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Pressemitteilung
C-357/07;
Verkündet am:
15.01.2009
EuGH Europäischer Gerichtshof
Rechtskräftig: unbekannt! Der Postdienst der britischen Royal Mail ist nach Ansicht von Generalanwältin Juliane Kokott grundsätzlich von der Mehrwertsteuer befreit Leitsatz des Gerichts: Der Postdienst der britischen Royal Mail ist nach Ansicht von Generalanwältin Juliane Kokott grundsätzlich von der Mehrwertsteuer befreit Als Anbieterin des im öffentlichen Interesse definierten und kontrollierten Universaldienstes unterliege die Royal Mail nur dann der Mehrwertsteuer, wenn sie Leistungen zu individuell ausgehandelten Bedingungen erbringt Gegenstand der heute verlesenen Schlussanträge ist die Frage, unter welchen Voraussetzungen Postanbieter von der Mehrwertsteuer befreit sind. Diese Frage stellt sich aufgrund einer Klage der TNT Post UK Limited, die der Ansicht ist, dass die von der Royal Mail erbrachten Postleistungen nicht von der Mehrwertsteuer befreit werden dürften. Eine solche Befreiung behalte die Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie „öffentlichen Posteinrichtungen“ vor. In dem vollständig liberalisierten Markt des Vereinigten Königreichs existiere aber keine öffentliche Posteinrichtung mehr. In ihren Schlussanträgen betont Generalanwältin Kokott, dass es nicht mit dem von der Mehrwertsteuerbefreiung verfolgten Ziel vereinbar ist, nur staatliche Anbieter zu befreien bzw. die Befreiung gar nicht mehr anzuwenden, wenn kein staatlicher Anbieter mehr existiert. Das Ziel, Postleistungen nicht zu verteuern, deren kostengünstige Bereitstellung als Teil der Daseinsvorsorge im Allgemeininteresse liegt, werde auch im liberalisierten Markt verfolgt. So schreibe die Postrichtlinie vor, dass den Nutzern – auch ohne staatliches Postmonopol – ein Universaldienst zur Verfügung steht, der ständig flächendeckend postalische Dienstleistungen einer bestimmten Qualität zu tragbaren Preisen für alle Nutzer bietet. Da sich die Post- und die Mehrwertsteuerrichtlinie in dem Anliegen überlappten, die allgemeine Versorgung mit Postdienstleistungen zu erschwingliche Preisen sicherzustellen, könnten die Betreiber des öffentlichen Postnetzes, die den Universaldienst erbringen, sehr wohl als öffentliche Posteinrichtungen angesehen werden. Einziger Universaldienstleister im Vereinigten Königreich ist gegenwärtig Royal Mail. Sie muss eine Reihe von Auflagen einhalten, insbesondere eine flächendeckende Versorgung des Staatsgebiets des Vereinigten Königreichs mit Postdienstleistungen zu einheitlichen und tragbaren Tarifen gewährleisten. Die von Royal Mail zu erbringenden Postdienste umfassen ferner auch die Verpflichtungen, ein für die Allgemeinheit ausreichendes Netz von Zugangspunkten (Postämter und Briefkästen) zu unterhalten, die dort eingehenden Postsendungen an jedem Arbeitstag abzuholen und an jede beliebige Adresse im Vereinigten Königreich zuzustellen. Dabei unterliegt Royal Mail bestimmten Qualitätsstandards hinsichtlich der Postlaufzeiten: Briefpost erster Klasse soll in der Regel am nächsten Arbeitstag zugestellt werden. Allerdings sind nach Ansicht der Generalanwältin nicht alle von Royal Mail erbrachten Dienstleistungen zwingend von der Mehrwertsteuer befreit. Vielmehr erstrecke sich die Befreiung nur auf diejenigen Leistungen, deren Erbringung im Interesse des Gemeinwohls liegt. Da die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Postrichtlinie unter Berücksichtigung ihrer geographischen, sozialen und wirtschaftlichen Eigenheiten festlegten, welche Postdienstleistungen im Interesse des Gemeinwohls zu gewährleisten sind, müssten sie sich auch bei der Steuerbefreiung an den Wertentscheidungen im Rahmen der Regulierung des Postmarktes festhalten lassen. Eine Universaldienstleistung liege dabei nicht allein dann vor, wenn sie mittels der Infrastruktur eines Universaldienstleisters erbracht wird. Sie müsse außerdem zu den für die Allgemeinheit geltenden standardisierten Bedingungen und Tarifen durchgeführt werden. Nur dann könne sie als Leistung angesehen werden, die eine öffentliche Posteinrichtung als solche erbringt und die dem Allgemeinwohl in besonderer Weise zugute kommt. Die Befreiung sei jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn Sendungen zu individuell ausgehandelten Preisen befördert würden. _____________________________________________________________________ HINWEIS: Die Ansicht des Generalanwalts ist für den Gerichtshof nicht bindend. Aufgabe des Generalanwalts ist es, dem Gerichtshof in völliger Unabhängigkeit einen Entscheidungsvorschlag für die betreffende Rechtssache zu unterbreiten. Die Richter des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften treten nunmehr in die Beratung ein. Das Urteil wird zu einem späteren Zeitpunkt verkündet. ----------------------------------------------------- Die von uns erfassten Urteile wurden oft anders formatiert als das Original. Dies bedeutet, daß Absätze eingefügt und Hervorhebungen durch fett-/kursiv-/&farbig-machen sowie Unterstreichungen vorgenommen wurden. Dies soll verdeutlichen, aber keinesfalls natürlich den Sinn verändern.Wenn Sie vorsichtshalber zusätzlich die Originalversion sehen möchten, hier ist der Link zur Quelle (kein Link? Dann ist dieser Link nicht in unserer DB gespeichert, z.B. weil das Urteil vor Frühjahr 2009 gespeichert worden ist). |