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Text des Urteils
4 Sa 367/09;
Verkündet am: 
 03.02.2010
LAG Landesarbeitsgericht
 

Nürnberg
Vorinstanzen:
1 Ca 26/09
Arbeitsgericht
Würzburg;
Rechtskräftig: unbekannt!
Bei Sonderzahlung nach Tarifvertrag zur Absicherung eines 13. Einkommens der bayerischen Metall- und Elektroindustrie vom 12.12.1996 handelt es sich um eine stichtagbezogene Einmalzahlung und kein Arbeitsentgelt für einzelne Abrechnungsperioden
Leitsatz des Gerichts:
Bei der betrieblichen Sonderzahlung nach dem Tarifvertrag zur Absicherung eines 13. Monatseinkommens der bayerischen Metall- und Elektroindustrie vom 12.12.1996 (TR 5/10-300a 101) handelt es sich um eine stichtagbezogene Einmalzahlung und kein aufgespartes Arbeitsentgelt für einzelne Abrechnungsperioden. Dies führt zur Qualifizierung als Masseverbindlichkeit gem. § 56 Abs. 1 Ziffer 2 InsO, soweit der Stichtag (Auszahlungstag) nach dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung liegt.
In dem Rechtsstreit
J… R…
- Kläger und Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigte/r:
Rechtssekretäre V… und Kollegen, D… R… GmbH, Büro A…,
gegen
F… H…
als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma A… Au… & I… C… GmbH
- Beklagter und Berufungsbeklagter -
Prozessbevollmächtigte/r:
Rechtsanwälte B… Wirtschaftssozietät F… & Partner

hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 3. Februar 2010 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Roth und die ehrenamtlichen Richter Brosch und Graf für Recht erkannt:

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Würzburg vom 04.06.2009, Az.: 1 Ca 26/09, abgeändert.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 948,74 (in Worten: Euro neunhundertachtundvierzig 74/100) brutto zu bezahlen und Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.12.2008.

3. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Die Revision wird zugelassen.



T a t b e s t a n d :

Die Parteien streiten über die Gewährung einer restlichen Sonderzahlung für das Jahr 2008.

Der Kläger ist seit dem 25.09.1989 bei der Firma A… Au… & I… C… GmbH gegen eine monatliche Vergütung von zuletzt EUR 2.012,21,-- brutto beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Tarifverträge für die Metallindustrie in Bayern kraft beidseitiger Tarifbindung Anwendung.

Am 01.09.2008 wurde über das Vermögen der Arbeitgeberin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt.

Hinsichtlich des Anspruchs auf eine jährliche Sonderzahlung ist im Tarifvertrag über die Absicherung eines Teils eines 13. Monatseinkommens (TR 5/10-300a 101) u.a. geregelt, dass einen Anspruch auf eine betriebliche Sonderzahlung je Kalenderjahr nur die Arbeitnehmer haben, „die jeweils am Auszahlungstag in einem Arbeitsverhältnis stehen und zu diesem Zeitpunkt dem Betrieb ununterbrochen sechs Monate angehört haben“.

Es werden die Arbeitnehmer ausgenommen, „die zu diesem Zeitpunkt ihr Arbeitsverhältnis gekündigt haben“ und diejenigen, „deren Arbeitsverhältnis wegen einer vor diesem Zeitpunkt erfolgten verhaltensbedingten Kündigung enden wird“.

Keine Leistung erhalten ferner die Arbeitnehmer, „deren Arbeitsverhältnis im Kalenderjahr Kraft Gesetzes oder Vereinbarung ruht“; ruht das Arbeitsverhältnis nur teilweise, „so erhalten sie eine anteilige Leistung“. Eine anteilige Leistung erhalten ferner die Arbeitnehmer, „die im Laufe des Kalenderjahres wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit, wegen Erreichnis der Altergrenze oder aufgrund Kündigung zwecks Inanspruchnahme eines vorgezogenen Altersruhegeldes aus dem Beruf ausscheiden“.

In dem Tarifvertrag wird ferner geregelt, dass die Leistungen „als einmalige Zahlungen i.S. der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften“ gelten.

Als Auszahlungstag wird, soweit nicht durch Betriebsvereinbarung abweichend geregelt, der 01. Dezember festgelegt.

In einer Protokollnotiz haben die Tarifparteien klargestellt, „dass Arbeitnehmerinnen, die unter das Mutterschutzgesetz fallen, und erkrankte Arbeitnehmer nicht von der Ruhensregelung erfasst werden.

Der Kläger errechnete ausgehend von einem Durchschnittsverdienst in den Monaten August bis Oktober 2008 von EUR 2.563,21 brutto einen Anspruch auf eine jährliche Sonderzahlung in Höhe von EUR 1.409,76 brutto. Hierauf brachte der Beklagte nur einen Teilbetrag von EUR 461,03 zur Auszahlung und stellte hierbei auf den Zeitanteil nach der Insolvenzeröffnung am 01.09.2008 ab.

Der Kläger begehrt mit seiner am 08.01.2009 beim Arbeitsgericht Würzburg eingereichten Klage vom 02.01.2009 die Auszahlung des Rechtsbetrages in Höhe von EUR 948,74 brutto.

Der Kläger begründet sein Zahlungsbegehren damit, bei der tariflichen Sonderzahlung handle es sich um eine stichtagsbezogene Zusatzvergütung, mit der auch die bereits erbrachte und zukünftige Betriebstreue honoriert werden solle. Sie stelle deshalb eine Masseverbindlichkeit dar.

Der Beklagte dagegen hält die Forderung für eine einfache Insolvenzforderung nach § 38 InsO, soweit sie für die Monate gefordert werde, die vor der Insolvenzeröffnung lagen. Dies deshalb, da es sich schon nach der Bezeichnung im Tarifvertrag um ein 13. Monatseinkommen handle, das zeitanteilig für die geleistete Arbeit geschuldet werde.

Wegen der Anträge der Parteien und ihres näheren Vorbringens im erstinstanzlichen Verfahren wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Würzburg hat mit Endurteil vom 04.06.2009 die Klage abgewiesen. Es hat dies im Wesentlichen damit begründet, dass es sich bei der streitgegenständlichen Sonderzahlung um eine solche mit „Mischcharakter“ handle, die nicht als Masseforderung gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO sondern Insolvenzforderung nach § 38 InsO zu qualifizieren sei.

Gegen das den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 17.06.2009 zugestellte Urteil haben diese mit dem am Folgetag beim Landesarbeitsgericht Nürnberg eingegangenen Schriftsatz vom 07.07.2009 Berufung eingelegt und sie innerhalb der bis 17.09.2009 verlängerten Begründungsfrist mit Telefax vom 16.09.2009 begründet.

Der Kläger meint, für die Einordnung einer Sonderzahlung als Masseverbindlichkeit oder Insolvenzforderung sei ausschlaggebend, ob der Anspruch auf die Sonderzahlung nach der tariflichen Regelung erst am Fälligkeitstage entstehe oder ob es sich um ein aufgeschobenes Arbeitsentgelt handle, das zeitanteilig bereits für die einzelnen Beschäftigungsmonate eines Jahres entstanden sei.

Das Arbeitsgericht Würzburg habe die rechtliche Einordnung unzutreffend vorgenommen und hierbei die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 11.10.1995 unberücksichtigt gelassen. Das Bundesarbeitsgericht habe in dieser Entscheidung ausgeführt, dass von einer bloßen hinausgeschobenen Fälligkeit bereits erdienter Ansprüche nur dann ausgegangen werden könne, wenn es sich um eine Sonderzahlung handle, die in das vertragliche Austauschverhältnis von Vergütung und Arbeitsleistung eingebunden sei und mit der kein weiterer Zweck verfolgt werde, als die Entlohnung bereits erbrachter Arbeitsleistung.

Um eine solche Sonderzahlung handle es sich im vorliegenden Fall nach dem Inhalt des Tarifvertrages nicht. Es solle nämlich jeder Arbeitnehmer einen Anspruch auf die Sonderzahlung haben, der am Auszahlungstag mindestens sechs Monate dem Betrieb angehört habe, und der Anspruch gerade gänzlich in Wegfall, wenn der Arbeitnehmer im Bezugszeitpunkt bereits ausgeschieden sei.

Durch die Klarstellung, dass die Leistungen als einmalige Zahlungen im Sinne der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften gelte, werde deutlich, dass es sich nicht um ein später fälliges Entgelt für die einzelnen Entgeltabrechnungszeiträume handle.

Der Kläger und Berufungskläger b e a n t r a g t:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Würzburg vom 04. Juni 2009, Aktenzeichen 1 Ca 26/09, zugestellt am 17. Juni 2009, wird aufgehoben.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 948,74 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01. Dezember 2008 an den Kläger zu zahlen.

Der Beklagte und Berufungsbeklagte b e a n t r a g t:

1. Die Berufung wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Zur Begründung trägt er vor, das Erstgericht habe die Sonderzahlung rechtlich zutreffend als einfache Insolvenzforderung nach § 38 InsO qualifiziert, denn es handle sich um eine Zusatzvergütung zum laufenden Entgelt für die im Kalenderjahr erbrachte Arbeitsleistung.

Dafür spreche die Bezeichnung im Tarifvertrag, das Fehlen einer Rückzahlungsklausel, die Abhängigkeit von der Betriebszugehörigkeitsdauer und der Anspruchsausschluss bei einem ruhenden Arbeitsverhältnis. Die Entscheidung des BAG vom 11.10.1995 könne auf den vorliegenden Fall nicht übertragen werden, denn in dem dortigen Tarifvertrag sei geregelt, dass Arbeitnehmer, die wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit, dem Erreichen der Altersgrenze oder zwecks Inanspruchnahme eines vorgezogenen Altersruhegeldes aus dem Beruf ausscheiden, die volle Sonderzahlung erhalten. Im vorliegenden Fall sehe der Tarifvertrag aber nur eine anteilige Leistung vor. Die Stichtagsregelung des Tarifvertrages ändere an der rechtlichen Einordnung der Sonderzahlung nichts, denn diese könne sich auch auf die Regelung des technischen Zahlungsvorganges beschränken.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

I.

Die Berufung ist zulässig.

Sie statthaft, § 64 Abs. 1, Abs. 2 b ArbGG, und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO.


II.

Die Berufung ist sachlich begründet.

Die Entscheidung des Erstgerichts ist abzuändern und der Klage ist stattzugeben, denn bei der hier streitgegenständlichen restlichen Sonderzahlung für das Jahr 2008 handelt es sich nicht um eine einfache Insolvenzforderung nach § 38 InsO sondern um eine Masseverbindlichkeit i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO.

1. Der Kläger hat aufgrund der beidseitigen Tarifbindung, §§ 4 Abs. 1, 3 Abs. 1 TVG, einen Anspruch auf eine restliche Sonderzahlung für das Jahr 2008 in Höhe von EUR 948,74 brutto gemäß den Regelungen im Tarifvertrag über die Absicherung eines Teils eines 13. Monatseinkommens vom 12.12.1996 (künftig: TV-Sonderzahlung).

Von dem Beklagten wird nicht in Abrede gestellt, dass der Kläger für dieses Jahr die Leistungsvoraussetzungen des TV-Sonderzahlung erfüllt hat.

Des Weiteren wird nicht bestritten, dass ausgehend von dem Durchschnittsverdienst des Klägers sich rechnerisch richtig der noch streitgegenständliche Forderungsbetrag ergibt.

Insoweit sind diesbezüglich keine weiteren Ausführungen veranlasst.

2. Der Kläger ist nicht darauf zu verweisen, seine Forderung als einfache Insolvenzforderung zur Insolvenztabelle anzumelden.

Vielmehr kann er im Klagewege die Auszahlung von dem Insolvenzverwalter begehren, denn bei der restlichen Sonderzahlung für das Jahr 2008 handelt es sich um eine vom Insolvenzverwalter zu bedienende Masseverbindlichkeit.

a) Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2, 108 Abs. 1 Satz 1 InsO können im Wege der Leistungsklage gerichtlich geltend gemacht werden.

Für die Einordnung als Insolvenzforderung oder Masseverbindlichkeit ist entscheidend, ob die Sonderzahlung später fälliges Entgelt für bereits in der Vergangenheit geleistete Arbeit ist oder eine stichtagsabhängige einmalige Sonderleistung.

Sind sie später fällige Gegenleistung für geleistete Arbeit, sind sie insolvenzrechtlich dem Zeitraum zuzuordnen, für den sie als Gegenleistung geschuldet sind.

Ist die Sonderleistung jedoch an einen Stichtag geknüpft, ist sie dem Zeitraum zuzurechnen, in den der Stichtag fällt. Ist dies der Zeitraum nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, handelt es sich um eine Masseverbindlichkeit (vgl. BAG vom 27.09.2007 – 6 AZR 975/06 – AP Nr. 5 zu § 38 InsO; LAG Düsseldorf vom 01.09.2006 – 17(14) Sa 436/06 – LAGE Nr. 12 zu § 55 InsO; BAG vom 11.12.2001 - 9 AZR 459/00 – AP Nr. 1 zu § 209 InsO).

b) Unter Berücksichtigung obiger Grundsätze handelt es sich bei dem gesamten Anspruch des Klägers auf die tarifliche Sonderzahlung für das Jahr 2008 um eine Masseverbindlichkeit.

Nach dem Inhalt der tariflichen Regelung handelt es sich bei der Sonderzahlung um keine zu einem späteren Zeitpunkt fällig gewordene Entlohnung tatsächlich erbrachter Arbeitsleistung i.R.d. § 611 Abs. 1 BGB. In diesem Fall wäre der Anspruch auf die Sonderzahlung als fester Vergütungsbestandteil bereits in den jeweiligen Abrechnungsmonaten verdient worden, wäre jedoch aufgespart und erst am vereinbarten Auszahlungstag fällig gestellt worden. Das Entstehen der Ansprüche „pro rata temporis“ und die erst spätere Fälligkeit würden damit zeitlich auseinander fallen. Um eine solche, in einem unmittelbaren Austauschverhältnis zur Arbeitsleistung stehende tarifliche Sonderzahlung handelt es sich aber im vorliegenden Fall nicht.

Der Zweck einer tariflichen Jahressonderzahlung ergibt sich alleine aus deren im Tarifvertrag normierten Voraussetzungen, Ausschluss- und Kürzungstatbeständen (vgl. BAG vom 24.03.1993 – 10 AZR 160/92 – AP Nr. 152 zu § 611 BGB Gratifikation; vom 11.10..1995 - 10 AZR 984/94 – AP Nr. 132 zu § 613 a BGB).

Hierbei kann, wie in der vom BAG am 11.10.1995 zu einer vergleichbaren tarifvertraglichen Regelung ergangenen Entscheidung, im Wesentlichen darauf abgestellt werden, dass Zweck der Sonderzahlung nach dem TV-Sonderzahlung nicht die Gewährung einer mit der Arbeitsleistung in einem Synallagma stehenden zusätzlichen Vergütung für jeden geleisteten Abrechnungszeitraum ist.

Dies folgt zunächst daraus, dass die Höhe der Sonderzahlung nicht abhängig ist von der Dauer der im Bezugszeitraum vom Arbeitnehmer erbrachten Arbeitsleistung. Nach Ziffer 1 Abs. 1 und Ziffer 2 TV-Sonderzahlung erhält jeder Arbeitnehmer, der am Auszahlungstag dem Betrieb ununterbrochen sechs Monate angehört hat, eine Sonderzahlung in Höhe von 25 % eines Monatsverdienstes und erst nach 12, 24 oder 36 Monaten Betriebszugehörigkeit erhöht sich dieser Prozentsatz um jeweils 10%-Punkte. Somit steht die Sonderzahlung nicht mehr in einem derart unmittelbaren Austauschverhältnis zur im Bezugszeitraum erbrachten Arbeitsleistung, dass von einem Synallagma zwischen beiden gesprochen werden kann.

Weiter spricht gegen die Annahme, es handle sich bei der vorliegenden Sonderzahlung um eine solche, die in einem unmittelbaren Austauschverhältnis zur erbrachten Arbeitsleistung steht, dass Arbeitnehmer, die am Auszahlungstag bereits ausgeschieden sind oder ihr Arbeitsverhältnis bereits selbst gekündigt haben, keinen Anspruch auf eine anteilige Sonderzahlung haben. Sollte mit der Sonderzahlung aber eine zusätzliche Vergütung für die erbrachte Arbeitsleistung gewährt werden, die aufgespart und erst am Auszahlungstag fällig werden soll, läge also eine „arbeitsleistungsbezogene“ Sonderzahlung vor, so müssten Arbeitnehmer, die den Fälligkeitstag wegen ihres vorzeitigen Ausscheidens aus dem Betrieb nicht erreichen, ihre anteilig „verdiente“ Sonderzahlung bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausbezahlt bekommen (so BAG vom 11.10.1995, aaO).

Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Tarifvertragsparteien selbst bestimmt haben, dass die Sonderzahlung gem. Ziffer 3 TV-Sonderzahlung als „Einmalzahlung im Sinne der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften“ gilt. Damit wollen die Tarifvertragsparteien klarstellen, dass es sich bei dem einmalig gezahlten Arbeitsentgelt um keinen Vergütungsbestandteil für die Arbeit in den einzelnen Entgeltabrechnungszeiträumen handelt somit auch um keinem unmittelbar im Austauschverhältnis zur Arbeitsleistung stehenden Entgeltbestandteil. Dies hat zur Folge, dass der Anspruch auf die Sonderzahlung nicht entsprechend den einzelnen Entgeltabrechnungszeiträumen „pro rata temporis“ entsteht (so ebenfalls BAG vom 11.10.1995, aaO).

Entgegen der Rechtsansicht des Beklagten kann im vorliegenden Fall eine Parallele zu dem im Urteil des BAG vom 11.10.1995 entschiedenen Fall gezogen werden, der eine vergleichbare tarifvertragliche Regelung für einen anderen Tarifbezirk in derselben Branche betroffen hat.

Nicht entscheidend ist, dass in dem dortigen Fall der Tarifvertrag bei Ausscheiden des Mitarbeiters vor dem Stichtag wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit, dem Erreichen der Altersgrenze oder der Inanspruchnahme eines vorgezogenen Altersruhegeldes einen vollen Anspruch auf die jährliche Sonderzahlung einräumt, im vorliegenden Fall jedoch nur ein zeitanteiliger Anspruch begründet wird. Zwar spricht eine ungekürzte Leistung zusätzlich gegen einen zeitanteilig entstandenen Vergütungsanspruch, was bei einer nur anteiligen Leistung nicht der Fall ist. Auf das zusätzliche Argument kann im vorliegenden Fall indes verzichtet werden, weil bereits ausreichende Gründe gegen die rechtliche Einordnung der Sonderzahlung als aufgespartes Arbeitsentgelt sprechen.

Hinzu kommt, dass durch die Regelung in der Protokollnotiz auch Arbeitnehmer, die unter das Mutterschutzgesetz fallen und erkrankte Arbeitnehmer ihren Anspruch auf die Sonderzahlung behalten, obwohl sie keine Arbeitsleistung erbracht haben, was zusätzlich gegen ein aufgespartes Arbeitsentgelt spricht.

Damit stellt sich die tarifvertragliche Regelung insgesamt um eine stichtagsbezogene Sonderzahlung mit Gratifikationscharakter dar.

Sie ist sicher als eine Entgeltzahlung im weiteren Sinne zu qualifizieren. Mit ihr soll jedoch auch die bisherige und künftige Betriebstreue honoriert werden. Die Entscheidung entsteht erst, wenn am Auszahlungstag sämtliche Leistungsvoraussetzungen erfüllt sind und kein Ausschlusstatbestände greifen.

Damit ist der tarifvertragliche Anspruch des Klägers im vorliegenden Fall erst zu einem Zeitpunkt entstanden, als das Insolvenzverfahren bereits eröffnet war. Es handelt sich auch um eine Entgeltleistung im weiteren Sinne, die von dem Insolvenzverwalter im Rahmen des bestehenden Arbeitsverhältnisses gem § 55 Abs. 1 Ziffer 2 InsO zu erfüllen ist (vgl. BAG vom 11.12.2001, aaO).

Den Fälligkeitstermin nach dem 01.09.2008 hat der Klägervertreter im Verhandlungstermin vom 03.02.2010 nochmals ausdrücklich klargestellt. Auf eine abweichende Vereinbarung in einer Betriebsvereinbarung entsprechend der Ziffer 5 TV-Sonderzahlung hat sich der Beklagte nicht berufen. Insofern stützt der Sachvortrag des Klägers den tariflich geregelten Auszahlungstermin 01.12. eines Jahres.

3. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Zinsen ab dem Fälligkeitstermin 01.12.2008 zu, §§ 286, Abs. 2, 288 Abs. 1 BGB.


III.

1. Der unterlegene Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, § 91 Abs. 1 ZPO.

2. Die Revision ist zuzulassen, da aufgrund der Vielzahl der Bezugsfälle und einer fehlenden höchstrichterlichen Entscheidung zu dem hier vorliegenden Tarifvertrag der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beigemessen wird, § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen dieses Urteil kann der Beklagte Revision einlegen.

Für den Kläger ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.

Die Revision muss innerhalb einer Frist von einem Monat eingelegt und innerhalb einer Frist von zwei Monaten begründet werden.

Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung des Urteils.

Die Revision muss beim Bundesarbeitsgericht Hugo-Preuß-Platz 1 99084 Erfurt Postanschrift: Bundesarbeitsgericht, 99113 Erfurt, Telefax-Nummer: 0361 2636-2000, eingelegt und begründet werden.

Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein.

Es genügt auch die Unterzeichnung durch einen Bevollmächtigten der Gewerkschaften und von Vereinigungen von Arbeitgebern sowie von Zusammenschlüssen solcher Verbände

- für ihre Mitglieder
- oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder

oder

von juristischen Personen, deren Anteile sämtlich in wirtschaftlichem Eigentum einer der im vorgenannten Absatz bezeichneten Organisationen stehen,

- wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt
- und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.

In jedem Fall muss der Bevollmächtigte die Befähigung zum Richteramt haben.

Zur Möglichkeit der Revisionseinlegung mittels elektronischen Dokuments wird auf die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesarbeitsgericht vom 09.03.2006 (BGBl. I, 519 ff.) hingewiesen. Einzelheiten hierzu unter http://www.bundesarbeitsgericht.de/.

Roth
Vorsitzender Richter
am Landesarbeitsgericht

Brosch
Ehrenamtlicher Richter

Graf
Ehrenamtlicher Richter
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