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Pressemitteilung
T-37/07;
T-323/07;
Verkündet am: 
 02.09.2009
EuGH Europäischer Gerichtshof
 

Rechtskräftig: unbekannt!
Das Gericht bestätigt die Beschlüsse des Rates, mit denen die Gelder von Herrn El Morabit eingefroren wurden
Leitsatz des Gerichts:
Das Gericht bestätigt die Beschlüsse des Rates, mit denen die Gelder von Herrn El Morabit eingefroren wurden

Diese Beschlüsse verstoßen nicht gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung, und der Rat muss keine rechtskräftige Verurteilung abwarten, bevor er Gelder einfriert
Mohamed El Morabit, der die marokkanische Staatsangehörigkeit besitzt, wurde am 10. März 2006 von einem Gericht in Rotterdam (Niederlande) wegen seiner Beteiligung an einer terroristisch motivierten kriminellen Organisation (der so genannten Gruppe „Hofstad“) verurteilt. Er legte unverzüglich Rechtsmittel beim Gerechtshof te ‘s-Gravenhage (Berufungsgericht Den Haag) ein.

Im Dezember 2006 nahm der Rat seinen Namen in die durch einen Gemeinsamen Standpunkt und eine Gemeinschaftsverordnung von der Gemeinschaft erstellte Liste der Personen und Körperschaften auf, deren Gelder einzufrieren sind. Die Gründe für seine Aufnahme in die Liste wurden ihm mit Schreiben vom 3. Januar 2007 mitgeteilt. Durch zwei Beschlüsse des Rates aus dem Jahr 2007 wurde er auf der Liste belassen.

Mit Urteil des Gerechtshof te ‘s-Gravenhage vom 23. Januar 2008 wurde Herr El Morabit freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft legte gegen dieses Urteil Kassationsbeschwerde ein. Der Rat strich sodann mit Beschluss vom 29. April 2008 Herrn El Morabit von der Liste betreffend das Einfrieren von Geldern.

Herr El Morabit hatte inzwischen zwei Klagen beim Gericht erster Instanz erhoben. Er ist der Auffassung, dass der Rat seine Grundrechte und insbesondere die Unschuldsvermutung dadurch verletzt habe, dass er ihn in die Liste aufgenommen habe, ohne den Ausgang des Rechtsmittelverfahrens abzuwarten.

Das Gericht erinnert zunächst daran, dass nach der Unschuldsvermutung bis zum gesetzlichen Nachweis der Schuld vermutet wird, dass der wegen einer strafbaren Handlung Angeklagte unschuldig ist. Dieser Grundsatz steht jedoch unter bestimmten Voraussetzungen nicht dem Erlass von Sicherungsmaßnahmen entgegen, bei denen es sich grundsätzlich nicht um Strafmaßnahmen handelt und die der Feststellung der Unschuld oder der Schuld der betreffenden Person in keiner Weise vorgreifen.

Nach Auffassung des Gerichts sind diese Voraussetzungen in der vorliegenden Rechtssache erfüllt. Das Einfrieren von Geldern ist im Gemeinschaftsrecht vorgesehen, es wurde von einer zuständigen Behörde (dem Rat) angeordnet und ist zeitlich begrenzt (die Liste wird in regelmäßigen Abständen überprüft). Zudem führen diese beschränkenden Maßnahmen nicht zu einer Einziehung der Vermögenswerte als durch Straftaten hervorgebrachte Werte, sondern zu einem vorsorglichen Einfrieren. Diese Maßnahmen stellen somit keine Sanktion dar und bedeuten auch keinen entsprechenden Vorwurf.

Unter diesen Umständen kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass kein Verstoß gegen die Unschuldsvermutung vorliegt.

Das Gericht stellt weiter fest, dass der Rat nicht verpflichtet ist, vor dem Einfrieren der Gelder eine rechtskräftige Verurteilung abzuwarten. Da nach dem geltenden Gemeinschaftsrecht eine auf ernsthafte und schlüssige Indizien gestützte Aufnahme von Ermittlungen wegen der Förderung terroristischer Handlungen ausreichen kann, um die Aufnahme in die Liste zu rechtfertigen, kann eine Verurteilung durch ein Gericht eines Mitgliedstaats, die einen Zusammenhang mit terroristischen Aktivitäten herstellt, für sich allein die Aufnahme in diese Liste rechtfertigen.

Zudem hält das Gericht die Verwirklichung des Ziels, den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren, das von grundlegender Bedeutung für die internationale Gemeinschaft ist, für gefährdet, wenn das Einfrieren von Geldern nur auf Personen, Vereinigungen und Körperschaften anwendbar wäre, die rechtskräftig verurteilt werden. Das grundsätzliche Erfordernis einer rechtskräftigen Entscheidung könnte nämlich die Wirksamkeit beschränkender Maßnahmen schwer und irreversibel beeinträchtigen, da Personen, die in die Liste aufgenommen werden könnten, in der Zwischenzeit Vorkehrungen treffen könnten, um zu verhindern, dass noch Gelder von ihnen eingefroren werden können.
In diesem Zusammenhang erinnert das Gericht daran, dass der Rat verpflichtet ist, nach Beendigung des Rechtsmittelverfahrens zu prüfen, ob Gründe vorliegen, die es rechtfertigen, die Gelder des Betroffenen weiterhin einzufrieren. Im vorliegenden Fall hat der Rat daher Herrn El Morabit als unmittelbare Folge seines Freispruchs von der Liste gestrichen, obwohl die Staatsanwaltschaft Kassationsbeschwerde eingelegt hat. Der Rat ist damit einer ständigen Auslegung des Begriffs der Verurteilung gefolgt.

Abschließend stellt das Gericht fest, dass die Bedeutung der Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit nachteilige wirtschaftliche Folgen für Herrn El Morabit rechtfertigen kann. Ein Beschluss über das Einfrieren von Geldern verstößt daher nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

Demzufolge weist das Gericht die Klage ab und bestätigt die Beschlüsse des Rates.

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HINWEIS: Gegen die Entscheidung des Gerichts kann innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Zustellung ein auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften eingelegt werden.
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Die von uns erfassten Urteile wurden oft anders formatiert als das Original. Dies bedeutet, daß Absätze eingefügt und Hervorhebungen durch fett-/kursiv-/&farbig-machen sowie Unterstreichungen vorgenommen wurden. Dies soll verdeutlichen, aber keinesfalls natürlich den Sinn verändern.Wenn Sie vorsichtshalber zusätzlich die Originalversion sehen möchten, hier ist der Link zur Quelle (kein Link? Dann ist dieser Link nicht in unserer DB gespeichert, z.B. weil das Urteil vor Frühjahr 2009 gespeichert worden ist).