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Text des Urteils
1 U 119/09;
Verkündet am: 
 13.04.2010
OLG Oberlandesgericht
 

Naumburg
Vorinstanzen:
11 O 237/09
Landgericht
Magdeburg;
Rechtskräftig: unbekannt!
Unterbleibt bei der Zustellung eines Versäumnisurteils die Belehrung nach § 340 Abs. 3 S. 4 ZPO, so kommt eine Zurückweisung von späterem Vorbringen nach § 296 Abs. 1 ZPO nicht in Betracht
Leitsatz des Gerichts:
Unterbleibt bei der Zustellung eines Versäumnisurteils die Belehrung nach § 340 Abs. 3 S. 4 ZPO, so kommt eine Zurückweisung von späterem Vorbringen nach § 296 Abs. 1 ZPO nicht in Betracht.
In dem Rechtsstreit
…

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Zettel sowie die Richter am Oberlandesgericht Dr. Tiemann und Grimm auf die mündliche Verhandlung vom 13. April 2010 für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 14.10.2009 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 11. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg aufgehoben.

Das Verfahren wird zur weiteren Verhandlung und erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Berufungsrechtszuges entscheiden wird.

Die Revision wird nicht zugelassen. Die Beschwer der Parteien übersteigt jeweils 20.000,00 EUR nicht.


und beschlossen:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 6.000,00 € festgesetzt.


Gründe:


I.

Von der Wiedergabe der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.


II.

Die Berufung ist zulässig.

Sie hat mit dem Hilfsantrag Erfolg und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

1. Die Verurteilung der Beklagten durch das Landgericht ist zu beanstanden.

Sie beruht auf der Präklusion des Beklagtenvorbringens, deren Voraussetzungen die Einzelrichterin zu Unrecht festgestellt hat.

Das Landgericht hätte den verspäteten Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 18.09.2009 nicht als ausgeschlossen ansehen dürfen, weil das Gericht die nach dem Gesetz gebotene Belehrung versäumt hat.

a) Dem Landgericht ist allerdings insoweit zuzustimmen, als bei ordnungsgemäßer Sachbehandlung durch das Gericht die Voraussetzungen der Präklusion vorlägen.

aa) Denn die anwaltlich vertretene Beklagte hat zwar rechtzeitig Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom 08.07.2009 eingelegt, sich aber entgegen § 340 Abs. 3 S. 1 ZPO nicht zur Sache eingelassen und auch keinen Antrag auf Fristverlängerung gestellt, § 340 Abs. 3 S. 2 ZPO.

Nachdem die Beklagte schon auf die Klage nicht erwidert hatte, hätte sie spätestens zur Begründung ihres Einspruchs gegen das Versäumnisurteil die Sachverhaltsdarstellung der Klägerin bestreiten müssen.

Dies ist nicht geschehen.

Gemäß §§ 340 Abs. 3 S. 3 i.V.m. 296 Abs. 1 ZPO wäre daher ihr gesamtes Vorbringen zur Sache präkludiert.

bb) Die Beklagte irrt auch, wenn sie meint, die Zulassung ihres Vortrags hätte den Rechtsstreit nicht verzögert.

Es ist zwar richtig, dass das Gericht bei Eingang des Schriftsatzes vom 18.09.2009 noch fünf Tage Zeit hatte, um den Verhandlungstermin vorzubereiten.

Es hätte zwar – wie die Beklagte zu Recht ausführt – ein Beweisbeschluss ergehen können, der die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Gegenstand gehabt hätte.

Dieses Gutachten jedoch hätte das Verfahren um Wochen verzögert.

b) Die Präklusion scheitert jedoch an der fehlenden Belehrung bei Zustellung des Versäumnisurteils.

Denn die Zustellungsurkunde vom 13.07.2009 (Bl. 36) enthält keinen Hinweis darauf, dass der Ausfertigung des Versäumnisurteils eine Belehrung gemäß § 340 Abs. 3 S. 4 ZPO beigefügt worden war.

Die Beklagte bestreitet den Erhalt dieser gesetzlich zwingend vorgeschriebenen Hinweise.

Ohne diese Belehrung, die üblicherweise durch die Geschäftsstelle jedem Versäumnisurteil als Formular beigefügt wird, kommt eine Zurückweisung gemäß § 296 Abs. 1 ZPO nicht in Betracht (vgl. Zöller-Herget, 28. Aufl. 2010, § 340 Rdn. 12).

Das gilt auf Grund des klaren Gesetzeswortlauts unabhängig davon, ob der Empfänger anwaltlich vertreten ist oder nicht (vgl. Herget, a.a.O., § 338, Rdn. 4).

2. Die Sache ist nicht entscheidungsreif.

a) Ginge man von dem Vortrag der Klägerin aus, so erwiese sich das Urteil des Landgerichts als richtig.

Der Mangel am Fahrzeug war gravierend, weil bei einem fehlenden Katalysator die Betriebserlaubnis des Fahrzeugs erlischt.

Einen solchen Mangel nach der Überprüfung der Auspuffanlage in Abrede zu stellen, wurde vom Landgericht zu Recht als Vertrauensverletzung bewertet, die eine Nacherfüllung durch die Beklagte für die Klägerin unzumutbar machte, §§ 440 Abs. 1, 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB.

b) Mangels wirksamer Präklusion muss jedoch die Behauptung der Beklagten berücksichtigt werden, der Kern des Katalysators sei zum Zwecke der Reparatur bewusst ausgebaut worden und ein neues Ersatzteil hätte zum vereinbarten Reparaturtermin am 15.08.2008 kostenlos eingebaut werden sollen.

Träfe diese unter Beweis gestellte Darstellung zu, könnte weder eine Verweigerung der Nacherfüllung noch deren Unzumutbarkeit festgestellt werden. Der angebotene Beweis ist daher zu erheben.

3. Die fehlerhafte Anwendung von Präklusionsrecht stellt grundsätzlich ein Versagen des durch Art. 103 Abs. 1 GG garantierten rechtlichen Gehörs dar (vgl. BVerfGE 62, 255; 69, 145; BVerfG, NJW 1989, 3212; BGH, NJW 1983, 822; NJW 2000, 142) und ist als schwerer Verfahrensfehler im Sinne des § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO anzusehen.

Hier hat die Anwendung der Präklusionsregel dazu geführt, dass der an sich erhebliche Sachvortrag der Beklagten gänzlich unberücksichtigt blieb und das Landgericht der Klage allein wegen des Fristversäumnisses stattgegeben hat.

Bei dieser Sachlage erscheint es dem Senat sachgerecht, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache auf den Hilfsantrag der Beklagten zur weiteren Verhandlung und erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen, § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Unter Abwägung des Interesses der Prozessparteien an einer schnellen Erledigung des Rechtsstreits gegenüber dem Verlust einer Tatsacheninstanz und der gesetzlich nicht gewollten Belastung der Berufungsinstanz mit einer umfangreichen und aufwändigen Beweisaufnahme erscheint die Zurückverweisung der Sache zur Fortsetzung der Verhandlung und erneuten Entscheidung im vorliegenden Fall sachdienlich und erforderlich.

Der vorliegende Fall kann dem Landgericht außerdem Veranlassung bieten, die Belehrungspraxis der Geschäftsstelle zu prüfen. Denn der Senat vermag nicht abzuschätzen, ob hier nur ausnahmsweise der Vermerk über die beigefügte Belehrung auf der Zustellungsurkunde fehlt oder ob Versäumnisurteile der betroffenen Kammer regelmäßig ohne Belehrung zugestellt werden.


III.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung des Landgerichts vorbehalten. Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 sowie 543, 544 Abs. 1 ZPO.

Die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

Die Festsetzung des Gebührenstreitwertes (Kostenwertes) beruht auf §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO.

gez. Dr. Zettel gez. Dr. Tiemann gez. Grimm
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