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Text des Beschlusses
1 Ws 812/09;
Verkündet am: 
 15.01.2010
OLG Oberlandesgericht
 

Naumburg
Vorinstanzen:
504 StVK 204/09
Landgericht
Stendal;
Rechtskräftig: unbekannt!
In Verfahren über die Aussetzung der Vollstreckung der Unterbringung genügt die Vermittlung des lediglich durch den Richter in der Anhörung des Betroffenen von diesem gewonnenen Eindrucks an die Kammermitglieder nur in besonderen Ausnahmefällen dem Gesetz
Leitsatz des Gerichts:
1. In Verfahren über die Aussetzung der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus genügt die Vermittlung des lediglich durch den beauftragten Richter in der Anhörung des Betroffenen von diesem gewonnenen Eindrucks an die anderen Kammermitglieder nur in besonderen Ausnahmefällen dem Gesetz. In den übrigen Fällen ist die Durchführung der mündlichen Anhörung durch den beauftragten Richter verfahrensfehlerhaft.

2. Im Rahmen der mündlichen Anhörung des Betroffenen ist die im Verfahren zu § 67d Abs. 2 StGB eingeholte gutachterliche Stellungnahme der Maßregelvollzugsanstalt durch mindestens einen ihrer Verfasser zu erläutern, sofern nicht alle Beteiligten hierauf verzichtet haben.
In der Unterbringungssache
des …
Verteidiger: …
wegen versuchten Totschlags

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Naumburg am 15. Januar 2010 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Krüger, die Richterin am Oberlandesgericht Marx-Leitenberger und den Richter am Landgericht Ringel beschlossen:

Auf die sofortige Beschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 4. Strafkammer – Strafvollstreckungskammer – des Landgerichts Stendal vom 9. November 2009 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Prüfung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an dieselbe Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Stendal zurückverwiesen.



Gründe:


I.

Das Landgericht Braunschweig ordnete mit Urteil vom 18. Januar 1995 (31 Ks 301 Js 48067/92) die Unterbringung des Betroffenen in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Der Einweisung lagen insbesondere der Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung sowie in einem weiteren Fall des versuchten Totschlags zugrunde. Der Betroffene ist seit Januar 1995 ununterbrochen im Landeskrankenhaus für forensische Psychiatrie U. untergebracht.

Mit Schreiben vom 28. Juli 2009 bat die Staatsanwaltschaft Braunschweig die Klinik „um Äußerung zum Verlauf der Unterbringung, dem Behandlungsergebnis, insbesondere, ob die Behandlung konkrete Aussicht auf Erfolg hat.“ Ferner wurde um eine Stellungnahme zur Frage gebeten, „ob die Maßregel weiter zu vollziehen ist oder ob die Voraussetzungen einer Aussetzung der weiteren Vollstreckung der Unterbringung gemäß § 67d Abs. 2 StGB gegeben sind.“
In einem daraufhin als „Stellungnahme“ bezeichneten, durch den Ärztlichen Direktor J. W. sowie die Diplom-Psychologin D. R. unterzeichneten Schreiben vom 24. August 2009 wird u.a. festgestellt, der Betroffene besitze krankheitsbedingt keine Problem-, Delikt-, Krankheits- und Behandlungseinsicht und werde diese auch zukünftig „aus unserer Sicht“ kaum entwickeln. Im letzten Behandlungsjahr seien keine therapeutischen Fortschritte zu verzeichnen gewesen, welche die Aussetzung der Maßregel gemäß § 67 Abs. 2 StGB ermöglichten. An anderer Stelle heißt es in dem Schreiben weiter: „Aus psychologisch-psychiatrischer Sicht kommen wir zu der Einschätzung, dass die Wahrscheinlichkeit, dass Herr D. außerhalb des Maßregelvollzuges weitere Straftaten i. S. des Indexdeliktes begeht, weiterhin besteht ... Die anhaltende psychopathologische Symptomatik lässt demzufolge nur eine eng strukturierte, kontrollierte Unterbringung wie den Maßregelvollzug zu.“

Nach Eingang der Akte bei der zur Entscheidung berufenen 4. Strafkammer – große Strafvollstreckungskammer – des Landgerichts Stendal bestellte deren Vorsitzende am 3. September 2009 ohne vorherige Anhörung des Betroffenen diesem „im vermuteten Einverständnis“ Rechtsanwalt K. aus S. als Verteidiger.

Mit weiterem Beschluss vom 3. September beauftragte die Strafvollstreckungskammer ihr Mitglied Richter am Landgericht Wn. mit der Durchführung der Anhörung des Betroffenen und begründete dies damit, eine Anhörung durch die gesamte Kammer scheine nach der vorläufigen Stellungnahme der Vollzugseinrichtung vom 24. August 2009 nicht angezeigt, da es nach dem dort geschilderten Stand der Behandlung nicht so erheblich auf den persönlichen Eindruck von dem Betroffenen im Anhörungstermin ankomme.

Am Anhörungstermin am 26. Oktober 2009 nahmen neben dem beauftragten Richter, dem Betroffenen und Rechtsanwalt K. für das Landeskrankenhaus U. dessen Abteilungsleitende Ärztin Z. sowie der Stationsarzt G. teil.

Mit Beschluss vom 9. November 2009 (504 StVK 204/09) ordnete die 4. Strafkammer – Strafvollstreckungskammer – des Landgerichts Stendal die Fortdauer der Unterbringung des Betroffenen in einem psychiatrischen Krankenhaus an. In dem angefochtenen Beschluss führt die Kammer u.a. aus, die Entscheidung beruhe „im Wesentlichen auf der zutreffenden schriftlichen Stellungnahme der Vollzugeinrichtung vom 24. August 2009, die im Termin zur mündlichen Anhörung von der Abteilungsleitenden Ärztin Z. und vom Stationsarzt G. erläutert und ergänzt worden ist, und auf dem persönlichen Eindruck von dem Betroffenen im Anhörungstermin.“

Gegen diesen, seinem Verteidiger am 16. November 2009 zugestellten Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde des Betroffenen vom 18. November 2009, eingegangen beim Landgericht Stendal am selben Tage.


II.

Das zulässige Rechtsmittel des Betroffenen hat in der Sache (vorläufigen) Erfolg.

1. Die Durchführung der Anhörung am 26. Oktober 2009 durch den beauftragten Richter war hier verfahrensfehlerhaft.

Zwar ergibt sich das regelmäßige Erfordernis einer Anhörung durch das Gericht in seiner vollen Besetzung nicht aus dem Wortlaut des § 454 Abs. 1 S. 3 StPO, da das Vollstreckungsverfahren nicht von der Formstrenge des Erkenntnisverfahrens beherrscht wird und deshalb aus dem Fehlen einer Vorschrift über die Zulässigkeit der Anhörung durch den beauftragten Richter nicht geschlossen werden kann, der gesamte Spruchkörper müsse diese vornehmen. Jedoch sprechen Sinn und Zweck der Vorschriften über das Verfahren bei der bedingten Entlassung dafür, dass der Betroffene nicht nur Gelegenheit haben soll, sich vor der Entscheidung mündlich zu äußern, sondern dass sich das zuständige Gericht, d.h. alle an der Entscheidung mitwirkenden Richter, auch einen unmittelbaren persönlichen Eindruck von ihm verschaffen soll (BGH NJW 1979, 116; OLG Düsseldorf NStZ-RR 2002, 191, 192; OLG Rostock NStZ 2002, 109, 110, jeweils unter Hinweis auf die Begründung zum Regierungsentwurf eines Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch, BT-Drucksache 7/550 S. 309, dort zu Nr. 114 - § 454 StPO). Hierfür spricht insbesondere, dass gemäß § 78b Abs. 1 Nr. 1 GVG die Strafvollstreckungskammern nunmehr nur noch in schwerwiegenden Fällen in einer aus drei Richtern bestehenden Besetzung entscheiden, nämlich dann, wenn es entweder um die Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe oder der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung geht. Dementsprechend genügt die Vermittlung des lediglich durch den beauftragten Richter gewonnenen Eindrucks an die anderen Kammermitglieder nur in besonderen Ausnahmefällen dem Gesetz (Senat, Beschluss vom 5. Mai 2000 – 1 Ws 166/00), etwa dann, wenn dem persönlichen Eindruck des Gerichts unter Berücksichtigung der nachrangigen Bedeutung der Sache und der nicht erheblichen Schwierigkeit der Entscheidung nur geringe Bedeutung zukommt, insbesondere wenn erst kurz zuvor eine Anhörung durch alle zu der Entscheidung berufenen Richter stattgefunden hat, oder die örtlichen Verhältnisse eine Anhörung durch die gesamte Kammer erheblich erschweren (OLG Düsseldorf a.a.O.; ähnlich auch BGH NJW 1979, 116, 117; OLG Rostock NStZ 2002, 109, 110 f.). Für eine erhebliche Erschwerung der Anhörung durch die örtlichen Gegebenheiten ist der Akte nichts zu entnehmen.
Aber auch für eine nur untergeordnete Bedeutung des persönlichen Eindrucks des Gerichts vom Betroffenen, wie die Kammer in ihrem Übertragungsbeschluss vom 3. September 2009 ausführt, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Denn die Kammer selbst stützt ihre angefochtene Entscheidung ausdrücklich „im Wesentlichen“ auf den „persönlichen Eindruck von dem Betroffenen im Anhörungstermin“, was gegen eine nur untergeordnete Bedeutung für die Entscheidung spricht.

Hinzu kommt, dass nicht nur sämtliche nach 2005 erfolgten Anhörungen des Betroffenen ausschließlich durch den jeweils beauftragten Richter stattfanden, sondern vielmehr eine Anhörung des Betroffenen durch alle Mitglieder der Strafvollstreckungskammer in ihrer derzeitigen Besetzung bislang sogar noch nie stattgefunden hat.

2. Dass im Anhörungstermin am 26. Oktober 2009 weder der Ärztliche Direktor J. W. noch die Diplom-Psychologin D. R. gemäß § 454 Abs. 2 S. 3 StPO mündlich angehört wurden, sondern allein die Abteilungsleitende Ärztin Z. sowie der Stationsarzt G. , welche an der schriftlichen Stellungnahme vom 24. August 2009 nicht beteiligt waren, stellt ebenfalls einen von Amts wegen zu beachtenden Verfahrensmangel dar.

Denn § 454 Abs. 2 S. 3 StPO schreibt zwingend die mündliche Anhörung des Sachverständigen vor, welcher das schriftliche Gutachten erstellt hat, soweit nicht alle Beteiligten darauf verzichtet haben (§ 454 Abs. 2 S. 4 StPO), was vorliegend nicht ersichtlich ist.

a) Dem kann nicht entgegengehalten werden, bei der Stellungnahme des Landeskrankenhauses vom 24. August 2009 handele es sich nicht um das Gutachten eines Sachverständigen im Sinne des § 454 Abs. 2 StPO.

Zwar ist mit dem Begriff der „Stellungnahme“ über die bloße Darstellung von Fakten stets auch die Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts verbunden, die grundsätzlich auch durch eine Behörde (etwa die Staatsanwaltschaft, aber auch das Landeskrankenhaus) erfolgen kann, ohne dass dieser Meinungsäußerung stets zugleich die Qualität eines Sachverständigengutachtens zukommt. Letzteres ist jedoch dann anzunehmen, wenn dem Gericht für die Beurteilung des entscheidungserheblichen Sachverhalts die eigene Sachkunde fehlt. Dies folgt aus dem Begriff des Sachverständigen als jemandem, welcher dem Gericht auf Grund seiner - dem Gericht fehlenden - Sachkunde auf einem bestimmten Wissensgebiet über Tatsachen oder Erfahrungssätze Auskunft gibt oder einen bestimmten Sachverhalt beurteilt (Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl., vor § 72 Rz. 1). Entscheidend für die Abgrenzung der „einfachen“ Stellungnahme einer Behörde (hier: des Landeskrankenhauses) von einer „gutachterlichen“ Stellungnahme im Sinne eines Sachverständigengutachtens ist demnach, ob das Gericht den von der Stellungnahme betroffenen Sachverhalt aus eigener Sachkunde heraus beurteilen kann oder nicht.

Nach dieser Maßgabe stellt sich die Stellungnahme des Landeskrankenhauses vom 24. August 2009 zweifellos als Sachverständigengutachten dar.

Hierauf deutet bereits die von der Staatsanwaltschaft Braunschweig mit Schreiben vom 28. Juli 2009 an das Landeskrankenhaus U. geäußerten Bitte um Mitteilung zum Behandlungsergebnis und zu den konkreten Erfolgsaussichten der weiteren Behandlung sowie die weitere Bitte um Stellungnahme zur Frage der Fortdauer oder Aussetzung des Maßregelvollzugs, da es sich hierbei um Fragestellungen handelt, die der besonderen Sachkunde auf dem Gebiet der forensischen Psychiatrie bedürfen, welche auch ein mit dieser Problematik seit Jahren befasstes Gericht für die Beurteilung des jeweiligen Einzelfalles regelmäßig nicht besitzt.

Dementsprechend wird in der Stellungnahme vom 24. August 2009 ausgeführt, der Betroffene besitze krankheitsbedingt keine Problem-, Delikt-, Krankheits- und Behandlungseinsicht und werde diese auch zukünftig kaum entwickeln. Im letzten Behandlungsjahr seien keine therapeutischen Fortschritte zu verzeichnen gewesen, welche die Aussetzung der Maßregel gemäß § 67 Abs. 2 StGB ermöglichten. Abschließend kommen die Autoren der Stellungnahme zu der „aus psychologisch-psychiatrischer Sicht“ zu der Einschätzung, dass die Wahrscheinlichkeit der Begehung weiterer Straftaten wie der Anlasstat durch den Betroffenen außerhalb des Maßregelvollzuges weiterhin bestehe und die anhaltende psychopathologische Symptomatik demzufolge nur eine eng strukturierte, kontrollierte Unterbringung wie den Maßregelvollzug zulasse. Auch hierbei handelt es sich um Feststellungen und Wertungen auf Grund besonderer Sachkunde auf dem Gebiet der forensischen Psychiatrie.

Dass die Stellungnahme vom 24. August 2009 nicht auf Grund einer zuvor ausführlich durchgeführten Exploration des Betroffenen erfolgt ist, ist insoweit nicht entscheidend. Denn ob und in welchem Umfang eine Exploration überhaupt erforderlich ist, ist grundsätzlich in das Ermessen des jeweiligen Gutachters gestellt. Auch erscheint dem Senat ohne besondere Umstände jedenfalls dann eine ausführliche Exploration entbehrlich, wenn – wie hier – der Betroffene sich in ständiger Behandlung in einer psychiatrischen Anstalt aufhält und dem ihn dort behandelnden Gutachter daher ausreichend gut bekannt ist, zumal das Gesetz in § 463 Abs. 4 StPO zur Vorbeugung vor Routinebeurteilungen nach jeweils fünf Jahren Unterbringung die Beauftragung eines externen Sachverständigen, welcher dann den (ihm bis dahin unbekannten Betroffenen) eingehend zu untersuchen hat, vorschreibt.

Von Art und Umfang der Begutachtung kann jedoch nicht deren rechtliche Einordnung als Gutachten abhängen, für die es allein auf die oben genannten Kriterien ankommt.

b) Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass vorliegend nicht die Strafvollstreckungskammer, sondern die Staatsanwaltschaft das Gutachten eingeholt hat.

Zwar ist § 454 Abs. 2 S. 1 StPO seinem Wortlaut nach nur dann einschlägig, wenn das Gericht ein Gutachten einholt, weil es im Rahmen der jährlichen Überprüfung der Unterbringung (§ 67d Abs. 2, 67e Abs. 2 StGB) erwägt, die Vollstreckung der weiteren Unterbringung auszusetzen (§§ 463 Abs. 3 S. 3, 2. Hs., 454 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StPO i.V.m. § 66 Abs. 3 S. 1 StGB).

Hat – wie hier – bereits die Staatsanwaltschaft das schriftliche Gutachten eingeholt, gilt hinsichtlich der Pflicht zur mündlichen Anhörung des beauftragten Sachverständigen jedoch nichts anderes als in dem von § 454 Abs. 2 S. 1 StPO ausdrücklich vorgesehenen Fall (OLG Koblenz StV 1999, 496; StraFo 2007, 302; OLG Hamm NStZ 2005, 55, 56). Denn die Vorschrift des § 454 Abs. 2 S. 3 StPO dient auch dem Anspruch des Betroffenen auf Gewährleistung des rechtlichen Gehörs, wozu auch gehört, dass der Betroffene im Anhörungstermin die Gelegenheit erhält, Fragen an den ihn begutachtenden Sachverständigen zu stellen (OLG Hamm a.a.O.). Ein sachlicher Grund, die Gewährung dieses Anspruchs auf rechtliches Gehör als Ausfluss des grundgesetzlich geschützten Rechts des Betroffenen auf ein faires Verfahren davon abhängig zu machen, welche Behörde die Einholung des Gutachtens beauftragt hat, ist nicht ersichtlich, weshalb eine entsprechende Differenzierung gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstieße.

Darüber hinaus stützt die Kammer ihre Entscheidung hier maßgeblich („im Wesentlichen“) auf die Stellungnahme vom 24. August 2009 und dokumentiert damit den erheblichen Einfluss der betreffenden Gutachter (hier: Dr. W. und Frau R. ) auf die gerichtliche Entscheidung. Vor diesem Hintergrund muss es dem Betroffenen und seinem Verteidiger erst recht möglich sein, im Anhörungstermin zumindest an einen der Verfasser der gutachterlichen Stellungnahme konkrete Fragen zu richten, etwa bezüglich der vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung bei lang andauernder Unterbringung geforderten Konkretisierung der Wahrscheinlichkeit weiterer vom Betroffenen drohender rechtswidriger Taten und deren Deliktstypus (vgl. BVerfG NStZ-RR 2004, 76, 77 m.w.N.).

3. Soweit die Kammervorsitzende dem Betroffenen ohne vorherige Anhörung Rechtsanwalt K. zum Pflichtverteidiger bestellt hat, stellt dies einen Verstoß gegen § 142 Abs. 1 S. 2 StPO dar.

Denn die als Soll-Vorschrift ausgestaltete Norm kommt vor dem Hintergrund des grundgesetzlich geschützten Rechts des Betroffenen auf ein faires Verfahren praktisch einer Anhörungspflicht gleich, von der nur in seltenen – hier nicht ersichtlichen – Ausnahmefällen abgewichen werden kann (Senat, Beschluss vom 13. Juli 2009 – 1 Ws 409/09; BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2000 – 5 StR 408/00; KG, Beschluss vom 31. Mai 1999 – 1 AR 614/99 - 4 Ws 140/99).

Die Strafvollstreckungskammer wird daher nach obiger Maßgabe das gemäß § 454 StPO vorgeschriebene Verfahren durchzuführen haben. Dem Senat ist es verwehrt, gemäß § 309 Abs. 2 StPO die in der Sache erforderliche Entscheidung zu treffen, weil im Rahmen des Verfahrens der Betroffene gemäß § 454 Abs. 1 S. 3 i.V.m. § 463 Abs. 3 S. 1 StPO ebenfalls mündlich zu hören ist, die Entscheidung des Senats über die sofortige Beschwerde jedoch ohne mündliche Verhandlung ergeht (§ 309 Abs. 1 StPO). Daher war die Sache an die Strafvollstreckungskammer zurückverweisen.

gez. Krüger gez. Marx-Leitenberger gez. Ringel
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