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Text des Urteils
4 U 420/09 ;
Verkündet am:
23.09.2009
OLG Oberlandesgericht Jena
Vorinstanzen: 2 O 1760/07 Landgericht Gera; Rechtskräftig: unbekannt! Auch unselbständiger Streithelfer ist befugt, selbständig Rechtsmittel der Berufung für die von ihm unterstützte Hauptpartei einzulegen, ohne ausdrückliche Erklärung - Ausnahme: Hauptpartei widerspricht! Titelauswahl: Franz-Anton Plitt, Chisinau - Internet entrepreneurLeitsatz des Gerichts: 1. Auch ein unselbständiger Streithelfer – hier der Haftpflichtversicherer – ist befugt, selbständig das Rechtsmittel der Berufung für die von ihm unterstützte Hauptpartei einzulegen, ohne dass es diesbezüglich einer ausdrücklichen Erklärung bedarf. 2. Die „Mithalterin“ eines Hundes hat gegen den anderen Halter keinen Anspruch aus der Gefährdungshaftung aus § 833 BGB, weil dies dem Schutzzweck dieser Norm widerspräche. Wird also ein Mithalter eines gemeinsam gehaltenen Tieres verletzt, so hat er keinen Schadensersatzanspruch hieraus gegen den anderen Halter. In dem Rechtsstreit G. D. - Beklagte und Berufungsklägerin - Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt A. S’versicherung AG, vertreten durch den Vorstand, - Streithelferin und Berufungsklägerin - Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte gegen C. D. - Klägerin und Berufungsbeklagte - Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte hat der 4. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch Richterin am Oberlandesgericht Friebertshäuser, Richterin am Oberlandesgericht Dr. Brenneisen und Richter am Landgericht Gollnick aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23.09.2009 für Recht erkannt: Auf die Berufung der Streithelferin wird das Urteil des Landgerichts Gera vom 27.04.2009 – Az.: 2 O 1760/07 - abgeändert und wie folgt neu gefasst: Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits (beider Instanzen) einschließlich der Kosten der Streithelferin trägt die Klägerin. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die gegen sie gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagte oder die Streithelferin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten. Die Klägerin nimmt die Beklagte – ihre 86 Jahre alte Mutter – wegen eines Hundebisses aus (streitiger) Tierhalterhaftung auf Schadensersatz in Anspruch. Die Klägerin und die Beklagte wohnen in einem Mehrfamilienhaus in Rudolstadt. Sie bewohnen dort zwar getrennte, eigenständige Wohnungen; nutzen aber den Garten des Hauses gemeinsam. In dem Garten wurde die Klägerin am Abend des 04.05.2007 von dem Schäferhundrüden „Moses“ in die rechte Hand gebissen. „Moses“ wurde als Welpe im Jahr 1997 angeschafft, und zwar von der – in erster Instanz als Zeugin vernommenen – Tochter Miriam der Klägerin. Die Zeugin und ihre jüngere Schwester C. übernahmen im Wesentlichen die Versorgung und Erziehung des Hundes (Spaziergänge, Schulung auf dem Hundeplatz etc.), während die Großmutter – die Beklagte – für die Kosten des Tieres (Futter- und Tierarztkosten, Hundesteuer und Versicherung) aufkam. So blieb es, bis zunächst 1998 die „große“ (Enkel-)Tochter M. und 6 Jahre später 2004 auch die „kleine“ (Enkel-)Tochter C. zuhause auszog. Während die Beklagte weiterhin die Kosten trug und sich um die Fütterung des Hundes kümmerte, traute sie sich das Spazierengehen mit „Moses“ wegen ihres (fortgeschrittenen) Alters nicht zu. Dies übernahmen – nicht im Haus wohnende – dritte Personen. Ansonsten blieb alles „beim Alten“. Der Hund hielt sich tags und nachts im Garten auf, wobei er in der Regel – zumindest nachts – an die Kette gelegt wurde. Zum Schadenshergang trägt die Klägerin wie folgt vor: Sie habe sich am 04.05.2007 zufällig in der Nähe des – wie üblich im Garten angeketteten – Hundes befunden, als dieser sich in seiner Kette verfangen habe. Als die Klägerin festgestellt habe, dass „niemand sonst“ dem jaulenden Hund zur Hilfe eile, habe sie „Moses“ aus der Kette befreit. Dabei habe der „verängstigte und schmerzgepeinigte“ Hund „völlig unvorgesehen“ nach der rechten Hand der Klägerin geschnappt. Wegen der durch den Hundebiss erlittenen Verletzungen (insbesondere einer dauerhaften (Teil-)Funktionsunfähigkeit des rechten Ringfingers infolge einer Entzündung der Bisswunde) fordert die als niedergelassene Zahnärztin tätige Beklagte Verdienstausfall für die Zeit vom 04.05. bis 30.09.2007. Weiter verlangt sie Schmerzensgeld, den Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten und begehrt die Feststellung einer auf zukünftige Schäden bezogenen Ersatzpflicht der Beklagten. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und der in der ersten Instanz gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Das Landgericht hat der Klage nach Beweisaufnahme (Vernehmung der Zeugin M. D. und Parteivernehmung der Beklagten) weitgehend stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte hafte der Klägerin dem Grunde nach, da sie „wenigstens Mittierhalterin in Bezug auf den Hund Moses sei und die Klägerin weder Allein- noch Mittierhalterin“. Die Zeugin M. D. habe beim Kauf das Eigentum des Hundes erworben. Dieses sei weder auf die Beklagte, noch auf die Klägerin übergegangen, als die Zeugin von zuhause ausgezogen sei. Im Ergebnis der Beweisaufnahme stünde aber fest, dass nur die Beklagte und nicht auch die Klägerin (Mit)Tierhalterin des Hundes neben der Zeugin geworden sei. Hierfür sprächen die Kostenbelastung der Beklagten, deren Freude und Neigung an bzw. zu dem Tier und die Mitbestimmungsmacht über dieses. Hafte die Beklagte daher dem Grunde nach aus § 833 BGB, sei der Klägerin allerdings ein Mitverschulden (§ 254 Abs. 1 BGB) anzulasten. Ohne eine tiefere Beziehung zu dem Hund gehabt zu haben, habe sie den Versuch unternommen, das verängstigte und vor Schmerzen jaulende Tier aus der Kette zu befreien. Da es sich bei „Moses“ „um einen Hund, mithin ein vom Wolf abstammendes Raubtier handele, was gerade bei der Rasse „Schäferhund“ besonders augenfällig sei“, habe sie hiermit gegen die im Verkehr übliche Sorgfalt verstoßen, die das Unterlassen eines solchen Befreiungsversuchs geboten habe. Die Mitverschuldensquote hat das Landgericht mit 1/3 bewertet und auf dieser Basis der Klägerin materiellen Schadensersatz (Verdienstausfall) iHv 5.522,11 €, vorgerichtliche Anwaltskosten iHv 837,52 € und Schmerzensgeld iHv 6.666,67 € zugesprochen; darüber hinaus hat es eine Ersatzpflicht der Beklagten für zukünftige Schäden mit einer Quote von 2/3 festgestellt. Das Urteil ist am 30.04.2009 dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten zugestellt worden. Bei der die Berufung führenden Streithelferin handelt es sich um die Versicherungsgesellschaft, bei der die Beklagte den Hund „Moses“ haftpflichtversichert hat. Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 16.09.2008 (I/181 f.) hatte die Beklagte der Streithelferin den Streit verkündet; mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 23.10.2008 (I/211 f.) war die Streithelferin dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten. Die Berufung gegen das teilklagestattgebende Urteil des Landgerichts hat die Streithelferin am 26.05.2009 eingelegt und am 29.06.2009 begründet. Mit der Berufung rügt sie eine fehlerhafte Rechtsanwendung. Das Landgericht habe – in Bezug auf die Klägerin – den Begriff der (Mit-)Tierhalterin“ zu eng ausgelegt und das jedenfalls eine Haftung der Beklagten ausschließende Mitverschulden zu gering bewertet. Die Klägerin sei Mithalterin des Hundes „Moses“. Das als Wachhund gehaltene Tier halte sich stets auf dem gemeinsamen Grundstück auf; d.h. auch die Klägerin ziehe Nutzen aus dem Tier. Verkannt habe das Landgericht auch, dass die beim Eigentumserwerb noch minderjährige Zeugin M. D. eine Hundehaltung ohne die Einwilligung ihrer Mutter – der Klägerin – nicht habe anfangen können. Alles andere als die Wertung, der Hund „Moses“ sei ein Familienhund und damit die Klägerin Mithalterin, sei lebensfremd. Ohne Zustimmung (auch) der Klägerin hätte der Hund weder angeschafft, noch nach dem Auszug der Töchter auf dem Grundstück verbleiben können. Insbesondere letzteres läge auf der Hand. Ohne den Willen und die Zustimmung der Klägerin wäre deren über 80 Jahre alte Mutter nicht in der Lage gewesen, einen Hund auf dem Grundstück zu halten. Demzufolge habe die Klägerin die Mitverantwortung und auch das Mitbestimmungsrecht übernommen, was mit dem Hund geschähe. Dies qualifiziere sie als Mithalterin. Ginge man davon aus, dass die Klägerin keine Mithalterin des Hundes gewesen und sich nicht um ihn gekümmert habe, so sei ihr der Hund mit der Folge fremd gewesen, dass sie sich sehenden Auges und ohne Not selbst in die naheliegende Gefahr, gebissen zu werden, begeben habe. Kettenhunde seien von vornherein nur mit Vorsicht zu genießen, wenn man mit ihnen nicht vertraut sei. Habe sich ein solcher Hund auch noch in seiner Kette verstrickt und sei deshalb schmerzgepeinigt und verängstigt, müsse man sogar damit rechnen, dass er (auch) nach seinem Halter, erst recht aber nach einer ihm nicht vertrauten Person schnappe. Die Streithelferin beantragt, das Urteil des Landgerichts Gera vom 27.04.2009 – Az.: 2 O 1760/07 – abzuändern und die Klage (insgesamt) abzuweisen. Die Klägerin verteidigt das landgerichtliche Urteil und beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Die von der Streithelferin – auch ohne ausdrückliche Erklärung – für die Beklagte eingelegte Berufung ist statthaft (§ 511 ZPO). Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung kann ein unselbständiger Streithelfer – wie hier der auf Beklagtenseite beigetretene Haftpflichtversicherer – ein Rechtsmittel für die von ihm unterstützte Hauptpartei einlegen, ohne dass es dabei der ausdrücklichen Erklärung bedarf, das Rechtsmittel namens der Hauptpartei einlegen zu wollen (BGH NJW 1985, 2480; 1990, 190; 1997, 2386; 2001, 1355; NJW-RR 2006, 644). Dass die Hauptpartei selbst – wie hier die Beklagte – auf Berufungseinlegung verzichtet, begründet keinen vorrangigen Willen, dem sich der Streithelfer nicht widersetzen darf (§ 67 ZPO); nur ein ausdrücklich erklärter Widerspruch führt zur Unzulässigkeit der vom Streithelfer eingelegten Berufung (BGH NJW 1980, 1693; NJW-RR 1999, 285; OLG Hamm NJW-RR 1997, 1156; OLG Hamburg NJW 1989, 1362). Ein solcher Widerspruch liegt im Entscheidungsfall nicht vor; das bloße Untätigbleiben der Beklagten im zweiten Rechtszug reicht hierfür nicht (vgl. hierzu BGH NJW-RR 1999, 285; OLG Frankfurt VersR 1996, 212). Die Streithelferin hat die Berufung auch form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet (§§ 517, 519, 520 Abs. 2, 3 ZPO); insbesondere ist die für die Berufungseinlegung allein maßgebende Rechtsmittelfrist für die unterstützte Hauptpartei – die Beklagte – gewahrt. Die nach alledem zulässige Berufung ist auch begründet. Sie führt dazu, dass das angefochtene teilklagestattgebende Urteil in ein die Klage insgesamt abweisendes Urteil abzuändern ist. Die Beklagte haftet der Klägerin nicht auf - materiellen und immateriellen- Schadensersatz; und zwar weder aus § 823 BGB, noch aus § 833 BGB. Im Übrigen träte eine – unterstellte – grundsätzliche Haftung wegen des ganz überwiegenden Eigenverschuldens der Klägerin an dem Hundebiss vollständig zurück (§ 254 Abs. 1 BGB). Eine deliktische Haftung der Beklagten aus § 823 Abs. 1 BGB; 823 Abs. 2 BGB iVm §§ 222,223 StGB scheidet mangels jedweden Anhalts für ein Verschulden der Beklagten an dem Hundebiss von vornherein aus. Die allenfalls in Betracht kommende Gefährdungshaftung aus § 833 Satz 1 BGB hat das Landgericht zu Unrecht bejaht. Nach dieser Vorschrift haftet derjenige, welcher ein Tier hält, für den Schaden, der dadurch entsteht, dass der Körper oder die Gesundheit eines (anderen) Menschen durch das Tier verletzt wird. Zwar gibt es nichts dagegen zu erinnern, dass das Landgericht die Tierhaltereigenschaft der Beklagten angenommen hat. Der Überprüfung nicht stand hält jedoch, dass es eine solche Eigenschaft in Bezug auf die Klägerin verneint hat. Tatsächlich ist auch diese mit der Rechtsfolge (Mit-)Halterin des Schäferhundes „Moses“, dass sie keinen Anspruch aus dem Gefährdungshaftungstatbestand des § 833 Satz 1 BGB hat. Der Grund für die strenge Tierhalterhaftung liegt in der Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens und der dadurch hervorgerufenen Gefährdung von Gesundheit und Eigentum Dritter, für die der Halter als derjenige, der die Gefahr im eigenen Interesse schafft und beherrscht, einstehen soll. Nach diesem Schutzzweck kann § 833 BGB im Verhältnis zwischen Mithaltern keine Anwendung finden (OLG Köln, NJW-RR 1999, 1628). Wenn also ein Mithalter eines gemeinsam gehaltenen Tieres verletzt wird, hat er keinen Schadensersatzanspruch gegen den anderen Mithalter aus § 833 BGB. So liegt der Fall hier. Abstellend auf den Sinn und Zweck des § 833 BGB und seine Funktion im Schadensersatzrecht sieht die höchst- und obergerichtliche Rechtsprechung denjenigen als Tierhalter an, der andere erlaubtermaßen der nur unzulänglich beherrschbaren Tiergefahr aussetzt (BGH NJW-RR 1988, 655; OLG Saarbrücken NJW-RR 1988, 1492). Wer „Unternehmer“ des mit der Tierhaltung verbundenen Gefahrenbereichs ist, soll für den daraus erwachsenden Schaden einzustehen haben. Nach ihrem Sinn und Zweck handelt es sich bei der Tierhalterhaftung folglich – mit den Worten des Bundesgerichtshofs - um „Betriebskosten einer gefahrträchtigen Veranstaltung“ (BGH aaO). Dieses Verständnis vom Halterbegriff vorausgeschickt kommt es nicht entscheidend darauf an, wessen unmittelbarer (tatsächlicher) Einwirkung das Tier im Zeitpunkt des Schadensfalles unterliegt. Vielmehr ist darauf abzustellen, wem die Bestimmungsmacht für das Tier zusteht, wer aus eigenem Interesse für seine Kosten aufkommt, den allgemeinen Wert und Nutzen des Tieres für sich in Anspruch nimmt und das wirtschaftliche Verlustrisiko trägt (BGH aaO; OLG Saarbrücken aaO; OLG Düsseldorf VersR 1983, 543; OLG Schleswig MDR 2005, 156). Die von der Rechtsprechung entwickelte Betrachtung hat auch im Schrifttum Zustimmung gefunden (Kreft in RGRK, 12. Aufl., § 833, Rn. 39; Spindler in Bamberger/Roth, § 833, Rn. 12; Zeuner in Soergel, 12. Aufl., § 833, Rn. 12; Wagner in MüKo BGB, 4. Aufl., § 833, Rn. 21 ff.); dabei besteht Einigkeit in Rechtsprechung und Literatur, dass nicht alle vorgenannten Kriterien kumulativ vorliegen müssen, um die Tierhaltereigenschaft einer Person zu begründen. Bei den zur Bestimmung der Tierhaltereigenschaft bemühten Gesichtspunkten handelt es sich um Indizien, deren Einschlägigkeit anhand der besonderen Umstände des Einzelfalls zu überprüfen ist und die erforderlichenfalls gegeneinander abzuwägen sind (statt vieler OLG Schleswig aaO; Kreft in RGRK aaO; Spindler in Bamberger/Roth aaO). In der mithin anzustellenden Gesamtwürdigung aller maßgebenden Indizien lässt sich die (Mit-)Tierhaltereigenschaft der Klägerin – wie die Berufung zu Recht geltend macht – nicht verneinen. Die (rechtliche) Bewertung, dass die Klägerin (Mit-)Halterin des Familienhundes „Moses“ ist und – zur Unfallzeit – war, trifft der Senat, ohne den Aussagen der Zeugin M. D. und der als Partei vernommenen Beklagten einen anderen objektiven Bedeutungsgehalt beizumessen als es das Landgericht getan hat oder gar die vom Landgericht bejahte Glaubwürdigkeit der Zeugin und der Beklagten anzuzweifeln. Eine Wiederholung der erstinstanzlichen Beweisaufnahme war daher nicht erforderlich. Das Landgericht hat sich bei seiner Beweiswürdigung im Wesentlichen darauf beschränkt, die (Mit-)Haltereigenschaft der Beklagten zu begründen. Dies greift die Berufung nicht an, sondern wendet sich mit Erfolg gegen die - vom Landgericht nur fragmentarisch begründete – Annahme, die Klägerin sei keine (Mit-)Tierhalterin. Die für diese Wertung bemühten Umstände, dass die Klägerin gegen die Anschaffung des Hundes war, sich nicht um ihn gekümmert und auch seine Kosten nicht bestritten hat, lassen nur vordergründig eine (Mit-)Haltereigenschaft der Klägerin bezweifeln. Bei der gebotenen eingehenden Würdigung und Abwägung der auf der Grundlage des erstinstanzlichen Beweisergebnisses maßgebenden Indizien entfallen diese Zweifel aber. In ihrer Gesamtwürdigung ergeben die Aussagen der Zeugin M. D. und der als Partei vernommenen Beklagten das Bild eines im Mitbesitz (§ 866 BGB) aller Familienmitglieder stehenden Tieres; über den Familienhund war (auch) die Klägerin bestimmungsbefugt und hat ihr (Mit-)Bestimmungsrecht auch ausgeübt. Für die Haltereigenschaft ist die Frage der Bestimmungsmacht über das Tier besonders wesentlich; hierfür bedarf es einer Berücksichtigung der Eigentums- und Besitzlage (OLG Schleswig aaO). Zwar hat das Landgericht beanstandungsfrei ausgeführt, dass die Zeugin M. D. ihr beim Kauf des Welpen erworbenes Eigentum nie verloren bzw. übertragen hat. Da sich die Zeugin aber seit 1998 nur noch alle drei Monate für wenige Tage besuchsweise bei dem im elterlichen / großmütterlichen Anwesen zurückgelassenen Hund aufhält, kann von einem alleinigen Bestimmungsrecht der Zeugin im Sinne einer noch selbst über den Hund ausgeübten tatsächlichen Sachherrschaft (§ 854 Abs. 1 BGB) ebenso wenig die Rede sein wie die Beweisaufnahme nicht ergeben hat, dass die zuhause verbliebenen Familienmitglieder über Jahre hinweg als bloße Besitzdiener (§ 855 BGB) für die Zeugin fungiert haben. Die Beweisaufnahme hat vielmehr ergeben, dass nicht nur die Anschaffung des Hundes eine im Familienrat beschlossene gemeinschaftliche Entscheidung war, sondern auch der Verbleib des Hundes im elterlichen und großmütterlichen Anwesen nach dem Auszug der beiden Töchter. Dass sich die Klägerin der Anschaffung und dem Verbleib von „Moses“ ernsthaft widersetzt hat, lässt sich weder der Beweisaufnahme entnehmen, noch ist – wie die Berufung zu Recht geltend macht – plausibel, dass eine Minderjährige gegen den erklärten Willen der Mutter einen Hund – zumal einen solchen einer großwüchsigen Rasse wie hier den Schäferhundrüden „Moses“ – angeschafft haben soll, und dass der Hund nach dem Auszug der Kinder gegen den erklärten Willen der Mutter im Familienanwesen allein in der Obhut der über 80-jährigen Großmutter geblieben sein soll. Insbesondere das letztgenannte Szenario ist lebensfremd und abwegig; zumal die Großmutter körperlich nicht einmal mehr in der Lage war, mit dem Hund spazieren zu gehen. Sind demzufolge alle das Schicksal des Hundes betreffenden wesentlichen Entscheidungen mit dem Einvernehmen der Klägerin in der Familie gemeinsam getroffen worden, hat – ungeachtet der Eigentumsfrage – von Anfang an ein familiärer Mitbesitz (§ 866 BGB) an dem Hund bestanden. Diese nicht auf bestimmte, einzelne Familienmitglieder, sondern auf die Familie als Einheit bezogene Gemeinschaft zwischen Mensch und Tier prägt den Entscheidungsfall und führt dazu, dass auch die Klägerin als Tierhalterin anzusehen ist. Die als solche gewollte und gelebte Rolle des Familienhundes folgt auch daraus, dass der Hund nicht etwa (nur) bei einem bestimmten Familienmitglied – insbesondere weder bei der Zeugin D., noch bei der Beklagten - gelebt, sondern sich stets im Garten des Anwesens aufgehalten hat; d.h. er war für alle im Haus wohnenden Familienangehörigen jederzeit bestimm- und beherrschbar. Die Klägerin kann auch nicht damit gehört werden, sie habe nie Sorge für das Wohl des Hundes getragen. Zwar hat die Beweisaufnahme ergeben, dass sie sich – schon ihrer beruflichen Belastung wegen – nicht um den Hund gekümmert, d.h. ihn nicht gefüttert und ausgeführt, mit ihm gespielt oder ihn erzogen hat. Sie hat jedoch nach der Aussage ihrer Tochter M. z.B. dafür gesorgt, dass die Kinder an den Wochenenden auf den Hundeplatz gegangen sind. Damit hat die Klägerin zumindest mittelbar für die Erziehung des Hundes und dessen Auslastung Sorge getragen. Auch sie hat damit im familiären Zusammenspiel ihren Teil zum Wohlergehen des Hundes beigetragen. Es mag zwar sein, dass die Klägerin ursprünglich gegen die Anschaffung des Hundes war und auch nie so an dem Hund gehangen hat wie ihre Kinder und ihre Mutter. Dass sie keinen Vorteil aus seiner Existenz gezogen hat und zieht, kann jedoch nicht angenommen werden. Die von der Beklagten anschaulich beschriebene Wachhundfunktion (Hund schlägt an, wenn es klingelt und sich – insbesondere nachts – jemand in der Nähe des Grundstücks bewegt) kommt auch der Klägerin zugute. Auch sie nimmt den allgemeinen Nutzen und den Wert des Hundes für sich in Anspruch. Gilt es nach alledem festzuhalten, dass die Klägerin (Mit-)Tierhalterin war und demzufolge ein Anspruch aus § 833 Satz 1 BGB bereits tatbestandlich ausscheidet, scheitert die Klage im Übrigen – bei unterstelltem Haftungsgrund – jedenfalls an einem ganz überwiegenden Eigenverschulden der Klägerin an dem Hundebiss; das Eigenverschulden lässt die – unterstellte – Haftung der Beklagten in der Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile vollständig zurücktreten (§ 254 Abs. 1 BGB). Der – in die Darlegungs- und Beweislast des Schädigers fallende (BGHZ 175, 153; VersR 2005, 1254; MDR 2009, 749) - Mitverschuldenseinwand ist dann begründet, wenn der Geschädigte die Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die ein verständiger Mensch im eigenen Interesse aufwendet, um sich vor Schaden zu bewahren (BGH NJW 2001, 149). Für die Frage, ob ein Mitverschulden des Geschädigten anzunehmen ist, kommt es auf die Erkennbarkeit der konkreten Gefährlichkeit des Verhaltens sowie auf die Möglichkeit und Zumutbarkeit ihrer Vermeidung an (OLG Düsseldorf NJW-RR 2006, 93; OLGR Hamm 2002, 375). Im Bereich der Tierhalterhaftung des § 833 Satz 1 BGB gilt es zu sehen, dass sich die dort verankerte Gefährdungshaftung aus dem Umstand rechtfertigt, dass der Tierhalter aufgrund des nur begrenzt einschätzbaren Tierverhaltens für Dritte ein besonderes Risiko setzt. Dieser Gefährdungsaspekt wird hier durch das Agieren der Klägerin vollständig überlagert. Die Klägerin ist nicht etwa Opfer eines nicht beeinflussbaren Risikos in Gestalt einer für sie nicht beherrschbaren Tiergefahr geworden. Sie hat sich im Gegenteil freiwillig und – wie die Berufung zu Recht formuliert – „ohne Not“ der eklatant auf der Hand liegenden Gefahr, von dem Hund „Moses“ gebissen zu werden, ausgesetzt. Nach ihrer eigenen Sachdarstellung hat die Klägerin den Hund in einer Situation angefasst, in der sich auch einer mit den hundetypischen Verhaltensweisen nicht vertrauten Person – wie es die Klägerin für sich behauptet - die besondere Gefahr eines unkontrollierten und spontanen Angstbisses geradezu aufdrängen musste. Trotz des nach ihrem Vortrag fehlenden – nur durch persönliche Zu- und Hinwendung zu dem Tier entstehenden - Vertrauensverhältnisses will die Klägerin den Hund nicht etwa nur in der per se Vorsicht gebietenden Situation angefasst haben, dass „Moses“ angekettet war, d.h. sich dem ungewohnten Anfassen der ihm nicht vertrauten Person nicht durch ein Weglaufen entziehen konnte. Der Hund befand sich darüber hinaus in der - von der Klägerin auch erkannten - äußerst angst- und stressbelasteten Situation, sich schmerzhaft in der Kette verfangen zu haben. Aus dieser Lage konnte er sich offensichtlich nicht selbst befreien, was in Anbetracht der durch das Jaulen kundgegebenen Schmerzen eine Panik in dem Hund ausgelöst haben muss, die für jeden Betrachter unschwer zu erkennen war und auch bei einem nicht aggressiven Tier – wie hier dem Schäferhundrüden „Moses“ – ein Angstbeißen befürchten ließ. Wenn sich die Klägerin in dieser eine Panikattacke geradezu heraufbeschwörenden Stresssituation dem Hund nicht nur genähert, sondern ihn sogar angefasst hat, muss sie sich den Vorwurf gefallen lassen, in besonders eklatanter Weise die eigene Sicherheitsverantwortung verletzt zu haben. Erst und nur sie selbst hat die eigentliche Schadensursache gesetzt, indem sie ein völlig verängstigtes und schmerzgepeinigtes Tier in einer Situation angefasst hat, in der es sich ohne Gefahr des Angstbeißens allenfalls von einer ihm vertrauten Person hätte beruhigen und (dann erst) anfassen lassen. Bei dieser Sachlage tritt die bei der Haftungsabwägung nach § 254 Abs. 1 BGB zu Lasten der Beklagten zu berücksichtigende Tiergefahr in vollem Unfang zurück. Soweit die Klägerin in der Berufungsinstanz erstmals vorbringt, der Schadensfall habe sich am späten Abend gegen 22.30 Uhr, d.h. zu einer Zeit ereignet, als sich ihre mit dem Hund als Halterin vertraute Mutter – die Beklagte – bereits zur Nachtruhe begeben habe, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Zum Einen setzt sich die Klägerin mit diesem Vortrag in Widerspruch zu ihrem erstinstanzlichen Vorbringen, sie habe sich wegen des Hundebisses noch „am Unfalltag bei Herrn Dr. med. Sch., Facharzt für Allgemeinmedizin in R. vorgestellt“ (Vgl. hierzu S. 3 der Klageschrift). Dieser Widerspruch hat zur Folge, dass die Klägerin mit ihrem (neuen) zweitinstanzlichen Vortrag nicht gehört werden kann (§§ 529, 531 ZPO). Im Übrigen bliebe es aber auch bei einer Zulassung des in der zweiten Instanz geänderten Vortrags im Ergebnis dabei, dass allenfalls eine dem Hund durch persönliche Zuwendung vertraute Person einen Befreiungsversuch unternehmen konnte, ohne sich der Gefahr auszusetzen, gebissen zu werden. Auf die nach alledem nicht nur zulässige, sondern auch begründete Berufung ist das angefochtene Urteil abzuändern und die unbegründete Klage abzuweisen. Die Kosten- und Vollstreckbarkeitsentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 101 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Für eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung. die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Revisionsgerichts. Das vorliegende Urteil weicht weder von höchstrichterlicher, noch von (anderer) obergerichtlicher Rechtsprechung ab; im Übrigen beruht es auf der Würdigung von Einzelfallgesichtspunkten. (Friebertshäuser) (Dr. Brenneisen) (Gollnick) ----------------------------------------------------- Die von uns erfassten Urteile wurden oft anders formatiert als das Original. Dies bedeutet, daß Absätze eingefügt und Hervorhebungen durch fett-/kursiv-/&farbig-machen sowie Unterstreichungen vorgenommen wurden. Dies soll verdeutlichen, aber keinesfalls natürlich den Sinn verändern.Wenn Sie vorsichtshalber zusätzlich die Originalversion sehen möchten, hier ist der Link zur Quelle (kein Link? Dann ist dieser Link nicht in unserer DB gespeichert, z.B. weil das Urteil vor Frühjahr 2009 gespeichert worden ist). |