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Text des Beschlusses
1 Verg 8/09;
Verkündet am: 
 22.10.2009
OLG Oberlandesgericht
 

Naumburg
Rechtskräftig: unbekannt!
Zur Unbilligkeit eines Gebührenansatzes einer 2,5-fachen Gebühr nach Nr. 2300 VV RVG in einem Nachprüfungsverfahren
Leitsatz des Gerichts:
1. Zur Unbilligkeit eines Gebührenansatzes einer 2,5-fachen Gebühr nach Nr. 2300 VV RVG in einem Nachprüfungsverfahren, welches ein Verhandlungsverfahren nach VOF zum Gegenstand hat (hier: keine Beanstandung der Festsetzung einer 1,5-fachen Gebühr).

2. Keine Prüfung eines hilfsweisen Gebührenansatzes von 2,0.
In dem Vergabenachprüfungsverfahren (Beschwerdeverfahren)
betreffend die u.a. im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 7. November 2008 (S 217-289475) ausgeschriebene Vergabe des Dienstleistungsauftrags „Erschließung Industrie- und Gewerbegebiet … Planungsleistungen“,

hier: isoliertes Rechtsmittel gegen die Festsetzung der erstattungsfähigen Aufwendungen der Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer

Verfahrensbeteiligte:
1. …
1.2. …
1.3. …
Bieterin und Antragstellerin,
Kostengläubigerin und Beschwerdeführerin,
- Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte …
2. …
Vergabestelle und Antragsgegnerin,
Kostenschuldnerin und Beschwerdegegnerin,
- Verfahrensbevollmächtigte: …

hat der Vergabesenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Zettel und die Richter am Oberlandesgericht Dr. Tiemann und Wiedemann im schriftlichen Verfahren mit Schlusstermin am 15. Oktober 2009 beschlossen:

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt des Landes Sachsen-Anhalt vom 19. August 2009, VK 2 LVwA LSA – 11/09, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Aufwendungen der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren hat die Antragstellerin zu tragen.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.312,10 € festgesetzt.


Gründe

I.

Die Antragstellerin hat mit ihrem vergaberechtlichen Nachprüfungsantrag obsiegt, der Antragsgegnerin wurde aufgegeben, das von der Antragstellerin beanstandete Vergabeverfahren aufzuheben und im Falle des Fortbestehens der Vergabeabsicht ein erneutes Vergabeverfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer durchzuführen.

Der Antragsgegnerin wurden mit bestandskräftigem Beschluss vom 21. April 2009 u.a. auch die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin im Verfahren vor der Vergabekammer auferlegt, insbesondere wurde die Notwendigkeit der Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten festgestellt.

Mit Antrag vom 26. Juni 2009 hat die Antragstellerin ihre Kosten auf 3.222,80 € beziffert.

Nach Anhörung der Antragsgegnerin hat die Vergabekammer die von der Antragsgegnerin an die Antragstellerin zu erstattenden Kosten mit Beschluss vom 19. August 2009 lediglich in Höhe von 1.910,70 € festgesetzt und den Kostenfestsetzungsantrag im Übrigen zurückgewiesen.

Die Zurückweisung beruht zum Einen darauf, dass die Vergabekammer die von der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin angesetzte Gebühr in Höhe des 2,5-fachen einer einfachen Gebühr für unbillig erachtet hat und an dessen Stelle einen Ansatz von 1,5-fachen Gebühren als angemessen angesehen hat. Zum Anderen hat sie die geltend gemachten Fahrtkosten nicht im vollen Umfange als erforderlich angesehen, weil der Antragstellerin unter Berücksichtigung der Obliegenheit zu einer möglichst kostengünstigen Rechtsverfolgung die Auswahl eines Rechtsanwalts im eigenen regionalen Umfeld bzw. am Sitz der Vergabekammer zuzumuten gewesen sei. Schließlich hat die Vergabekammer – in Übereinstimmung mit der einhelligen Rechtsprechung, u.a. auch derjenigen des erkennenden Senates – darauf erkannt, dass kein Anspruch auf Verzinsung der festgesetzten Kosten besteht.

Gegen diese ihr am 20. August 2009 zugestellte Entscheidung wendet sich die Antragstellerin mit ihrer am 26. August 2009 vorab per Fax beim Oberlandesgericht Naumburg eingegangenen sofortigen Beschwerde, soweit die Vergabekammer den Kostenfestsetzungsantrag in Höhe von 1.312,10 € zurückweist.

Sie verteidigt ihren Gebührenansatz in Höhe einer 2,5-fachen Gebühr und stützt ihre Beschwerde hilfsweise darauf, dass mindestens eine 2,0-fache Gebühr gerechtfertigt sei. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beschwerdeschrift vom 26. August 2009 Bezug genommen.

Die Antragsgegnerin hat die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde beantragt; auf den Inhalt ihres Schriftsatzes vom 16. September 2009 wird ebenfalls Bezug genommen.

Der Senat hat im Einvernehmen mit den Beteiligten mit Beschluss vom 30. September 2009 die Verhandlung und Entscheidung im schriftlichen Verfahren angeordnet und den 15. Oktober 2009 als Schlusstermin bestimmt.

II.

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist nach § 116 Abs. 1 GWB zulässig; sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Die Kostenfestsetzung der Vergabekammer ist nicht zu beanstanden.

1. Der Senat legt die sofortige Beschwerde der Antragstellerin nach ihrem Wortlaut dahin aus, dass die Antragstellerin sich gegen die teilweise Zurückweisung ihres Kostenfestsetzungsantrages wendet, soweit der Hauptbetrag in ursprünglicher Höhe von 3.222,80 € zurückgewiesen wurde, d.h. gegen die Reduzierung des Gebührenansatzes und gegen die teilweise Nichtanerkennung der geltend gemachten Fahrtkosten.

Die sofortige Beschwerde wendet sich hingegen nicht gegen die Ablehnung einer Verzinsung des festgesetzten Betrages. Weder der Wortlaut des Antrages noch der Inhalt der Beschwerdeschrift enthält einen Anhaltspunkt, dass sich die Antragstellerin auch gegen diesen Aspekt der Kostenfestsetzung wenden will.

2. Gebührenansatz der Geschäftsgebühr

2.1. Der hier von den Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin vorgenommene Ansatz einer 2,5-fachen Gebühr nach VV Nr. 2300 RVG ist ausnahmsweise nicht verbindlich, weil er unbillig i.S.v. § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG ist. Er weicht von einer angemessenen Gebühr um knapp 67 Prozent ab.

Die Geschäftsgebühr nach VV Nr. 2300 RVG ist eine Rahmengebühr zwischen 0,5 und 2,5 Gebühren, bei der schon ein Ansatz von mehr als 1,3 Gebühren nur gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war.

Für die Bestimmung der hier angemessenen Rahmengebühr sind nach § 14 Abs. 1 RVG mehrere Kriterien heranzuziehen, insbesondere der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer, die Bedeutung der Angelegenheit für die Antragstellerin und ggfs. deren Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie schließlich auch das Haftungsrisiko der Rechtsanwältin in dieser Angelegenheit.

Ein Ansatz der Höchstgebühr setzte voraus, dass alle Bemessungskriterien im weit überdurchschnittlichen Bereich lägen.

Das ist hier nicht der Fall.

Der Senat geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass in Vergabesachen regelmäßig eine überdurchschnittliche Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit anzuerkennen ist, weil das nationale Vergaberecht eine komplexe, vom Gemeinschaftsrecht überlagerte Rechtsmaterie ist, die z. Zt. einer sehr dynamischen Entwicklung unterliegt (vgl. nur Senatsbeschluss vom 16.08.2005, 1 Verg 4/05).

Diese Einschätzung trifft nach wie vor zu; sie macht jedoch die Prüfung der tatsächlichen Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit im jeweiligen Einzelfall nicht etwa entbehrlich.

Ein überdurchschnittlicher Gebührenansatz ist schon jeder Gebührenansatz über der gesetzlich vorgegebenen Kappungsgrenze in Höhe einer 1,3-fachen Gebühr. Im vorliegenden Fall ist von einer überdurchschnittlichen Schwierigkeit auszugehen, es sind allerdings noch weitaus schwierigere Fallgestaltungen vorstellbar.

Das Mandat der Antragstellerin an ihre Verfahrensbevollmächtigten bezog sich auf die Ergänzung des bereits gestellten Nachprüfungsantrages. Im Rahmen dessen kam es insbesondere auf Rechtsfragen zur Transparenz eines Verhandlungsverfahrens und speziell des dortigen Wertungsvorgangs an. Daneben waren auch allgemeine Verfahrensfragen, insbesondere der Antragsbefugnis und der Erfüllung der Rügeobliegenheiten, zu berücksichtigen. Die hier aufgeworfenen Rechtsfragen waren bereits vielfach Gegenstand in anderen Vergabenachprüfungsverfahren. Die vergaberechtlichen Fragen ließen sich unter ausschließlicher Betrachtung des nationalen Vergaberechts lösen und erreichten nicht den Schwierigkeitsgrad, wie er beispielsweise z.T. in Verhandlungsverfahren zu komplexen Baukonzessionen oder PPP-Projekten auftritt.

Dem gegenüber ist der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit als allenfalls durchschnittlich zu bewerten. Zwar wurden die Verfahrensbevollmächtigten von der Antragstellerin erst zu einem fortgeschrittenen Stadium mandatiert, kurzfristig vor dem bereits anberaumten Termin der mündlichen Verhandlung. Hieraus ergab sich ein hoher Zeitdruck der Einarbeitung und Abfassung einer schriftsätzlichen Stellungnahme. Andererseits war objektiv auch nur ein geringer Zeiteinsatz möglich. Es waren, anders als häufig in Vergabesachen, nur eine geringe Zahl von Unterlagen zu sichten und auszuwerten, weil den Verfahrensbevoll-mächtigten mehr gar nicht vorlag. Es fand eine mündliche Verhandlung mit durchschnittlicher Verhandlungsdauer statt.

Soweit die Antragstellerin meint, dass zu ihren Gunsten die fehlende Vorbefassung mit der Angelegenheit bereits vor Einleitung des Vergabenachprüfungsverfahrens zu berücksich-tigen ist, geschieht das schon durch die Auswahl des Gebührentatbestandes in Nr. 2300 VV RVG. Anderenfalls wäre Nr. 2301 VV RVG einschlägig, der einen erheblich geringen Gebührenrahmen (0,5 bis 1,3 Gebühren) neben den bereits verdienten Gebühren für das Vergabeverfahren vorsieht.

Anhaltspunkte für eine über dem Durchschnitt liegende Bedeutung der Angelegenheit sind nicht ersichtlich. Insoweit kommt mehr auf die relative Bedeutung des Auftrags aus Sicht der Antragstellerin an, also auf den Auftragswert im Vergleich zu den durchschnittlichen Auftragswerten der Arbeitsgemeinschaft oder ihrer Mitglieder, auf die Ausführungsdauer, den Prestige- bzw. Referenzwert der Auftragsausführung etc.. Dem gegenüber ist es von weniger Gewicht, ob die Antragstellerin im Falle eines Obsiegens im Vergabeverfahren ihre Zuschlagschancen selbst als besonders hoch einschätzt oder nur als geringfügig erhöht.

2.2. Unter Berücksichtigung der Vorausführungen ergibt sich, dass ein Ansatz einer über der Kappungsgrenze des 1,3-Fachen liegenden Gebühr gerechtfertigt ist, jedoch allenfalls ein nahe bei dieser Kappungsgrenze liegender Ansatz. Insoweit ist der von der Vergabekammer gefundene Ansatz einer 1,5-fachen Gebühr nicht zu beanstanden.

2.3. Das hilfsweise Vorbringen der Antragstellerin vermag eine andere Entscheidung nicht zu rechtfertigen; er führt jedoch insbesondere nicht zu einer weiteren Prüfung der Unbilligkeit i.S.v. § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG. Denn die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin hat ihr Bestimmungsermessen mit dem Kostenfestsetzungsantrag vom 26. Juni 2009 ausgeübt; hieran ist sie auch selbst gebunden. Eine nachträgliche – hilfsweise – Neuausübung ist grundsätzlich und so auch hier nicht zulässig.

3. Die Festsetzung der Fahrtkosten durch die Vergabekammer und insbesondere deren Reduzierung unter Berücksichtigung des sog. Verbilligungsgrundsatzes sind nicht zu beanstanden. Die Antragstellerin hat sachliche Gründe für ihre Entscheidung, weder Verfahrensbevollmächtigte am eigenen Geschäftssitz noch am Sitz der Vergabekammer, sondern solche an einem weiter entfernten dritten Ort auszuwählen, schon selbst nicht angeführt; derartige Gründe sind auch sonst nicht ersichtlich. In ihrer Beschwerdebegründung hat sie nicht erkennen lassen, welche – ggfs. weiteren – inhaltlichen Einwendungen sie gegen die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung vorbringen will.

4. Danach hat es bei der angefochtenen Entscheidung zu verbleiben.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO analog.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes des gerichtlichen Beschwerdeverfahrens beruht auf §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO.

Der Senat hat die Differenz zwischen der von der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren angestrebten Kostenfestsetzung in Höhe von 3.222,80 € und dem Betrag der von der Vergabekammer festgesetzten Kosten in Höhe von 1.910,70 € zugrunde gelegt.

gez. Dr. Zettel gez. Dr. Tiemann gez. Wiedemann
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