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Text des Beschlusses
8 UF 213/09;
Verkündet am: 
 14.12.2009
OLG Oberlandesgericht
 

Naumburg
Vorinstanzen:
2 F 458/09
Amtsgericht
Merseburg;
Rechtskräftig: unbekannt!
Bei einstweiligen Anordnungen über die Genehmigung der vorläufigen Unterbringung eines Minderjährigen ist vor Erlass derselben immer, auch bei Gefahr im Verzug, die persönliche, das heißt mündliche Anhörung der sorgeberechtigten Elternteile erforderlich
Leitsatz des Gerichts:
Bei einstweiligen Anordnungen über die Genehmigung der vorläufigen Unterbringung eines Minderjährigen nach dem FamFG ist vor Erlass derselben immer, auch bei Gefahr im Verzug, die persönliche, das heißt mündliche Anhörung der sorgeberechtigten Elternteile erforderlich
In der Familiensache
betreffend das (am 24. Dezember 1991 geb.) Kind …

hat der 2. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Feldmann und die Richter am Oberlandesgericht Bisping und Harms am 14. Dezember 2009 beschlossen:

Auf die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 3 wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengerichts – Merseburg vom 01. Dezember 2009 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Familiengericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Auslagen werden – von der Beteiligten zu 3 abgesehen – nicht erstattet.

Der Beschwerdewert beträgt EUR 1.500.



Gründe


I.

Das betroffene Kind (Beteiligte zu 1) wird am 24. Dezember 2009 volljährig.

Am 30. November 2009 wurde das Kind vom Notarzt in die Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie des C. - Klinikums GmbH in M. eingeliefert. Das Kind hatte sich in Hausschuhen zur Polizei begeben, um Strafanzeige wegen Diebstahls seiner persönlichen Sachen zu erstatten. Auf Grund seines verwirrten Zustands hatte die Polizei den Notarzt alarmiert. Das Kind will nicht in der Klinik bleiben.

Vor diesem Hintergrund hat die allein sorgeberechtigte Kindesmutter – der Kindesvater ist verstorben – beim Familiengericht noch am 30. November 2009 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung – Genehmigung der vorläufigen Unterbringung ihres Kindes (§ 1631b BGB) – eingereicht (§§ 151 Nr. 6, 167 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 312 Nr. 1, 331 Nr. 1 FamFG). Außerdem wurde dem Familiengericht unter dem 30. November 2009 ein ärztliches Zeugnis des Chefarztes der besagten Klinik vorgelegt (167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 6, § 331 Nr. 2 FamFG). Ergänzend hat das Familiengericht am 01. Dezember 2009 die behandelnde Klinikpsychologin D. angehört. An diesem Tag wurde auch das betroffene Kind persönlich angehört (§ 159 Abs. 1 Satz 1, § 167 Abs. 1 Satz 1, § 331 Nr. 4 FamFG).

Noch am 01. Dezember 2009 hat das Familiengericht die angefochtene einstweilige Anordnung erlassen (§ 167 Abs. 1 Satz 1, § 331 Nr. 1 FamFG), mit der die vorläufige Unterbringung des betroffenen Kindes in einer geschlossenen Einrichtung bis zum 23. Dezember 2009 – d.h. bis zur Volljährigkeit – genehmigt (§ 1631b BGB) und die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung angeordnet worden ist (§ 167 Abs. 1 Satz 1, § 324 Abs. 2 FamFG). In demselben Beschluss hat das Familiengericht die Beteiligte zu 3 zum Verfahrensbeistand des Kindes bestellt (§ 158, 167 Abs. 1, § 317 FamFG), deren Anhörung soll unverzüglich nachgeholt werden.


II.

1. Die zulässige sofortige Beschwerde (§ 63 Abs. 2, § 64 FamFG) der Beteiligten zu 3 (§ 167 Abs. 1 Satz 1, § 335 Abs. 2 FamFG) ist begründet, weil das Verfahren des Familiengerichts an einem wesentlichen Mangel leidet, zur Entscheidung zu aufwändige Ermittlungen des Senats notwendig wären und die Beteiligte zu 3 eine Aufhebung und Zurückverweisung beantragt hat (§ 69 Abs. 1 Satz 3 FamFG):

a) Das Familiengericht durfte zwar wegen Gefahr im Verzug von der Anhörung des Verfahrensbeistands absehen, um diese Verfahrenshandlung unverzüglich nachzuholen (§ 167 Abs. 1, § 332 FamFG).

Entsprechendes gilt hinsichtlich der unterbliebenen Anhörung des Jugendamts (§ 162 Abs. 1 Satz 2 FamFG). Denn das Familiengericht hat diese Verfahrensweise begründet, und zwar damit, dass die begonnene Diagnostik und Behandlung zum Schutz des Kindeswohls nicht unterbrochen werden solle.

b) Das Familiengericht hatte aber auf jeden Fall die allein sorgeberechtigte Kindesmutter – „persönlich“ – anzuhören (§ 167 Abs. 4 FamFG).

Mit der „persönlichen“ Anhörung ist eine mündliche Anhörung gemeint, damit sich das Gericht auch einen „persönlichen“ Eindruck von dem sorgeberechtigten Elternteil verschaffen kann (so schon Keidel/Kuntze/Winkler/Engelhardt, FGG, 15. Auflage, § 50a Rn 12 m.w.N.; ferner Bork/Jacoby/Schwab, FamFG, § 167 Rn 27). Dass sich die sorgeberechtigte Kindesmutter bereits mit der Begründung ihres Antrags nach § 1631b BGB schriftlich in das Verfahren eingebracht hat, genügt also nicht.

Die nach bisherigem Recht bestehende Ausnahmeregelung, nach der in einstweiligen Anordnungsverfahren nach § 1631b BGB aus schwerwiegenden Gründen, insbesondere bei Gefahr im Verzug, von der persönlichen Anhörung sorgeberechtigter Elternteile abgesehen werden durfte und diese Verfahrenshandlung im Anschluss an die gerichtliche Entscheidung nachgeholt werden konnte (vgl. § 50a Abs. 3 FGG einerseits und § 70d Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 70h Abs. 1 Satz 3 FGG andererseits), wurde im FamFG ersatzlos gestrichen. Denn die für die Unterbringung Minderjähriger maßgebende Vorschrift zu § 167 Abs. 4 FamFG ist lex specialis gegenüber den – über § 167 Abs. 1 Satz 1 FamFG entsprechend anwendbaren – Bestimmungen zu §§ 312 ff. FamFG, nach denen Eltern (eines betroffenen Volljährigen) nicht am Unterbringungsverfahren beteiligt werden müssen, sondern lediglich an diesem Verfahren beteiligt werden „können“ (§ 315 Abs. 4 FamFG; vgl. dazu Prütting/Helms, FamFG, § 331 Rn 4, 14). Die persönliche Anhörung – sorgeberechtigter – Elternteile ist also nach dem FamFG zwingend geboten.

c) Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich aus einem persönlichen Eindruck von der Kindesmutter neue, eine vorläufige Unterbringung des Kindes nicht mehr rechtfertigende Erkenntnisse ergeben.

So hat das betroffene Kind bei seiner persönlichen Anhörung angegeben, zur Mutter ein „schlechtes Verhältnis“ zu haben. Das dem Familiengericht vorgelegte ärztliche Zeugnis beruht aber zu einem erheblichen Teil auf Angaben der Kindesmutter.

Eine persönliche Anhörung der Kindesmutter durch den Senat wäre schon aus örtlich bedingten organisatorischen Gründen mit erheblichem Zeitverlust verbunden, der im Zweifel zu Lasten des betroffenen Kindes (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) ginge. Die persönliche Anhörung wird daher von dem am Wohnort der Kindesmutter ansässigen Familiengericht nachzuholen sein. Bei dieser Gelegenheit kann das Familiengericht dann auch die Anhörung des Verfahrensbeistands und des Jugendamts nachholen. Die Senatsentscheidung ist dem Familiengericht noch am heutigen Tage per Telefax übermittelt worden.

2. Die Entscheidung über die Gerichtskosten folgt aus der Amtlichen Vorbemerkung 1.3.1 Abs. 1 Nr. 2 vor Nr. 1310 KVFam.

Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten folgt die Entscheidung aus § 81 FamFG; die Bestimmung zu § 331 Abs. 1 FamFG ist nicht einschlägig, da nicht ersichtlich ist, dass dem betroffenen Kind Kosten entstanden sind.

Der Beschwerdewert ergibt sich aus § 41 in Verbindung mit § 42 Abs. 3 FamFG, weil Verfahren, welche die Genehmigung der Unterbringung Minderjähriger betreffen, Kindschaftssachen (§ 151 Nr. 6 FamFG) – und somit Familiensachen (§ 111 Nr. 2 FamFG) – sind, auf die das FamGKG als lex specialis Anwendung findet (Hartmann, Kostengesetze, 39. Auflage, Grundz FamGKG Rn 5).

gez. Feldmann gez. Harms gez. Bisping
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