Text des Beschlusses
8 UF 207/09;
Verkündet am:
07.12.2009
OLG Oberlandesgericht Naumburg
Vorinstanzen: 16 F 587/09 Amtsgericht Haldensleben ; Rechtskräftig: unbekannt! Wer (Mit-)Inhaber der elterlichen Sorge ist, muss grundsätzlich angehört werden ( § 167 IV FamFG)- nicht-sorgeberechtigter normalerweise auch (§ 160 FamFG) Titelauswahl: Franz-Anton Plitt, Chisinau - Internet entrepreneurLeitsatz des Gerichts: Wer (Mit-)Inhaber der elterlichen Sorge ist, muss grundsätzlich angehört werden (§ 167 Abs. 4 FamFG). Auch ein nicht- sorgeberechtigter Elternteil ist nach § 160 FamFG nur dann nicht anzuhören, wenn von der Anhörung eine Aufklärung nicht erwartet werden kann. Im Falle der Genehmigung der vorläufigen Unterbringung eines Minderjährigen ist das Jugendamt Beteiligter. In der Familiensache betreffend das (am 09. Dezember 1993 geb.) Kind A. S. Beteiligte: 1. … hat der 2. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Feldmann und die Richter am Oberlandesgericht Bisping und Harms am 07. Dezember 2009 beschlossen: Auf die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 3 wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengerichts – Haldensleben Zweigstelle Wolmirstedt vom 23. November 2009 in Gestalt des Nichtabhilfebeschlusses vom 02. Dezember 2009 aufgehoben und die Sache zur weiteren Ermittlung und erneuten Entscheidung an das Familiengericht zurückverwiesen. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Auslagen werden – von der Beteiligten zu 3 abgesehen – nicht erstattet. Der Beschwerdewert beträgt EUR 1.500. Das betroffene Kind (Beteiligte zu 1), das die weißrussische Staatsbürgerschaft besitzt, wird in den nächsten Tagen sechzehn Jahre alt. Es wohnt bei der sorgeberechtigten Kindesmutter (Beteiligte zu 2) in H.. Am 21. Oktober 2009 hat die Kindesmutter beim Familiengericht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung – Genehmigung der vorläufigen Unterbringung ihres Kindes – eingereicht (§§ 151 Nr. 6, 167 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 312 Nr. 1, 331 Nr. 1 FamFG). Mit Beschluss vom 21. Oktober 2009 hat das Familiengericht die Beteiligte zu 3 zum Verfahrensbeistand des Kindes bestellt (§ 158, § 167 Abs. 1, § 317 FamFG). Unter dem 28. Oktober und 23. November 2009 hat es ärztliche Zeugnisse von Frau Dr. K. von der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie des A. Klinikums H. eingeholt, die auf ein Attest der Psychologin R. von der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie vom 29. Oktober 2009 Bezug nehmen (§ 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 6, § 331 Nr. 2 FamFG). Am 29. Oktober 2009 hat das Familiengericht das betroffene Kind persönlich angehört (§ 159 Abs. 1 Satz 1, § 167 Abs. 1 Satz 1, § 331 Nr. 4 FamFG). Am 23. November 2009 hat das Familiengericht mit dem betroffenen Kind, der sorgeberechtigten Kindesmutter (§ 167 Abs. 4 FamFG), dem Verfahrensbeistand des Kindes (§ 167 Abs. 1 Satz 1, § 331 Nr. 3 FamFG) und einer Vertreterin des zuständigen Jugendamts des Landkreises B. § 162 Abs. 1 Satz 1 FamFG) mündlich verhandelt. Am Schluss der mündlichen Verhandlung hat es die angefochtene einstweilige Anordnung verkündet (§ 167 Abs. 1 Satz 1, § 331 Nr. 1 FamFG), mit der die vorläufige Unterbringung des betroffenen Kindes in einer geschlossenen Einrichtung für längstens sechs Wochen (§§ 151, 167 Abs.1, 333 Satz 1 FamFG) genehmigt (§ 1631b BGB) und die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung angeordnet worden ist (§§ 167 Abs. 1 Satz 1, 324 Abs. 2 FamFG). 1. Die zulässige sofortige Beschwerde (§ 63 Abs. 2, 64 FamFG) der Beteiligten zu 3 (§§ 167 Abs. 1 Satz 1, 335 Abs. 2 FamFG) ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, da das Verfahren des Familiengerichts an einem wesentlichen Mangel leidet, zur Entscheidung umfangreiche Ermittlungen notwendig wären und die Beteiligte zu 3 eine Aufhebung und Zurückverweisung beantragt hat (§ 69 Abs. 1 Satz 3 FamFG): a) Das Familiengericht hat den Vater des betroffenen Kindes nicht angehört: aa) Für den Fall, dass dem Vater gemeinsam mit der Kindesmutter die elterliche Sorge zusteht, gebietet die Bestimmung zu § 167 Abs. 4 FamFG seine persönliche Anhörung, bevor eine Unterbringungsmaßnahme getroffen wird. Dies entspricht dem bis 31. August 2009 geltenden Recht. Denn auch nach diesem Recht war in Verfahren nach § 1631b BGB die Anhörung beider sorgeberechtigter Eltern „in der Regel“ vorgeschrieben (§ 50a Abs. 1 Satz 1 und 2 FGG); bei Verfahren nach § 1631b BGB handelt es sich nämlich um solche, welche die Personensorge betreffen (Keidel/Kuntze/Winkler/Engelhardt, FGG, 15. Auflage, § 50a Rn 6 m.w.N.). bb) Falls der Kindesvater nicht sorgeberechtigt ist, ist seine Anhörung nach § 160 Abs. 1 und 2 FamFG geboten. Die Bestimmung gilt für sämtliche Verfahren in Kindschaftssachen im Sinne von § 151 FamFG (Schulte-Brunert/Weinreich, FamFG, § 160 Rn 3), also auch für Unterbringungssachen im Sinne von § 151 Nr. 6 FamFG. Zwar spricht die Bestimmung zu § 160 Abs. 1 FamFG lediglich davon, dass das Gericht die Eltern persönlich anhören „soll“. Nach Abs. 2 Satz 1 der Bestimmung „hat“ das Gericht aber auch den nicht sorgeberechtigten Elternteil anzuhören; dies gilt lediglich in denjenigen Fällen nicht, in denen von der Anhörung des nicht sorgeberechtigten Elternteils „eine Aufklärung nicht erwartet werden kann“ (§ 160 Abs. 2 Satz 2 FamFG). Das entspricht dem bis 31. August 2009 geltenden Verfahrensrecht; auch nach diesem Recht durfte nämlich von einer Anhörung nur abgesehen werden, wenn von ihr „eine Aufklärung nicht erwartet werden kann“ (§ 50a Abs. 2 FGG). Insoweit hat das Familiengericht keine Feststellungen getroffen. Entsprechend dem bisherigen Recht (§ 50a Abs. 3 Satz 1 FGG) durfte das Familiengericht von einer Anhörung des nicht sorgeberechtigten Elternteils nur aus „schwerwiegenden Gründen“ absehen (§ 160 Abs. 3 Satz 1 FamFG). Dies ist nicht schon der Fall, wenn ein nicht sorgeberechtigter Elternteil – wie hier der Kindesvater, der sich möglicherweise in Weißrussland aufhält – seinen tatsächlichen Aufenthalt verschweigt, sondern erst dann, wenn er durch förmliche Ladung oder auf sonstige Weise nicht erreichbar und sein Aufenthalt trotz ausreichender Ermittlungen nicht feststellbar ist. Anderenfalls hat die Anhörung wenigstens schriftlich zu erfolgen, falls Gründe gegen eine mündliche Anhörung bestehen (Keidel/Kuntze/Winkler/Engelhardt a.a.O., § 50a Rn 23 m.w.N.). Auch in dieser Richtung hat das Familiengericht weder ermittelt noch Feststellungen getroffen. Ein „schwerwiegender Grund“ für ein Absehen von der Anhörung des nicht sorgeberechtigten Elternteils ist zwar – wie nach bisherigem Recht (§ 50a Abs. 3 Satz 2 FGG) – auch bei „Gefahr im Verzug“ gegeben (§ 160 Abs. 4 Hs. 1 FamFG). Auch dass dieser Umstand das Familiengericht an einer Anhörung gehindert hätte, ist in der angefochtenen Entscheidung aber nicht ausgeführt worden, ganz abgesehen davon, dass die Anhörung, falls sie wegen „Gefahr im Verzug“ unterblieb, unverzüglich nachzuholen ist (§ 160 Abs. 4 Hs. 2 FamFG). Schwerwiegende Gründe, die ein Absehen von der Anhörung rechtfertigen könnten, müssen wegen der Bedeutung, die der Gesetzgeber der Anhörung beimisst, ausdrücklich dargelegt werden (Keidel/Kuntze/Winkler/Engelhardt a.a.O., § 50a Rn 19 m.w.N.). b) Nach alledem ist die angefochtene Entscheidung antragsgemäß aufzuheben (§ 69 Abs. 1 Satz 3 FamFG). Die Sache ist an das Familiengericht zurückzuverweisen, damit das Familiengericht ermittelt, wer der Vater des betroffenen Kindes ist, ob er sorgeberechtigt und ob er erreichbar ist. Sind die Ermittlungen von Erfolg gekrönt, hat das Familiengericht den Kindesvater anzuhören, falls er sorgeberechtigt ist. Ist dies nicht der Fall, hat das Familiengericht gegebenenfalls zu begründen, weshalb eine Anhörung vor der Entscheidung wegen „Gefahr im Verzug“ nicht möglich gewesen ist. 2. Gerichtskosten entstehen nicht. Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten folgt die Entscheidung aus § 81 FamFG; die Bestimmung zu § 337 Abs. 1 FamFG ist nicht einschlägig, da nicht ersichtlich ist, dass dem betroffenen Kind Kosten entstanden. Der Beschwerdewert ergibt sich aus § 41 in Verbindung mit § 42 Abs. 3 FamGKG, weil Verfahren, welche die Genehmigung der Unterbringung Minderjähriger betreffen, Kindschaftssachen (§ 151 Nr. 6 FamFG) – und somit Familiensachen (§ 111 Nr. 2 FamFG) – sind, auf die das FamGKG als lex specialis Anwendung findet (Hartmann, Kostengesetze, 39. Auflage, Grundz FamGKG Rn 5, im Unterschied zu Verfahren, welche die Unterbringung Volljähriger betreffen; in diesen Verfahren findet nicht das FamFG, sondern weiterhin die KostO, also auch § 30 Abs. 2 KostO, Anwendung, Hartmann a.a.O., § 1 FamGKG Rn 2). gez. Feldmann gez. Harms gez. Bisping ----------------------------------------------------- Die von uns erfassten Urteile wurden oft anders formatiert als das Original. Dies bedeutet, daß Absätze eingefügt und Hervorhebungen durch fett-/kursiv-/&farbig-machen sowie Unterstreichungen vorgenommen wurden. Dies soll verdeutlichen, aber keinesfalls natürlich den Sinn verändern.Wenn Sie vorsichtshalber zusätzlich die Originalversion sehen möchten, hier ist der Link zur QuelleLink zur Quelle (kein Link? Dann ist dieser Link nicht in unserer DB gespeichert, z.B. weil das Urteil vor Frühjahr 2009 gespeichert worden ist). |