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Text des Beschlusses
1 Verg 5/09;
Verkündet am:
29.10.2009
OLG Oberlandesgericht Naumburg
Rechtskräftig: unbekannt! Unternehmen kann Rüge, dass öffentlicher Auftraggeber Vorabinformationspflicht verletzt + Wartepflicht nicht eingehalten hat, im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren nicht mehr geltend machen, wenn es Rüge nicht gegenüber Auftraggeber erhoben hat Titelauswahl: Franz-Anton Plitt, Chisinau - Internet entrepreneurLeitsatz des Gerichts: 1. Ein Unternehmen kann die Rüge, dass der öffentliche Auftraggeber vor einem Vertragsabschluss die Vorabinformationspflicht verletzt und die Wartepflicht nicht eingehalten hat, im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren nicht mehr mit Erfolg geltend machen, wenn es diese Rüge nicht – wie von § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB a.F. gefordert – rechtzeitig gegenüber dem Auftraggeber erhoben hat. 2. Zur Feststellung des Zeitpunkts der Kenntnis von diesen Pflichtverletzunges (hier: Ermittlung des objektiven Erklärungswerts eines Schreibens des Geschäftsführers des Auftraggebers im Vergabeverfahren.). In dem Vergabenachprüfungsverfahren (Beschwerdeverfahren) betreffend die ohne Vergabebekanntmachung ausgeschriebene Vergabe des Dienstleistungsauftrages „Wohnungsverwaltung und Geschäftsführung der WBG mbH W.“, Verfahrensbeteiligte: 1. … Bieterin, Antragstellerin und Beschwerdeführerin, - Verfahrensbevollmächtigter: … 2. … Vergabestelle, Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin, - Verfahrensbevollmächtigte: … hat der Vergabesenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Zettel und die Richter am Oberlandesgericht Dr. Tiemann und Wiedemann im schriftlichen Verfahren mit dem Schlusstermin am 14. Oktober 2009 beschlossen: Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt des Landes Sachsen-Anhalt vom 28. Juli 2009, VK 2 LVwA LSA 15/09, wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Auslagen der Antragsgegnerin zu tragen. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf eine Gebührenstufe bis zu 600.000 € festgesetzt. Die Antragsgegnerin, eine kommunale Eigengesellschaft privaten Rechts zur Bewirtschaftung von kommunalem Wohnraum und Garagen, beschäftigt inzwischen kein eigenes Personal mehr. Sie lässt die gesamte Verwaltung und Betreuung ihres Immobilienbestandes und ihrer Pachtflächen mit Garagen sowie ihre Geschäftsführung von einem Dritten besorgen. Das war zuletzt die Antragstellerin. Am 12. März 2009 kündigte die Antragsgegnerin den mit der Antragstellerin bestehenden Verwaltervertrag fristgerecht zum 31. August 2009. Im selben Schreiben teilte sie ihre Absicht der Vergabe des o.g. Dienstleistungsauftrages mit einer Vertragslaufzeit von fünf Jahren sowie einer Verlängerungsoption durch Nichtausübung des Kündigungsrechts zum Jahresende, mit. Sie forderte am 12. März 2009 insgesamt drei Unternehmen, darunter auch die Antragstellerin, zur Abgabe eines Angebotes auf. Dabei sollten Kostenangebote für die Verwaltung und Betreuung des Bestandes als Brutto-Jahresbetrag sowie die Höhe der Vergütung des von der Auftragnehmerin zu stellenden Geschäftsführers angeboten werden. Zuschlagskriterien waren nicht benannt. Die Angebotsfrist lief bis zum 31. März 2009. Die Antragstellerin gab am 30. März 2009 ein Angebot ab. Ihrem Angebot fügte sie die geforderten Eignungsnachweise nicht bei, sondern verwies auf die der Antragsgegnerin bekannten Erfahrungen und Befähigungen. Innerhalb der Angebotsfrist ging ein Angebot eines weiteren Bieters (künftig: Mitbewerber) ein, welches die geforderten Eignungsnachweise vollständig enthielt. Das dritte zur Angebotsabgabe aufgeforderte Unternehmen hatte mitgeteilt, dass es aus Kapazitätsgründen nicht zur Auftragsübernahme in der Lage sei. Im Rahmen der formalen Angebotsprüfung wurde das Angebot der Antragstellerin in der Wertung belassen. Der Aufsichtsrat der Antragsgegnerin beschloss in seiner Sitzung vom 28. April 2009, den Zuschlag auf das Angebot des Mitbewerbers zu erteilen, vorbehaltlich einer Rücksprache mit der „Gläubigerbank“. Mit Schreiben vom 12. Mai 2009 teilte die Antragsgegnerin der Mitbewerberin mit, dass sie nach entsprechender Zustimmung der Gläubigerbank hiermit den Zuschlag erhalte. Mit weiterem Schreiben vom selben Tage informierte sie die Antragstellerin über die getroffene Vergabeentscheidung zugunsten der Mitbewerberin. In dem Schreiben heißt es: „... der Aufsichtsrat der WBG mbH W. hat in seiner Sitzung vom 28.04.2009 nach Auswertung der Ausschreibung über die Vergabe der Verwaltung und Geschäftsführung zum 01.09.2009 entschieden. Weiterhin wurde dazu der Standpunkt der Gläubigerbank A. Bank AG eingeholt. Dieser liegt nunmehr vor. Nach Ablauf des Vertrages werden damit die Geschäftsbeziehungen an den neuen Geschäftspartner, AWG Wt. e.G. übergeben. Ich danke Ihnen für die langjährigen erfolgreichen Geschäftsbeziehungen und bitte um eine konstruktive und vertrauensvolle Zusammenarbeit bis zum Ablauf der Vertragsbeziehungen. Gleichzeitig bitte ich Sie, zu gegebener Zeit die Übergabe an den neuen Geschäftspartner zu unterstützen. ...“ Auf deren Ersuchen händigte die Antragsgegnerin der Antragstellerin am 17. Juni 2009 ihren Auswertungsbogen aus, woraus erkennbar ist, dass das Angebot der Antragstellerin sowohl hinsichtlich der Gesamtkosten der Verwaltung als auch hinsichtlich der Aufwandsentschädigung für den Geschäftsführer preislich günstiger war als dasjenige der Mitbewerberin. Mit Fax-Schreiben vom 19. Juni 2009 rügte die Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin, dass die Zuschlagserteilung vergaberechtswidrig gewesen sei. Die Antragsgegnerin half dieser Rüge nicht ab. Mit Schriftsatz vom 23. Juni 2009 hat die Antragstellerin die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens bei der 2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt mit dem Ziel beantragt, dass eine Verletzung der subjektiven Rechte der Antragstellerin nach § 97 Abs. 7 GWB durch die Antragsgegnerin festgestellt werden möge und dass geeignete Maßnahmen zur Verhinderung einer Schädigung der Zuschlagsinteressen der Antragstellerin angeordnet werden mögen. Die Antragsgegnerin habe in erheblichem Maße gegen Vergaberecht verstoßen, indem sie den Zuschlag ohne Beachtung der Vorschriften über die Vorabinformations- und Wartepflicht nach § 13 VgV auf ein Angebot erteilt habe, welches nicht das wirtschaftlichste gewesen sei. Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss vom 28. Juli 2009 als unzulässig verworfen. Sie stützt ihre Entscheidung im Wesentlichen darauf, dass die Antragstellerin mit dem von ihr geltend gemachten Verstoß gegen § 13 VgV präkludiert sei, weil sie diese Rechtsverletzung nicht unverzüglich nach Kenntnis i.S. von § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB (a.F.) gegenüber der Antragsgegnerin gerügt habe. Die Vergabekammer hält die Benachrichtigung vom 12. Mai 2009 für so unmissverständlich in dem Sinne, dass der Zuschlag bereits an einen anderen Bieter erteilt worden sei, dass sich der Schluss auf eine Verletzung des § 13 VgV geradezu aufgedrängt habe. Ist aber wegen der Präklusion der Antragstellerin mit der Rüge der Nichtigkeit des erfolgten Zuschlags das Vergabeverfahren wirksam beendet gewesen, bevor der Nachprüfungsantrag anhängig gemacht worden sei, so könnten alle weiteren Rügen der Antragstellerin nicht mehr Gegenstand einer vergaberechtlichen Nachprüfung sein. Dieses Nachprüfungsverfahren stehe grundsätzlich nur für noch laufende Vergabeverfahren offen. Gegen diese ihr am 29. Juli 2009 zugestellte Entscheidung richtet sich die mit Schriftsatz vom 10. August 2009 erhobene und am selben Tage vorab per Fax beim Oberlandesgericht Naumburg eingegangene sofortige Beschwerde der Antragstellerin. Die Antragstellerin verfolgt ihre erstinstanzlichen Anträge weiter und ist u.a. der Meinung, dass eine positive Kenntnis des Verstoßes gegen die Wartepflicht bei der Antragstellerin nicht zugleich mit Zugang des Schreibens der Antragsgegnerin vom 12. Mai 2009 entstanden sei. Vielmehr habe die Antragstellerin das Schreiben so verstanden, dass eine Zuschlagserteilung erst noch bevorstehe. Bloße Erkennbarkeit – wie sie die Vergabekammer letztlich beschrieben habe – genüge hingegen nicht, um die Rügeobliegenheit nach § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB a.F. auszulösen. Zudem habe sie Kenntnis von der vergaberechtswidrigen Auswahl des wirtschaftlichsten Angebotes erst durch Einblick in die Unterlagen am 17. Juni 2009 gewonnen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beschwerdeschrift vom 10. August 2009 (GA Bl. 13 ff.) Bezug genommen. Die Antragstellerin beantragt, den Beschluss der 2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt vom 28. Juli 2009, VK 2 LVwA LSA 15/09, aufzuheben und festzustellen, dass sie in ihren Rechten verletzt wurde, dass ihr Angebot nicht auszuschließen und dass der Zuschlag auf ihr Angebot zu erteilen ist; hilfsweise, die Vergabekammer zu verpflichten, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats die Sache erneut zu entscheiden. Die Antragsgegnerin beantragt, die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen. Sie verteidigt im Wesentlichen die angefochtene Entscheidung und vertieft insbesondere die Ansicht, dass die Antragstellerin mit Erhalt des Schreibens vom 12. Mai 2009 Kenntnis von der zeitgleich erfolgten Zuschlagserteilung erhalten hat. Hilfsweise liege ein bewusstes Sich-Verschließen vor einer offensichtlichen Tatsache – der Zuschlagserteilung ohne Einhaltung einer Wartefrist – vor, welches der positiven Kenntnis gleich gestellt sei. Der Senat hat im Rahmen seiner Entscheidung über einen Antrag nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB durch Beschluss vom 25. August 2009 darauf hingewiesen, dass und aus welchen Gründen die sofortige Beschwerde der Antragstellerin keine Aussicht auf Erfolg haben dürfte. Hierzu hat die Antragstellerin mit Schriftsätzen vom 15. September 2009 (vgl. GA Bl. 140 ff.) sowie vom 9. Oktober 2009 (vgl. GA Bl. 159 ff.) eingehend Stellung genommen. Der Senat hat weiter im Einvernehmen mit den Beteiligten mit Beschluss vom 21. September 2009 die Verhandlung und Entscheidung im schriftlichen Verfahren angeordnet und den 14. Oktober 2009 als Schlusstermin bestimmt. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig; sie hat aber in der Sache keinen Erfolg. Die Vergabekammer ist zu Recht von der Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrages der Antragstellerin ausgegangen. Die von der Antragstellerin erhobene Rüge, dass die Antragsgegnerin den Vertrag vergaberechtswidrig ohne Einhaltung der Wartepflicht geschlossen habe, ist präkludiert, weil die Antragstellerin diesen Umstand nicht rechtzeitig gegenüber der Antragsgegnerin gerügt hat. Auf alle weiteren Rügen kommt es danach nicht mehr an, weil der wirksame Vertragsschluss zur Beendigung des Vergabeverfahrens vor Einleitung des Nachprüfungsverfahrens geführt hat. 1. Das Rechtsmittel der Antragstellerin ist zulässig. Die sofortige Beschwerde ist statthaft und wurde frist- und formgerecht (§ 117 Abs. 1 bis 3 GWB) beim zuständigen Gericht (§ 116 Abs. 3 S. 1 GWB) eingelegt. Die auch im Beschwerdeverfahren von Amts wegen zu prüfenden allgemeinen Voraussetzungen für die Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens (§§ 98 bis 100, 102, 107 Abs. 1, 108 GWB) liegen vor. Die von der Antragstellerin formulierten Anträge im Beschwerdeverfahren sind dahin auszulegen, dass die Antragstellerin die Feststellung der Nichtigkeit des geschlossenen Vertrages über den ausgeschriebenen Auftrag sowie die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Wiederholung der Wertung erreichen will. Im Rahmen dieser Wertung soll die Antragsgegnerin verpflichtet sein, das Angebot der Antragstellerin hinsichtlich seiner Wirtschaftlichkeit zu bewerten. Soweit die Antragstellerin die Feststellung begehrt, dass der Zuschlag auf ihr Angebot zu erteilen ist, konnten die hiergegen bestehenden Bedenken des Senats im Hinblick auf den Ausgang des Beschwerdeverfahrens offen bleiben. 2. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist bereits unzulässig, weil die Antragstellerin die Verletzung der Vorabinformations- und der Wartepflicht durch die Antragsgegnerin vor Abschluss des ausgeschiebenen Vertrages nicht rechtzeitig gerügt hat und dadurch das Vergabeverfahren vor Anrufung der Vergabekammer bereits wirksam beendet war. 2.1. Auf das Nachprüfungsverfahren ist – insbesondere auch im Hinblick auf die Erfüllung der Rügeobliegenheiten durch die Antragstellerin – das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, Teil IV, in seiner bis zum 23. April 2009 geltenden Fassung anzuwenden (künftig: GWB ohne weitere Angabe). Denn das Vergabeverfahren, das Gegenstand der Nachprüfung ist, hat am 12. März 2009 und mithin vor dem Inkrafttreten des Vergaberechtsmodernisierungsgesetzes am 24. April 2009 begonnen (vgl. BGBl. I, S. 790 ff.; Art. 1 Nr. 27 <§ 131 Abs. 8 GWB n.F.>, Art. 4). 2.2. Die Antragstellerin ist mit der hier maßgeblichen Rüge präkludiert, dass die Antragsgegnerin vor dem Vertragsschluss die Vorabinformationspflicht nach § 13 Satz 1 VgV (i.d.F. von 2006 – künftig ohne gesonderte Angabe) und die Wartepflicht nach § 13 Satz 5 VgV nicht eingehalten hat. Sie kann diese Pflichtverletzungen im Nachprüfungsverfahren nicht mehr mit Erfolg geltend machen, weil sie diese Rüge nicht – wie von § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB verlangt – rechtzeitig erhoben hat. Nach § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist ein Nachprüfungsantrag nur zulässig, wenn der Antragsteller den im Nachprüfungsverfahren geltend gemachten Pflichtverstoß zuvor gegenüber der Vergabestelle angezeigt und jene zur Beseitigung dieses Pflichtverstoßes ultimativ aufgefordert hatte. Die Anzeige und Aufforderung – die vergaberechtliche Rüge – muss zeitlich unverzüglich nach dem Erkennen des Vergaberechtsverstoßes erfolgen, d.h. mit der positiven Kenntnis beginnt eine sog. Rügefrist zu laufen. Die Antragstellerin geht deshalb zutreffend davon aus, dass es hier vor allem darauf ankommt, ab welchem Zeitpunkt die Antragstellerin erkannt hat, dass die Antragsgegnerin den Vertrag ohne Vorabinformation der nicht berücksichtigten Bieter und ohne Einhaltung einer Wartepflicht zwischen der Vorabinformation und dem Zuschlag abschließt, was wiederum entscheidend vom objektiven Erklärungsgehalt des Schreibens der Antragsgegnerin an sie vom 12. Mai 2009 abhängt. Das vorgenannte Schreiben vermittelte der Antragstellerin nach Auffassung der Vergabekammer und – dem aufgrund eigener kritischer Bewertung der Gesamtumstände folgend – auch nach Bewertung durch den erkennenden Senat die sichere Kenntnis, dass am 12. Mai 2009 der Zuschlag bereits erteilt wurde. Da die Antragstellerin zugleich wusste, dass eine Vorabinformation nicht erteilt worden war, ergab sich ohne Weiteres die Erkenntnis, dass die Antragsgegnerin ihre Vorabinformations- und Wartepflichten jeweils nicht eingehalten hatte. Seinem Wortlaut nach enthält das Schreiben zunächst die Information über eine eindeutig abschließende interne Entscheidung bei der Antragsgegnerin im Vergabeverfahren für einen neuen Verwalter sowie über die Zustimmung der Hauptgläubigerin zum Wechsel des Verwalters. Aus diesen Informationen allein könnte u.U. noch nicht auf einen Vollzug der internen Entscheidung durch Erteilung des Zuschlags auf das ausgewählte Angebot geschlossen werden. Wie die Antragstellerin zu Recht anführt, vertritt der Aufsichtsrat die Gesellschaft regelmäßig nicht im Rechtsverkehr. Ob vorliegend etwas Anderes gilt, kann offen bleiben. Insoweit ist jedoch darauf zu verweisen, dass die Antragsgegnerin unter Beweisantritt vorgetragen hat, dass der Antragstellerin bekannt gewesen sei, dass sich der Aufsichtsrat der Antragsgegnerin die Entscheidung über die Zuschlagserteilung vorbehalten hatte. Dies erscheint auch unter dem Aspekt nicht abwegig, dass mit dem ausgeschriebenen Vertrag zugleich auch weitgehend die Aufgaben der Geschäftsführung selbst übertragen werden sollten. Für die Richtigkeit des Vorbringens der Antragsgegnerin könnte sprechen, dass das Anschreiben der Antragstellerin zu ihrem Angebot sich an den Aufsichtsratsvorsitzenden der Antragsgegnerin wendet und nicht an deren Geschäftsführer. Jedenfalls – und das ist maßgeblich – folgt im Schreiben vom 12. Mai 2009 im zweiten Absatz nicht etwa die Einschränkung, dass ein Vertrag (nach Ablauf einer gewissen Wartezeit) später geschlossen werden solle, sondern vielmehr die Mitteilung des verbindlichen Übergangs der Verwaltung von der Antragstellerin als bisherige Verwalterin auf die AWG Wt. e.G. als neue Verwalterin, und zwar zu einem fixen Termin, dem 1. September 2009. Diese Mitteilung stammt auch nicht etwa vom Aufsichtsrat, sondern vom Geschäftsführer der Antragsgegnerin, d.h. von dem die Antragsgegnerin im Rechtsverkehr vertretenden Organ. Das Schreiben vom 12. Mai 2009 ist nämlich allein vom Geschäftsführer unterzeichnet. Ohne einen einschränkenden Zusatz ist das nur dahin zu verstehen, dass der Zuschlag inzwischen bereits erteilt wurde, auch wenn dieser Umstand nicht ausdrücklich im Schreiben Erwähnung findet. Hierfür spricht schließlich auch der letzte Absatz des Schreibens, welcher freundliche, aber eindeutig auf einen Abschied gerichtete Schlussworte enthält. Für den objektiven Informationsgehalt des Schreibens ist es im Übrigen ohne Bedeutung, ob die mitgeteilte Verhaltensweise – Zuschlagserteilung – rechtlich angreifbar ist oder gar auf einem Rechtsirrtum über Handlungsbefugnisse beruht, wie die Antragstellerin jetzt geltend macht (Zuschlagserteilung durch den Aufsichtsrat ?). Das Schreiben verschafft der Antragstellerin jedenfalls Kenntnis davon, dass die Antragsgegnerin davon ausgeht, den Zuschlag wirksam erteilt zu haben. Die vorausgeführte Bewertung des Informationsgehaltes des o.a. Schreibens wird weiter gestützt von seinem Zweck, der sich wiederum aus dem Zusammenhang mit dem Vorgeschehen und seinem Wortlaut ergibt. Das Schreiben enthält eine Information der Antragsgegnerin an die Antragstellerin im Rahmen des Vergabeverfahrens, wie schon die Bezugszeile zeigt. Der Antragstellerin war aufgrund des Schreibens vom 12. März 2009 bekannt, dass das bisherige Vertragsverhältnis zum 31. August 2009 beendet worden war. Sie war selbst Empfängerin der Kündigungserklärung. Ihr war bekannt, dass ein neuer Vertrag vor dem 1. September 2009, dem Zeitpunkt des Ausführungsbeginns des Folgevertrages, geschlossen werden sollte. Sie hatte innerhalb der nur zweieinhalbwöchigen Angebotsfrist ein Angebot abgegeben und wusste auch ohne klare Bestimmung einer Zuschlagsfrist, dass die Entscheidung im Vergabeverfahren zeitnah erfolgen sollte. Sie erwartete eine Information darüber, wessen Angebot die Antragsgegnerin annehmen würde. Unter diesen Umständen ist das Schreiben vom 12. Mai 2009, welches über der Entscheidung für einen neuen Verwalter informiert, klar als Absage an die Antragstellerin und ihr Angebot zu interpretieren. Zugleich sollte das Schreiben vom 12. Mai 2009 den Übergang der Wohnungsverwaltung von der Antragstellerin zur neuen Verwalterin terminlich und organisatorisch vorbereiten. Deshalb enthält das Schreiben die Information über die Person des neuen Vertragspartners. Der mitgeteilte Termin am 1. September 2009 ist ohne Weiteres als Beginn der Ausführung eines neuen Vertrages zu erkennen und nicht etwa als der Termin einer beabsichtigten Zuschlagserteilung. Der Beginn der Ausführung folgt schon regelmäßig einem Vertragsschluss nach. Die hier vorgenommene terminliche und „technische“ Vorbereitung der Übergabe der Wohnungsverwaltung an ein anderes Unternehmen setzt erst recht notwendig voraus, dass bereits unumkehrbar entschieden ist, dass die Zusammenarbeit mit dem bisherigen Vertragspartner trotz dessen Bewerbung um den neuen Vertrag keine Fortsetzung mehr findet. Das räumt auch die Antragstellerin inzwischen ein. Schließlich spricht das Rügeschreiben der Antragstellerin selbst vom 19. Juni 2009 dafür, dass die Antragstellerin das Schreiben eben in diesem Sinne verstanden hat. Dort heißt es auf Seite 2, dass die Antragsgegnerin ihr mit Schreiben vom 12. Mai 2009 mitgeteilt habe, „... dass der Zuschlag an ein anderes Unternehmen erteilt worden sei ...“ (vgl. Anlage AS 1 zum Nachprüfungsantrag, BeiA Bl. 10, 11). Dieses Verständnis zeigt auch das nachfolgende Verhalten der Antragstellerin, die sich – erfolgreich – um die Aufklärung der Gründe der Nichtberücksichtigung ihres Angebotes bemühte, d.h. in Kenntnis der endgültigen Ablehnung ihres eigenen Angebotes. Der Entscheidung des Senats steht nicht entgegen, dass die Antragstellerin zum Zeitpunkt der Kenntnisnahme vom Inhalt des Schreibens vom 12. Mai 2009 noch keine Kenntnis davon hatte, dass das Angebot der Mitbewerberin preislich ungünstiger war, als ihr eigenes. Die Obliegenheit zur Rüge der Verletzung der Pflichten aus § 13 VgV war gleichwohl bei Zugang dieses Schreibens entstanden, weil die Vorabinformations- und Wartepflicht der Vergabestelle gegenüber allen übergangenen Bietern besteht und nicht etwa nur gegenüber Bietern, die u.U zu Unrecht übergangen worden sind. Mit anderen Worten: Die Antragstellerin hätte zunächst die von ihr erkannte Verletzung der Pflichten des § 13 VgV rügen und deren Erfüllung von der Antragsgegnerin einfordern müssen. Nach Mitteilung des bzw. der Gründe der Nichtberücksichtigung ihres Angebotes hätte sie ggf. weitere Rügen und die Einleitung des Nachprüfungsverfahrens in Erwägung ziehen können. Ein „Zurückhalten“ einer Rüge, bis etwa noch weitere Vergabeverstöße zu Tage treten, soll mit der Vorschrift des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB gerade verhindert werden. Soweit die Antragstellerin insbesondere in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 9. Oktober 2009 (hilfsweise) darauf abstellt, dass neben der Kenntnis der tatsächlichen Umstände vom Vertragsschluss ohne Vorabinformation und Abwarten auch eine laienhafte rechtliche Bewertung dieser Umstände als vergaberechtswidrig im Hinblick auf § 13 VgV erforderlich sei, vermag dies hier eine andere Entscheidung nicht zu rechtfertigen. Der Antragstellerin waren die Rechtspflichten der Antragsgegnerin nach § 13 VgV bekannt, was sie nicht in Abrede stellt und wovon sie in ihrem Beschwerdevorbringen vom „Warten“ auf eine formal ordnungsgemäße Vorabinformation selbst ausgeht. Dem gegenüber ist eine Kenntnis der Verhaltensanforderungen im Einzelnen im Hinblick auf die Rügeobliegenheit sowie der möglichen Rechtsfolgen einer verspäteten vergaberechtlichen Rüge für den Eintritt der Präklusionswirkung keine Voraussetzung. 2.3. Die Versäumung der Rügefrist für die Geltendmachung einer Verletzung der Vorabinformations- und Wartepflicht hat über die Präklusion der vorgenannten Rüge hinaus zur Folge, dass ein Zugang zum vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren mit anderen Rügen nicht mehr gegeben ist. Ein vergaberechtliches Nachprüfungsverfahren nach §§ 102 ff. GWB ist einem Bieter grundsätzlich nur für ein noch nicht beendetes Vergabeverfahren eröffnet. Denn die Nachprüfung dient nach § 104 Abs. 2 GWB der Gewährung von sog. Primärrechtsschutz, d.h. einer Durchsetzung subjektiver Rechte des Bieters im Vergabeverfahren. Soweit der Bieter im Vergabeverfahren selbst nichts mehr bewirken kann, z. Bsp. wenn, wie hier, das Vergabeverfahren durch Zuschlagserteilung beendet worden ist, ist er auf den sog. Sekundärrechtsschutz zu verweisen, d.h. allenfalls auf eine Geltendmachung von etwaigen Schadenersatzansprüchen. Hierfür ist der Zivilrechtsweg eröffnet, nicht das Vergabenachprüfungsverfahren. Ein erteilter Zuschlag selbst kann nach § 114 Abs. 2 Satz 1 GWB nicht mehr aufgehoben werden. Zwar wird eine Ausnahme von diesem Grundsatz von der vergaberechtlichen Rechtsprechung und der Spruchpraxis der Vergabekammern angenommen, wenn die Zuschlagserteilung nicht wirksam erfolgt ist. Eine solche Ausnahme macht die Antragstellerin hier geltend, indem sie neben anderen Vergabeverstößen auch einen Verstoß gegen die Pflichten der Antragsgegnerin aus § 13 VgV rügt, der nach § 13 Satz 6 VgV zur Nichtigkeit der Zuschlagserteilung führt, und indem sie die Wirksamkeit des Zuschlags aus allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen bezweifelt. Diese Einwendungen sind jedoch unbegründet. Eine Nichtigkeit nach § 13 Satz 6 VgV kann wegen der Präklusion dieser Rüge, wie vorausgeführt, im Nachprüfungsverfahren nicht mehr festgestellt werden. Zivilrechtlich ist der Zuschlag wirksam erteilt worden, denn das Schreiben der Antragsgegnerin an die Zuschlagsaspirantin vom 12. Mai 2009 ist vom Geschäftsführer der Antragsgegnerin unterzeichnet und beinhaltet die unmissverständliche Erklärung dieses Geschäftsführers, dass das Unternehmen den Zuschlag erhält. 3. Die Entscheidung über die Kostentragung im Beschwerdeverfahren beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Gegenstandswertes des gerichtlichen Beschwerdeverfahrens beruht auf § 50 Abs. 2 GKG. Der Senat legt dabei die geprüfte jährliche Brutto-Angebotssumme der Antragstellerin sowie eine Vertragslaufzeit von insgesamt sechs Jahren (Grundlaufzeit: 5 Jahre, einmalige Verlängerungsoption für 1 Jahr; vgl. § 2 Nr. 1 des Vertrages) zugrunde. gez. Dr. Zettel gez. Dr. Tiemann gez. Wiedemann ----------------------------------------------------- Die von uns erfassten Urteile wurden oft anders formatiert als das Original. Dies bedeutet, daß Absätze eingefügt und Hervorhebungen durch fett-/kursiv-/&farbig-machen sowie Unterstreichungen vorgenommen wurden. Dies soll verdeutlichen, aber keinesfalls natürlich den Sinn verändern.Wenn Sie vorsichtshalber zusätzlich die Originalversion sehen möchten, hier ist der Link zur QuelleLink zur Quelle (kein Link? Dann ist dieser Link nicht in unserer DB gespeichert, z.B. weil das Urteil vor Frühjahr 2009 gespeichert worden ist). |