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Text des Beschlusses
1 W 35/06 (EnWG);
Verkündet am: 
 28.12.2009
OLG Oberlandesgericht
 

Rechtskräftig: unbekannt!
Die nationale Rechtsvorschrift des § 110 Abs. 1 Nr. 2 EnWG bietet keine wirksame rechtliche Grundlage für die in dieser Vorschrift vorgesehene Befreiung von Elektrizitätsverteilernetzen von der Verpflichtung zur Gewährung eines freien Netzzugangs
Leitsatz des Gerichts:
1. Die nationale Rechtsvorschrift des § 110 Abs. 1 Nr. 2 EnWG bietet keine wirksame rechtliche Grundlage für die in dieser Vorschrift vorgesehene Befreiung von Elektrizitätsverteilernetzen von der Verpflichtung zur Gewährung eines freien Netzzugangs, weil sie gegen höherrangige Vorgaben des Gemeinschaftsrechts verstößt. Sie hat unangewendet zu bleiben.

2. Ist die Feststellung des Objektnetzstatus´ durch die Regulierungsbehörde getroffen worden, ohne dass zuvor eine ausreichende Ermittlung der tatsächlichen Grundlage für diese Entscheidung erfolgt ist, so ist dieser Mangel im Beschwerdeverfahren objektiv nicht heilbar. Der Verstoß gegen § 68 Abs. 1 EnWG ist jedenfalls dann beachtlich und führt zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides, wenn nicht jeder vernünftige Zweifel an der materiellen Richtigkeit des Bescheides ausgeschlossen ist.

3. Zu den tatsächlichen Grundlagen für die Feststellung des Vorliegens bzw. Nichtvorliegens der Merkmale eines Dienstleistungsnetzes i.S.v. § 110 Abs. 1 Nr. 2 EnWG.
In dem Energiewirtschaftsverfahren (Beschwerdeverfahren)
betreffend die Feststellung des Objektnetzstatus´ nach § 110 EnWG,

Verfahrensbeteiligte:
1. …,
Beschwerdeführerin,
- Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt …
2. …
Regulierungsbehörde und Beschwerdegegnerin zu 1),
- Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt …
3. …
Antragstellerin und Beschwerdegegnerin zu 2),
- Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt …
4. …
weitere Beteiligte

hat der Kartellsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Zettel und die Richter am Oberlandesgericht Dr. Tiemann und Wiedemann auf die mündliche Verhandlung vom 14. Dezember 2009 beschlossen:

Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss der Landesregulierungsbehörde für Elektrizität und Gas des Landes Sachsen-Anhalt vom 8. September 2005 aufgehoben, soweit er sich auf das Elektrizitätsnetz der Antragstellerin bezieht.

Im Umfange der Aufhebung wird der Antrag der Antragstellerin auf Feststellung des Objektnetzstatus´ für ihr Elektrizitätsnetz im ChemiePark B. W. zurückgewiesen.

Die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die außergerichtlichen Auslagen der Beschwerdeführerin haben die Regulierungsbehörde und die Antragstellerin jeweils zur Hälfte zu tragen. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Der Kostenwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 10.000,00 € festgesetzt.


Gründe

I.

Die Antragstellerin ist ein Energiedienstleister in der Region B.-W.. Sie betreibt im ChemiePark B. W. das in ihrem Eigentum befindliche Elektrizitätsnetz (mit Hoch-, Mittel- und Niederspannungsebene), das Gasnetz (in den Druckstufen Hoch- und Niederdruck), ein Druckluftnetz und ein Prozessdampfnetz (im Areal A im Mitteldruck und in den Arealen B bis E im Hoch- und Niederdruckbereich) sowie ein Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerk. Daneben betreibt sie im M. Park T. ein Elektrizitäts- und Gasnetz und erbringt energienahe Dienstleistungen in der Region.

Am 22. August 2005 beantragte sie bei der Regulierungsbehörde die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen zum Betrieb eines Objektnetzes für die Elektrizitätsversorgung und die Gasversorgung im ChemiePark B. W. nach § 110 Abs. 1 Nr. 2 EnWG.

Dem Antrag waren beigefügt ein Übersichtsplan über das Gebiet des ChemieParks sowie der Geschäftsbericht für das Jahr 2004. Die Regulierungsbehörde entsprach dem Antrag durch Bescheid vom 8. September 2005. In dem Bescheid, der keinen Tenor enthält, heißt es im Wesentlichen:

„Die mit Schreiben vom 22. August eingereichten Unterlagen waren vollständig und prüffähig.

Die Prüfung der Unterlagen führte zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen nach § 110 Abs. 1 EnWG unter der Maßgabe, dass keine Haushaltskunden i.S. von § 3 Nr. 22 EnWG aus dem Elektrizitätsnetz bzw. dem Gasnetz innerhalb der Grundversorgung versorgt werden, vorliegen.

Ausgehend vom vorliegenden Sachverhalt war nach § 110 Abs. 4 i.V.m. § 54 Abs. 2 EnWG zu entscheiden, ob die Voraussetzungen zum Betrieb eines Objektnetzes für die Elektrizitätsversorgung und zum Betrieb eines Objektnetzes für die Gasversorgung durch die am Standort im ChemiePark B. W. vorliegen. Dieser Tatbestand ist gegeben.“


Es folgen eine Nebenbestimmung, Kostenregelungen und eine Rechtsmittelbelehrung. Die Nebenbestimmung beinhaltete die Auflage, binnen fester Frist schriftlich anzuzeigen, dass der Abschluss von Energielieferverträgen mit allen Haushaltskunden einvernehmlich erfolgt sei.
Im Antragsverfahren wurden Dritte nicht beteiligt; die Entscheidung wurde allein der Antragstellerin zugestellt. Das Verfahren war auch nicht in sonstiger Weise in der Öffentlichkeit bekannt.

Die Antragstellerin kam der Auflage mit Schreiben vom 21. November 2005 fristgerecht nach und bestätigte pauschal, dass mit allen von ihr belieferten Haushaltskunden Energielieferungsverträge einvernehmlich abgeschlossen worden seien.

Die Beschwerdeführerin ist ein bundesweit tätiger Stromlieferant. Sie beliefert u.a. seit dem 1. Januar 2005 ein Unternehmen des Einzelhandels, welches nur über das Arealnetz der Antragstellerin mit Elektrizität versorgt werden kann, mit Strom zu einem befristet vereinbarten Festpreis. Zur Sicherung der Stromlieferung schloss die Beschwerdeführerin mit der Antragstellerin einen Lieferantenrahmenvertrag zur Netznutzung. Ende Dezember 2005 wurde sie von der Antragstellerin darüber in Kenntnis gesetzt, dass ihr Stromnetz als Objektnetz qualifiziert worden sei.

Im Februar 2006 beantragte die hiesige Beschwerdeführerin erstmals ihre Beiladung zum o.a. Antragsverfahren; diesen Antrag wies die Regulierungsbehörde unter Verweis auf die bereits erfolgte Beendigung des Verwaltungsverfahrens zurück. Das hiergegen gerichtete Rechtsmittel blieb ohne Erfolg. Der erkennende Senat stützte seinen am 9. August 2006 verkündeten, die Beschwerde zurückweisenden Beschluss, 1 W 17/06 (Kart), im Wesentlichen darauf, dass eine Beiladung zu einem energiewirtschaftlichen Verfahren nicht mehr in Betracht komme, wenn sie erst nach dem Erlass der Hauptsacheentscheidung in diesem Verwaltungsverfahren begehrt werde, weil die Zwecke der Beiladung objektiv nicht mehr zu erreichen seien. Ein neues Prüfungsverfahren sei von der Regulierungsbehörde nicht eingeleitet worden. Die Beschwerdeführerin sei durch die Zurückweisung ihrer (isolierten) Beschwerde gegen die unterlassene Beiladung nicht rechtsschutzlos gestellt, weil sie für den Fall des Vorliegens der Voraussetzungen einer notwendigen Beiladung und des Bestehens einer materiellen Beschwer direkt beschwerdebefugt sei. Auf diese Weise sei auch gewährleistet, dass die Prüfung der Beschwerdebefugnis und der Beschwer in einem einheitlichen Verfahren, dem Beschwerdeverfahren zur Hauptsache, ohne die Gefahr divergierender Entscheidungen vorgenommen werde.

Am 21. August 2006 hat die Beschwerdeführererin Beschwerde gegen den Bescheid der Regulierungsbehörde vom 8. September 2005 eingelegt. Sie begehrt die Aufhebung des Bescheids und die Zurückweisung des Antrags der Antragstellerin auf Feststellung des Objektnetzstatus´. Am Beschwerdeverfahren sind die Antragstellerin und die Bundesnetzagentur beteiligt worden.

Der Senat hat mit Zwischenbeschluss vom 14. November 2007 festgestellt, dass die Beschwerde zulässig ist (vgl. CuR 2007, 146 = ZNER 2008, 78). Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Regulierungsbehörde hat der Kartellsenat des Bundesgerichtshofes mit Beschluss vom 11. November 2008, EnVR 1/08 (vgl. RdE 2009, 185 = ZNER 2009, 39) zurückgewiesen. Daraufhin hat der Senat nach nochmaliger Anhörung aller Beteiligten des Beschwerdeverfahrens der Beschwerdeführerin mit Beschluss vom 3. Juli 2009 Einsicht in die Verwaltungsakte der Regulierungsbehörde gewährt und ihr Gelegenheit zur ergänzenden Begründung ihres Rechtsmittels gegeben.

Die Beschwerdeführerin vertritt die Ansicht, dass der Bescheid bereits wegen formeller Rechtswidrigkeit aufzuheben sei, weil er – auch unter Berücksichtigung des Akteninhaltes – keine Begründung enthalte, die eine Prüfung der Entscheidung selbst und ihrer wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen ermögliche. Konkrete tatsächliche Feststellungen seien im Bescheid nicht getroffen worden; die rechtlichen Ausführungen ließen nicht einmal erkennen, von welchem Objektnetztyp die Regulierungsbehörde ausgegangen und welche Tatbestandsmerkmale sie geprüft habe. Die Beschwerdeführerin meint, dass eine Heilung des Begründungsmangels im Beschwerdeverfahren nicht mehr zulässig sei.

Eine formelle Rechtswidrigkeit des Bescheids ergebe sich zudem daraus, dass die Regulierungsbehörde vor seinem Erlass keinerlei Sachverhaltsaufklärung betrieben habe. Unterstellte man, dass die Regulierungsbehörde entsprechend ihrem Vorbringen im Beschwerdeverfahren die Voraussetzungen für das Vorliegen eines sog. Dienstleistungsnetzes i.S. von § 110 Abs. 1 Nr. 2 EnWG geprüft habe, so fehlte es an Unterlagen, die eine solche Prüfung überhaupt ermöglicht hätten. Die Antragstellerin habe im Verwaltungsverfahren weder Unterlagen zu ihrer Eignung als Netzbetreiberin noch zu den Fragen des Nichtvorliegens eines Netzes der allgemeinen Versorgung, eines übergeordneten Geschäftszwecks bzw. zur Unzumutbarkeit der Regulierungsmaßnahmen vorgelegt. Dies sei auch nach den allgemeinen Maßstäben der Regulierungsbehörde für einen vollständigen Antrag, wie sie im Merkblatt „Objektnetze“ auf der Internetseite der Behörde niedergelegt seien, erforderlich gewesen.

Die Beschwerdeführerin hält den Bescheid jedoch insbesondere für materiell rechtswidrig.

Sie meint, dass die Vorschrift des § 110 Abs. 1 Nr. 2 EnWG schon generell keine Ermächtigungsgrundlage für die Individualisierung der dort aufgeführten Privilegierungen der Antragstellerin darstellt, weil sie gegen Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie 2003/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und die Aufhebung der Richtlinie 96/92/EG (ABl. EU L 176 v. 15. Juli 2003, S. 37 ff., künftig: EltRL 2003) verstoße. Dies ergäbe sich offensichtlich aus dem Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 22. Mai 2008, C-439/06 „citiworks AG ./. Freistaat Sachsen (Flughafen Leipzig / Halle GmbH)“ (vgl. ABl. EU C 171, S. 7 = CuR 2008, 68 = RdE 2008, 245 u.a.).

Die Beschwerdeführerin vertritt die Ansicht, dass auch die Voraussetzungen des § 110 Abs. 1 Nr. 2 EnWG nicht erfüllt seien.

Das Arealnetz der Antragstellerin sei wegen seiner Dimensionierung, des Betriebskonzepts und deshalb als Netz der allgemeinen Versorgung zu bewerten, weil die Antragstellerin letztlich keinen Einfluss darauf habe, welche Personen sich im ChemiePark ansiedeln. Zudem ergäbe sich aus den Antragsunterlagen, dass eine – dort nicht näher bestimmte – Anzahl von Haushaltskunden i.S. von § 3 Nr. 22 EnWG mit Energie beliefert werde. Ein Indiz für das Bestehen eines Netzes der allgemeinen Versorgung sieht die Beschwerdeführerin auch in dem Umstand, dass die Antragstellerin Konzessionsverträge nach § 46 Abs. 2 EnWG mit der Stadt B.-W. geschlossen habe.

Das Elektrizitätsnetz der Antragstellerin befinde sich nicht auf einem räumlich zusammengehörigen privaten Gebiet, wie von § 110 Abs. 1 Nr. 2 EnWG vorausgesetzt. Dieses Merkmal sei dahin zu interpretieren, dass es privates Eigentum des Netzbetreibers an den Grundstücken des Areals verlange. Grundstückseigentümer sind hier unstreitig das private Betreiberunternehmen des ChemieParkes und die dort geschäftsansässigen Unternehmungen. Etwa 13 % der zugehörigen Flächen des ChemieParks sind öffentliche Straßen und Wege.

Die Antragstellerin versorge auch nicht solche über einen gemeinsamen übergeordneten Geschäftszweck bestimmbare Letztverbraucher. Zum Teil werde die Energielieferung durch Dritte vorgenommen und nicht durch die Antragstellerin. Vor allem aber hätten die etwa 360 im ChemiePark ansässigen Unternehmen keine Gemeinsamkeiten, sondern bildeten nach dem Eigenverständnis insbesondere auch der Stadt B.-W. das Ortszentrum. Schließlich werde der Zweck des ChemieParks nicht unzumutbar erschwert, wenn das Elektrizitätsnetz der Antragstellerin den allgemeinen Anforderungen des Energiewirtschaftsgesetzes unterworfen werde. Die Antragstellerin habe hierzu weder konkret vorgetragen noch Nachweise erbracht. Die Größe des Unternehmens und seine wirtschaftliche Ausrichtung auf Energiedienstleistungen ließen erwarten, dass die typischen Belastungen durch die Liberalisierung des Strommarktes auch von diesem Unternehmen zu tragen seien.

Eine Teilaufhebung des angefochtenen Bescheides (meint: über die in ihrem Antrag bezeichnete Teilung hinaus) erachtet die Beschwerdeführerin für nicht möglich, weil die Feststellung zum Elektrizitätsnetz nicht teilbar sei.

Die Beschwerdeführerin beantragt, den Bescheid der Landesregulierungsbehörde vom 8. September 2005 aufzuheben, soweit festgestellt wird, dass das von der Antragstellerin betriebene Elektrizitätsversorgungsnetz im ChemiePark B. W. ein Objektnetz i.S. von § 110 Abs. 1 EnWG ist, und den Antrag auf Feststellung des Objektnetzstatus zurückzuweisen,

sowie hilfsweise für den Fall, dass der Senat annehmen sollte, dass die Beschwerdebefugnis inzwischen entfallen sei, festzustellen, dass der angefochtene Bescheid ursprünglich rechtswidrig war.

Die Landesregulierungsbehörde und die Antragstellerin beantragen übereinstimmend, die Beschwerde gegen den Bescheid vom 8. September 2009 zurückzuweisen;

die Antragstellerin darüber hinaus hilfsweise, die Regulierungsbehörde zu verpflichten, den Bescheid mit einer Auflage zu versehen, wonach die Antragstellerin verpflichtet ist, jedermann nach sachlich gerechtfertigten Kriterien diskriminierungsfrei Netzzugang zu gewähren.

Die weitere Beteiligte hat keinen Antrag gestellt.

Die Regulierungsbehörde verteidigt den angefochtenen Bescheid in formeller Hinsicht. Sie meint, dass die Anforderungen an die Intensität der Begründung eines Bescheides im Einzelfall zu bestimmen seien und hier kein hohes Begründungserfordernis bestanden habe, weil die Entscheidung antragsgemäß getroffen worden sei. Daher habe die Bezugnahme auf den Inhalt des Antrags als Begründung der Entscheidung ausgereicht. Aus dem Antrag ergebe sich auch, dass die Energieverteilungsnetze der Antragstellerin jeweils als Dienstleistungsnetz i.S. von § 110 Abs. 1 Nr. 2 EnWG bewertet worden seien. Im Übrigen ergebe sich aus § 1 VwVfG LSA i.V.m. § 45 Abs. 1 Nr. 2 BVwVfG die Heilbarkeit von Begründungsmängeln bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz, hier also bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren. Über die Art und den Umfang der Ermittlungen in einem Verwaltungsverfahren entscheide die Regulierungsbehörde nach freiem Ermessen; das von der Beschwerdeführerin zitierte Merkblatt enthalte keine verbindlichen Vorgaben. So sei die Eignung der Antragstellerin zum Betrieb von Energieverteilungsnetzen amtsbekannt gewesen, weil die Antragstellerin seit 1993 in Besitz einer entsprechenden Genehmigung sei. Im Übrigen verweist die Regulierungsbehörde auf ihr Vorbringen im Beschwerdeverfahren.

Die Regulierungsbehörde meint, dass das vorzitierte Urteil des EuGH auf die Vorschrift des § 110 Abs. 1 Nr. 2 EnWG nicht übertragbar sei. Hilfsweise sei vorrangig eine gemeinschaftsrechtskonforme Anwendung der Vorschrift vorzunehmen, statt ihre Unanwendbarkeit anzunehmen.

Hinsichtlich des Vorliegens bzw. Nichtvorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 110 Abs. 1 Nr. 2 EnWG verweist die Regulierungsbehörde vor allem darauf, dass sich der vorliegende Fall wesentlich von der Konstellation unterscheide, die dem Beschluss des erkennenden Senats vom 25. Oktober 2007, 1 W 12/07 „Industrie- und Gewerbepark Altmark“ (vgl. CuR 2007, 142 = ZNER 2008, 75), nachfolgend: Beschluss des Kartellsenats des Bundesgerichtshofes vom 6. Mai 2009, EnVR 55/08 (vgl. RdE 2009, 340) zugrunde lag.

Die Antragstellerin wendet sich nochmals gegen eine Beschwerdebefugnis der Beschwerdeführerin. Dieser werde freiwillig auf vertraglicher Basis ein Netzzugang gewährt, so dass sie im Hinblick auf einen etwaigen Verstoß gegen Art. 20 Abs. 1 EltRL 2003 nicht beschwert sei. Im Übrigen werde die Strombelieferung der Beschwerdeführerin an ein Unternehmen auf dem Gelände des ChemieParkes, welche der Beurteilung der Beschwerdebefugnis durch den Senat und durch den Bundesgerichtshof zugrunde lag, zum 31. Dezember 2009 beendet. Soweit die Beschwerdeführerin sich auf die Belieferung eines weiteren Unternehmens berufe, sei dieses Unternehmen nicht am Elektrizitätsnetz der Antragstellerin im ChemiePark, sondern an dem Elektrizitätsnetz der Antragstellerin in einem zwar benachbarten, aber gesonderten Industrieareal angeschlossen. Eine Beschwerdebefugnis allein im Hinblick auf eine Möglichkeit zur Akquise neuer Kunden unter den Netzkunden der Antragstellerin bestehe dem gegenüber nicht.

In formeller Hinsicht vertritt die Antragstellerin die Ansicht, dass in dem gerügten Begründungsmangel allenfalls ein nach § 1 VwVfG LSA i.V. mit § 45 Abs. 1 Nr. 2 BVwVfG bis zum Abschluss des Beschwerdeverfahrens heilbarer Verfahrensmangel liege und dass sich aus dem Verteidigungsvorbringen der Regulierungsbehörde ergebe, dass der Bescheid hierauf nicht beruhe. Gleiches gelte für die Rüge der mangelnden Sachaufklärung. Aus dem Beschwerdevorbringen der Regulierungsbehörde werde deutlich, dass jede andere Entscheidung, als die getroffene, ausgeschlossen gewesen sei.

Die Antragstellerin hält die Vorschrift des § 110 Abs. 1 Nr. 2 EnWG für gemeinschaftsrechtskonform, weil diese Vorschrift – im Vergleich zur Regelung in Nr. 1 – auch normative Tatbestandsmerkmale enthalte und insbesondere eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durch die Regulierungsbehörde verlange.

Hilfsweise sei die Auslegungsfrage des Verstoßes gegen Art. 20 Abs. 1 EltRL 2003 dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen, weil ihre Beantwortung jedenfalls nicht offenkundig sei.

Äußerst hilfsweise sei eine etwaige Aufhebung des angefochtenen Bescheids auf die Verpflichtung zur Gewährung eines freien Zugangs zum Elektrizitätsnetz zu beschränken, weil sich der EuGH bislang mit der gemeinschaftsrechtlichen Rechtswidrigkeit der weiteren Freistellungen des § 110 Abs. 1 EnWG nicht befasst habe.

Die Antragstellerin meint schließlich, dass im Hinblick auf die Gemeinschaftsrechtskonformität des § 110 Abs. 1 Nr. 2 EnWG die weitere Entwicklung, hier der Erlass der Richtlinie 2009/72/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/54/EG (ABl. EU L 211 v. 14. August 2009, S. 55 ff., künftig: EltRL 2009), zu berücksichtigen sei. Diese Richtlinie, insbesondere Art. 28 über geschlossene Verteilernetze, entfalte eine Vorwirkung, die eine Aufhebung des hier angefochtenen Bescheides als unangemessen erscheinen lasse.

Die Antragstellerin verweist bezüglich ihrer Eignung zum Betrieb eines Elektrizitätsnetzes auf die erstmals am 4. Mai 1994 erteilte Genehmigung.
Schon bei historischer Betrachtung sei erkennbar, dass es sich bei dem Elektrizitätsnetz der Antragstellerin im ChemiePark um eine Fortentwicklung der Werksnetze des C. B. bzw. der F. W. handele und nicht um ein Netz der allgemeinen Versorgung. Die Belieferung von Haushaltskunden habe sie nur übernommen, um Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden; diese sei jedoch nebensächlich für das Unternehmen.

Die räumliche Zusammengehörigkeit des Areals des ChemieParkes sei trotz der Durchbrechungen durch öffentliche Straßen und Wege aufgrund der einheitlichen Prägung offensichtlich. Bei dem Merkmal der „Privatheit“ des Gebietes komme es nicht auf die Eigentumsverhältnisse, sondern darauf an, dass das Areal nicht der Öffentlichkeit allgemein zugänglich sei, sondern der Kreis der Netznutzer privat bestimmt sei.

Der übergeordnete Geschäftszweck der angesiedelten Unternehmen komme in einer funktionellen Verbindung zum Ausdruck. Ein Teil der angesiedelten Unternehmen stehe unstreitig in einem stofflichen Verbund, wie die Antragstellerin am Beispiel der Herstellung und Verwendung von Chlor und Chlorwasserstoff vereinzelt dargestellt hat. Die Antragstellerin behauptet, dass die Unternehmen im ChemiePark nach außen einheitlich unter dem Logo der Betreiberin des ChemieParkes auftreten. Zudem ergäbe sich die Zusammengehörigkeit auch aus ihrer Leistungspalette, die „Paket“-Lösungen für Elektrizität, Gas, Dampf und Druckluft beinhalte, sowie aus den sicherheitstechnischen Verknüpfungen der Unternehmen. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass die Infrastruktur im ChemiePark sehr aufwendig und nach einem einheitlichen Konzept mittels öffentlicher Fördermittel entwickelt worden sei.

Die Antragstellerin behauptet, dass im Falle der Anwendbarkeit der Vorschriften des EnWG zur Entflechtung (Teil 2) für ihre Netzkunden die bislang bestehende Möglichkeit der Beauftragung von attraktiven Gesamtpaketen entfallen würde, aber auch bei isolierter kostenmäßiger Betrachtung erhebliche Mehrbelastungen für jeden einzelnen Kunden entstünden, ohne zugleich zu einem Kostenvorteil für die Netzkunden bei der Strombelieferung zu führen. Hierin und in der Zerstörung der historisch gewachsenen Strukturen sieht sie eine unzumutbare Belastung. Die Antragstellerin hat sich vorbehalten, im Falle der Entscheidungserheblichkeit dieser Frage weiteren Vortrag zu halten und unter Beweis zu stellen.

Die weitere Beteiligte beschränkt sich auf den Verweis auf eigene Stellungnahmen in anderen Verfahren.

Der Senat hat am 14. Dezember 2009 mündlich zur Sache verhandelt und die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert.

II.

Die Beschwerde der Beschwerdeführerin ist zulässig. Sie hat auch in der Sache nach Maßgabe des Beschlussausspruches Erfolg.

1. Die Zulässigkeit der Beschwerde ist bereits rechtskräftig festgestellt. Sie liegt weiter vor.

Gegen den Bescheid der Landesregulierungsbehörde vom 8. September 2005 ist nach § 75 Abs. 1 EnWG das Rechtsmittel der Beschwerde statthaft; hiervon hat die Beschwerdeführerin Gebrauch gemacht. Die Beschwerde wurde formgerecht bei der Landesregulierungsbehörde eingelegt (§ 78 Abs. 1 Satz 3 EnWG). Die Beschwerdefrist des § 78 Abs. 1 EnWG ist gewahrt. Da der angefochtene Bescheid der Beschwerdeführerin nicht zugestellt worden ist, wie § 73 Abs. 1 Satz 1 EnWG bestimmt, hat der Lauf der Monatsfrist des § 78 Abs. 1 Satz 1 EnWG für die Beschwerdeführerin bis zur Beschwerdeeinreichung nicht begonnen (vgl. nur OLG Düsseldorf, Beschluss v. 16. Juni 2004, VI-Kart 2/04 – WuW/E DE-R 1545).

Die Beschwerdeführerin ist zum hier maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 14. Dezember 2009 beschwerdebefugt.
Der Bundesgerichtshof hat im vorliegenden Verfahren entschieden, dass eine Beschwerdebefugnis neben den „geborenen“ Verfahrensbeteiligten i.S.v. § 66 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 EnWG – hier nur die Antragstellerin – und den „gekorenen“ Verfahrensbeteiligten i.S.v. § 66 Abs. 2 Nr. 3 EnWG – hier niemand – in Erweiterung der nicht abschließenden Regelung des § 75 Abs. 2 EnWG u.a. dem nicht beigeladenen Dritten zusteht, der seine Beiladung trotz Erfüllung der Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 Nr. 3 EnWG nicht rechtzeitig beantragen konnte, weil er keine Kenntnis vom Verfahren hatte. Diese Voraussetzungen erfüllt die Beschwerdeführerin auch am 14. Dezember 2009. Denn zu diesem Zeitpunkt war sie in der freien Belieferung ihrer Kundin dadurch behindert, dass ihr kein freier Zugang i.S. von § 20 Abs. 1 EnWG, sondern nur ein vereinbarter Zugang zum Netz der Antragstellerin zur Verfügung stand.

Ob sie zeitlich darüber hinaus – im Hinblick auf das Auslaufen des Liefervertrages mit ihrer über das Arealnetz der Antragstellerin angeschlossenen Kundin zum Jahresende – beschwerdebefugt geblieben wäre oder ob anderenfalls dann über den Hilfsantrag der Beschwerdeführerin zu entscheiden wäre, kann hier offen bleiben. Es sei nur angemerkt, dass selbst dann, wenn die weitere von der Beschwerdeführerin benannte Kundin an einem anderen Elektrizitätsnetz der Antragstellerin angeschlossen sein sollte, was hier nicht näher–aufzuklären war, erhebliche wirtschaftliche Interessen der Beschwerdeführerin i.S. von § 66 Abs. 2 Nr. 3 EnWG u.U. auch dann betroffen sein könnten, wenn ihr als Stromlieferantin der freie Zugang i.S. von § 20 Abs. 1 EnWG zu den Netzkunden der Antragstellerin als ihren potenziellen künftigen Kunden verwehrt wird.

Die teilweise Anfechtung des Feststellungsbescheides unter Beschränkung auf denjenigen Teil der Feststellung, der sich auf das Elektrizitätsnetz bezieht, ist notwendig und zulässig. Die Feststellung des Objektnetzstatus´ ist nach § 110 Abs. 4 EnWG für jedes Netz gesondert zu treffen. Soweit in einem Bescheid, wie hier, Feststellungen über mehrere Energienetze zusammengefasst werden, ist ein Beschwerdeführer so zu stellen, als ob die Feststellung für jedes Netz isoliert getroffen worden wäre. Anderenfalls wäre der Zugang zum Rechtsschutz unzumutbar erschwert, weil er nur denjenigen Betroffenen offen stünde, die durch die Privilegierung aller Energienetze in gleicher Weise beeinträchtigt wären.

2. Der Bescheid war im Umfange der Anfechtung aufzuheben und der danach noch offene Teil des Feststellungsantrages der Antragstellerin zurückzuweisen, weil die nationale Vorschrift des § 110 Abs. 1 Nr. 2 EnWG keine wirksame rechtliche Grundlage für die in dieser Vorschrift vorgesehene Privilegierung des Elektrizitätsverteilernetzes der Antragstellerin bietet. Die Vorschrift verstößt gegen höherrangige Vorgaben des Gemeinschaftsrechts und ist daher nicht anzuwenden.

2.1. Die Vorschriften des § 110 Abs. 1 und 4 EnWG schaffen je nach dem Charakter des Feststellungsbescheids eine Ausnahme vom Grundsatz des freien Netzzugangs i.S. von § 20 Abs. 1 EnWG – bei Annahme einer nur deklaratorischen Wirkung der Feststellung abstrakt kraft Gesetzes, bei Annahme einer konstitutiven Wirkung individuell kraft Entscheidung der zuständigen nationalen Regulierungsbehörde. Nach dem derzeit geltenden Gemeinschaftsrecht für den Betrieb von Elektrizitätsverteilernetzen ist weder eine solche gesetzliche Ausnahme von der Regel des freien Netzzugangs noch eine Kompetenz nationaler Behörden zur individuellen Freistellung von Netzbetreibern von der Verpflichtung freien Netzzugangs zulässig.

Die maßgebliche gemeinschaftsrechtliche Rechtsgrundlage ist die EltRL 2003. Wie auch die Antragstellerin nicht in Abrede stellt, gilt diese Richtlinie weiter bis zum Ende der Umsetzungsfrist der neuen EltRL 2009 (vgl. Art. 48 und 49 EltRL 2009). Art. 28 EltRL 2009 entfaltet – unabhängig davon, ob sich hieraus Vorteile für die Situation der Antragstellerin ergeben würden – jedenfalls keine unmittelbaren Wirkungen oder Vorwirkungen. Die Regelung beinhaltet lediglich eine Option für die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, deren Umsetzung fakultativ ist und daher einer positiven Entscheidung des nationalen Gesetzgebers bedarf, die hier nicht etwa unterstellt werden kann.

Die Regelungen der EltRL 2003 sind von der grundsätzlichen Erwägung geprägt, dass der durch die Vorgängerregelungen favorisierte vereinbarte Netzzugang (mit nachlaufender kartellrechtlicher Missbrauchskontrolle) nicht zur erwünschten Schaffung eines voll funktionierenden Elektrizitätsbinnenmarktes geführt hatte und nunmehr ein genereller freier Netzzugang verlangt werde. Als freier Netzzugang in diesem Sinne wird ein von der Entscheidung des Netzbetreibers unabhängiger, und zwar auch in seiner Tarifierung transparenter und kontrollierter Zugang Dritter zum Netz definiert (vgl. vor allem Erwägungsgrund 4, 5 und 6, Art. 20 Abs. 1 i.V.m. Art. 23 Abs. 1 lit. f) EltRL 2003; vgl. auch EuGH, Urteil v. 22. Mai 2008, a.a.O., Rn. 41 bis 44).

Die Vorschrift des § 110 Abs. 1 und 4 EnWG schafft i.V.m. dem Feststellungsbescheid der zuständigen Regulierungsbehörde eine Freistellung von einem freien Netzzugang i.S. von Art. 20 Abs. 1 EltRL 2003. Dem in der Richtlinie definierten freien Zugang Dritter zu Elektrizitätsnetzen steht entgegen der Ansicht der Antragstellerin weder der freiwillig eingeräumte vereinbarte Netzzugang noch der über § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB erzwingbare Netzzugang gleich (vgl. auch BGH, Beschluss v. 11. November 2008, a.a.O.; Rn. 17).

Das Kapitel VII EltRL 2003 (Art. 20 ff.) über die Organisation des Netzzugangs ist auf das Elektrizitätsnetz der Antragstellerin auch unmittelbar anwendbar. Die Antragstellerin ist Betreiberin eines Elektrizitätsverteilernetzes i.S: von Art. 2 Nr. 5 EltRL 2003. Die dort enthaltene Legaldefinition macht die entsprechende Einordnung weder von der Größe des Netzes noch vom Ausmaß des Stromverbrauchs abhängig (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 49). Der Richtlinie ist weder im Wortlaut noch unter Berücksichtigung seiner Funktion eine generelle Nichtanwendbarkeit für jegliche Individualnetze zu entnehmen. Im Gegenteil: Jedenfalls dann, wenn ein Individualnetz auch dem Transport von Elektrizität an einen sog. Haushaltskunden i.S.v. Art. 2 Nr. 10 EltRL 2003 dient, sind die Richtlinienbestimmungen für den freien Netzzugang zwingend (arg. ex. Art. 3 Abs. 3 EltRL 2003, vgl. auch Boesche/Wolf ZNER 2008, 123, 126 linke Spalte). Über das Verteilernetz der Antragstellerin wird unstreitig auch an eine hier unbekannte Zahl von Haushaltskunden Elektrizität transportiert. Schließlich steht auch die Pflicht zur Benennung der Verteilernetzbetreiber in Art. 13 EltRL 2003 selbständig neben der Pflicht des Mitgliedsstaates zur Organisation eines freien Netzzugangs und schränkt die letztgenannte Pflicht nicht etwa für nicht benannte Verteilernetzbetreiber ein.

Der EuGH hat zur Auslegung von Art. 20 Abs. 1 EltRL 2003 festgestellt, dass die Mitgliedsstaaten angesichts der Bedeutung des freien Netzzugangs im o.a. Sinne nicht berechtigt sind, andere Ausnahmen von seiner Anwendung vorzusehen als diejenigen, welche die Richtlinie selbst enthält (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 55).

Die Vorschrift des § 110 Abs. 1 und 4 EnWG stellt bei objektiver Betrachtung eine nationale Regelung zur regionalen Wirtschaftsförderung dar; einen derartigen Ausnahmegrund sieht die geltende Richtlinie nicht vor. Dieser Bewertung widerspricht entgegen der Stellungnahme der Antragstellerin im Termin vor dem Senat auch nicht, dass § 110 Abs. 1 Nr. 2 EnWG zusätzlich auf die Unverhältnismäßigkeit der Belastungen der Schaffung eines freien Netzzuganges für den Netzbetreiber abstellt und der Rechtsgedanke der Verhältnismäßigkeit auch dem Gemeinschaftsrecht immanent sei. Die Regelung des § 110 EnWG ist bei historischer Betrachtung ursprünglich zur Freistellung von Werksnetzen geschaffen und sodann im Gesetzgebungsverfahren auf Eigenversorgungsnetze ausgedehnt worden. Die letzte Erweiterung der Vorschrift auf sog. Geschäfts- oder Dienstleistungsnetze verfolgte die Gleichstellung von Arealen mit industrieller Nutzung und solchen zur Erbringung von Dienstleistungen (vgl. BR-Drs. 248/1/05 v. 22. April 2005, S. 9 f.). Mit anderen Worten: Die Freistellung der in Nr. 1 und Nr. 2 der Vorschrift aufgeführten Netze verfolgte einen einheitlichen Zweck, der in der Vermeidung von Belastungen für bestimmte Wirtschaftsstandorte lag, ungeachtet der später geführten Diskussion um die Anwendbarkeit des § 110 Abs. 1 Nr. 2 EnWG auch auf nichtwirtschaftliche übergeordnete „Geschäfts“zwecke.

Die in Art. 20 Abs. 2 EltRL 2003 vorgesehene Befreiung von der Verpflichtung zur Gewährung eines freien Netzzugangs stellt bereits ihrem Charakter nach eine individuelle Einzelfallentscheidung dar, die zudem situativ und zeitlich auf das Vorliegen von Kapazitätsproblemen beschränkt ist. Sie berechtigt die Mitgliedsstaaten nicht zur Schaffung genereller privilegierender Regelungen.
Gleiches trifft auf die Ausnahme nach Art. 26 Abs. 1 EltRL 2003 zu, die zudem ein individuelles Antragsverfahren vor der Kommission voraussetzt und auf kleine bzw. kleinste isolierte Netze i.S.v. Art. 2 Nr. 26 und 27 EltRL 2003 beschränkt ist; eine Einschränkung, die § 110 EnWG nicht enthält. Ein Freistellungsantrag zugunsten der Antragstellerin bzw. eine Freistellungsentscheidung der Kommission für das Elektrizitätsnetz der Antragstellerin existiert nicht.

Schließlich ist § 110 Abs. 1 Nr. 2 EnWG auch nicht im Hinblick auf Art. 3 Abs. 8 EltRL 2003 zu rechtfertigen, denn die nationale Vorschrift setzt – abweichend von der gemeinschaftsrechtlich vorgesehenen Ausnahme – gerade nicht die individuelle Übertragung von gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen des Mitgliedsstaates bzw. eine seiner Gliederungen i.S. von Art. 3 Abs. 2 EltRL 2003 voraus, sondern befreit Betreiber von Arealnetzen ohne eine besondere gemeinwirtschaftliche Bedeutung von der Organisation eines freien Netzzugangs. Die weitere Tatbestandsvoraussetzung des Art. 3 Abs. 8 EltRL 2003, das Nichtvorliegen einer Beeinträchtigung des Handelsverkehrs mit Elektrizität, ist in § 110 EnWG nicht angeführt.

2.2. Der erkennende Senat kann über die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 110 Abs. 1 Nr. 2 EnWG selbst entscheiden. Unter Berücksichtigung der angeführten Entscheidung des EuGH zur Auslegung des Art. 20 Abs. 1 EltRL 2003 ist die hier vertretene Rechtsauffassung offensichtlich.

Selbst wenn man – entgegen der Auffassung des erkennenden Senats – Zweifel an der Übertragbarkeit der vorzitierten Entscheidung des EuGH auf die Vorschrift des § 110 Abs. 1 Nr. 2 EnWG hegte, räumte Art. 234 Abs. 2 EG dem Senat eine Ermessensentscheidung über die Vorlage in einem Vorabentscheidungsverfahren ein. Dieses Ermessen übt der Senat hier hilfsweise dahin aus, dass er von einem Vorabentscheidungsersuchen absieht, weil die Aufhebung des angefochtenen Bescheids auch aus weiteren Gründen des nationalen Rechts geboten ist und angesichts der fehlenden aufschiebenden Wirkung des Rechtsmittels das Fortwirken eines rechtswidrigen Feststellungsbescheids u.U. über mehrere Jahre als folgenschwerer einzuschätzen ist. Die Vorlage an den EuGH kann zudem auch noch in einem Rechtsbeschwerdeverfahren erfolgen, soweit dies dort für notwendig erachtet wird.

2.3. Die fehlerhafte Umsetzung der EltRL 2003 führt hier zur Unbeachtlichkeit des § 110 Abs. 1 Nr. 2 EnWG für Elektrizitätsnetze. Eine geltungserhaltende Reduktion dieser Vorschrift zur Wahrung der Gemeinschaftsrechtskonformität ist dem Senat nicht möglich.

Die Feststellung des Objektnetzstatus ist für ein Netz nur einheitlich zu treffen; eine partielle Freistellung von Einzelpflichten sieht die Vorschrift des § 110 Abs. 4 EnWG auch als Kompetenz der Regulierungsbehörde nicht vor.
Die Reduktion könnte des Weiteren nicht auf die Rechtsfolgenseite der Norm beschränkt bleiben, wie die Antragstellerin und ggf. auch die Regulierungsbehörde meinen, sondern hätte sich auch auf eine Erweiterung der tatbestandlichen Voraussetzungen i.S. einer Beschränkung der Anwendbarkeit des § 110 EnWG auszudehnen. Das übrig bleibende Konstrukt litte u.U. an erheblichen normsystematischen Mängeln (vgl. Boesche / Wolf, a.a.O., 125). Jedenfalls überschritte der Senat die Grenzen der Gewaltenteilung, weil er erheblich in den gemeinschaftsrechtlich gewährten Gestaltungsspielraum des nationalen Gesetzgebers eingriffe (vgl. auch S. Becker RdE 2008, 248).

3. Selbst wenn die Vorschrift des § 110 Abs. 1 Nr. 2 EnWG rechtswirksam wäre, wäre der angefochtene Bescheid, wie geschehen, aufzuheben und der Regulierungsbehörde aufzugeben gewesen, den Antrag auf Feststellung des Objektnetzstatus´ für das Elektrizitätsnetz der Antragstellerin im ChemiePark B. W. unter Berücksichtigung der Rechtsauffassungen des Senats erneut zu prüfen und hierüber nach weiterer Sachaufklärung erneut zu entscheiden.

3.1. Allerdings ist eine Aufhebung des Bescheids nicht allein deshalb gerechtfertigt, weil der angefochtene Beschluss der Regulierungsbehörde keine ausdrückliche Begründung enthält und selbst die Einbeziehung der Antragsunterlagen eine hinreichende Begründung nicht erkennen lässt.

Der vorgenannte Mangel besteht. Das Erfordernis der Begründung einer Entscheidung nach § 73 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 EnWG bezieht sich auf alle die Entscheidung tragenden Gründe. Zwar ist der Regulierungsbehörde darin zuzustimmen, dass das Begründungserfordernis stets im Verhältnis zum Vorbringen der Beteiligten des energiewirtschaftlichen Verwaltungsverfahrens zu bestimmen ist und dass es in einem Verfahren mit nur einer Beteiligten bei einer antragsgemäßen Entscheidung, wie hier, geringer ausfällt, jedoch müssen die wesentlichen tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung erkennbar sein und es sind auch Rechtsgründe zu erörtern, die der beabsichtigten Entscheidung entgegen stehen könnten (vgl. nur Salje, EnWG, § 73 Rn. 6). Hierzu hätte im vorliegenden Verfahren Veranlassung bestanden, weil einige der Tatbestandsmerkmale des § 110 Abs. 1 Nr. 2 EnWG in ihrem Regelungsgehalt umstritten sind und es einer Positionierung der Regulierungsbehörde insoweit bedurft hätte. Der Umfang der Begründungspflicht wird zudem erweitert, wenn die Gründe auch den Inhalt der Entscheidung mitprägen könnten, wie hier die Darstellung der tatsächlichen Grundlagen der Feststellung. Deren Kenntnis ist notwendig, um zu einem späteren Zeitpunkt beurteilen zu können, ob eine Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse eingetreten ist, die u.U. einen Widerruf oder eine Rücknahme des Verwaltungsaktes erfordern bzw. eröffnen.

Die Regulierungsbehörde hat den angefochtenen Bescheid im Beschwerdeverfahren argumentativ verteidigt; vor allem in rechtlicher Hinsicht. Im Übrigen hat sie sich den ergänzenden tatsächlichen Vortrag der Antragstellerin jeweils zu Eigen gemacht. Sie hat damit in formeller Hinsicht ihre Entscheidung nachträglich begründet.

Dem Begründungsmangel im Verwaltungsverfahren und seinen möglichen nachteiligen Folgen für die Betroffenen kann in dieser Situation mit weniger einschneidenden Maßnahmen als der Aufhebung des Bescheids begegnet werden.
Nach § 67 Nr. 4 EnWG sind die Vorschriften der §§ 45 und 46 BVwVfG auf alle energiewirtschaftlichen Verwaltungsverfahren grundsätzlich anwendbar. Es kann hier offen bleiben, inwieweit diese Anwendbarkeit nur eingeschränkt besteht (vgl. hierzu Oster RdE 2009, 126). Es kann weiter offen bleiben, bis zu welchem Zeitpunkt die formell unzureichende Begründung der Feststellung des Objektnetzstatus´ des Elektrizitätsverteilernetzes der Antragstellerin heilbar gewesen ist, wobei der Senat der Auffassung von K. Schmidt für die parallele Regelung des § 61 GWB zuneigt (in: Immenga/ Mestmäcker, Wettbewerbsrecht GWB, 4. Aufl. 2007, § 61 GWB Rn. 4), die auf das energiewirtschaftliche Verfahren übertragbar ist.

Der maßgebliche Zweck des Begründungserfordernisses nach § 73 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 EnWG liegt in der Herstellung einer hinreichenden Transparenz der Entscheidung der Regulierungsbehörde für die hiervon Betroffenen einschließlich der Einschätzung, inwieweit für sie eine Inanspruchnahme von Rechtsschutz in Betracht kommt und Aussicht auf Erfolg verspricht. Eine mögliche Verfehlung dieses Zwecks kann in einem Rechtsschutzverfahren kompensiert werden durch eine Kostenlastregelung, die eine etwaige Veranlassung der Beschwerdeerhebung durch eine unzureichende Begründung des Bescheids berücksichtigt.

3.2. Die Aufhebung des Feststellungsbescheids im Umfange der Anfechtung ist jedoch erforderlich, weil die Regulierungsbehörde ohne die erforderliche Sachaufklärung über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 110 Abs. 1 Nr. 2 EnWG entschieden hat, diese Versäumnisse auch im Beschwerdeverfahren nicht geheilt worden sind und die Sache nach wie vor nicht entscheidungsreif ist.

a) Die angefochtene Entscheidung ist auf unzureichender tatsächlicher Grundlage ergangen. Die Verletzung der Verpflichtungen zur Sachverhaltsaufklärung indiziert eine materielle Unrichtigkeit der Entscheidung, weil die Regulierungsbehörde insbesondere die ihr eingeräumten Beurteilungsspielräume ohne tragfähige Basis ausgeübt aus.

Die Verletzung der Sachaufklärungspflicht ergibt sich hier aus dem Inhalt der Akte und der völlig unzureichenden Dokumentation der Ergebnisse etwaiger Aufklärungsmaßnahmen. Die beigezogene Akte der Regulierungsbehörde enthält lediglich die Antragsunterlagen der Antragstellerin und den angefochtenen Bescheid. Vermerke oder Unterlagen, die auf eine Sachprüfung schließen lassen, sind in der Akte nicht vorhanden. Die Antragsunterlagen sind – gemessen an den allgemeinen Anforderungen des Merkblattes der Bundesnetzagentur für Anträge nach § 110 Abs. 1 und 4 EnWG vom 7. Mai 2005 (vgl. BGBl. I S. 1970) – in erheblichem Umfange unvollständig. Die Regulierungsbehörde hat sich das Anforderungsprofil des Merkblattes generell zu Eigen gemacht, den Antrag der Antragstellerin aber nicht beanstandet. Die Regulierungsbehörde ist nach § 68 Abs. 1 EnWG jedoch nicht nur zu allen Arten von Ermittlungen ermächtigt, sie ist zugleich verpflichtet, alle verfahrenserheblichen Informationen herbeizuschaffen und aktenkundig zu machen. Dieser Pflicht hat sie nicht genügt.

Der bloße Verweis der Regulierungsbehörde im Termin der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, dass entsprechende Ermittlungen zeitlich vor der Antragstellung angestellt worden seien und wohl zu eindeutigen Erkenntnissen geführt hätten, genügt jedenfalls dann nicht, wenn dies in der Verwaltungsakte keinerlei Niederschlag gefunden hat. Die Erkenntnisse der behaupteten Ortstermine hätten ebenso einer Protokollierung bedurft, wie der Inhalt der von der Antragstellerin ggf. nur mündlich erteilten Informationen bzw. zumindest Verweise auf entscheidungserhebliche Behördenerkenntnisse in anderen Verfahren.

b) Die unzureichende Sachaufklärung vor Erlass der Entscheidung ist in der vorliegenden Konstellation im Beschwerdeverfahren objektiv nicht heilbar. Im Beschwerdeverfahren ist die Regulierungsbehörde darauf beschränkt, den erlassenen Bescheid entweder in der bestehenden Form zu verteidigen oder ihn ganz aufzuheben. Die im Verwaltungsverfahren vorhandenen Gestaltungsfreiheiten in Form von Beurteilungsspielräumen und Ermessensbereichen sind nach Erlass der Entscheidung nicht mehr in gleicher Weise gegeben. Es ist z.T. eine Selbstbindung der Regulierungsbehörde eingetreten. Mit anderen Worten: Es liegt keine heilungsoffene Situation mehr vor (vgl. Oster, a.a.O., S. 129). Dies gilt umso mehr, wenn die Begünstigte der Entscheidung, wie hier die Antragstellerin, von den ihr dadurch eröffneten Gestaltungsmöglichkeiten bereits Gebrauch gemacht hat.

c) Die Mängel der Sachaufklärung der Regulierungsbehörde sind hier auch nicht unbeachtlich i.S.v. § 46 BVwVfG. Dies wäre nur dann der Fall, wenn jeder vernünftige Zweifel an der materiellen Richtigkeit des Feststellungsbescheids ausgeschlossen wäre. Dies ist hier nicht der Fall.

(1) Allerdings geht der Senat derzeit davon aus, dass es sich bei dem Netzgebiet des Elektrizitätsverteilernetzes der Antragstellerin um ein räumlich zusammengehörendes privates Gebiet i.S.v. § 110 Abs. 1 Nr. 2 EnWG handelt. Danach ist ein geografisch und nach seinem äußeren Erscheinungsbild relativ geschlossenes Areal, wie ein Betriebsgelände, erforderlich. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin bedarf es nicht einer Eigentümerstellung des Netzbetreibers an der Gesamtfläche. Auch Lücken i.S. von Straßendurchführungen sind grundsätzlich unschädlich für die Erfüllung des vorgenannten Tatbestandsmerkmales.

(2) Für den Senat bestehen jedoch nach wie vor Zweifel daran, ob das Elektrizitätsnetz der Antragstellerin nicht etwa als ein Netz der allgemeinen Versorgung i.S.v. § 3 Nr. 17 EnWG zu bewerten ist.

Energieversorgungsnetze der allgemeinen Versorgung sind nach der Legaldefinition des EnWG Netze, die der Verteilung von Energie an Dritte dienen und von ihrer Dimensionierung nicht von vornherein nur auf die Versorgung bestimmter, schon bei der Netzerrichtung feststehender oder bestimmbarer Letztverbraucher ausgelegt sind, sondern grundsätzlich für die Versorgung jedes Letztverbrauchers offen stehen.

Das Elektrizitätsnetz der Antragstellerin ist drittbezogen, denn die Verteilung der Energie erfolgt an natürliche und juristische Personen als Kunden i.S.v. § 3 Nr. 24 EnWG, die von der Antragstellerin verschieden sind.

Die Beschaffenheit des Netzes ist nach wie vor nicht ausreichend aufgeklärt. Hierfür ist der Blick auf die historische Dimensionierung des Netzes weder ausreichend noch allein zielführend. Das Elektrizitätsnetz der Antragstellerin entstand aus der Zusammenfügung zweier Werknetze, desjenigen eines C. in B. und desjenigen der F. in W.. Inzwischen sind diese Netze jedoch nicht nur zusammengewachsen, sondern erheblich erweitert worden. Der Charakter des von der Elektrizitätsverteilung betroffenen Gebietes hat sich gewandelt. Diese Entwicklung ist bei der Bewertung des heutigen Netzes zu berücksichtigen.
Das Elektrizitätsverteilungsnetz der Antragstellerin im ChemiePark B. W. hat inzwischen erhebliche Netzleitungslängen erreicht, nach eigenen Angaben im Internet-Auftritt der Antragstellerin 557 km Netzleitungslängen. Es übertrifft damit die Netzleitungslängen mittlerer Stadtwerke (z. Bsp. TWN 418 km, SWW Netz 359 km, SW Wittenberg 563 km). Welche Verteilungskapazitäten das Netz hat, insbesondere welche Netzreserven bestehen, ist nicht aufgeklärt. Zur Aufteilung dieser Netzleitungslängen auf die verschiedenen Spannungsebenen sind Daten von der Regulierungsbehörde nicht erhoben worden, so dass derzeit nicht beurteilt werden kann, inwieweit Netzanschlüsse auch in gängigen Spannungsebenen möglich sind. In ihrem Netzgebiet, welches sich über eine Fläche von 1.200 Hektar in einem dicht besiedelten Industriegebiet erstreckt, ist die Antragstellerin alleinige Betreiberin eines Elektrizitätsverteilernetzes. Jedenfalls sind am Netz der Antragstellerin eine hier unbekannte Zahl von Haushaltskunden angeschlossen; im Netzgebiet befinden sich Wohnsiedlungen und kommunale Einrichtungen, wie ein Sportplatz und ein Schützenhaus. Inzwischen sind die beiden ehemaligen Städte, die jeweils am Süd- und am Nordrand des Netzgebietes belegen sind, zu einer Stadt fusioniert, so dass sich das Ortszentrum geografisch inmitten des Netzgebietes der Antragstellerin befindet. Das Netzgebiet wird durch öffentliche Straßen durchzogen. Es sind noch erschlossene unbebaute Flächen im Netzgebiet vorhanden, deren Vermarktung nicht von der Antragstellerin, sondern von der von ihr verschiedenen Betreiberin des ChemieParkes betrieben wird, d.h. dass die Antragstellerin auf die Art der künftigen Ansiedlungen im Netzgebiet und des Versorgungsbedarfs der künftigen Netzkunden keinen Einfluss hat. Sie ist aber gegenüber der Betreiberin des ChemieParkes zur Elektrizitätsverteilung an diese Neukunden verpflichtet. Das Konzept der Betreiberin des ChemieParkes ist nach deren Internetauftritt auf einen Ausbau des Parks und sukzessive Neuansiedlungen ausgerichtet. Alle diese Umstände, insbesondere die Größe und die Erweiterbarkeit des Netzes sowie das künftige Abnahmeverhalten der Netzkunden, könnten zu einer Veränderung des einstigen Individualnetzes zu einem Netz der allgemeinen Versorgung geführt haben oder künftig dazu führen (vgl. auch Bundesnetzagentur, Beschluss v. 30. Juli 2007, BK 6-07-023 „Stromkontor Rostock“).

Rechtlich offen ist die Frage, inwieweit die subjektive Bereitschaft des Netzbetreibers, hier also der Antragstellerin, sein Netz der allgemeinen Versorgung zu öffnen, überhaupt von Bedeutung ist. Es spricht vieles dafür, dass ein dem entgegen stehender bzw. ein nicht nachweisbarer positiver Wille des Netzbetreibers unbeachtlich sind (vgl. nur Theobald in: Danner/ Theobald, Energierecht, Lsbl. Stand Mai 2007, § 110 EnWG Rn. 54 m.w.N.) und es allein auf die objektive Fähigkeit ankommt. Jedenfalls hat die Regulierungsbehörde – anders als etwa das Oberlandesgericht Düsseldorf in seiner Entscheidung vom 24. Januar 2007,

VI-3 Kart 452/06 (vgl. ZNER 2007, 69) – die subjektive Bereitschaft oder gar Verpflichtung der Antragstellerin zur allgemeinen Versorgung (z. Bsp. aus Konzessionsverträgen nach § 46 Abs. 2 EnWG) nicht geprüft und hierüber auf gesicherter Erkenntnisgrundlage eine Feststellung getroffen.

(3) Erhebliche Bedenken hat der Senat, inwieweit das Elektrizitätsverteilernetz der Antragstellerin der Verteilung an Energie an solche durch einen gemeinsamen übergeordneten Geschäftszweck bestimmbare Letztverbraucher dient. Dies ist derzeit nicht erkennbar.

Zwar sind die Netzkunden der Antragstellerin nach territorialen Gesichtspunkten bestimmbar durch die Lage ihres Netzanschlusses im Netzgebiet der Antragstellerin. Dieser Umstand unterscheidet das Netz der Antragstellerin jedoch nicht von jedem anderen Elektrizitätsverteilernetz mit geografischer Monopolstellung.

Für einen Teil der Letztverbraucher, deren Quantität für den Senat aufgrund der bisher bekannten Datenlage nicht erkennbar ist, trifft es auch zu, dass sie funktional miteinander verbunden sind i.S. einer Wertschöpfungskette sowie eines speziellen Bedarfs an einem Versorgungsmix aus Strom, Gas, Dampf und Druck und gemeinsam genutzten speziellen, energienahen Dienstleistungen, wie der Kontrolle ihrer Anlagen, deren Pflege, Wartung und Instandsetzung, und sicherheitstechnischen Verknüpfungen einschließlich einer einheitlichen Havarievorsorge. Die Existenz solcher übergeordneten Geschäftszwecke für einige der von der Antragstellerin angeschlossenen Letztverbraucher, z. Bsp. im Stoffverbund Chlor, stellt auch die Beschwerdeführerin keineswegs in Abrede.

Ungeklärt ist jedoch nach wie vor, welcher Anteil der insgesamt etwa 360 im ChemiePark angesiedelten Unternehmen und welcher Anteil an allen Stromnetzkunden im ChemiePark B. W. über diese übergeordneten Geschäftszwecke tatsächlich bestimmbar ist. Es liegt auf der Hand, das weder die von der Antragstellerin angeschlossenen Haushaltskunden, deren Zahl nicht bekannt ist, noch die Nutzer der o.a. kommunalen Einrichtungen noch die Handelseinrichtungen für die Versorgung mit Lebensmitteln, Möbeln, Schuhen oder Kraftfahrzeugen als Netznutzer über den im Bereich der chemischen Produktion angesiedelten übergeordneten gemeinsamen Geschäftszweck bestimmbar sind. Mit anderen Worten: Ein Zusammenhang der letztgenannten Netzkunden mit dem im Übrigen identifizierbaren gemeinsamen Geschäftszweck fehlt. Er liegt insbesondere nicht darin, dass diese Kunden von den mit öffentlichen Mitteln geförderten Infrastrukturmaßnahmen im ChemiePark profitieren (vgl. OLG Naumburg, Beschluss v. 25. Oktober 2007, 1 W 12/07 (EnWG) „Industrie- und Gewerbepark Altmark“ – u.a. CuR 2007, 142; bestätigt durch BGH, Beschluss v. 6. Mai 2009, EnVR 55/08 – u.a. RdE 2009, 340). Eine besondere, rechtlich schutzwürdige rechtliche und tatsächliche Gestaltung des Zusammenlebens aller Netzkunden besteht u.U. nicht (mehr). Die Verbundenheit nur einiger Kunden des Netzbetreibers reicht aber nicht (vgl. Bundesnetzagentur, Beschluss v. 30. Juli 2007, a.a.O.; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 28. November 2007, VI-3 Kart 200/07 „Havelinsel Valentinswerder“ – CuR 2008, 71 = ZNER 2008, 171 – hier zitiert nach juris, Rn. 47).

(4) Derzeit nicht einzuschätzen ist, inwieweit eine Unterlassung der Freistellung der Antragstellerin von den Verpflichtungen des freien Netzzugangs zu einer für sie unzumutbaren Erschwerung des Betriebes ihres Elektrizitätsverteilernetzes im ChemiePark B. W. führen könnte.

Allerdings ist der Antragstellerin darin zuzustimmen, dass mit diesem Tatbestandsmerkmal der Unzumutbarkeit eine Abwägung zwischen den typischen belastenden Auswirkungen der Verpflichtungen aus dem EnWG und den besonderen Umständen des konkreten Netzbetriebes erfasst wird, d.h. für die Erreichung des übergeordneten Geschäftszwecks muss die Abwesenheit staatlicher Regulierung von besonderer Bedeutung sein (so Habich DVBl. 2006, 211, 213). Andererseits darf die Befreiung von den Verpflichtungen auch keine schädlichen Auswirkungen auf die Liberalisierung des Elektrizitätsmarktes haben, d.h. sie darf eine Herauslösung großflächiger Inselnetze nicht erlauben. In diesem Verständnis kommt dem normativen Tatbestandsmerkmal der Unzumutbarkeit die Funktion einer „Stellschraube“ für die Regulierungsbehörden zu, mit der sie die Zahl der Objektnetze steuern kann und soll (so Klemm CuR 2005, 111, 115). Dies setzte jedoch eine intensive Ermittlung der tatsächlichen Grundlagen für die zu treffende Prognoseentscheidung voraus, an der es hier fehlt.

In die Abwägung sind zunächst die Vor- und Nachteile der Netznutzer der Antragstellerin einzubeziehen. Das Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen freiem Netzzugang und dem hier gewährten vereinbarten Netzzugang indiziert ein Überwiegen der Nachteile. Gegenteiliges ist festzustellen, z. Bsp. durch einen Vergleich der Netznutzungsentgelte der Antragstellerin mit denjenigen anderer vergleichbarer Netzbetreiber sowie durch Beobachtung der weiteren Konditionen der Energieverteilung für Letztverbraucher und Stromlieferanten. Insoweit können auch strukturelle Vorteile für die Netzkunden, an denen die Betroffenen nichts ändern wollen, von Bedeutung sein. Solche Erwägungen sind von der Regulierungsbehörde bislang nicht angestellt bzw. zumindest nicht dokumentiert worden.

Im Kern sind bei der Abwägung diejenigen Nachteile für den Netzbetreiber zu berücksichtigen, die außergewöhnlich oder überdurchschnittlich sind. Insoweit spricht hier u.U. gegen außergewöhnliche Belastungen gerade der Antragstellerin, dass ihr einziger Geschäftszweck gerade in der Erbringung von Energiedienstleistungen besteht. Von Bedeutung in diesem Zusammenhang ist auch, dass sie mehrere verschiedene Energienetze betreibt, so dass sowohl nach Sparten als auch z.Bsp. zwischen den mindestens zwei von ihr betriebenen Elektrizitätsverteilernetzen ohnehin schon differenzieren muss. Nicht zuletzt ist zu beachten, dass der Aufwand des freien Netzzugangs für die Netzbetreiber mit der Einführung der Anreizregulierung erheblich gesunken ist. Schließlich ist im Rahmen einer rein kostenmäßigen Betrachtung die Größe der beiden Stromnetze der Antragstellerin und die von der Antragstellerin insgesamt erzielten Umsätze von Bedeutung. Belastbare Feststellungen hierzu hat die Regulierungsbehörde bislang nicht getroffen.

4. Der Senat weist ergänzend darauf hin, dass es Sache der Regulierungsbehörde sein wird, darüber zu befinden, ob und ggf. inwieweit und für welchen Zeitraum es geboten und rechtlich möglich ist, den Übergang der Antragstellerin vom bisher zuerkannten Status als Betreiberin eines Objektnetzes zum neuen Status zu gestalten.

Die Erfüllung der Verpflichtungen der Teile 2 und 3 des EnWG sowie der §§ 4, 52 und 92 EnWG erfordert, teilweise verschieden für die Einzelverpflichtungen, einen zeitlichen Vorlauf; dies gilt ebenso für einzelne entsprechende Entscheidungen der Regulierungsbehörde. Die Dauer dieser Übergangsperiode dürfte auch davon abhängig sein, wieweit das Unternehmen bereits auf eine Entflechtung seiner Sparten und der verschiedenen Stromnetze eingestellt ist und wie tiefgreifend die Antragstellerin im Vertrauen auf den ihr zuerkannten Status von den Gestaltungsmöglichkeiten als Objektnetzbetreiberin Gebrauch gemacht hat. Für diese Übergangszeit muss geklärt sein, zu welchen Bedingungen der Netzzugang erfolgen soll.

III.

Über die Kosten des Beschwerdeverfahrens war nach § 90 Satz 1 EnWG nach billigem Ermessen zu entscheiden. Hier erscheint es sachgerecht, der Regulierungsbehörde und der Antragstellerin die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Beschwerdeführerin aufzuerlegen.

Die Entscheidung folgt dem allgemeinen Kostenlastprinzip, wonach der oder die Unterlegenen die Kosten des Rechtsstreits zu tragen haben (§§ 91, 92, 97 ZPO). Beide Beteiligte sind mit ihren Sachanträgen im Beschwerdeverfahren unterlegen, während die Beschwerdeführerin obsiegt hat. Ein der entsprechenden Anwendung allgemeiner Kostenlastregelungen entgegenstehender Umstand ist nicht ersichtlich.

Die weitere Beteiligte hat sich nicht mit eigenen Sachanträgen am Beschwerdeverfahren beteiligt, so dass sie weder an der Kostentragung teilnimmt noch einen Ausgleich ihrer außergerichtlichen Aufwendungen erhalten kann.

Die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfragen zur Reichweite des § 67 Abs. 4 EnWG, zur Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 110 Abs. 1 Nr. 2 EnWG sowie zur Auslegung der Tatbestandsmerkmale der letztgenannten Norm jeweils nach § 86 Abs. 2 Nr. 1 EnWG zuzulassen.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes des gerichtlichen Beschwerdeverfahrens beruht auf § 50 Abs. 1 Nr. 2 GKG i.V.m. § 3 ZPO. Über den wirtschaftlichen Wert des Interesses der Beschwerdeführerin am Erlass der begehrten Entscheidung haben die Beteiligten in der Sitzung am 14. Dezember 2009 ihr Einvernehmen bestätigt.

Rechtsmittelbelehrung

Aufgrund der Zulassung der Rechtsbeschwerde haben die Antragstellerin, die Landesregulierungsbehörde sowie die weitere Beteiligte die Möglichkeit, gegen die vorliegende Endentscheidung des Senats die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof zu erheben. Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht. Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats ab Zustellung der Entscheidung schriftlich beim Oberlandesgericht Naumburg, Domplatz 10, 06618 Naumburg, einzulegen. Für die Einlegung der Rechtsbeschwerde gilt nach §§ 88 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. 80 Satz 1 EnWG der Anwaltszwang; die Landesregulierungsbehörde und die weitere Beteiligte können sich jeweils auch durch ein Mitglied der Behörde vertreten lassen.

gez. Dr. Zettel RiOLG Dr. Tiemann ist an der Unterschriftsleistung durch Urlaub verhindert. gez. Dr. Zettel gez. Wiedemann
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