auch davon leiten lassen, dass das Landgericht den streitigen Parteivortrag noch anderweitig verkannt bzw. übergangen hat. So hat das Landgericht bei seiner (klageabweisenden) Entscheidung völlig unberücksichtigt gelassen, dass die Parteien darüber streiten, ob der Beklagte den weiten Transport der hochträchtigen Stute als problem- und gefahrlos eingeschätzt und hiermit eine (weitere) Ursache zum Primärschaden (der Todgeburt) gesetzt hat. Damit hat das Landgericht den Kern des in die rechtliche Würdigung einzubeziehenden erheblichen Parteivorbringens verkannt und das rechtliche Gehör des Klägers mit der Folge erneut verletzt, dass ein weiterer wesentlicher Verfahrensfehler im Sinne des § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO vorliegt. Was das Nichterkennen der Zwillingsträchtigkeit (auch) am 12.10.2005 anbelangt, ist dem Landgericht zwar dahin beizupflichten, dass sich die vom Kläger erhobene Behandlungsrüge in erster Linie auf die (Erst-)Untersuchung vom 18.06.2005 bezieht. Mit seinem unter Vorlage des (Partei-)Gutachtens gehaltenen Berufungsvortrag hat der Kläger sogar die Frage aufgeworfen, ob eine Feststellung der Zwillingsträchtigkeit am 12.10.2005 – im immerhin fünften Trächtigkeitsmonat – überhaupt noch möglich war (vgl. hierzu S. 7 des Gutachtens, wonach „der Nachweis bzw. Ausschluss einer Zwillingsgravidität mittels rektaler Ultraschalluntersuchung nur bis ca. Ende des 4. Trächtigkeitsmonats sicher möglich ist.“). Fraglich erscheint im Weiteren, ob wegen des fortgeschrittenen Trächtigkeitsstadiums eine erfolgversprechende Reduktion der Zwillings- auf eine Einlingsträchtigkeit noch möglich gewesen wäre bzw. ob nicht das Zeitmoment auch gegen eine noch zum Erfolg (Fohlengeburt noch in 2006) führende Nachbesamung der Stute nach einem Trächtigkeitsabbruch spricht. Letztlich lassen sich aber alle diese Fragen ohne ein (gerichtliches) veterinärmedizinisches Sachverständigengutachten nicht beantworten; die vom Landgericht nachzuholende Sachaufklärung wird dem Rechnung zu tragen haben. Soweit das Landgericht einen Aufklärungsfehler des Beklagten verneint hat, liegt dem zunächst eine fehlerhafte Rechtsanwendung, in der Folge aber ebenfalls eine nicht hinreichende Tatsachenfeststellung zugrunde. Der Beklagte schuldete nur dann eine – im Verletzungsfall einen Behandlungs- und keinen Aufklärungsfehlerfehler darstellende – therapeutische Sicherungsaufklärung über eine (zeitnahe) Zweituntersuchung, wenn das Nichterkennen der Zwillingsträchtigkeit bei der Erstuntersuchung am 18.06.2005 nicht selbst bereits behandlungsfehlerhaft war. Nur wenn dem Beklagten nach dem Qualitätsstandard des (einfachen) Veterinärmediziners am 18.06.2005 noch nicht abzuverlangen war, eine Zwillingsträchtigkeit sicher nachzuweisen bzw. auszuschließen, schuldete er – als weitere Risikoschutzpflicht der tierärztlichen Trächtigkeitsbehandlung – den therapeutischen Hinweis auf eine zeitnahe Folgeuntersuchung zum Ausschluss des mit einer Zwillingsträchtigkeit verbundenen hohen Fötenverlustrisikos. Sollte es unter dieser Prämisse auf die Frage der (verletzten) therapeutischen Sicherungsaufklärung ankommen, wird das Landgericht die Beweisaufnahme (Vernehmung der Zeugen Keith und Backhaus, Anhörung des Klägers sowie des Beklagten) zu wiederholen haben, dahingehend, ob der Beklagte über die Gefährlichkeit einer Zwillingsgravidität sowie deren möglichst frühzeitige Feststellung und Folgenbehandlung aufgeklärt hat: Dies lässt sich – wie oben ausgeführt – derzeit seinen dazu nichtssagenden Äußerungen im landgerichtlichen Beweisaufnahmetermin vom 22.07.2008 nicht entnehmen. In der Gesamtwürdigung der aufgezeigten Verfahrensmängel steht die Sachdienlichkeit der Zurückverweisung an das Landgericht außer Frage. Wegen des bislang in allen Punkten ungeklärt gebliebenen entscheidungserheblichen Sachverhalts kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Interesse der Parteien an einer schnelleren Erledigung gegenüber dem Verlust der Tatsacheninstanz überwiegt. Zur Herbeiführung einer Entscheidungsreife wird das Landgericht hinsichtlich der oben ausgeführten Fragen nicht nur ein veterinärmedizinisches Sachverständigengutachten einzuholen haben; auch eine erneute – bezogen auf die therapeutische Sicherungsaufklärung zur Zweituntersuchung und eine erstmalige – bezogen auf den Rat zum Transport der hochträchtigen Stufe – Zeugenvernehmung und Parteianhörung bzw. –vernehmung steht im Raum. Die Entscheidung über die Nichterhebung von Gerichtskosten für das Berufungsverfahren beruht auf § 21 GKG. Im Übrigen war die Kostenentscheidung dem Landgericht vorzubehalten. Die Vollstreckbarerklärung folgt aus § 708 Nr. 10 ZPO (vgl. hierzu Wieczorek/Schütze-Gerken, ZPO, 3. Aufl., § 538 Rn. 70). Für eine Revisionszulassung besteht keine Veranlassung. Die Voraussetzungen hierfür (vgl. § 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung; neue Rechtsfragen wirft der vorliegende Fall nicht auf. Zu klären ist allein der tatsächliche Sachverhalt und dessen Bewertung unter Anwendung bereits geklärter Rechts- und Beweisregeln. Das vorliegende Berufungsurteil weicht nicht von höchstrichterlicher oder anderer obergerichtlicher Rechtsprechung ab. Eine Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung steht nicht an, weshalb es keiner Entscheidung des Revisionsgerichts bedarf. Auch die Zurückweisungsentscheidung beruht im Wesentlichen auf der Würdigung von Einzelfallgesichtspunkten. (Müller) (Gollnick) (Friebertshäuser) ----------------------------------------------------- Die von uns erfassten Urteile wurden oft anders formatiert als das Original. Dies bedeutet, daß Absätze eingefügt und Hervorhebungen durch fett-/kursiv-/&farbig-machen sowie Unterstreichungen vorgenommen wurden. 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