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Sondertitel zu
§
305
c
BGB Bürgerliches Gesetzbuch:
Verzicht auf Ausgleichsanspruch in Abgeltungsklausel - hier keine überraschende Bestimmung i.S.d. § 305 c Abs. 1 BGB Autor: , Text des Urteils
5 Sa 603/09;
Verkündet am:
20.01.2010
LAG Landesarbeitsgericht München
Vorinstanzen: 3 Ca 3854/08 Arbeitsgericht Augsburg; Rechtskräftig: unbekannt! Verzicht auf Ausgleichsanspruch in Abgeltungsklausel - hier: keine überraschende Bestimmung iSd. § 305 c Abs. 1 BGB Titelauswahl: Franz-Anton Plitt, Chisinau - Internet entrepreneurLeitsatz des Gerichts: Verzicht auf Ausgleichsanspruch in Abgeltungsklausel - hier keine überraschende Bestimmung i.S.d. § 305 c Abs. 1 BGB In dem Rechtsstreit G. S. - Kläger und Berufungsbeklagter - Prozessbevollmächtigte: Rechtssekretäre M. und K. gegen Firma L.-S. GmbH - Beklagte und Berufungsklägerin - Prozessbevollmächtigte: Syndizi H. und K. hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 20. Januar 2010 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Wanhöfer und die ehrenamtlichen Richter Holzamer und Scheuerl für Recht erkannt: 1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Augsburg – Az. 3 Ca 3854/08 – abgeändert: Die Klage wird abgewiesen. 2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits. 3. Die Revision wird für den Kläger zugelassen. Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger einen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung im Rahmen seines Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis bei der Beklagten hat. Der am 00.00.1944 geborene Kläger ist mit Ablauf des 31.10.2008 aus seinem Arbeitsverhältnis bei der Beklagten ausgeschieden. Zwischen den Parteien kam im Dezember 2005 ein „Altersteilzeitvertrag“ zustande. Ein hierauf bezogenes Anschreiben der Beklagten vom 21.12.2005 (Bl. 7 f. d. A.) unterschrieb der Kläger mit Datum vom 23.12.2005 (Bl. 104 f. d. A.). Die schriftliche Vereinbarung enthält neben „§ 1 Beginn und Dauer der Altersteilzeit“, „§ 2 regelmäßige Arbeitszeit“ und „§ 4 sonstige Konditionen“, den Abschnitt „§ 3 Abfindung“. Hier ist geregelt: „Das zwischen den Vertragsparteien bestehende Arbeitsverhältnis endet auf Veranlassung des Arbeitgebers zum 31.10.2008. Für den Verlust des Arbeitsplatzes erhält der Arbeitnehmer gemäß §§ 9, 10 KSchG, § 3 Nr. 9, § 24, § 34 EStG und auf der Grundlage § 10 des Tarifvertrages über Altersteilzeit vom 22.09.2000 eine Abfindung in Höhe von brutto € 2.168,00 zum Austrittstermin abgerechnet. Darüber hinausgehende Abfindungs- oder Ausgleichsansprüche im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, gleich aus welchem Rechtsgrund, bestehen nicht.“ Der Kläger hat geltend gemacht, die Beklagte zahle grundsätzlich bei unmittelbarem Wechsel in den Altersruhestand eine Ausgleichszahlung in Höhe von maximal € 9.203,00. Die Ausgleichszahlung stehe den Arbeitnehmern aufgrund betrieblicher Übung zu. Die Beklagte könne sich nicht auf die Abgeltungsklausel in § 3 des Altersteilzeitvertrages berufen, denn diese sei überraschend im Sinne von § 305 c Abs. 1 BGB. Bei dem Altersteilzeitvertrag handele es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB. Eine Verhandlung über den Vertrag habe nicht stattgefunden, sondern dieser sei ihm lediglich zur Unterzeichnung vorgelegt worden (zum erstinstanzlichen Klagevorbringen des Klägers im Einzelnen wird auf seine Schriftsätze vom 26.11.2008, Bl. 1 ff. d. A. und vom 07.04.2009, Bl. 34 ff. d. A., nebst Anlagen Bezug genommen). Der Kläger hat b e a n t r a g t, die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 9.203,00 nebst 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 01.03.2008 zu bezahlen. Die Beklagte hat b e a n t r a g t, die Klage abzuweisen und sich im Wesentlichen auf die in § 3 des Altersteilzeitvertrages enthaltene Abgeltungsklausel berufen. In dieser sei konkret darauf hingewiesen, dass dem Kläger neben der Abfindungszahlung auf Grundlage von § 10 des Tarifvertrages über Altersteilzeit keine darüber hinausgehenden Abfindungs- oder Ausgleichsansprüche im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, gleich aus welchem Rechtsgrund, zustünden. Die Klausel sei auch eindeutig auf die streitgegenständliche Ausgleichszahlung „zugeschnitten“ (zum erstinstanzlichen Vortrag der Beklagten im Einzelnen wird auf ihren Schriftsatz vom 16.03.2009, Bl. 30 ff. d. A. Bezug genommen). Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 07.05.2009 zugesprochen und sich dabei im Wesentlichen auf ein Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 14.08.2008 – Az. 3 Sa 439/08 – bezogen (zur Begründung des Arbeitsgerichts im Einzelnen wird auf das Urteil vom 07.05.2009, Bl. 44 ff. d. A., Bezug genommen). In ihrer Berufung rügt die Beklagte, das Arbeitsgericht habe sich nicht auf das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 14.08.2008 stützen können. Die Abgeltungsklausel im streitgegenständlichen Altersteilzeitvertrag sei nicht vergleichbar mit derjenigen Abgeltungsklausel, wie sie der Entscheidung des LAG vom 14.08.2008 zugrunde gelegen habe. Vorliegend handele es sich nicht um eine gewöhnliche Abgeltungsklausel, mit der Arbeitnehmer auf sämtliche Ansprüche aus dem bestehenden und beendeten Arbeitsverhältnis verzichteten. Der Wortlaut besage lediglich, dass darüber hinausgehende Abfindungs- oder Ausgleichsansprüche mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr bestünden. Gemeint sei mit diesem Wortlaut eindeutig der jetzt vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf die Ausgleichszahlung aus den Regelungen der Jahre 1990 und 1992. Abgesehen von der inhaltlichen Klarheit sei die streitgegenständliche Klausel nicht überraschend (wird näher ausgeführt; - zur Berufungsbegründung der Beklagten im Einzelnen wird auf ihren Schriftsatz vom 08.09.2009, Bl. 70 ff. d. A., Bezug genommen). Die Beklagte b e a n t r a g t, Das Endurteil des Arbeitsgerichts Augsburg vom 07.05.2009 – Az. 3 Ca 3854/08 – wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger b e a n t r a g t, die Berufung zurückzuweisen und verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts. Die Klausel sei überraschend, denn sie sei unter einer verharmlosenden Überschrift „Abfindung“ und an einer unerwarteten Stelle im Vertragstext enthalten. Das äußere Erscheinungsbild lasse eine derart weitreichenden Verzicht nicht erwarten (zur Berufungserwiderung des Klägers im Einzelnen wird auf seinen Schriftsatz vom 09.11.2009, Bl. 86 ff. d. A., Bezug genommen). Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Ausgleichszahlung im Zusammenhang mit seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis, denn er hat jedenfalls in § 3 des Altersteilzeitvertrages durch die hier vereinbarte Abgeltungsklausel wirksam auf einen solchen Anspruch verzichtet. Diese Klausel ist wirksamer Vertragsbestandteil geworden, insbesondere handelt es sich nicht um eine überraschende Bestimmung im Sinne des § 305 c Abs. 1 BGB. 1. Dass im Betrieb der Beklagten eine betriebliche Übung besteht, wonach Mitarbeiter bei einem unmittelbaren Wechsel in den Altersruhestand eine Ausgleichszahlung in Höhe von maximal € 9.203,00 erhalten, wird von der Beklagten nicht bestritten (vgl. auch deren Schreiben vom 20.12.2007, Bl. 6 d. A.). 2. Dass der mit dem Kläger zustande gekommene Altersteilzeitvertrag unter die §§ 305 ff. BGB fällt, ist zwischen den Parteien nicht streitig. 3. Nach § 305 c Abs. 1 BGB werden Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrages, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, nicht Vertragsbestandteil. Das ist hier nicht der Fall. Überraschenden Klauseln im Sinne des § 305 c Abs. 1 BGB muss ein „Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt“ innewohnen. Zwischen den durch die Umstände bei Vertragsschluss begründeten Erwartungen und dem tatsächlichen Vertragsinhalt muss ein deutlicher Widerspruch bestehen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, insbesondere das äußere Erscheinungsbild des Vertrages. Der ungewöhnliche äußere Zuschnitt einer Klausel oder ihre Unterbringung an unerwarteter Stelle können eine Bestimmung zu einer ungewöhnlichen und damit überraschenden Klausel machen. Das Überraschungsmoment ist desto eher zu bejahen, je belastender die Bestimmung ist. Im Einzelfall muss der Verwender auf eine solche Klausel besonders hinweisen oder diese drucktechnisch hervorheben (vgl. etwa BAG vom 28.05.2009 – 8 AZR 896/07). Gegenstand des zwischen den Parteien im Dezember 2005 zustande gekommenen Altersteilzeitvertrages ist unter anderem die Bestimmung des Termins für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses (vgl. § 3: „Das zwischen den Vertragsparteien bestehende Arbeitsverhältnis endet auf Veranlassung des Arbeitgebers zum 31.10.2008“). Damit handelt es sich nicht nur um eine Vereinbarung zur Regelung der Altersteilzeitphase, sondern auch um einen Aufhebungsvertrag zum Ablauf der Altersteilzeit. Dass in diesem Zusammenhang die Leistungen anlässlich des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis geregelt werden, ist weder ungewöhnlich noch überraschend. Dabei liegt es nahe, die betragsmäßige Fixierung einer Abfindungszahlung mit einer Regelung, wonach darüber hinaus aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine weiteren finanziellen Ansprüche mehr bestehen, zu verbinden (vgl. auch BAG vom 19.11.2008 – 10 AZR 671/07, NZA 2009, S. 318, wonach Abgeltungsklauseln in Aufhebungsverträgen oder Abwicklungsvereinbarungen nicht nur nicht ungewöhnlich, sondern die Regel sind). Durch diesen inneren Zusammenhang mit der positiven Regelung einer Abfindung wird die Abgeltungsklausel bezogen auf „Abfindungs- oder Ausgleichsansprüche im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ auch nicht dadurch überraschend, dass die Regelung unter der Überschrift „Abfindung“ steht. Der Leser des Vertragstextes informiert sich wegen dieser Überschrift genau hier darüber, welche Leistungen wegen der Beendigung des Vertragsverhältnisses anstehen. Überraschend ist es dabei nicht, dass ebenfalls hier geregelt ist, welche Ansprüche eben nicht bestehen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der gesamte Vertragstext lediglich aus eineinhalb großzügig geschriebenen Seiten besteht und der hier streitige § 3 nur aus drei klar gegliederten übersichtlichen Absätzen. Die Klausel ist weder versteckt, noch an „falscher Stelle“ etwa weil sie besser unter eine andere der verwendeten Überschriften passen würde. Es überfordert den Leser keineswegs, zu erfassen, dass mit dieser Vertragsklausel eine Regelung getroffen wird, wonach der Arbeitgeber, abgesehen von der ordnungsgemäßen Abrechnung des Vertragsverhältnisses zum Beendigungszeitpunkt anlässlich der Beendigung dem Arbeitnehmer nicht mehr schuldet, als die hier betragsmäßig genannte Abfindung. Dass damit auch die streitgegenständlichen Ansprüche erfasst sein sollen, ist im Vertragstext eindeutig dadurch klargestellt, dass neben dem Begriff der Abfindungs- auch der der Ausgleichsansprüche gestellt und damit die Terminologie der Schreiben vom 25.07.1990 und vom 02.04.1992 aufgegriffen wird. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Revision wird für den Kläger zugelassen, § 72 Abs.1 ArbGG. Rechtsmittelbelehrung: Gegen dieses Urteil kann der Kläger Revision einlegen. Für die Beklagte ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben. Die Revision muss innerhalb einer Frist von einem Monat eingelegt und innerhalb einer Frist von zwei Monaten begründet werden. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung des Urteils. Die Revision muss beim Bundesarbeitsgericht, Hugo-Preuß-Platz 1 99084 Erfurt Postanschrift: Bundesarbeitsgericht 99113 Erfurt Telefax-Nummer: 0361 2636-2000 eingelegt und begründet werden. Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Es genügt auch die Unterzeichnung durch einen Bevollmächtigten der Gewerkschaften und von Vereinigungen von Arbeitgebern sowie von Zusammenschlüssen solcher Verbände - für ihre Mitglieder - oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder oder von juristischen Personen, deren Anteile sämtlich in wirtschaftlichem Eigentum einer der im vorgenannten Absatz bezeichneten Organisationen stehen, - wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt - und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet. In jedem Fall muss der Bevollmächtigte die Befähigung zum Richteramt haben. Zur Möglichkeit der Revisionseinlegung mittels elektronischen Dokuments wird auf die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesarbeitsgericht vom 09.03.2006 (BGBl. I, 519 ff.) hingewiesen. Einzelheiten hierzu unter http://www.bundesarbeitsgericht.de. Dr. Wanhöfer Holzamer Scheuerl ----------------------------------------------------- Die von uns erfassten Urteile wurden oft anders formatiert als das Original. Dies bedeutet, daß Absätze eingefügt und Hervorhebungen durch fett-/kursiv-/&farbig-machen sowie Unterstreichungen vorgenommen wurden. Dies soll verdeutlichen, aber keinesfalls natürlich den Sinn verändern.Wenn Sie vorsichtshalber zusätzlich die Originalversion sehen möchten, hier ist der Link zur Quelle (kein Link? Dann ist dieser Link nicht in unserer DB gespeichert, z.B. weil das Urteil vor Frühjahr 2009 gespeichert worden ist). |