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Pressemitteilung
C-340/08;
Verkündet am: 
 29.03.2010
EuGH Europäischer Gerichtshof
 

Rechtskräftig: unbekannt!
Das Einfrieren der Gelder von Personen, die verdächtigt werden, mit Bin Laden, der Al-Quaida und den Taliban in Verbindung zu stehen, findet keine Anwendung auf bestimmte Leistungen der sozialen Sicherheit, die an die Ehegatten solcher Personen ausgezahlt
Leitsatz des Gerichts:
Das Einfrieren der Gelder von Personen, die verdächtigt werden, mit Bin Laden, der Al-Quaida und den Taliban in Verbindung zu stehen, findet keine Anwendung auf bestimmte Leistungen der sozialen Sicherheit, die an die Ehegatten solcher Personen ausgezahlt werden

Die Verordnung, die das Einfrieren von Geldern anordnet, findet nur auf Vermögenswerte Anwendung, die zur Unterstützung terroristischer Tätigkeiten eingesetzt werden können

Der Rat erließ zur Umsetzung bestimmter Resolutionen der Vereinten Nationen eine Verordnung, mit der das Einfrieren von Geldern und anderen wirtschaftlichen Ressourcen bestimmter Personen angeordnet wird, die mit Osama bin Laden, dem Al-Qaida-Netzwerk und den Taliban in Verbindung stehen und in einer von der UNO aufgestellten Liste aufgeführt sind. Die Verordnung verbietet insbesondere, dass diesen Personen Gelder direkt oder indirekt zur Verfügung gestellt werden oder zugutekommen. Die Verordnung lässt jedoch eine Ausnahme zu, wenn die Mitgliedstaaten befinden, dass diese Gelder für Grundausgaben, z. B. für Nahrungsmittel, erforderlich sind.

Das britische Finanzministerium vertrat die Auffassung, dass die Gewährung von Leistungen der sozialen Sicherheit und Sozialhilfe (wie z. B. Einkommensunterstützung, Behindertengeld, Familiengeld, Wohngeld und Kommunalsteuerbefreiung) an Ehefrauen von in der Liste aufgeführten Personen nach der Verordnung verboten sei. Diese Beträge könnten nämlich eventuell die Grundausgaben des Haushalts decken, z. B. den Einkauf von Lebensmitteln für gemeinsame Mahlzeiten, und kämen so indirekt ihren Ehemännern zugute.

Das britische Finanzministerium entschied aber, dass für die Ehefrauen Ausnahmegenehmigungen erteilt und ihnen diese Leistungen unter bestimmten Auflagen ausgezahlt werden könnten. Erstens durften sie für jedes Haushaltsmitglied nicht mehr als 10 GBP (ungefähr 11 Euro) in bar von dem Bankkonto abheben, auf das die Leistungen überwiesen wurden. Zweitens mussten sie dem Finanzministerium monatlich eine Abrechnung übersenden, in der alle ihre Ausgaben des Vormonats im Einzelnen aufgeführt und der Quittungen für die eingekauften Waren sowie eine Kopie ihres monatlichen Bankkontoauszugs beigefügt waren. Drittens enthielt die Genehmigung eine Belehrung, dass sie sich strafbar machten, wenn sie ihren Männern Bargeld, finanzielle Vermögenswerte oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung stellten.

Die betroffenen Ehefrauen gingen gegen diese Entscheidung mit der Begründung vor, dass die fraglichen Leistungen nicht unter das Verbot fielen. Das mit der Rechtssache befasste House of Lords hat dem Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob solche Leistungen der sozialen Sicherheit oder Sozialhilfe an einen Ehegatten einer benannten Person von dem Verbot, benannten Personen direkt oder indirekt Gelder zur Verfügung zu stellen, erfasst werden.

Der Gerichtshof stellt fest, dass die verschiedenen Sprachfassungen sowohl der Verordnung als auch der Resolution des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, die mit der Verordnung umgesetzt werden soll, in einigen Punkten voneinander abweichen und dass deshalb die Verordnung anhand ihres Ziels – der Bekämpfung des internationalen Terrorismus – auszulegen ist. Ziel des Einfrierens von Geldern ist es, zu verhindern, dass die betreffenden Personen Zugriff auf wirtschaftliche Ressourcen und Finanzmittel gleich welcher Art haben, die sie zur Unterstützung terroristischer Tätigkeiten einsetzen könnten. Dieses Ziel ist insbesondere dahin zu verstehen, dass nur solche Vermögenswerte eingefroren werden sollen, die in Gelder, Waren oder Dienstleistungen umgewandelt werden können, die geeignet sind, für die Unterstützung terroristischer Tätigkeiten eingesetzt zu werden.

Das britische Finanzministerium hat, wie der Gerichtshof befindet, seine Auslegung, die Ehefrauen ließen durch die Annahme der staatlichen Leistungen ihren Männern indirekt Gelder zugutekommen, nicht mit der Gefahr begründet, dass die gewährten Beträge für die Unterstützung terroristischer Tätigkeiten zweckentfremdet werden könnten.

Es ist nicht vorgetragen worden, dass die betreffenden Ehefrauen diese Gelder an ihre Männer weiterleiten würden, statt sie zur Bestreitung der Grundausgaben ihres Haushalts einzusetzen. Eine solche Zweckentfremdung von Geldern fiele im Übrigen unter das Verbot der Verordnung und wäre nach nationalem Recht strafbar.
Unstreitig verwenden die Ehefrauen die fraglichen Gelder tatsächlich zur Deckung der Grundbedürfnisse des Haushalts, zu dem die in der Liste aufgeführten Personen gehören.

Dass diese Gelder in Mittel umgewandelt werden können, die zur Unterstützung terroristischer Tätigkeiten dienen könnten, erscheint wenig plausibel, da die Leistungen sorgfältig so bemessen sind, dass sie nur die notwendigsten Bedürfnisse der Betroffenen decken.

Der Gerichtshof kommt daher zu dem Ergebnis, dass der Nutzen, den eine in der Liste aufgeführte Person aus an seinen Ehegatten gezahlten Sozialleistungen indirekt ziehen könnte, nicht das mit der Verordnung verfolgte Ziel gefährdet.

Demnach erkennt der Gerichtshof für Recht, dass die Verordnung unter Umständen wie denen des vorliegenden Falles auf die Gewährung von Leistungen der sozialen Sicherheit oder Sozialhilfe an Ehegatten von Personen, die in der Liste zum Einfrieren von Geldern aufgeführt sind, keine Anwendung findet.

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HINWEIS:
Im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens können die Gerichte der Mitgliedstaaten in einem bei ihnen anhängigen Rechtsstreit dem Gerichtshof Fragen nach der Auslegung des Unionsrechts oder nach der Gültigkeit einer Handlung der Union vorlegen. Der Gerichtshof entscheidet nicht über den nationalen Rechtsstreit. Es ist Sache des nationalen Gerichts, über die Rechtssache im Einklang mit der Entscheidung des Gerichtshofs zu entscheiden. Diese Entscheidung bindet in gleicher Weise andere nationale Gerichte, die mit einem ähnlichen Problem befasst werden.
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