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Text des Beschlusses
1 Ws (Reh) 235/09;
Verkündet am: 
 14.10.2009
OLG Oberlandesgericht
 

Vorinstanzen:
22 Reh 9355/08
Landgericht
Halle;
Rechtskräftig: unbekannt!
War Anordnung gerichtlicher Maßnahmen im vorangegangenen Strafverfahren rechtsstaatswidrig (asozial wegen Nichtstuns), so kann auch die Verurteilung wegen Verletzung dieser gerichtlichen Maßnahmen gem. § 238 StGB-DDR keinen Bestand haben
Leitsatz des Gerichts:
War die Anordnung der gerichtlichen Maßnahmen in dem vorangegangenen Strafverfahren rechtsstaatswidrig, weil sie etwa wegen asozialen Verhaltens erfolgte, das in bloßem Nichtstun bestand, so kann auch die Verurteilung wegen Verletzung dieser gerichtlichen Maßnahmen gemäß § 238 StGB-DDR keinen Bestand haben.
In dem Rehabilitierungsverfahren
des… ,
- Betroffener und Beschwerdeführer -

hat der 1. Senat für Rehabilitierungsverfahren des Oberlandesgerichts Naumburg am 14. Oktober 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Krüger, die Richterin am Oberlandesgericht Marx-Leitenberger und den Richter am Oberlandesgericht Halves b e s c h l o s s e n :

1. Auf die Beschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des Landgerichts Halle – Kammer für Rehabilitierungssachen – vom 04. März 2009 (22 Reh 9355/08) aufgehoben.

2. Das Urteil des Kreisgerichts Halle-Ost vom 30. September 1982 (Az.: Ost S 290/82) wird für rechtsstaatswidrig erklärt und aufgehoben.

3. Das Urteil des Kreisgerichts Halle-Ost vom 22. Dezember 1983 (Az.: Ost S 294/83) wird für rechtsstaatswidrig erklärt und aufgehoben, soweit der Betroffene wegen Verletzung gerichtlicher Maßnahmen zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt wurde.

4. Die zu Unrecht erlittene Dauer der Freiheitsentziehung wird auf die Zeit vom 21. August 1982 bis 17. Februar 1983 und vom 18. Juli 1983 bis 15. März 1984 festgestellt.

Der Betroffene hat gem. § 6 StrRehaG dem Grunde nach Anspruch auf Erstattung seiner aufgrund der vorgenannten Urteile entstandenen Kosten des Verfahrens und notwendigen Auslagen.

Dieser Anspruch und ggf. weitere nach dem StrRehaG bestehende Entschädigungsansprüche sind bei dem Landesverwaltungsamt Halle Versorgungsamt Soziales Entschädigungsrecht Halberstädter Straße 39 a 39112 Magdeburg geltend zu machen.

5. Kosten des Verfahrens werden nicht erhoben. Die notwendigen Auslagen des Antragstellers fallen der Staatskasse zur Last.


Gründe:

Mit Beschluss vom 04. März 2009 (22 Reh 9355/08) hat das Landgericht Halle den Antrag des Betroffenen, ihn hinsichtlich der Urteile des Kreisgerichts Halle-Ost vom 30. September 1982 (Az.: Ost S 290/82) und vom 22. Dezember 1983 (Az.: Ost S 294/83), durch die er jeweils wegen des Vorwurfs der Verletzung gerichtlicher Maßnahmen zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bzw. von acht Monaten verurteilt worden ist, zu rehabilitieren, als unbegründet zurückgewiesen.

Gegen den ihm am 12. März 2009 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde des Betroffenen aus seinem am 23. März 2009 bei dem Landgericht Halle eingegangenen Schreiben.

Die gemäß § 13 Abs. 1 StrRehaG zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

Eine Verurteilung wegen Verletzung von gerichtlichen Maßnahmen (§ 238 StGB-DDR) ist zwar nicht von vornherein rechtsstaatswidrig i. S. d. § 1 StrRehaG (PK-Schwarze, Rehabilitierung, 2. Aufl., § 1 StrRehaG Rn. 199), denn die Vorschrift ist in dem Katalog des § 1 Abs. 1 StrRehaG und in § 1 Abs. 2 StrRehaG nicht aufgeführt.

Eine Rehabilitierung erfordert in jenem Fall daher die positive Feststellung der Rechtsstaatswidrigkeit der damaligen Verurteilung.

Eine Verurteilung nach § 238 StGB-DDR ist dann aufzuheben, wenn aufgrund der Umstände des Einzelfalls festzustellen ist, dass die Entscheidung mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlich rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar ist.

War die Anordnung der gerichtlichen Maßnahmen in dem vorangegangenen Strafverfahren rechtsstaatswidrig, weil sei etwa wegen asozialen Verhaltens erfolgte, das in bloßem Nichtstun bestand, so kann auch die Verurteilung wegen Verstoßes gegen die angeordneten Weisungen keinen Bestand haben. Lag der Vorverurteilung und der Anordnung gerichtlicher Maßnahmen hingegen kriminelles Verhalten zugrunde, so besteht kein Rehabilitierungsgrund (vgl. PK-Schwarze, a. a. O. § 1 StRehaG Rn. 200).

Die der Entscheidung vom 30. September 1982 zugrunde liegende Vorstrafe - die Verurteilung vom 19. Juni 1981 durch das Kreisgericht Zittau (S 76/81), in der die gerichtlichen Maßnahmen angeordnet worden sind - beinhaltete einzig den Vorwurf der Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch asoziales Verhalten und der Verletzung von Kontrollmaßnahmen. Kriminelles Unrecht ist nicht Gegenstand dieses Urteils, ebenso keine konkreten Feststellungen zu Folgen der Verletzung der Arbeitspflicht, die auch auf dem Standpunkt einer freiheitlich-rechtsstaatlichen Ordnung sozialpolitisch unerwünscht sein müssen (Senat, Beschluss vom 15. Juli 2002 – 1 Ws Reh 267/02-), etwa die Nichterfüllung von Unterhaltspflichten oder die Nichtzahlung der Miete oder der Energiekosten.

Das Landgericht Dresden hat das vorgenannte Urteil vom 19. Juni 1981 sowie die weiteren den Beschwerdeführer betreffenden Urteile des Kreisgerichts Zittau vom 26. Juni 1973 (S 115/73) wegen des Vorwurfs der Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch asoziales Verhalten, vom 01. August 1979 (S 117/79) wegen desselben Vorwurfs und vom 01. August 1980 (S 126/80) wegen des Vorwurfs der Verletzung von gerichtlichen Maßnahmen mit rechtskräftigem Beschluss vom 23. Februar 2009 (BSRH 0311/08) für rechtsstaatswidrig erklärt und aufgehoben.

Da somit die Rechtsstaatswidrigkeit des Bezugsverfahrens des Urteils vom 30. September 1982 festgestellt ist, konnte auch die letztgenannte Verurteilung keine Bestand haben.

Gleiches gilt für die Entscheidung vom 22. Dezember 1983, die ebenfalls die Verletzung der mit Urteil vom 19. Juni 1981 erkannten und mit Urteil vom 30. September 1982 aufrechterhaltenen staatlichen Kontrollmaßnahmen zum Gegenstand hatte. Vom gleichfalls erhobenen Vorwurf der Verletzung der Unterhaltspflicht ist der Betroffene mit Urteil vom 22. Dezember 1983 freigesprochen worden.

Die Dauer der zu Unrecht erlittenen Freiheitsentziehung ergibt sich aus den ermittelten Haftzeiten.

Des Weiteren ist dem Grunde nach der Anspruch aus § 6 StrRehaG auf Erstattung von Verfahrenskosten und notwendiger Auslagen des Betroffenen bezüglich der im Tenor genannten Entscheidungen gegeben.

Verfahrenskosten werden nicht erhoben - § 14 Abs. 1 StrRehaG -.

Die Auslagenentscheidung folgt aus §§ 14 Abs. 4 StrRehaG, 467 Abs. 1 StPO.

Gegen diesen Beschluss ist ein weiteres Rechtsmittel nicht gegeben.

gez. Krüger gez. Marx-Leitenberger gez. Halves
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