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Text des Urteils
3 UF 61/09;
Verkündet am:
20.10.2009
OLG Oberlandesgericht Naumburg
Vorinstanzen: 5 F 730/08 Amtsgericht Stendal; Rechtskräftig: unbekannt! Abänderungsklage ist zulässig, wenn sich Schuldner aufs neue Unterhaltsrecht beruft Titelauswahl: Franz-Anton Plitt, Chisinau - Internet entrepreneurLeitsatz des Gerichts: Eine Abänderungsklage ist zulässig, wenn sich der Schuldner auf das neue Unterhaltsrecht beruft (BGH FamRZ 2001, 1687). Da der Aufstockungsunterhalt schon nach alter Rechtslage befristet und der Höhe nach begrenzt werden konnte, hat die Gesetzesänderung insoweit keine neue Lage geschaffen. In dem Unterhaltsabänderungsverfahren … hat der 3. Zivilsenat – 1. Senat für Familiensachen – des Oberlandesgerichts Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom 22. September 2009 durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Goerke-Berzau, den Richter am Oberlandesgericht Materlik und den Richter am Oberlandesgericht Hellriegel für Recht erkannt: Auf die Berufung der Beklagten wird das am 23. März 2009 verkündete Urteil des Amtsgerichts – Familiengerichts – Stendal (Geschäftszeichen 5 F 730/08) abgeändert: Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt der Kläger. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Revision ist nicht zugelassen. und beschlossen: Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 6.000 EUR festgesetzt. Die Parteien waren miteinander verheiratet; ihre am 8. August 1988 geschlossene Ehe wurde durch Urteil des Amtsgerichts – Familiengerichts – Stendal vom 25.01.2007, rechtskräftig seit dem 06.03.2007, geschieden. Über die Folgesache (nachehelicher) Unterhalt schlossen die Parteien im Rahmen des Scheidungsverfahrens vor dem Amtsgericht am 25.01.2007 einen Vergleich dahin ab, dass der Kläger an die Beklagte ab Rechtskraft der Scheidung einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 500 EUR zahlt. Nach dem Vergleich hatten die Parteien die von der Beklagten vorgetragenen Einkommensverhältnisse zu Grunde gelegt, und zwar für den Kläger ein bereinigtes Monatsnettoeinkommen in Höhe von 1.827,89 EUR und für die Beklagte ein solches in Höhe von 650,97 EUR. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Vergleich vom 25.01.2007, GA Bl. 6/7, Bezug genommen. Der Kläger hat die Abänderung des Vergleichs dahin begehrt, dass er ab dem 01.11.2008 keinen Unterhalt mehr schulde. Er hat geltend gemacht, nach dem neuen Unterhaltsrecht stünden nicht mehr die ehelichen Verhältnisse im Vordergrund. Beruhe die Einkommensdifferenz nicht auf ehelichen Nachteilen, müsse der unterhaltsberechtigte Ehegatte nach einer Übergangszeit mit dem auskommen, was er aus eigenen Mitteln hätte und auf den Lebensstandard nach den ehelichen Lebensverhältnissen verzichten. Der Kläger hat beantragt, in Abänderung des Vergleichs des Amtsgerichts Stendal vom 25.01.2007 (5 F 106/05) festzustellen, dass er der Beklagten ab dem 01.11.2008 keinen Unterhalt mehr schulde. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, für eine Abänderung des Vergleichs sei mit Rücksicht auf die bereits seit 2006 bekannte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kein Raum. Im Übrigen stünde ihr wegen gesundheitlicher Beeinträchtigungen krankheitsbedingter Unterhalt zu. Das Amtsgericht hat durch die angefochtene Entscheidung in teilweiser Entsprechung der Klage und Klagabweisung im Übrigen festgestellt, dass der Kläger der Beklagten in Abänderung des gerichtlichen Vergleichs vom 01.01.2008 bis 31.12.2009 den vereinbarten Unterhalt weiter zu zahlen habe, vom 01.01.2010 bis 28.02.2012 einen solchen nur noch in Höhe von monatlich 250 EUR und danach keinen Unterhalt mehr schulde. Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten. Sie begehrt nach wie vor Klageabweisung und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen. Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Er wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und macht ergänzend geltend, neben der geänderten Rechtslage spreche die Einkommenserhöhung bei der Beklagten seit Vergleichsabschluss für eine Abänderung. Das Einkommen der Beklagten im Jahre 2008 ohne die Monate Januar und Februar belaufe sich auf 942 EUR gegenüber 810,28 EUR bei Vergleichsabschluss. Die Berufung ist zulässig, denn sie ist statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 511 Abs. 1 Nr. 1, 517, 519 Abs. 1 und 2, 520 ZPO). Entgegen der Ansicht des Klägers liegt keine bedingte Berufung vor. Denn die Beklagte hat in ihrem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren gemäß Schriftsatz vom 27.04.2009, dem die „Prozesskostenhilfe abhängige Berufung“ beigefügt war, hinreichend deutlich gemacht, dass Berufung noch nicht eingelegt werden sondern lediglich ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt werden sollte, indem sie den Antrag für ein beabsichtigtes Verfahren gestellt hat. Die Berufung ist auch sachlich gerechtfertigt, da für die vom Beklagten begehrte Abänderung des am 25.01.2007 geschlossenen Vergleichs kein Raum ist. Die Abänderungsklage des Klägers ist zwar nach §§ 323 Abs. 1, 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zulässig, denn der Kläger hat auf die seit dem 01.01.2008 geänderte Rechtslage beim nachehelichen Unterhalt (zeitliche Befristung und höhenmäßige Begrenzung nach § 1578 b BGB) hingewiesen, was im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine wesentliche Veränderung der für den Vergleichsabschluss maßgebenden Verhältnisses darstellt (vgl. BGH FamRZ 1990, 1091, 2001, 1687). Die Abänderungsklage ist indes aber nicht begründet. Materiell-rechtlich richtet sich die Abänderung eines gerichtlichen Vergleichs nach den bürgerlich-rechtlichen Regeln des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB). Danach ist eine Abänderung dann begründet, wenn sich die Umstände, die Grundlage der Vereinbarung geworden sind, nach Vertragschluss so schwerwiegend verändert haben, dass die Parteien den Vertrag im Falle der Vorhersehbarkeit der Veränderungen nicht oder jedenfalls nicht mit diesem Inhalt geschlossen hätten und einem Teil ein Festhalten am Vertrag nicht zuzumuten wäre (§ 313 I BGB). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor: 1. Keine (wesentlichen) Veränderungen in den Einkommensverhältnissen der Beklagten Zwar trifft es zu, dass nach Vergleichsabschluss eingetretene (wesentliche) Veränderungen in den Einkommensverhältnissen – Einkommensminderungen ebenso wie Einkommenserhöhungen – sowohl des Unterhaltsberechtigten als auch des Unterhaltsverpflichteten, grundsätzlich zu berücksichtigen sind, weil das Unterhaltsrecht den geschiedenen Ehegatten nicht besser stellen will als er während der Ehe gestanden hat oder auf Grund absehbarer Entwicklung stehen würde (vgl. BGH FamRZ 2008, 968). Die Einkommenssituation bei der Beklagten hat sich entgegen die Behauptung des Klägers allerdings nicht verbessert. Ihr Nettoeinkommen im Jahre 2008 betrug nach den vorliegenden Einkommensbescheinigungen für Januar bis Oktober 2008 unter Anrechnung eines Drittels der Verpflegungsmehraufwendungen gerundet 812 EUR, bereinigt um die Werbungskostenpauschale und den Erwerbstätigenbonus gerundet 694 EUR. Der Kläger hat ein Einkommen in Höhe von gerundet 810 EUR netto bei Vergleichsabschluss behauptet. 2. Keine Abänderung wegen des neuen Unterhaltsrechts ab 01.01.2008 Das neue Unterhaltsrecht hat bezogen auf den Aufstockungsunterhalt, um den es hier geht, und dessen zeitliche Befristung und höhenmäßige Begrenzung keine Neuregelung gebracht. Der Aufstockungsunterhalt konnte schon nach dem früheren Recht zeitlich befristet (§ 1573 V BGB) und der Höhe nach begrenzt (§ 1578 I Satz 2 BGB) werden. Das neue Unterhaltsrecht hat mit § 1578 b BGB diese Korrekturmöglichkeiten in einer Norm zusammen gefasst und auf alle Tatbestände des Ehegattenunterhalts ausgedehnt. Der Möglichkeit, den Unterhalt anders als im Vergleich zu regeln, stand ein rechtliches Hindernis also nicht entgegen und es ist auch im Ansatz nichts dafür erkennbar, dass die Parteien jemals erwogen hätten, den Unterhalt zu befristen oder zu begrenzen oder davon ausgingen, dass dies nicht möglich gewesen wäre. Dabei ist auch in den Blick zu nehmen, dass der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung in Bezug auf die Befristung des Aufstockungsunterhalts bei langjährigen Ehen schon mit Urteil vom 12.04.2006 geändert hatte und ausführt: „...Das Gesetz legt in § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB ebenso wie in § 1573 Abs. 5 BGB keine bestimmte Ehedauer fest, von der ab eine zeitliche Begrenzung des Unterhaltsanspruchs nicht mehr in Betracht kommen könnte. Wie der Senat ausgeführt hat, widerspräche es auch dem Sinn und Zweck des § 1573 Abs. 5 BGB, den Billigkeitsgesichtspunkt „Dauer der Ehe“ im Sinne einer festen Zeitgrenze – etwa von zehn Jahren – zu bestimmen, von der ab der Unterhaltsanspruch grundsätzlich keiner zeitlichen Begrenzung mehr zugänglich sein sollte (Senatsurteile vom 28. März 1990 – XII ZR 64/89 – FamRZ 1990, 857, 858 f. und vom 10. Oktober 1990 – XII ZR 99/89 – FamRZ 191, 307, 310). Das Gesetz stellt vielmehr die Ehedauer als Billigkeitsgesichtspunkt gleichrangig neben die „Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit“. Dabei ist auch die Arbeitsteilung der Ehegatten – ebenso wie die Ehedauer – bei der Billigkeitsabwägung lediglich zu „berücksichtigen“, sie lässt sich also nicht zwingend für oder gegen eine Befristung ins Feld führen. Zudem beanspruchen beide Aspekte, wie das Wort „insbesondere“ verdeutlicht, für die Billigkeitsprüfung keine Ausschließlichkeit. Die Abwägung aller danach in Betracht kommenden Gesichtspunkte ist Aufgabe des Tatrichters. Sie kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob der Tatrichter die im Rahmen der Billigkeitsprüfung maßgebenden Rechtsbegriffe nicht verkannt und alle für die Einordnung unter diese Begriffe wesentlichen Umstände berücksichtigt hat (Senatsurteil vom 28. März 1990 aaO 860). Beides ist hier der Fall. Die – erst durch das Unterhaltsrechtsänderungsgesetz (vom 20. Februar 1986 BGBl. I S. 301) eingefügte – Möglichkeit, den Aufstockungsunterhalt zu befristen, beruht auf dem Gedanken, dass eine lebenslange Beibehaltung des ehelichen Lebensstandards nur dann angemessen ist, wenn etwa die Ehe lange gedauert hat, wenn aus ihr gemeinsame Kinder hervorgegangen sind, die der Berechtigte betreut oder betreut hat, wenn er erhebliche berufliche Nachteile um der Ehe willen auf sich genommen hat oder wenn sonstige Gründe (z.B. Alter oder Gesundheitszustand des Berechtigten) für eine dauerhafte Lebensstandardgarantie sprechen. Liegen diese Voraussetzungen dagegen nicht vor, hat sich aber der Lebensstandard des Berechtigten durch die Ehe verbessert, wird es oft angemessen sein, ihm nach einer Übergangszeit einen Lebensstandard zuzumuten, der demjenigen entspricht, den er vor der Ehe gehabt hatte. Ein Aufstockungsunterhalt kommt dann nicht mehr bis zum vollen eheangemessenen Unterhalt (§ 1578 Abs. 1 BGB) in Betracht, sondern allenfalls in dem Umfang, den der Berechtigte aufgrund seiner eigenen beruflichen Qualifikation ohne den Eintritt ehebedingter Nachteile hätte erreichen können. Mit dem Moment der Ehedauer will das Gesetz auf die Unangemessenheit hinweisen, einen Ehegatten, der in seinem beruflichen Fortkommen durch die Ehe nicht benachteiligt wurde, selbst dann zu begünstigen, wenn die Ehe nicht lange gedauert hat (BR-Drucks. 501/84 S. 13; BT-Drucks. 10/2888 S. 18 f.; vgl. auch Hahne FamRZ 1986, 305, 306). Die zeitliche und höhenmäßige Befristungsmöglichkeit von Unterhaltsansprüchen nach §§ 1573 Abs. 5, 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB gewinnt im Übrigen im Hinblick auf die Änderung der Rechtsprechung des Senats zur so genannten Anrechnungs-/Differenzmethode (BGHZ 148, 105, 121 = FamRZ 2001, 986, 991) eine besondere praktische Bedeutung..." (vgl. BGH FamRZ 2006, 1006). Daher kommt eine Abänderung im Gegensatz zur Auffassung des Amtsgerichts und des Klägers nicht in Betracht (vgl. auch § 36 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Die übrigen Entscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, § 42 GKG. Die Revision zuzulassen ist schon mit Rücksicht auf die zur Problematik bestehende einheitliche obergerichtliche Rechtsprechung ( vgl. z.B. OLG Dresden FuR 2009, 465) nicht veranlasst. gez. Goerke-Berzau RiOLG Materlik ist wegen Krankheit gehindert, zu unterschreiben. gez. Goerke-Berzau gez. Hellriegel ----------------------------------------------------- Die von uns erfassten Urteile wurden oft anders formatiert als das Original. Dies bedeutet, daß Absätze eingefügt und Hervorhebungen durch fett-/kursiv-/&farbig-machen sowie Unterstreichungen vorgenommen wurden. Dies soll verdeutlichen, aber keinesfalls natürlich den Sinn verändern.Wenn Sie vorsichtshalber zusätzlich die Originalversion sehen möchten, hier ist der Link zur QuelleLink zur Quelle (kein Link? Dann ist dieser Link nicht in unserer DB gespeichert, z.B. weil das Urteil vor Frühjahr 2009 gespeichert worden ist). |