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Pressemitteilung
T-53/08;
T-62/08;
T-63/08;
T-64/08;
Verkündet am: 
 01.07.2010
EuGH Europäischer Gerichtshof
 

Rechtskräftig: unbekannt!
Der Stromvorzugstarif, der den Nachfolgegesellschaften des Unternehmens Terni gewährt wurde, stellt eine staatliche Beihilfe dar, die Italien von diesen Gesellschaften zurückfordern muss
Leitsatz des Gerichts:
Der Stromvorzugstarif, der den Nachfolgegesellschaften des Unternehmens Terni gewährt wurde, stellt eine staatliche Beihilfe dar, die Italien von diesen Gesellschaften zurückfordern muss

Die im Jahr 2005 gewährte Verlängerung geht über die Entschädigung hinaus, die für die im Jahr 1962 vorgenommene Enteignung geschuldet ist
Im Jahr 1962 verstaatlichte Italien den Stromsektor, indem es die Ente nazionale per l’energia elettrica (ENEL) schuf, auf die Unternehmen der Stromwirtschaft übergingen und der das Monopol für das Stromwirtschaftsgeschäft übertragen wurde. Bestimmte Unternehmen, die Strom für den Eigenverbrauch erzeugten (Eigenerzeuger), waren von der Verstaatlichung ausgenommen.

Das Unternehmen Terni, das in staatlichem Mehrheitsbesitz war, besaß und betrieb Wasserkraftwerke und war in den Sektoren Stahl, Zement und Chemie tätig. In Anbetracht seiner strategischen Bedeutung für die Stromversorgung des Landes wurde der Geschäftsbereich Wasserkraft von Terni im Jahr 1963 trotz deren Stellung als Eigenerzeuger verstaatlicht. Terni wurde dafür mit einem Stromvorzugstarif für den Zeitraum von 1963 bis 1992 entschädigt. Die Maßnahme zugunsten von Terni war das Ergebnis dreier Faktoren: der Strommenge, des Strompreises und der Laufzeit der Vorzugsregelung.

Die aus der Spaltung von Terni im Jahr 1964 hervorgegangenen Gesellschaften – Terni Acciai Speciali, tätig in der Stahlherstellung, Nuova Terni Industrie Chimiche, tätig im Chemiesektor, und Cementir, tätig in der Zementerzeugung, in der Folge privatisiert und von ThyssenKrupp, Norsk Hydro und Caltagirone übernommen – profitierten weiterhin von dem Vorzugstarif.

Im Jahr 1991 verlängerte Italien die Laufzeiten der bestehenden Wasserkraftstromkonzessionen und des Vorzugstarifs bis zum 31. Dezember 2001. Diese Verlängerung wurde der Kommission mitgeteilt, die keine Einwände erhob. Die Laufzeit der Konzessionen wurde in der Folge bis 2020 und die Laufzeit des Tarifs bis 2010 verlängert, ohne dass dies der Kommission vorab mitgeteilt worden war.

Mit Entscheidung aus dem Jahr 2007 erklärte die Kommission den Vorzugstarif für die drei Terni-Nachfolgegesellschaften als Betriebsbeihilfe für rechtswidrig. Zwar sei die Maßnahme eine Entschädigung, die den Begünstigten während der gesamten ursprünglich vorgesehenen Laufzeit (also bis 1992) keinen Vorteil gewährt habe, doch stelle der ab dem Jahr 2005 gewährte Tarif eine staatliche Beihilfe dar. Deshalb dürfe der noch nicht gewährte Teil der Beihilfe nicht durchgeführt werden, und der bereits gewährte Teil sei vom Staat zurückzufordern.

Sowohl Italien als auch die Terni-Nachfolgegesellschaften haben beim Gericht die Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission beantragt. Sie haben namentlich den Entschädigungscharakter der Maßnahme und eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften sowie der Grundsätze des kontradiktorischen Verfahrens und des Vertrauensschutzes geltend gemacht.

Das Gericht weist in seinen heute ergangenen Urteilen darauf hin, dass Maßnahmen, die in verschiedener Form die von einem Unternehmen normalerweise zu tragenden Belastungen vermindern – wie insbesondere die Bereitstellung von Gütern und Dienstleistungen zu Vorzugsbedingungen –, Vergünstigungen sind.

Der Vorzugstarif für Terni steht im Zusammenhang mit der Verstaatlichung des Stromsektors in Italien, die auf der italienischen Verfassung beruht und vom Staat einseitig im öffentlichen Interesse beschlossen wurde. Er wurde als Entschädigung für einen ganz bestimmten, zur Zeit der Verstaatlichung endgültig festgelegten Zeitraum (bis 31. Dezember 1992) ohne Verlängerungsmöglichkeit gewährt.

Das Gesetz zur Einführung des Vorzugstarifs und die erste Verlängerung von dessen Laufzeit (im Jahr 1991) koppelten diesen Tarif in keiner Weise an die Laufzeitverlängerung für die Wasserkraftstromkonzessionen der anderen, nicht enteigneten Eigenerzeuger. Die zweite Verlängerung (im Jahr 2005) nimmt keinen Bezug auf die Wasserkraftstromkonzessionen, und es gibt keinen Hinweis darauf, dass es die Absicht des Gesetzgebers gewesen wäre, die Laufzeit des Vorzugstarifs derjenigen dieser Konzessionen anzupassen. Im Übrigen kann die Verstaatlichung eines Unternehmens nicht mit einem einfachen Vertragstatbestand gleichgestellt werden.

Im Gegenteil zielt die Verlängerung der Laufzeit des Vorzugstarifs pauschal darauf ab, die Entwicklung und die Restrukturierung der Erzeugung der betroffenen Unternehmen zu ermöglichen, und stellt eine Gegenleistung für ein umfangreiches Investitionsprogramm von ThyssenKrupp im Industriegebiet Terni-Narni dar.

Zur Beachtung der wesentlichen Formvorschriften, des kontradiktorischen Verfahrens und der Verteidigungsrechte weist das Gericht insbesondere darauf hin, dass der Kommission nicht vorgeworfen wird, sie habe ihre Entscheidung auf die Äußerungen beteiligter Dritter gestützt, zu denen Italien keine Stellung habe nehmen können. Die Kommission erhielt von Italien einen Bericht eines unabhängigen Beraters zum Vergleich des Wertes des enteigneten Vermögens mit dem Wert des Vorteils, der aus dem Vorzugstarif ab dem Geltungsbeginn dieser Regelung bis 2010 erwächst, und zwar mit einer Aktualisierung der betreffenden Werte.
Außerdem erinnert das Gericht daran, dass im Bereich der Kontrolle der öffentlichen Beihilfen der Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte gebietet, dass dem Mitgliedstaat Gelegenheit gegeben wird, zu den Äußerungen beteiligter Dritter in zweckdienlicher Weise Stellung zu nehmen. Dagegen ist die Kommission nicht verpflichtet, den Empfänger staatlicher Mittel zu hören oder den Mitgliedstaat und/oder den Beihilfeempfänger vor Erlass ihrer Entscheidung über ihren Standpunkt zu informieren, wenn den Beteiligten und dem Mitgliedstaat Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde.

Im Übrigen können Unternehmen, da die Überwachung staatlicher Beihilfen durch die Kommission zwingend vorgeschrieben ist, ein berechtigtes Vertrauen in die Ordnungsmäßigkeit der ihnen gewährten Beihilfe nur dann geltend machen, wenn diese unter Beachtung des Verfahrens, d. h. nach vorheriger Mitteilung, gewährt wurde.

Aus allen diesen Gründen weist das Gericht die Klagen ab.

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HINWEIS:
Gegen die Entscheidung des Gerichts kann innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Zustellung ein auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel beim Gerichtshof eingelegt werden.

HINWEIS:
Eine Nichtigkeitsklage dient dazu, unionsrechtswidrige Handlungen der Unionsorgane für nichtig erklären zu lassen. Sie kann unter bestimmten Voraussetzungen von Mitgliedstaaten, Organen der Union oder Einzelnen beim Gerichtshof oder beim Gericht erhoben werden. Ist die Klage begründet, wird die Handlung für nichtig erklärt. Das betreffende Organ hat eine durch die Nichtigerklärung der Handlung etwa entstehende Regelungslücke zu schließen.
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