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Text des Beschlusses
9 W 23/10 ;
Verkündet am: 
 08.03.2010
OLG Oberlandesgericht
 

Jena
Vorinstanzen:
MO-86-6
Amtsgericht
Altenburg;
Rechtskräftig: unbekannt!
Zwischenverfügung, Eintragungshindernis, Grundstücksverkehrsgenehmigung, Negativattest bei landwirtschaftlichen Grundstücken in Thüringen
Leitsatz des Gerichts:
1. Im Anwendungsbereich des Grundstücksverkehrsgesetzes und des Thüringer Gesetzes über die Genehmigungsfreiheit im Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken gilt der grundbuchrechtliche Grundstücksbegriff. Werden in einer einheitlichen notariellen Urkunde mehrere Grundstücke veräußert, die sämtlich kleiner als 0,25 ha sind, sind die Veräußerung und der schuldrechtliche Vertrag daher auch dann nicht enehmigungsbedürftig, wenn die Grundstücke insgesamt größer als 0,25 ha sind und eine wirtschaftliche Einheit bilden.

2. Die Genehmigungsfreiheit hat das Grundbuchamt eigenständig zu prüfen; es kann den Antragsteller nicht darauf verweisen, ein Negativattest der Genehmigungsbehörde vorzulegen.
In dem Verfahren
betreffend die Eintragung des Eigentumsübergangs hinsichtlich der im Grundbuch von M., Blatt ..., Flur 1, Flurstücke 29 und 30/1 sowie Blatt ..., Flur 1, Flurstück 30/2 eingetragenen Grundstücke

an dem beteiligt sind:
1. T. T.
- Grundstücksveräußerer –
2. S. K.
3. M. L.
- Grundstückserwerber, Antragsteller und Beschwerdeführer -
Verfahrensbevollmächtigter für die Beteiligten zu 2. und 3.: Notar L. M.

hat der 9. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Bettin, Richterin am Oberlandesgericht Bötzl und Richter am Oberlandesgericht Timmer auf die Beschwerde vom 04.01.2010 gegen die Zwischenverfügung des Amtsgerichts - Grundbuchamt - Altenburg vom 30.12.2009 -Nichtabhilfeentscheidung vom 12.01.2010 ‑ b e s c h l o s s e n:

Die Zwischenverfügung des Amtsgerichts – Grundbuchamt – Altenburg vom 30.12.2009 wird aufgehoben.

Das Grundbuchamt wird angewiesen, den Eintragungsantrag der Antragsteller vom 29.10.2009, beim Grundbuchamt am 02.11.2009 eingegangen, nicht aus den Gründen dieser Zwischenverfügung zurückzuweisen.


Gründe

I.

Mit notarieller Urkunde des verfahrensbevollmächtigten Notars vom 20.07.2009 veräußerte der Beteiligte zu 1. die im Betreff bezeichneten Grundstücke an die Beteiligten zu 2. und 3. zu hälftigem Miteigentum. Die im Grundbuch von M., Blatt ... eingetragenen Grundstücke haben eine Größe von 3 ar (Flur 1, Flurstück 29) und 24,37 ar (Flur 1, Flurstück 30/1), das im Grundbuch von M., Blatt ... eingetragene Grundstück hat eine solche von 5,26 ar. Mit Antrag vom 29.10.2009, beim Grundbuchamt am 02.11.2009 eingegangen, beantragte der Urkundsnotar unter anderem die Löschung der zuvor zugunsten der Beteiligten zu 2. und 3. eingetragenen Auflassungsvormerkungen sowie die Eintragung der Eigentumsänderung.

Mit Zwischenverfügung vom 30.12.2009 forderte das Grundbuchamt den Urkundsnotar zur Vorlage einer Genehmigung des zuständigen Landwirtschaftsamts nach dem Grundstücksverkehrsgesetz bzw. eines Negativattests dieser Behörde auf. Es setzte hierfür eine Frist bis 30.01.2010 und kündigte für den fruchtlosen Fristablauf die Zurückweisung des Eintragungsantrags an.

Hiergegen hat der Notar für die Beteiligten zu 2. und 3. Beschwerde eingelegt.

Das Grundbuchamt sei zu Unrecht von einem Eintragungshindernis ausgegangen. Die Grundstücksveräußerung unterliege nicht der Genehmigungspflicht nach § 2 Abs. 1 GrdstVG, weil sämtliche hier betroffene Grundstücke nicht die in Thüringen geltende Freigrenze von 0,25 ha erreichten. Unerheblich sei, dass die Grundstücke zusammengerechnet größer als 0,25 ha seien, weil im Anwendungsbereich des Grundstücksverkehrsgesetzes nicht der wirtschaftliche Grundstücksbegriff gelte, sondern auf das Grundstück im Rechtssinne abzustellen sei. Abgesehen davon habe das Grundbuchamt zu Unrecht eine wirtschaftliche Einheit angenommen; die Grundstücke hätten ihre landwirtschaftliche Zweckbestimmung auch verloren.

Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Oberlandesgericht vorgelegt.

Zur Begründung hat es ausgeführt, die Flurstücke 30/1 und 30/2 seien durch Teilung aus dem Flurstück 30 entstanden, daher sei von einer wirtschaftlichen Einheit dieser Grundstücke auszugehen. In einem solchen Fall sei die grundstücksverkehrsrechtliche Genehmigung erforderlich, auch wenn keines der betroffenen Grundstücke für sich allein die Mindestgröße überschreite.

II.

Der Senat ist zur Entscheidung über das Rechtsmittel berufen, weil das vorliegende Verfahren durch den Eintragungsantrag der Beteiligten zu 2. und 3. und damit nach Ablauf des 31.08.2009 eingeleitet wurde (Art. 111 Abs. 1 FGG-RefG, 72 GBO).

Die Beschwerde gegen die Zwischenverfügung des Grundbuchamts ist nach § 71 Abs. 1 GBO an sich statthaft und auch sonst zulässig; der Urkundsnotar ist berechtigt, für die Antragsteller Beschwerde einzulegen (vgl. Demharter, GBO, 27. Aufl., § 15 Rn. 20 m.w.N.). Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg, weil das vom Grundbuchamt angenommene Eintragungshindernis nicht besteht.

1. Die vorliegende Grundstücksveräußerung unterliegt nicht der Genehmigungspflicht nach § 2 Abs. 1 GrdstVG, weil ausschließlich Grundstücke betroffen sind, die kleiner als 0,25 ha sind.

Es besteht daher nach § 1 des Thüringer Gesetzes über die Genehmigungsfreiheit im Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken vom 30.01.1997 i.V.m. § 2 Abs. 3 Nr. 2 GrdstVG keine Genehmigungspflicht.

Entgegen der Auffassung des Grundbuchamts lässt sich eine Genehmigungspflicht nicht daraus ableiten, dass die Grundstücke insgesamt die maßgebliche Freigrenze überschreiten. Im Anwendungsbereich des Grundstücksverkehrsgesetzes gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat anschließt - anders als im Anwendungsbereich des Reichssiedlungsgesetzes (BGHZ 94, 299 ff.) - nicht der wirtschaftliche Grundstücksbegriff, sondern es ist auf das Grundstück im rechtlichen Sinne abzustellen (BGH, Agrarrecht 1986, 211 f. m.w.N.). Das entspricht auch im Übrigen der ganz herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur (OLG Schleswig OLGR 2009, 342 f., OLG Schleswig OLGR 2006, 804 ff.; Netz, GrdstVG, 4. Aufl., § 2 Ziff. 4.2.8.2. m.w.N., Hötzel, Agrarrecht 1993, 213, Hörsting, Agrarrecht 1998, 180 ff. m.w.N.). Dem hat sich auch der Landwirtschaftssenat des Thüringer Oberlandesgerichts in ständiger Rechtsprechung angeschlossen (zuletzt ThürOLG, Beschluss vom 20.08.2009, Lw U 243/09).

Grundstück i.S.v. § 2 GrdstVG ist daher ein räumlich abgegrenzter Teil der Erdoberfläche, der auf einem besonderen Grundbuchblatt allein oder auf einem gemeinsamen Grundbuchblatt unter einer besonderen Nummer im Bestandsverzeichnis eingetragen ist (OLG Schleswig OLGR 2006, 804 ff.; Demharter, a.a.O., § 2 Rn. 15 ff. m.w.N.).

Dieser Grundstücksbegriff gilt grundsätzlich auch für die Rechtsvorschriften der Länder, die auf der Grundlage von § 2 Abs. 3 Nr. 2 GrdstVG erlassen wurden (BGH, Agrarrecht 1986, 211 ff.).

Zwar können die Länder im Rahmen der ihnen in § 2 Abs. 3 Nr. 2 GrdstVG eingeräumten Ermächtigung nicht nur festlegen, dass die Veräußerung von Grundstücken bis zu einer bestimmten Größe genehmigungsfrei ist, sondern auch normieren, dass zusätzlich bestimmten wirtschaftlichen Gesichtspunkten Rechnung zu tragen ist.

Hiervon hat der Freistaat Thüringen indessen - anders als etwa Baden-Württemberg, das Saarland, Sachsen oder Bayern - keinen Gebrauch gemacht.

Für den Geltungsbereich des grundbuchrechtlichen Grundstücksbegriffs hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass die Übertragung von Grundstücken unterhalb der jeweils geltenden landesrechtlichen Freigrenze auch dann nicht genehmigungsbedürftig ist, wenn die Übertragung in einem einheitlichen Vertrag erfolgt. Der Bundesgerichtshof hat das im Wesentlichen damit begründet, dass der Veräußerer nicht gehindert ist, die Grundstücke einzeln zu veräußern und davon auszugehen ist, dass die Zusammenfassung des Geschäfts in einer einheitlichen Urkunde aus Kostengründen erfolgt (BGH AgrarR 1986, 211 f. m.w.N.).

Dem schließt sich der Senat an.

Die vom Grundbuchamt zitierte Gegenmeinung (Demharter, GBO, 27. Aufl., § 19 Rn. 124), die Veräußerung derartiger Grundstücke sei genehmigungspflichtig, wenn sie eine wirtschaftliche Einheit bilden und diese Einheit insgesamt die Mindestgröße überschreitet, differenziert nicht hinreichend zwischen den unterschiedlichen Regelungen des Grundstücksbegriffs in den Ausführungsvorschriften der Länder zu § 2 Abs. 3 Nr. 2 GrdstVG.

2. Das Grundbuchamt durfte die Antragsteller auch nicht auf die Einholung eines Negativattests nach § 5 S. 1 GrdstVG verweisen.

Es entspricht allgemeiner und vom Senat geteilter Auffassung, dass das Grundbuchamt grundsätzlich selbständig zu prüfen hat, ob eine Genehmigungspflicht nach dem Grundstücksverkehrsgesetz besteht.

Nur bei konkreten Zweifeln an der Genehmigungsfreiheit darf es den Grundbuchvollzug von der Vorlage der Genehmigung bzw. eines Negativattests abhängig machen. Diese Prüfungspflicht des Grundbuchamts betrifft auch die Frage, ob ein Befreiungstatbestand vorliegt (vgl. Meikel, GBO, 10. Aufl., Einleitung J, Rn. 126; Hügel, GBO, Verfügungsbeeinträchtigungen, Rn. 66; KEHE, 6. Aufl., § 20 Rn. 170, jeweils m.w.N.). Solche Zweifel waren vorliegend nicht gegeben; erforderlich war lediglich die rechtliche Beurteilung, welcher Grundstücksbegriff dem § 2 GrdstVG sowie dem Thüringer Gesetz über die Genehmigungsfreiheit im Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken zugrunde liegt, ob sämtliche veräußerten Grundstücke unterhalb dieser Freigrenzen liegen und welche Schlussfolgerungen sich hieraus für die Genehmigungspflicht ergeben. Eigene Ermittlungen des Grundbuchamts, zu denen es grundsätzlich nicht verpflichtet ist, etwa zur Frage, ob die Grundstücke eine wirtschaftliche Einheit bilden, waren nicht veranlasst.

3. Eine Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren ist entbehrlich, weil weder Gerichtsgebühren (§ 131 Abs. 1 S. 1 KostO) noch erstattungsfähige außergerichtliche Kosten anderer Beteiligter entstanden sind.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 Abs. 2 Nr. 2 GBO) liegen nicht vor, weil der Bundesgerichtshof die maßgeblichen Rechtsfragen bereits entschieden und der Senat keinen Anlass sieht, hiervon abzuweichen.

Bettin Bötzl Timmer
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