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Pressemitteilung
C-297/08;
Verkündet am:
04.03.2010
EuGH Europäischer Gerichtshof
Rechtskräftig: unbekannt! Der Gerichtshof stellt fest, dass Italien nicht alle Maßnahmen ergriffen hat, die erforderlich sind, um die Abfälle in der Region Campania zu beseitigen Leitsatz des Gerichts: Der Gerichtshof stellt fest, dass Italien nicht alle Maßnahmen ergriffen hat, die erforderlich sind, um die Abfälle in der Region Campania zu beseitigen Durch diese Situation wurde die menschliche Gesundheit gefährdet und die Umwelt geschädigt Die europäische Regelung der Abfallbewirtschaftung hat den Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt zum Ziel. Die Mitgliedstaaten haben für die Beseitigung und Verwertung der Abfälle zu sorgen sowie das Entstehen von Abfällen zu begrenzen, und zwar insbesondere durch die Förderung sauberer Technologien und wiederverwertbarer und wiederverwendbarer Erzeugnisse. Sie müssen daher ein integriertes und angemessenes Netz von Beseitigungsanlagen errichten, das es der Gemeinschaft insgesamt und jedem einzelnen Mitgliedstaat ermöglicht, die Entsorgungsautarkie anzustreben. Italien hat die neue „Abfallrichtlinie" im Jahr 2006 umgesetzt, und für die Region Campania wurden in einem Regionalgesetz 18 einheitliche räumliche Gebiete festgelegt, in denen die Bewirtschaftung und Beseitigung der in den jeweiligen Einzugsgebieten entstandenen Siedlungsabfälle vorzunehmen war. Aufgrund einer in der Region Campania im Jahr 2007 entstandenen Krisensituation bei der Abfallbeseitigung hat die Kommission eine Vertragsverletzungsklage gegen Italien erhoben, weil es für diese Region kein integriertes und angemessenes Netz von Anlagen errichtet habe, das geeignet sei, auf der Grundlage des Kriteriums der räumlichen Nähe die Autarkie auf dem Gebiet der Abfallbeseitigung zu gewährleisten. Nach Auffassung der Kommission wurde durch diese Situation eine Gefahr für die menschliche Gesundheit und die Umwelt heraufbeschworen. Die Infrastruktureinrichtungen für die Verwertung und Beseitigung von Siedlungsabfällen Italien hat geltend gemacht, dass es den Umfang an differenzierter Sammlung der Abfälle gesteigert und zwei Deponien eröffnet sowie weitere Verbrennungsanlagen errichtet habe. Ferner habe es seinem Einfluss entzogene Vertragsverstöße und kriminelle Handlungen gegeben, die einen Fall höherer Gewalt darstellten. Der Gerichtshof weist darauf hin, dass hinsichtlich der Errichtung eines integrierten und angemessenen Netzes von Abfallbeseitigungsanlagen die Mitgliedstaaten bei der Wahl der räumlichen Grundlage, die sie für geeignet halten, um eine nationale Entsorgungsautarkie zu erreichen, über ein Ermessen verfügen. Wegen der Besonderheit bestimmter Abfallarten kann es sachgerecht sein, ihre Behandlung in einer oder mehreren Anlagen auf nationaler Ebene oder sogar in Zusammenarbeit mit anderen Mitgliedstaaten zusammenzuführen. Was ungefährliche Siedlungsabfälle betrifft – die keiner besonderen Anlagen bedürfen –, müssen die Mitgliedstaaten hingegen für die Schaffung eines Netzes von Abfallbeseitigungsanlagen möglichst nahe den Orten der Abfallentstehung sorgen, unbeschadet der Möglichkeit, eine interregionale oder gar grenzüberschreitende Zusammenarbeit einzurichten, die dem Grundsatz der Nähe genügt. Hat ein Mitgliedstaat, wie hier Italien, die Entscheidung getroffen, die Abdeckung seines Hoheitsgebiets auf regionaler Grundlage zu organisieren, muss daher jede Region auf der Grundlage des Kriteriums der räumlichen Nähe die Behandlung und Beseitigung ihrer Abfälle möglichst nah am Ort ihrer Entstehung gewährleisten. Die erheblichen Abfallmengen, die sich trotz der Unterstützung anderer italienischer Regionen und der deutschen Behörden in den öffentlichen Straßen der Region Campania angehäuft haben, lassen einen strukturellen Mangel an Anlagen erkennen, der nicht behoben werden konnte. Italien hat im Übrigen anerkannt, dass bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist die in der Region bestehenden und betriebsbereiten Anlagen den dort tatsächlich bestehenden Bedarf bei weitem nicht decken konnten. Weder der Widerstand der Bevölkerung noch die Vertragsverstöße, noch die Existenz krimineller Handlungen stellen Fälle höherer Gewalt dar, die einen Verstoß gegen die sich aus der Richtlinie ergebenden Verpflichtungen oder das Versäumnis rechtfertigen können, Infrastruktureinrichtungen tatsächlich und fristgerecht zu errichten. Die Gefährdung der menschlichen Gesundheit und die Schädigung der Umwelt Italien hat geltend gemacht, dass die Abfallbewirtschaftung in der Region Campania weder für die Umwelt noch für die menschliche Gesundheit nachteilige Folgen gehabt habe. Der Gerichtshof weist darauf hin, dass die Richtlinie zwar Ziele des Schutzes der Umwelt und der menschlichen Gesundheit festlegt, die zu ergreifenden Maßnahmen jedoch inhaltlich nicht genau angibt und den Mitgliedstaaten einen gewissen Wertungsspielraum belässt. Zum letztgenannten Ziel führt der Gerichtshof allerdings aus, dass es in dem Sinne vorbeugenden Charakter hat, als die Mitgliedstaaten während der Verwertung und Beseitigung der Abfälle die menschliche Gesundheit nicht gefährden dürfen. Italien hat nicht bestritten, dass bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme festgesetzten Frist 55 000 Tonnen Abfälle in öffentlichen Straßen herumlagen, 110 000 bis 120 000 Tonnen Müll auf den Lagerplätzen der Entsorgung harrten und die wegen dieser Anhäufung aufgebrachte Bevölkerung die Müllhaufen in Brand gesetzt hatte. Dementsprechend verursachten die Abfälle Geruchsbelästigungen und beeinträchtigten das Landschaftsbild und somit die Umwelt. Im Übrigen hat Italien die Gefährlichkeit der Lage für die menschliche Gesundheit, die mit Sicherheit einer Gefährdung ausgesetzt war, selbst eingeräumt. Daher ist der Gerichtshof zu dem Ergebnis gelangt, dass Italien dadurch, dass es kein angemessenes und integriertes Netz von Anlagen für die Verwertung und Beseitigung der Abfälle nahe dem Ort ihrer Entstehung errichtet und nicht alle Maßnahmen ergriffen hat, die erforderlich sind, um eine Gefährdung der menschlichen Gesundheit und eine Schädigung der Umwelt in der Region Campania zu vermeiden, gegen seine Verpflichtungen aus der "Abfallrichtlinie" verstoßen hat. ________________________________________________________________________ HINWEIS: Eine Vertragsverletzungsklage, die sich gegen einen Mitgliedstaat richtet, der gegen seine Verpflichtungen aus dem Unionsrecht verstoßen hat, kann von der Kommission oder einem anderen Mitgliedstaat erhoben werden. Stellt der Gerichtshof die Vertragsverletzung fest, hat der betreffende Mitgliedstaat dem Urteil unverzüglich nachzukommen. Ist die Kommission der Auffassung, dass der Mitgliedstaat dem Urteil nicht nachgekommen ist, kann sie erneut klagen und finanzielle Sanktionen beantragen. Hat ein Mitgliedstaat der Kommission die Maßnahmen zur Umsetzung einer Richtlinie nicht mitgeteilt, kann der Gerichtshof auf Vorschlag der Kommission jedoch bereits mit dem ersten Urteil Sanktionen verhängen. ----------------------------------------------------- Die von uns erfassten Urteile wurden oft anders formatiert als das Original. Dies bedeutet, daß Absätze eingefügt und Hervorhebungen durch fett-/kursiv-/&farbig-machen sowie Unterstreichungen vorgenommen wurden. Dies soll verdeutlichen, aber keinesfalls natürlich den Sinn verändern.Wenn Sie vorsichtshalber zusätzlich die Originalversion sehen möchten, hier ist der Link zur Quelle (kein Link? Dann ist dieser Link nicht in unserer DB gespeichert, z.B. weil das Urteil vor Frühjahr 2009 gespeichert worden ist). |