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Text des Beschlusses
4 WF 59/09;
Verkündet am: 
 29.12.2009
OLG Oberlandesgericht
 

Naumburg
Vorinstanzen:
4 F 178/06
Amtsgericht
Quedlinburg;
Rechtskräftig: unbekannt!
Einholung eines Sachverständigengutachtens zur „Höhe des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens“ beinhaltet eine unrichtige Sachbehandlung, die in der Regel zur Niederschlagung dieser Kosten führt
Leitsatz des Gerichts:
Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur „Höhe des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens“ beinhaltet eine unrichtige Sachbehandlung, die in der Regel zur Niederschlagung dieser Kosten führt.
In der Beschwerdesache
…

hat der 4. Zivilsenat – 3. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Richter am Oberlandesgericht Rüge als Einzelrichter am 29. Dezember 2009 beschlossen:

1. Auf die Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Quedlinburg vom 25. Juli 2009 – 4 F 178/06 (UK) – abgeändert.

2. Die durch die Beauftragung des Rechtsanwalts und Steuerberaters N. U. als Sachverständigen entstandenen Kosten werden in Höhe von 2.767,23 € niedergeschlagen.

3. Die Beschwerdeentscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet,

§ 66 Abs. 8 GKG.



Gründe


I.

Die Parteien des Rechtsstreits sind die Eltern des am 2. September 2005 geborenen Kindes R. K. . Sie sind und waren nicht miteinander verheiratet.

Die Klägerin hat den – selbständig erwerbstätigen – Beklagten wegen Betreuungsunterhalts gemäß § 1615 l Abs. 2 Satz 2 BGB zunächst auf Auskunft und nach Vorlage umfangreicher Unterlagen beziffert auf Unterhaltsleistung in Anspruch genommen.

Das Amtsgericht hat gemäß den Beweisbeschlüssen vom 5. April 2007 und 14. Februar 2008 schriftlichen Sachverständigenbeweis „über das Einkommen des Beklagten aus selbständiger Tätigkeit im Zeitraum 01.01.2003 bis 31.12.2005“ erhoben. Der Sachverständige U. hat am 23. April 2008 sein schriftliches Gutachten erstattet und dafür Gebühren und Auslagen in Höhe von insgesamt 2.767,23 € abgerechnet, die ihm erstattet wurden.

Der Beklagte hatte schon vor Gutachtenerstattung – etwa mit seiner Gegenvorstellung vom 26. April 2007 und seiner Stellungnahme vom 7. Juni 2007 – vehement gefordert, von der Begutachtung abzusehen, weil diese auf Ausforschungsbeweis hinauslaufe und durch die beklagtenseits vorgelegten Unterlagen und das Vorbringen der Klägerin nicht veranlasst sei. Soweit ergänzende Unterlagen erforderlich seien, müsse deren Einreichung durch das Gericht und nicht durch den Sachverständigen veranlasst werden.

Der Beklagte hat im Verhandlungstermin vom 12. Februar 2009 unter Bezugnahme auf seinen Schriftsatz vom 24. Juni 2008 beantragt, die durch Einholung des Sachverständigengutachtens entstandenen Kosten wegen unrichtiger Sachbehandlung niederzuschlagen. Denn einerseits sei das Gutachten von vornherein auf Ausforschung ausgerichtet gewesen. Andererseits enthalte das Gutachten enthalte lediglich allgemeine Rechtsausführungen und ferner rechtliche Bewertungen, die eigentlich – nach entsprechendem Bestreiten der Klägerin – Sache des Gerichts seien. Fachliche Feststellungen – etwa zur Dauer und Möglichkeit der steuerlichen Absetzung für Abnutzung (AfA) von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens – seien, soweit überhaupt erheblich, nicht auf gesicherte Feststellungen, sondern auf Vermutungen gegründet.

Im Verhandlungstermin vom 12. Februar 2009 haben die Parteien über den streitgegenständlichen Unterhaltsanspruch einen Vergleich geschlossen, der keine Kostenregelung enthält. Offenbar ist bisher auch keine gerichtliche Kostenentscheidung getroffen worden.

Das Amtsgericht mit Beschluss vom 25. Juli 2009 den Antrag des Beklagten auf Niederschlagung der Sachverständigenkosten mit der lapidaren Begründung zurückgewiesen, dass im Hinblick auf die vom Beklagten vorgelegten und von der Klägerin bei der Bezifferung ihrer Klageforderung verwendeten Einkommensnachweise kein Ausforschungsbeweis vorliege.

Gegen diesen, ihm am 28. August 2009 zugestellten, Beschluss richtet sich die am 10. September 2009 beim Amtsgericht eingegangene Beschwerde des Beklagten, mit der er sein Begehren nach Niederschlagung der Sachverständigenkosten fortführt. Zur Begründung führt er neben der Bezugnahme auf die oben genannten Schriftsätze aus, die Amtsrichterin habe sich mit der Beauftragung des Gutachters der rechtlichen Auseinandersetzung mit den erheblichen rechtlichen Grundlagen entzogen

Das Amtsgericht hat der Beschwerde am 11. September 2008 nicht abgeholfen und das Verfahren dem Oberlandesgericht zur Beschwerdeentscheidung zugeleitet.


II.

Die nach § 66 Abs. 2 GKG statthafte und – weil der Beklagte durch die noch zu treffenden Kostenentscheidung nach Maßgabe des § 98 Satz 2 oder § 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO voraussichtlich teilweise und jedenfalls über 200,-- € hinaus beschwert sein wird – zulässige Beschwerde des Beklagten, über die nach § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG der Einzelrichter des Senats zur Entscheidung berufen ist, hat auch in der Sache Erfolg. Die durch die Beauftragung des Rechtsanwalts und Steuerberaters N. U. als Sachverständiger veranlassten Kosten werden nicht erhoben, weil sie bei richtiger Behandlung des Sache nicht entstanden wären, § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG. Denn die vorgenommene Einholung des Sachverständigengutachtens zu einer Rechtsfrage stellt eine unrichtige Sachbehandlung dar.

1. Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG werden Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, nicht erhoben.

Unter Kosten fallen auch die hier zu beurteilenden Sachverständigenkosten als gerichtliche Auslagen (Anl. 1 zu § 3 Abs. 2 GKG (KV) Nr. 9005 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Nr. 1 JVEG; vgl. ferner Hartmann, in: Kostengesetze, 39. Aufl. 2009, GKG, § 21 Rdnr. 4; OLG Koblenz, Beschluss vom 7. Januar 2005 – 14 W 17/05, JurBüro 2005, 215). Ihre Nichterhebung bedeutet, dass sie nicht vom Kostenschuldner eingezogen werden, sondern der Landeskasse zur Last fallen.

a) Die dem Sachverständigen U. gemäß seiner Gebührenrechnung vom 23. April 2009 erstatteten Gebühren und Auslagen in Höhe von 2.767,23 € sind gemäß § 413 ZPO in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Sätze 2 und 3, §§ 8 ff. JVEG durch seine Beauftragung als Sachverständiger entstanden.

Sie wären somit nicht entstanden, wenn die Beauftragung des Sachverständigen bei richtiger Sachbehandlung entfallen wäre.

b) Für die Nichterhebung von Kosten nach § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG reicht indes ein leichter Verfahrensverstoß in der Regel nicht, um von der Erhebung der Kosten nach dieser Bestimmung abzusehen.

Um zu verhindern, dass es zu einer Kette nicht endender Nichterhebungsverfahren kommt, verlangt die Rechtsprechung vielmehr einen schweren Verfahrensverstoß, der offen zutage tritt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. März 2003 – IV ZR 306/00, NJW-RR 2004, 1294, und vom 4. Mai 2005 – XII ZR 217/04, MDR 2005, 956).

c) Einen solchen offen zutage tretenden schweren Verfahrensverstoß hat die Rechtsprechung regelmäßig in Fällen bejaht, in denen es um die Niederschlagung von Sachverständigenkosten ging, die mit der Beantwortung von Rechtsfragen betraut worden sind; darin ist regelmäßig eine unrichtige Sachbehandlung im Sinne von § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG (bzw. bis 30. Juni 2004 i. S. v. § 8 Abs. 1 GKG) erblickt worden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 6. Juni 2006 – 23 W 26/06, NJW-RR 2007, 1151; OLG Brandenburg, Beschluss vom 2. Oktober 2003 – 9 UF 221/02, FamRZ 2004, 1662; OLG Naumburg, Beschluss vom 27. Juni 2002 – 14 WF 83/02, FamRZ 2003, 385).

In den beiden letztgenannten Verfahren ist jeweils die zur Niederschlagung der Kosten führende unrichtige Sachbehandlung bejaht worden, die für Sachverständigengutachten über das „unterhaltsrechtlich relevante Einkommen“ veranlasst worden sind.

2. Dieser Sachlage entspricht die Verfahrensweise des Amtsgerichts im vorliegenden Fall.

a) Das Amtsgericht hat gemäß seinen Beweisbeschlüssen Beweis durch Sachverständigengutachten „über das Einkommen des Beklagten im Zeitraum 01.01.2003 bis 31. 12.2005“ (BB vom 5. April 2007) bzw. „über das Einkommen des Beklagten aus selbständiger Tätigkeit im Zeitraum 01.01.2003 bis 31.12.2005“ (BB vom 14. Februar 2008) erhoben.

Ihm kam es ersichtlich darauf an, die vom Beklagten eingereichten Unterlagen zu sichten, zu bewerten, ggf. Ergänzungsbedarf festzustellen und schlussendlich das der Unterhaltsberechnung zugrunde zu legende Einkommen festzustellen. Das hat der Sachverständige nach seinen zwischenzeitlichen Ermittlungen und den gutachtlichen Feststellungen – vom Amtsgericht unbeanstandet – als Anfrage nach dem durchschnittlichen unterhaltsrechtlich relevanten monatlichen Gewinn des Beklagten aus selbständiger Tätigkeit verstanden und verstehen müssen.

b) Die Klärung des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens des Beklagten ist in dem hier vorliegenden Fall, in dem die aus den vorgelegten Unterlagen ersichtlichen Angaben nicht streitig, sondern allenfalls schwer verständlich waren, offensichtlich eine Auslegungs- und Rechtsfrage.

Denn hierbei ging es ausschließlich um die rechtliche Bewertung der aus den Unterlagen des Beklagten ersichtlichen Angaben im Hinblick auf die Höhe des Unterhalts. Diese Bewertung ist indes ureigene Aufgabe des Gerichts, das sich hierbei nicht auf Angaben von Sachverständigen, sondern nur auf gesetzliche Vorschriften, von der Rechtsprechung herausgearbeitete Rechtsgrundsätze und gültige Unterhaltsleitlinien stützen kann und darf.

c) Bei dieser Sachlage erweist sich die Verfahrensweise des Amtsgerichts – auch unter Beachtung des ihm zustehenden Ermessensspielraums – als unrichtige Sachbehandlung im Sinne des § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG, die zwingend zur Nichterhebung der hierdurch veranlassten Sachverständigengebühren und –auslagen führt.

gez. Rüge
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