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Text des Beschlusses
1 Verg 2/10;
Verkündet am: 
 29.04.2010
OLG Oberlandesgericht
 

Naumburg
Rechtskräftig: unbekannt!
Wird ein Auftrag an eine Gesellschaft erteilt, deren Gesellschaftsanteile zum Teil von der öff. Hand und zum Teil privat gehalten werden, so bewirkt die Veräußerung der Anteile der öff. Hand an einen Privaten keine erneute Ausschreibungspflicht
Leitsatz des Gerichts:
Wird ein Auftrag nach durchgeführtem Vergabeverfahren an eine Gesellschaft erteilt, deren Gesellschaftsanteile zum Teil von der öffentlichen Hand und zum Teil privat gehalten werden (gemischtwirtschaftliche Gesellschaft), so bewirkt die Veräußerung der Gesellschaftsanteile der öffentlichen Hand an einen Privaten keine erneute Ausschreibungspflicht. Dies gilt auch dann, wenn dadurch nun alle Gesellschaftsanteile in einer Hand sind.

Würde der Gesichtspunkt einer Umgehung der vergaberechtlichen Schutzbestimmungen eingreifen, könnte dies anders zu beurteilen sein (Tatbestand im konkreten Fall verneint).
In dem Vergabenachprüfungsverfahren (Beschwerdeverfahren) betreffend die im Jahre 2009 unterbliebene Neuausschreibung des Dienstleistungsauftrages aus dem Jahr 2004 zur Entsorgung von Restabfällen im Gebiet des ehemaligen Altlandkreises M. L

Verfahrensbeteiligte:
1. …
- Antragstellerin und Beschwerdeführerin -
Prozessbevollmächtigte:
…

gegen
2. …
- Antragsgegner und Beschwerdegegner -
Prozessbevollmächtigte:
…
3. …
- Beigeladene -

hat der Vergabesenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Zettel, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Tiemann und den Richter am Oberlandesgericht Grimm auf die mündliche Verhandlung vom 13.4.2010 beschlossen:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 1. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt vom 16.12.2009 (1 VK LVwA 55/09)wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Aufwendungen des Antragsgegners trägt die Antragstellerin.



I.

Der Antragsgegner (= Landkreis M. ) ist seit dem 1.7.2007 Rechtsnachfolger der Landkreise M. L. und S. .

Der Landkreis M. L. schrieb im Jahre 2003 im offenen Verfahren Leistungen der Abfallentsorgung aus. An der Ausschreibung beteiligte sich u.a. die W. GmbH (i.F.: W. ). Die W. erhielt mit Datum vom 7.5.2004 den Zuschlag. Mit Datum vom 25.5.2004 wurde der streitgegenständliche Entsorgungsvertrag zwischen dem Eigenbetrieb Abfallwirtschaft M. L. und der W. abgeschlossen, der eine Laufzeit vom 1.6.2005 – 31.12.2017 (inkl. 1-jährige Option) hat.

Die W. hatte im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zwei Gesellschafter. Einer war die E. GmbH (i.F.: E. ): Der zweite war die N. GmbH (i.F.: N. ). Die E. hielt dabei 51 % der Gesellschaftsanteile an der W. und die N. 49 %.

Die Geschäftsanteile der E. lagen zu 100% beim Landkreis S. . Die E. befindet sich seit dem 27.10. 2009 in Insolvenz.

Auch über das Vermögen der N. wurde mit Beschluss des AG Halle (Saale) vom 4.6.2009 das Insolvenzverfahren eröffnet. Im Zeitpunkt des Abschlusses des streitgegenständlichen Entsorgungsvertrages waren Gesellschafter der N. einerseits die E. zu 51 % und zu 49 % die Rn. GmbH & Co. KG. Letztere Gesellschaft firmiert seit dem 31.12.2006 als K. GmbH und ist ihrerseits eine Tochter der Antragstellerin.

Die E. hat mit notariellem Anteilsverkaufsvertrag vom 4.7.2009 ihre Gesellschaftsanteile an der W. an die R. -GmbH (i.F.: R. ) veräußert, welche in privater Hand ist.

Mit Datum vom 29.9.2009 hat die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer gestellt. Der Antrag richtete sich zunächst gegen die E. und in der Sache gegen den Anteilsveräußerungsvertrag über die Geschäftsanteile der W. an die R. . Die Antragstellerin ist der Ansicht, dass die Veräußerung der Gesellschaftsanteile nur im Rahmen eines öffentlichen Vergabeverfahrens hätte erfolgen dürfen. Ebenfalls mit Schriftsatz vom 29.9.2009 hat die Antragstellerin den Nachprüfungsantrag auf den Beschwerdegegner des vorliegenden Verfahrens, den Landkreis M. , erweitert und zwar mit der Begründung, dass wegen des Verkaufs der Gesellschaftsanteile an der W. durch die E. der Entsorgungsvertrag zwischen dem Eigenbetrieb Abfallswirtschaft M. L. und der W. hätte neu ausgeschrieben werden müssen.

Die Vergabekammer hat die Verfahren getrennt, den Nachprüfungsantrag hinsichtlich der Frage der Notwendigkeit der Neuausschreibung des Entsorgungsvertrages mit Beschluss vom 16.12.2009 (1 VK LVwA 55/09) als unzulässig verworfen und zur Begründung ausgeführt:

Der Entsorgungsvertrag bleibe in seiner Wirksamkeit von der Veräußerung der Gesellschaftsanteile an der W. durch die E. unberührt, sodass der erteilte Zuschlag als Grundlage des Vertrages fortbestehe (§ 114 Abs. 2 S. 1 GWB). Der Abschluss des Entsorgungsvertrages sei auf der Grundlage eines förmlichen Ausschreibungsverfahrens erfolgt und nicht aufgrund einer vom Erfordernis der öffentlichen Ausschreibung entbindenden Privilegierung.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit der Beschwerde. Sie trägt vor, dass eine Neuausschreibung immer dann erforderlich sei, wenn während der Gültigkeitsdauer des Vertrages, der an eine Gesellschaft mit öffentlichem Kapital vergeben worden sei, Privatpersonen zur Beteiligung am Grundkapital der beauftragten Gesellschaft zugelassen würden. Daher habe die während der Vertragslaufzeit erfolgte Veräußerung der Gesellschaftsanteile an der W. an die R. durch die E. zu einer wesentlichen Änderung auch des Entsorgungsvertrages geführt.
Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Beschwerdebegründungen vom 30.12.2009 (Bl. 41 – 55) und des Schriftsatzes vom 1.4.2010 (Bl. 207 ff.).

Die Antragstellerin beantragt,

Den Beschluss der 1. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt vom 16.12.2009 (1 VK LVwA 55/09) aufzuheben und:

1. Festzustellen, dass der zwischen dem Antragsgegner und der W. GmbH bestehende Entsorgungsvertrag vom 25.5.2004 betreffend die Entsorgung der im Alt-Landkreis M. L. anfallenden Abfälle unwirksam ist.

2. Hilfsweise: Den zwischen dem Antragsgegner und der W. GmbH bestehenden Entsorgungsvertrag vom 25.5.2004 betreffend die Entsorgung der im Alt-Landkreis M. L. anfallenden Abfälle für unwirksam zu erklären.

Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten der Beschwerdeerwiderung wird Bezug genommen auf den Inhalt des Schriftsatzes vom 12.2.2010 (Bl. 109 – 126).

Mit Beschluss vom 5.3.2010 hat der Senat den Antrag der Antragstellerin auf Verbindung der Verfahren 1 Verg 11/09, 1 Verg 2/10 und 1 Verg 3/10 zurückgewiesen.


II.

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist nach §§ 116, 117 GWB zulässig.

Sie ist insbesondere form- und fristgerecht (§ 117 Abs. 1 bis 3 GWB) bei dem nach § 116 Abs. 3 S. 1 GWB zuständigen Gericht eingelegt und auch begründet worden.

Entgegen der Ansicht der Antragstellerin beruht die Entscheidung der Vergabekammer nicht auf einem wesentlichen Verfahrensmangel. Insbesondere ist die von der Vergabekammer entsprechend § 93 S. 2 VwGO angeordnete Verfahrenstrennung von dem Nachprüfungsverfahren 1 VK LVwA 48/ 09 nicht zu beanstanden und rechtfertigt keine Abänderung des angefochtenen Beschlusses. Die Vergabekammer hat bei ihrer Entscheidung über die Trennung der Nachprüfungsverfahren das ihr nach § 93 S.2 GWB eingeräumte Ermessen vielmehr pflichtgemäß gehandhabt. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat zur Begründung auf die diesbezüglichen Ausführungen im Beschluss vom 29.04.2010 im Parallelverfahren 1 Verg 3/10 zwischen denselben Parteien Bezug.

Die Insolvenz der E. und damit die Frage, ob ein sie betreffendes Vergabeverfahren in analoger Anwendung des § 240 ZPO unterbrochen ist (Beschluss des Senats vom 22.4.2010 - 1 Verg. 11/09 -), ist für das vorliegende Verfahren irrelevant, da sie an diesem Verfahren nicht beteiligt ist.

Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist unzulässig.

Er ist nicht nach § 102 GWB in Verbindung mit §§ 101 b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, 99 GWB statthaft. Die Fortsetzung des Entsorgungsvertrages durch die W. nach Verkauf der Geschäftsanteile, die die E. an ihr hielt ohne Neuausschreibung der streitgegenständlichen Entsorgungsleistungen unterliegt nicht den Bestimmungen des Kartellvergaberechts nach §§ 97 ff GWB.

Der Verkauf der Gesellschaftsanteile an der W. durch die E. an die R. hat keinen Einfluss auf die Wirksamkeit des Entsorgungsvertrages der W. mit dem Eigenbetrieb Abfallwirtschaft des Altlandkreis M. L. vom 25.5.2004, insbesonde-re muss die darin vereinbarte Entsorgungsleistung nicht erneut ausgeschrieben werden.

Die maßgebliche Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH), stellt sich bisher wie folgt dar:

Nach der Rechtsprechung des EuGH ist eine Ausschreibung eines öffentlichen Auftrages dann nicht obligatorisch, wenn der Vertragspartner eine Einrichtung ist, die sich zwar vom öffentlichen Auftraggeber rechtlich unterscheidet, aber der öffentliche Auftraggeber über sie eine ähnliche Kontrolle ausübt, wie über seine eigenen Dienststellen. Weiterhin muss diese Einrichtung ihre Tätigkeit im Wesentlichen mit der oder den öffentlichen Stellen verrichten, die ihre Anteile innehaben und sich nicht am Markt orientieren, sog. In-house-Geschäft (EuGH v. 18.11.1999 - C-107/98 - Teckal).

Die weitere Frage, ob dies bei sog. gemischtwirtschaftlichen Unternehmen, also Unternehmen, deren Anteile teilweise der öffentlichen Hand und teilweise Privaten gehören, auch gelten kann, beispielsweise dann, wenn die öffentliche Hand die Mehrheitsbeteiligung innehat, hat der EuGH verneint. Jede noch so kleine Beteiligung eines Privaten führt dazu, dass kein In-House-Geschäft mehr möglich und somit auszuschreiben ist (EuGH v.1.11.2005 - C-26/03 – EuGHE I 2005, 1-50 - Stadt Halle).

Schließlich hatte sich der EuGH auch bereits mit der Fallkonstellation zu befassen, dass nach einer In-House-Vergabe an eine Gesellschaft mit öffentlichem Kapital zu einem späteren Zeitpunkt, aber immer noch innerhalb der Gültigkeitsdauer eines der Gesellschaft vom öffentlichen Auftraggeber erteilten Auftrags Private zur Beteiligung am Grundkapital der Gesellschaft zugelassen werden. Eine solche Fallkonstellation bedeutet dann eine eine Ausschreibung erfordernde Änderung einer grundlegenden Bedingung dieses Auftrages (EuGH v. 10.9.2009 - C-573/07 – Sea).

Der Senat folgt dieser Rechtsprechung. Er sieht aber keine Veranlassung sie in der Weise weiterzuentwickeln wie es die Beschwerdeführerin möchte. Nach der o.a. Rechtsprechung gibt es im zu entscheidenden Fall keine Notwendigkeit zu einer Neuausschreibung des Entsorgungsvertrages zwischen dem Eigenbetrieb Abfallwirtschaft M. L. und der W. . Es lag weder ein In-House-Geschäft zugrunde noch fehlte es an einer Ausschreibung. Damit stellt sich auch die Frage einer notwendigen nunmehrigen Ausschreibung durch den späteren Geschäftsanteilsverkauf nicht.

Eine Vertragsänderung kann zwar u.U. eine erneute Ausschreibungspflicht begründen (zuletzt: OLG Celle, Beschluss vom 29.10.2009 – 13 Verg 8/09 – [z.B. NZBau 2010, 194]; hier: zitiert nach juris). Der Verkauf der Gesellschaftsanteile an der W. durch die E. bewirkt aber nur, dass sich am Gesellschafterbestand der W. etwas ändert. Es ändert sich aber nichts an der Person des Auftragnehmers selbst und ebenso nichts am Inhalt und Umfang des Entsorgungsauftrages.

Der Senat folgt auch damit der Rechtsprechung des EuGH, der 2008 entschieden hat, dass mögliche Änderungen im Kreis der Mitglieder einer Genossenschaft nicht grundsätzlich zu einer wesentlichen Änderung des an die Gesellschaft vergebenen Auftrages führen (Urteil vom 19.6.2008 – C 454/06 (pressetext Nachrichtenagentur GmbH/Republik Österreich); NJW 2008, 3341, 3343 [Rn. 51/52]). Er hat in dieser Entscheidung (a.a.O., Rn. 47/48) lediglich die Frage problematisiert, ob eine Vertragsänderung u.U. dann angenommen werden könne, wenn der Auftrag mit Zustimmung des Auftraggebers zunächst an eine 100 % Tochter der Auftragnehmerin weitergegeben wird, was nach deutschem Recht einer Vertragsübernahme entsprechen würde, und die Gesellschaftsanteile an dieser Tochtergesellschaft dann auf einen - privaten - Dritten übertragen werden. Auch eine solche oder dieser vergleichbare Situation ist vorliegend nicht gegeben.

Um es zu wiederholen: Es hat sich lediglich eine nach der Rechtsprechung des EuGH unbedenkliche Änderung im Gesellschafterbestand ergeben, durch die weder die Person des Auftragnehmers selbst noch der Inhalt und Umfang des Entsorgungsvertrages berührt wird.

Eine Ausschreibungspflicht kann sich hier schließlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Umgehung der vergaberechtlichen Schutzbestimmungen ergeben.

Einen Umgehungstatbestand vermag der Senat nicht zu erkennen. Soweit die Antragstellerin meint, der Antragsgegner habe durch die Veräußerung der Geschäftsanteile der E. an der Beigeladenen die vollständige Privatisierung der Beigeladenen befördert und in wirtschaftlicher Hinsicht damit letztlich eine faktische Vertragsübernahme durch die R. -GmbH bewirkt, kann der Senat dem so nicht folgen. Für das Vorliegen einer entsprechenden Manipulation durch den Antragsgegner zur Umgehung vergaberechtlicher Bestimmungen bestehen - bei funktionaler Gesamtbetrachtung des der Anteilsveräußerung zugrunde liegenden Sachverhaltes – nach Lage der Akten keine hinreichenden Anhaltspunkte. Eine auf Umgehung der vergaberechtlichen Bestimmungen und Verschleierung einer tatsächlich bestehenden Ausschreibungspflicht abzielende künstliche Konstruktion, wie sie der EuGH in dem in der Rechtssache Stadt Mödling getroffenen Urteil vom 10. November 2005 (C-29/ 04, Sgl. 2005, I – 09705 zitiert nach juris) dargestellt hat, ist im Streitfall nicht feststellbar. Der zeitliche Abstand zwischen der Vergabe des öffentlichen Auftrages im Jahre 2004 und der hier in Rede stehenden Anteilsveräußerung vom 04. Juli 2009 spricht bei der insoweit gebotenen gesamtwirtschaftlichen Betrachtung vielmehr gegen die Annahme eines einheitlichen Vorgangs mit Umgehungsabsicht. Inzwischen hatte sich die Situation für alle Beteiligten nämlich nicht unwesentlich verändert. Die beiden Landkreise S. und M. L. waren zum Landkreis M. zusammen gelegt worden. Der neue Landkreis hatte die bislang unterschiedlichen Organisationsstrukturen der Abfallwirtschaft aus den beiden früheren Landkreisen neu auszurichten. Gleichzeitig veränderten sich die Rahmenbedingungen der Abfallwirtschaft insgesamt.

Dass der Veräußerungszweck allein darin bestand, der R. den Zugriff auf die öffentlichen Aufträge zu ermöglichen bzw. diese faktisch auf die R. überzuleiten, kann weder der zur Akte gereichten Beschlussvorlage des Antragsgegners vom 23. März 2009, noch dem Geschäftsanteilskaufvertrag vom 04. Juli 2009 selbst zweifelsfrei entnommen werden.

In der Beschlussvorlage des Landkreises M. vom 23.03.2009 für die Kreistagssitzung vom 01.04.2009 werden umfangreich die wirtschaftlichen Folgen einer Insolvenz der W. für den Landkreis unter verschiedenen Gesichtspunkten, z.B. auch hinsichtlich einer von der Sparkasse M. gestellten Bürgschaft und hinsichtlich ihrer Konsequenzen für die E. dargestellt. Auch die Auswirkungen auf die R. Gruppe aufgrund der mit dieser bestehenden laufenden Geschäftsverbindung werden dargestellt. Anschließend wird die später vollzogene Lösung u.a. durch den Verkauf der Geschäftsanteile vorgeschlagen. Nachdem die vergaberechtlichen „Risiken“ auch unter dem Gesichtspunkt dargestellt werden, dass von Seiten eines angerufenen Gerichtes ein Umgehungsgeschäft angenommen werden könnte, wird vorgeschlagen, für einen solchen Fall die einvernehmliche Aufhebung der bei der W. bestehenden Dienstleistungsverträge vorzusehen. Es heißt hierzu wörtlich: „“Für den Fall, dass ein Gericht feststellen sollte, dass der Kauf- und Abtretungsvertrag zwischen der E. GmbH und R. über die Geschäftsanteile der E. GmbH (51 %) an der W. GmbH, deshalb (vergabe)rechtswidrig ist, weil hiermit auch die Verträge des Landkreises M. zur „Teilübertragung der Abfallwirtschaft“ vom 29.11.2002 und zur „Entsorgung der Restabfälle des Landkreises M. L. ab 01.06.2005“ vom 25.05.2004 übergegangen sind, verpflichten sich der Käufer und der Landkreis M. zur Sicherung des Anteilsverkaufs die vorgenannten Dienstleistungsverträge einvernehmlich aufzuheben. Der Landkreis M. wird die Verträge sodann unverzüglich neue ausschreiben, sodass auch der Käufer Gelegenheit erhält hierzu ein Angebot abzugeben.“ Mit der Aufnahme einer solchen Klausel signalisieren die Vertragsparteien, dass nicht die Dienstleistungsverträge im Mittelpunkt des Kauf- und Abtretungsvertrages stehen, sondern die Erhaltung der wirtschaftlichen Existenz der W. GmbH .“ Diese in der Informationsvorlage nieder gelegten Erwägungen machen deutlich, dass die Veräußerung der Geschäftsanteile keineswegs wirtschaftlich in eine Gesamtkonstruktion eingebettet ist, deren Ziel die Umgehung des Vergaberechts ist. Dass der neue Gesellschafter nunmehr anstelle des alten an den vorhandenen längerfristigen Entsorgungsverträgen mitverdient, reicht für sich allein genommen für eine solche Annahme nicht aus. Die in der Beschlussvorlage angestellten Überlegungen zeigen vielmehr, dass man die Anteilsveräußerung auch ohne die vorhandenen o.a. Entsorgungsverträge gewollt hat. Der Formulierungsvorschlag hat zwar dann in den Geschäftsanteilskauf- und Abtretungsvertrag vor dem Notar B. am 04. Juli 2009 keinen Eingang gefunden. Dieser Umstand kann aber nicht schon als Beleg dafür dienen, dass die gewählte Vertragskonstruktion – entgegen den in der Beschlussvorlage angestellten Erwägungen – nun doch auf Umgehung einer Neuausschreibung angelegt war.

Gemäß Abschnitt II) des notariell beurkundeten Anteilskaufvertrages waren sich die Vertragsparteien darüber einig, dass die Veräußerung der Geschäftsanteile der E. der Sanierung der Gesellschaft und damit der Beseitigung der drohenden Zahlungsunfähigkeit der Beigeladenen dienen sollte.

Dass sich die R. als Anteilserwerberin nach Abschnitt XIII Ziffer 1 lit.a) des Vertrages ein Rücktrittsrecht für den Fall vorbehalten hat, dass der Antragsgegner die Entsorgungsverträge aus den Jahren 2002 und 2005 vorzeitig beendet, ist aus ihrer Sicht wirtschaftlich verständlich. Gleichwohl ist es kein Indiz dafür, dass es ihr in erster Linie um den Erwerb dieser Entsorgungsverträge ging. Dagegen spricht bereits, dass diese Kommunalaufträge unstreitig nur circa ein Viertel der durch die Beigeladene erwirtschafteten Umsätze ausmachen und für deren Unternehmenserfolg dementsprechend nicht allein entscheidend sind.

Die R. hat zwar auch die Geschäftsanteile der N. vom Insolvenzverwalter erworben und diesen Erwerb und den der Geschäftsanteile der E. an der W. im Zusammenhang gesehen, was die in Abschnitt XIII Ziffer 1 lit.b) vereinbarte Rücktrittsklausel deutlich macht. Dabei ist jedoch wiederum zu bedenken, dass mit dem Erwerb der Geschäftsanteile der E. sowohl der Antragsgegner als auch die Käuferin verschiedene Interessen verfolgten und sich keineswegs allein auf das Schicksal der beiden Entsorgungsverträge fokussierten.

Der Senat vermag daher auch in der Gesamtschau der Verträge keine gezielte Umgehung der vergaberechtlichen Bestimmungen hinsichtlich der Entsorgungsverträge anzunehmen.

Der vergaberechtliche Primärrechtsschutz ist nach alledem hier mangels eines entgeltlichen Beschaffungsvorganges im Sinne des § 99 GWB nicht eröffnet, denn in der Veräußerung der Geschäftsanteile der E. an der Beigeladenen liegt keine eine Ausschreibungspflicht auslösende, wesentliche Änderung des bestehenden Entsorgungsvertrages vom 24. Mai 2004.


III.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 97 Abs. 1 ZPO.

gez. Dr. Zettel gez. Dr. Tiemann gez. Grimm
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