Text des Urteils
2 UF 429/09 ;
Verkündet am:
22.01.2010
OLG Oberlandesgericht Jena
Vorinstanzen: 19 F 632/08 Amtsgericht Gotha; Rechtskräftig: unbekannt! Zweifel an der Vaterschaft, Vaterschaftsanfechtungsfrist, Anfechtungsfrist bei fehlender Ähnlichkeit zwischen Vater und Kind (hier: schwarzer Pseudo-Vater, weiße Mutter, weißes Kind) Titelauswahl: Franz-Anton Plitt, Chisinau - Internet entrepreneurLeitsatz des Gerichts: Zu den äußeren Anzeichen, die Anlass zu Zweifeln an der Vaterschaft begründen und deren Kenntnis daher die Anfechtungsfrist des § 1600 b Abs. 1 Satz 1 BGB in Lauf setzt. Kein "Nachfärben" eines schon vierjährigen nicht farbigen Kindes. In der Familiensache R. G. - Kläger, Antragsteller und Berufungskläger - Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin g e g e n mdj. V. E., geboren am 11.10.2000 - Beklagte, Antragsgegnerin und Berufungsbeklagte - Ergänzungspfleger: Landratsamt ... Jugendamt, weitere Beteiligte: die Kindesmutter S. E. Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin hat der 2. Familiensenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Hükelheim, Richterin am Oberlandesgericht Kodalle und Richterin am Oberlandesgericht Zoller am 22.01.2010 b e s c h l o s s e n: Der Antrag des Klägers vom 23.11.2009 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren gegen das Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Gotha vom 22. Oktober 2009 - 19 F 632/08 - wird zurückgewiesen. Die Beklagte ist aus einer nichtehelichen Verbindung des Klägers mit der weiteren Beteiligten hervorgegangen. Die Trennung der Kindeseltern erfolgte 2001, als der Kläger nach Mannheim zog. Der Kläger erkannte die Vaterschaft durch Urkunde des Landratsamtes - Jugendamt - ... vom 07.11.2000, Urk.-Reg.-Nr. .../2000, an, in der die Kindeseltern gleichzeitig vereinbarten, die elterliche Sorge gemeinsam auszuüben. Der Kläger ist ivorischer Staatsangehöriger mit schwarzer Hautfarbe, die Mutter der Beklagten ist Deutsche mit weißer Hautfarbe. Unstreitig besuchte der Kläger die Beklagte nach seinem Umzug nach Mannheim in den Jahren 2002, 2003 und 2004 an Weihnachten. Der Kläger ist der Vater des weiteren Kindes O. K. der Mutter der Beklagten, der 2002 geboren wurde. Der Antragsteller hat mit am 06. Oktober 2008 eingegangener Klageschrift Vaterschaftsanfechtungsklage gegen die Beklagte erhoben. Zur Begründung hat er angeführt, seine Kinder seit seinem Umzug nach Mannheim zwar ein- bis zweimal im Jahr gesehen zu haben, aber im Juni 2008 erstmals von der Kindesmutter erfahren zu haben, dass Vanessa wahrscheinlich von einem anderen Mann abstamme. Daraufhin habe er im August 2008 einen Vaterschaftstest machen lassen, nach dessen Ergebnis er nicht der biologische Vater der Beklagten sei. Die Beklagte hat geltend gemacht, die Anfechtungsfrist des § 1600 b BGB von zwei Jahren sei zum Zeitpunkt der Klageerhebung im Oktober 2008 längst abgelaufen gewesen. Bereits vor der Geburt der Beklagten habe die Kindesmutter den Kläger davon in Kenntnis gesetzt, dass auch ein anderer Mann, mit dem sie im Empfängniszeitraum eine sexuelle Beziehung unterhalten habe, als Vater der Beklagten in Betracht komme. Dies habe sie dem Kläger unmittelbar nach der Geburt V.s am 12.10.2000 erneut erklärt, da V. hellhäutig ist und blaue Augen hat. Der Kläger, der als Asylbewerber nach Deutschland gekommen sei, habe erwidert, dass das „nichts mache“. Die Vaterschaftsanerkennung und die gemeinsame Sorgeerklärung seien auf ausdrücklichen Wunsch des Klägers mit der Begründung erfolgt, dass er dann keine Probleme mit der Aufenthalts- und der Arbeitserlaubnis habe. Der Kläger habe auch bei seinen Besuchen sehen können, dass V. nicht von ihm abstamme, denn V. sei hellhäutig und habe blaue Augen, während ihr Bruder O. K. schwarzhäutig sei. Die Kindesmutter hat Lichtbilder, die die Kinder zusammen mit dem Beklagten in der Wohnung der Kindesmutter zeigen, zu den Akten gereicht. Die dort abgebildeten Kinder V. und O. weisen einen deutlichen Unterschied in der Hautfarbe auf. Das Amtsgericht – Vormundschaftsgericht – Gotha hat für die Beklagte Ergänzungspflegschaft angeordnet und das Jugendamt zum Ergänzungspfleger bestellt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 02.10.2009 hat das Familiengericht die Kindesmutter und die weiterhin von der Beklagten benannten Zeuginnen H. und K. vernommen. Auf das Sitzungsprotokoll vom 02.10.2009 wird verwiesen. Die Kindesmutter hat bekundet, sie habe den Kläger bereits vor und mehrfach nach der Geburt V.s im Jahre 2000 darauf hingewiesen, dass das Kind möglicherweise von einem anderen Mann abstamme. Dies sei auch offensichtlich gewesen, da V. im Gegensatz zu ihrem Bruder O. hellhäutig sei. Sie habe ihren Freundinnen Frau H. und Frau K. auch bereits während der Schwangerschaft mit V. erzählt, dass auch ein anderer Mann als der Kläger der Vater von V. sein könne. Wegen der hellen Hautfarbe V.s sei es bei den Besuchen des Klägers auch öfters zu Streit zwischen ihm und der Kindesmutter gekommen. Die Zeugin H. hat bei ihrer Vernehmung bekundet, sie sei mit der Kindesmutter befreundet und habe diese auch während der Schwangerschaft mit V. des Öfteren besucht. Sie sei bei einem Telefonat der Kindesmutter mit dem Kläger zugegen gewesen, bei dem die Kindesmutter den Lautsprecher eingeschaltet habe und den Kläger darauf hingewiesen habe, dass sie im 4. Monat schwanger sei und auch ein anderer Mann als Vater V.s in Betracht komme. Der Kläger habe sinngemäß erwidert, dass ihm das egal sei. Die Zeugin K. hat bei ihrer Vernehmung ausgesagt, dass sie bei dem Telefonat der Kindesmutter mit dem Kläger, bei dem sie ihm eröffnet habe, dass auch ein anderer Mann als Vater V.s in Betracht kommen, zugegen gewesen sei. Das Amtsgericht Gotha hat mit der angefochtenen Entscheidung die Klage abgewiesen, da die zweijährige Anfechtungsfrist nicht gewahrt sei. Nach der erfolgten Beweisaufnahme habe der Kläger bereits vor dem Herbst 2007 ernsthafte Zweifel an seiner Vaterschaft haben müssen. Nach der Überzeugung des Gerichts habe die Kindesmutter dem Kläger bereits vor der Geburt V.s erklärt, dass ein anderer Mann V.s Vater sein könne. Auf die Gründe der Entscheidung wird verwiesen. Gegen das ihr nach eigenen Angaben am 10.11.2009 zugestellte Urteil des Amtsgerichts - ihr Empfangsbekenntnis befindet sich nicht bei der Akte – hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers am 23. November 2009 Berufung eingelegt und um Bewilligung von Prozesskostenhilfe ersucht. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das Urteil unterliege der Aufhebung, da die Beweisaufnahme nicht ergeben habe, dass der Kläger bereits vor 2007 Zweifel an seiner Vaterschaft hätte haben müssen. Die Aussagen der Zeuginnen seien widersprüchlich. Insbesondere habe der Kläger zum Zeitpunkt des Telefonates nicht über ein Handy verfügt. Zweifel an seiner Vaterschaft habe der Kläger auch im Zeitraum von der Geburt V.s im Jahr 2000 bis 2007 auch nicht wegen der hellen Hautfarbe V.s haben müssen, da er zum einen nicht über Fachkenntnisse der Mendelschen Vererbungslehre verfüge und zum anderen aus eigener Erfahrung wisse, dass Kinder „noch nachdunkeln“ würden. Er selbst sei bei seiner Geburt hellhäutig gewesen, obwohl seine Eltern schwarzer Hautfarbe seien. Zudem habe er die weiße Hautfarbe auf die Kindesmutter zurückgeführt und gehofft, „dass die Beklagte noch nachfärbte“. Die Beklagte ist der Berufung und dem Prozesskostenhilfeantrag des Klägers entgegengetreten. Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Dem Kläger konnte Prozesskostenhilfe für seinen Berufung nicht bewilligt werden, denn das Rechtsmittel bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO). Gemäß § 1600 b Abs. 1 Satz 1 BGB ist die Vaterschaft binnen zwei Jahren gerichtlich anzufechten. Die Frist beginnt gemäß § 1600 b Abs. 1 Satz 2 BGB mit dem Zeitpunkt, in dem der Anfechtungsberechtigte, hier der Kläger, von den Umständen erfährt, die gegen seine Vaterschaft sprechen. Hierfür muss er sichere Kenntnis von dem Tatsachen erlangt haben, aus denen sich die nicht ganz fern liegende Möglichkeit einer Abstammung des Kindes von einem anderen Mann als ihm selbst ergibt, was beispielsweise dann der Fall sein kann, wenn der Mann erfährt, dass die Kindesmutter in der Empfängniszeit mit anderen Männern Verkehr hatte (vgl. BGH, MDR 2006, 1171, m.w.N.). Solche sicheren Kenntnisse hatte der Kläger nach der auch mit der Berufung nicht entkräfteten Zeugenaussage der Kindesmutter bereits zum Zeitpunkt der Geburt der Beklagten. Der Senat hat in Übereinstimmung mit dem Amtsgericht keinen Anlass, an der Aussage der Zeugin zu zweifeln. Die Aussage der Zeugin E. wird durch die Aussage der Zeuginnen H. und K. bestätigt, wonach dem Kläger schon während der Schwangerschaft mit V. eröffnet wurde, dass auch ein anderer als Vater des Kindes in Betracht kommt. Damit waren ihm positiv Umstände bekannt, aus denen objektiv auf eine mögliche Abstammung der Beklagten von einem anderen Mann geschlossen werden konnte. Dies genügt für den Beginn des Laufs der Anfechtungsfrist mit der Geburt der Beklagten. Hinzu kommt das Erscheinungsbild der Beklagten, nach dem - wovon der Senat sich nach den eingereichten Lichtbildern überzeugen konnte – nicht davon ausgegangen werden kann, dass ein Elternteil Schwarzafrikaner ist, während dies bei dem weiteren Sohn O. K. offensichtlich ist. Der Vortrag des Klägers, er sei als Sohn schwarzer Eltern selbst bei seiner Geburt hellhäutig gewesen, steht der Tatsache nicht entgegen, dass der Kläger einige Zeit nach der Geburt V.s erkennen konnte, dass diese nicht mehr „nachfärben“ würde. Nach den Recherchen des Senates mag es schon vorgekommen sein, dass Kinder, bei denen ein Elternteil eine schwarze Hautfarbe hat, bei der Geburt heller erscheinen als später. Dieses behauptete Phänomen ist jedoch spätestens nach einigen Lebenswochen abgeschlossen. Der Kläger hat Vl unstreitig an Weihnachten in den Jahren 2002, 2003 und 2004 gesehen. 2004 war die Beklagte bereits vier Jahre alt; der Kläger behauptet selber nicht und tritt hierfür auch keinen Beweis an, dass in diesem Alter noch von einer Veränderung der Hautfarbe ausgegangen werden könne. Wenn der Kläger bis 2007, mithin zu einem Alter des Kindes von sieben Jahren, angeblich keinen Verdacht geschöpft hat und weiterhin davon ausgegangen sei, dass V. noch „nachfärbe“, wie er sich einlässt, und aus den vorgenannten Umständen nicht der Schluss auf eine mögliche Abstammung der Beklagten von einem anderen Mann gezogen hat, ist dies unerheblich. Entscheidend ist, dass er diesen Schluss auf Grund der ihm bekannten objektiven Umstände hätte ziehen können. Demzufolge war die Anfechtungsfrist lange vor Einreichung der Klage abgelaufen. Die rechtlichen Erwägungen des Erstgerichts entsprechen dem Gesetz; sie werden von der Berufung auch nicht in Zweifel gezogen. Diese greift vielmehr ausschließlich die Beweiswürdigung des Erstgerichts an und interpretiert die erhobenen Beweise im Sinne des Klägers. Damit kann sie nicht durchdringen. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO in der durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) seit 1. Januar 2002 gültigen Fassung statuiert als Kernstück der Neuordnung die Bindung des Berufungsgerichts an die vom Erstgericht rechtsfehlerfrei festgestellten Tatsachen; die Berufungsinstanz als vollwertige zweite Tatsacheninstanz (vgl. § 525 ZPO a.F.) gibt es nicht mehr. Erschöpft sich die Berufung, wie hier, in einem Angriff auf die Beweiswürdigung, so muss sie schlüssig konkrete Anhaltspunkte aufzeigen, die Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen begründen (Zöller-Gummer, ZPO, 27. Auflage, § 529 Rnr. 3), die also solche Zweifel an den erhobenen Beweisen aufdrängen, dass ein Neueinstieg in die Beweisaufnahme sich förmlich gebietet (Hartmann NJW 2001, 2591). Daran fehlt es hier. Das Amtsgericht hat überzeugend dargelegt, dass und warum es die Aussagen der als Partei vernommenen Mutter und diejenigen der Zeuginnen H. und K. für glaubwürdig hält und warum die Einlassung des Klägers dies nicht zu erschüttern vermag. Dem setzt die Berufung nichts anderes als die abweichende Meinung des Klägers entgegen. Dies reicht nicht aus, insbesondere, wenn man bedenkt, dass die Anerkennung der Vaterschaft durch den Kläger im Jahre 2000 im zeitlichen Zusammenhang mit seinem Asylantrag erfolgt ist. Nach obergerichtlicher Verwaltungsrechtsprechung kann bekanntermaßen die nichteheliche Vaterschaft eines Ausländers hinsichtlich des ungeborenen Kindes einer deutschen Staatsangehörigen einen Umstand darstellen, der unter den Gesichtspunkten des Schutzes der Familie nach GG Art 6 Abs 1 i.V.m. Abs. 2 und der Pflicht des Staates, sich gemäß GG Art 2 Abs 2 S 1 i.V.m. Art 1 Abs 1 schützend und fördernd vor den Nasciturus zu stellen, aufenthaltsrechtliche Vorwirkungen entfaltet (Sächsisches OVG, InfAuslR 2010, 27-29 und NVwZ 2006, 613). Schließlich ist auch nicht nachvollziehbar, warum der Kläger aufgrund der evident unterschiedlich Hautfarbe der Beklagten und ihres Bruders nicht auf Umstände geschlossen hat, die gegen seine Vaterschaft sprechen. Auch die vom Kläger in Bezug genommene Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 03.09.1998 (FamRZ 2000, 107-108) steht der Entscheidung des Amtsgerichts nicht entgegen. Nach dieser Entscheidung des OLG Karlsruhe ist grundsätzlich nicht von medizinisch-naturwissenschaftlichen Spezialkenntnissen, sondern von dem Erkenntnisstand auszugehen, der von einem verständigen Laien in der Regel erwartet werden kann. Hat ein Anfechtungskläger (mit heller Hautfarbe) keine besonderen Kenntnisse der Vererbungslehre, so setzt allein die Kenntnis, dass das Kind bereits bei der Geburt (hier dieselbe) dunkle Hautfarbe wie die Mutter und keine Mischfarbe aufgewiesen hat, die Anfechtungsfrist nicht in Lauf. Der vorliegende Fall ist nicht vergleichbar, denn die Beklagte weist nicht die gleiche schwarze Hautfarbe des Klägers oder eine Mischfarbe auf, sondern ist hellhäutig wie die Kindesmutter. Auch ohne Kenntnis von der Mendelschen Vererbungslehre und dem dortigen Grundsatz, dass Farben in der Regel dominant und Farblosigkeit bzw. helle Farben rezessiv sind, hätten sich bei der andauernden Hellhäutigkeit der Beklagten schon vor 2007 Zweifel beim Kläger aufdrängen müssen, dass seine Vaterschaft zur Beklagten nicht in Betracht kommt. Nach alledem ist davon auszugehen, dass der Kläger schon frühzeitig, jedenfalls ab Geburt des Kindes, Kenntnis von dem Umständen hatte, die gegen seine Vaterschaft sprechen, so dass seine Berufung keinen Erfolg verspricht. Hükelheim Kodalle Zoller ----------------------------------------------------- Die von uns erfassten Urteile wurden oft anders formatiert als das Original. 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