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Pressemitteilung
C-428/08;
Verkündet am:
09.03.2010
EuGH Europäischer Gerichtshof
Rechtskräftig: unbekannt! Erstmals ist der Gerichtshof aufgerufen, die Reichweite der europäischen Regelung zum Schutz biotechnologischer Erfindungen zu erläutern Leitsatz des Gerichts: Erstmals ist der Gerichtshof aufgerufen, die Reichweite der europäischen Regelung zum Schutz biotechnologischer Erfindungen zu erläutern Generalanwalt Paolo Mengozzi schlägt dem Gerichtshof vor, zu entscheiden, dass ein Patent für eine Gensequenz innerhalb der Grenzen geschützt ist, in denen die genetische Information gegenwärtig die im Patent beschriebenen Funktionen erfüllt Monsanto ist seit 1996 Inhaberin eines europäischen Patents für eine Gensequenz, die eine Sojapflanze nach Einbau in deren DNA gegen Glyphosat resistent werden lässt, ein Herbizid, das ebenfalls von Monsanto hergestellt und unter der Bezeichnung „Roundup“ in den Verkehr gebracht wird. Die Landwirte können das Herbizid für die Unkrautvernichtung verwenden, ohne den Sojaanbau zu schädigen. Das genetisch veränderte Soja („RR-Sojabohne“, also „Roundup ready“) wird in mehreren Ländern angebaut, nicht aber in der Europäischen Union. 2005 und 2006 führten die im Ausgangsverfahren beklagten Gesellschaften mehrere Ladungen Sojamehl für die Herstellung von Tierfutter aus Argentinien ein, wo die RR-Sojabohne in großem Umfang angebaut wird, Monsanto jedoch für die Gensequenz kein Patent hat. Eine Untersuchung auf Antrag von Monsanto ergab DNA-Spuren, die charakteristisch für die RR-Sojabohne sind, so dass feststeht, dass das eingeführte Sojamehl unter Verwendung des genetisch veränderten Soja hergestellt worden war, für das Monsanto ein europäisches Patent besitzt. Das niederländische Gericht, das Monsanto angerufen hat, hat den Gerichtshof um Klarstellung ersucht, welcher Schutz in der Europäischen Union biotechnologischen Erfindungen und insbesondere Patenten für eine genetische Information zu gewähren sei. Es ist daher zu prüfen, ob die genetische Information als solche als chemische Verbindung geschützt ist, auch wenn sie als eine Art „Rückstand“ im Innern eines Erzeugnisses (z. B. Mehl) enthalten ist, das aus der Verarbeitung des biologischen Erzeugnisses (der Sojapflanze) hervorging, in dem die Sequenz ihre Funktion (die Pflanze gegen Glyphosat resistent zu machen) erfüllt hatte. Generalanwalt Paolo Mengozzi führt auf der Grundlage einer Untersuchung von Wortlaut und Zweck der Richtlinie über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen aus, dass die patentierte DNA als solche, also als chemische Substanz, nur geschützt sei, wenn sie die Funktion erfülle, für die das Patent erteilt worden sei. Nur in einem solchen Fall sei auch das „Material“, in dem die DNA enthalten sei, geschützt. Die Richtlinie erlaube es, mittels der Berücksichtigung der Funktion der DNA, zwischen der „Entdeckung“ (also der bloßen Bestimmung einer Gensequenz ohne Angabe einer Funktion) – die als solche nicht patentierbar sei – und einer „Erfindung“ (d. h. der nachgewiesenen Entdeckung der Angabe einer Funktion), die patentierbar sei, zu unterscheiden. Daher liefe der Schutz der Gensequenz in allen ihren möglichen – auch den zum Zeitpunkt der Patentanmeldung nicht bekannten – Funktionen darauf hinaus, ein Patent für Funktionen einzuräumen, die zu dem Zeitpunkt, zu dem das Patent angemeldet worden sei, noch unbekannt gewesen seien, mit anderen Worten also im Widerspruch zu den Grundprinzipien des Patentrechts die Patentierbarkeit einer bloßen Entdeckung zuzulassen. Da sich ferner nicht sagen lasse, bis zu welchem Zeitpunkt und bis zu welchem Punkt in der Nahrungsmittelkette und der Folgeerzeugnisse Spuren der ursprünglichen DNA der gentechnisch veränderten Pflanzen noch erkennbar seien, die jedoch keine Funktion mehr erfüllten, würde deren Vorhandensein aber eine unbestimmte Zahl von Folgeerzeugnissen der Kontrolle derjenigen Person unterwerfen, die ein Patent für die Gensequenz einer Pflanze erlangt habe. Nach Ansicht des Generalanwalts ist daher der Schutz, der einem Patent für eine Gensequenz garantiert werde, auf die Fälle beschränkt, in denen die genetische Information gegenwärtig die im Patent beschriebenen Funktionen erfülle. Dies gelte sowohl für den Schutz der Sequenz als solcher als auch für den Schutz des Materials, in dem sie enthalten sei. Die Richtlinie stelle eine abschließende Regelung des Schutzes dar, der im Gebiet der Europäischen Union einer biotechnologischen Erfindung eingeräumt werde und lasse keinen Raum dafür, dass eine nationale Rechtsvorschrift einen weitergehenden Schutz einräume. Die Richtlinie ziele nämlich auf die Förderung des Marktes und des Wettbewerbs und darauf ab, zu verhindern, dass die bestehenden einschlägigen Unterschiede in den Rechtsvorschriften den Handelsverkehr innerhalb der Union negativ beeinflussen könnten. Der Umstand, dass das Patent vor Inkrafttreten der Richtlinie (30. Juli 1998) erteilt worden sei, sei unerheblich. Zum einen enthalte die Richtlinie nämlich keine Übergangsbestimmungen, und zum anderen betreffe die Pflicht, das nationale Recht im Einklang mit dem Recht der Union auszulegen, auch die einschlägigen nationalen Bestimmungen, die bereits vor denen der Union bestanden hätten. Ferner werde der Schutz der Funktionen, für die die Gensequenz patentiert sei, von der Richtlinie gewährleistet und stehe jedenfalls außer Zweifel. _______________________________________________________________________ HINWEIS: Die Schlussanträge des Generalanwalts sind für den Gerichtshof nicht bindend. Aufgabe des Generalanwalts ist es, dem Gerichtshof in völliger Unabhängigkeit einen Entscheidungsvorschlag für die betreffende Rechtssache zu unterbreiten. Die Richter des Gerichtshofs treten nunmehr in die Beratung ein. Das Urteil wird zu einem späteren Zeitpunkt verkündet. HINWEIS: Im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens können die Gerichte der Mitgliedstaaten in einem bei ihnen anhängigen Rechtsstreit dem Gerichtshof Fragen nach der Auslegung des Unionsrechts oder nach der Gültigkeit einer Handlung der Union vorlegen. Der Gerichtshof entscheidet nicht über den nationalen Rechtsstreit. Es ist Sache des nationalen Gerichts, über die Rechtssache im Einklang mit der Entscheidung des Gerichtshofs zu entscheiden. Diese Entscheidung des Gerichtshofs bindet in gleicher Weise andere nationale Gerichte, die mit einem ähnlichen Problem befasst werden. ----------------------------------------------------- Die von uns erfassten Urteile wurden oft anders formatiert als das Original. Dies bedeutet, daß Absätze eingefügt und Hervorhebungen durch fett-/kursiv-/&farbig-machen sowie Unterstreichungen vorgenommen wurden. Dies soll verdeutlichen, aber keinesfalls natürlich den Sinn verändern.Wenn Sie vorsichtshalber zusätzlich die Originalversion sehen möchten, hier ist der Link zur Quelle (kein Link? Dann ist dieser Link nicht in unserer DB gespeichert, z.B. weil das Urteil vor Frühjahr 2009 gespeichert worden ist). |