Do, 15. Mai 2025, 02:38    |  Login:  User Passwort    Anmelden    Passwort vergessen
Arbeitsplattform NEWS URTEILE GESETZE/VO KOMMENTARE VIDEOS SITEINFO/IMPRESSUM NEWSLETTER
Achtung! Die Seite wird derzeit nicht aktualisiert. Die Inhalte sind im wesentlichen auf dem Stand 31.12.2011
Text des Beschlusses
1 Verg 7/10;
Verkündet am: 
 31.03.2010
OLG Oberlandesgericht
 

Naumburg
Rechtskräftig: unbekannt!
Ist der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers bereits im Vergabeverfahren tätig geworden, so ist nicht vom Gebührentatbestand RVG VV 2300 auszugehen, sondern von dem reduzierten des RVG VV 2301
Leitsatz des Gerichts:
Ist der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers bereits im Vergabeverfahren tätig geworden, so ist nicht vom Gebührentatbestand RVG VV 2300 auszugehen, sondern von dem reduzierten des RVG VV 2301. Dem liegt die Annahme des Gesetzgebers zugrunde, dass der Umfang der Tätigkeit im Nachprüfungsverfahren dann deshalb geringer ist. Dieser Umstand darf dann bei der Gebühr nicht noch einmal berücksichtigt werden.

Allerdings ist ein Überschreiten der 0,7 Geschäftsgebühr (Mittelgebühr) wegen des Umfangs der Tätigkeit gerechtfertigt, wenn diese Annahme des Gesetzgebers im konkreten Fall nicht zutrifft. Umgekehrt gilt: Hat die Tätigkeit im Nachprüfungsverfahren einen Umfang, der dem Umfang bei einer ausschließlichen Tätigkeit im Nachprüfungsverfahren entspricht, so wird in Anbetracht des reduzierten Gebührenrahmens der Ansatz der 1,3 Geschäftsgebühr gerechtfertigt sein.
In der Vergabesache betreffend die Ausschreibung von Sicherheits- und Bewachungsaufgaben in den Dienstgebäuden des Universitätsklinikums sowie der Medizinischen Fakultät der M. Universität

Beteiligte
1. …
- Antragstellerin und Beschwerdeführerin -
Prozessbevollmächtigte:
…
gegen
2. …
- Antragsgegner und Beschwerdegegner -
Prozessbevollmächtigte:
…
3. …
- Beteiligte -
Prozessbevollmächtigte:
…

hat der Vergabesenat des Oberlandesgerichts Naumburg am 31. März 2010 im schrift-lichen Verfahren durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Zettel, den Richter am Oberlandesgericht Grimm und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Tiemann beschlossen:

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 1. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt des Landes Sachsen-Anhalt vom 10.2.2010 (1 VK LVwA 35/09 K) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Aufwendungen der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren hat die Antragstellerin zu tragen.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.539,16 Euro festgesetzt.



Gründe


I.

Die Antragsgegnerin schrieb im offenen Verfahren Bewachungs- und Sicherheitsaufgaben im Bereich des Universitätsklinikums und der Räumlichkeiten der medizinischen Fakultät aus. Sowohl die Antragstellerin als auch die Beigeladene gaben Angebote ab. Den Zuschlag sollte die Beigeladene erhalten. Die Antragstellerin beantragte die Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens vor der 1. Vergabekammer des Landesverwaltungsamtes. Mit Beschluss vom 28.8.2009 (Bl. 304 – 320 II in 1 VK LVwA 35/09; i.F. BA) hat die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag teilweise als unzulässig verworfen und, teilweise als unbegründet zurückgewiesen. Sie hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung des Antragsgegners und der Beigeladenen der Antragstellerin auferlegt, sowie die Zuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten für notwendig erklärt. Im weiteren Verfahren erhielt auch die Beigeladene den Zuschlag nicht, der Auftrag wurde an ein Drittunternehmen vergeben.

In den Ausschreibungsbedingungen heißt es unter 4 u.a. (Bl. 27 I BA):

c) Beginn der Leistung 01.06.2009
d) Ende der Leistung 31.05.2012

Option der Verlängerung um ein Jahr, wenn nicht von einem der Vertragspartner spätestens drei Monate vor dem Ablauf schriftlich gekündigt wird.

Es besteht Einigkeit darüber, dass die Bruttoangebotssumme der Antragstellerin für 1 Jahr 1.020.120,98 Euro betrug. Mit Schriftsatz vom 9.11.2009 (Bl. 331 - 333 II BA) beantragte die Antragsgegnerin Kosten in Höhe von 6.268,78,-- Euro gegen die Antragstellerin festzusetzen. Die Antragsgegnerin ging dabei von einem Streitwert von 204.380,18 Euro aus und begehrte (u.a.) eine 2,0 Verfahrensgebühr gemäß RVG VV Nr. 2300.

In dem angefochtenen Beschluss vom 10.2.2010 (Bl. 366 – 373 III BA) hat die Vergabekammer die der Antragsgegnerin zu erstattenden Kosten auf 2.325,26 Euro festgesetzt. Die Vergabekammer geht dabei von einem Streitwert bis zu 230.000,-- Euro aus. Die Verfahrensgebühr könne aber nicht gemäß RVG VV Nr. 2300 festgesetzt werden, sondern nur nach RVG VV Nr. 2301, weil die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin bereits im Vergabeverfahren selbst tätig geworden seien. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die anwaltliche Tätigkeit in Vergabeverfahren grundsätzlich immer als überdurchschnittlich schwierig angesehen werden müsse, was auch der vorliegende Fall zeige, sei eine Verfahrensgebühr im Rahmen von 0,5 bis 1,3 i.H.v. 1,0 angemessen.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit der sofortigen Beschwerde. Sie rügt den von der Vergabekammer angenommenen Streitwert von bis zu 230.000,-- Euro. Man könne weder die Angebotssumme der Antragstellerin für 3 Jahre (Laufzeit des Vertrages) und schon überhaupt nicht für 4 Jahre (gemäß der Optionsklausel) zugrunde legen. Maßgeblich sei allein das in dem Angebot angegebene Entgelt. Die Vergabekammer stelle zwar richtig auf RVG VV Nr. 2301 ab, im Hinblick auf Umfang und Schwierigkeit der Tätigkeit sei aber allenfalls die Zuerkennung einer Mittelgebühr von 0,7 gerechtfertigt. Letztlich sei zu berücksichtigen, dass durch das Vergabenachprüfungsverfahren der Zuschlag an die Beigeladene verhindert worden sei, weil auch diese kein zuschlagsfähiges Angebot abgegeben habe.

Die Antragstellerin beantragt, die Aufhebung des Kostenfestsetzungsbeschlusses unter Herabsetzung des Gegenstandswertes auf 51.005,15 Euro, hilfsweise auf 153.015,45 Euro als Gegenstandswert und Beschränkung der Anwaltsgebühren auf einen anzunehmenden Ansatz einer Mittelgebühr von maximal 0,7; vorsorglich Herabsetzung des Kostenfestsetzungsantrages nach gerichtlicher Schätzung.

Die Antragsgegnerin beantragt, die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Beschwerdeerwiderung vom 22.3.2010 (Bl. 62 – 64).


II.

Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung, nachdem alle Beteiligten des Beschwerdeverfahrens auf eine solche verzichtet haben (§§ 120 Abs. 2, 69 Abs. 1 HS 2 GWB – Bl. 30/62 -).

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Sie hat insgesamt keinen Erfolg:

Soweit die Vergabekammer grundsätzlich von einem Streitwert von bis zu 230.000,-- Euro ausgeht, ist dies nicht zu beanstanden. Der Streitwert ist ausgehend vom Bruttoauftragswert zu bestimmen (§ 50 Abs. 2 GKG). Wie der Senat bereits an anderer Stelle entschieden hat, ist dann, wenn die Antragstellerin ein konkretes Angebot abgegeben hat, auf diesen Wert abzustellen (z.B. Senat, Beschluss vom 1.10.2009 – 1 Verg 6/09 -). Die Auftragssumme der Antragstellerin beträgt für 1 Jahr 1.020.120,98 Euro. Angeboten wurde eine Dienstleistung, sodass für die Schätzung des Auftragswertes § 3 Abs. 6 VgV zu berücksichtigen ist (OLG München Beschluss vom 13.8.2008 – Verg 8/08 – [hier: zitiert nach juris]). Danach ist der Auftragswert aufgrund des größtmöglichen Auftragswertes unter Einbeziehung der Optionsrechte zu schätzen. Ausgehend von 4 der Ausschreibungsbedingungen ist somit die gesamte Vertragslaufzeit von 3 Jahren und die Option von 1 Jahr mit einzubeziehen:

5 % von 1.020.120,98 Euro = 51.006,05 Euro
x 4 Jahre 204.024,18 Euro

Damit ist – wie von der Vergabekammer angenommen - die Gebührenstufe bis 230.000,-- Euro gegeben.

Zutreffend – und von der Beschwerde nicht beanstandet – geht die Vergabekammer nicht vom Gebührentatbestand RVG VV 2300 aus, sondern lediglich von RVG VV 2301, weil die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin bereits auch im Vergabeverfahren tätig geworden sind. Der Gebührenrahmen liegt damit zwischen 0,5 und 1,3, wobei eine Gebühr von mehr als 0,7 nur dann gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Demgegenüber ist bei der Gebühr nicht zu berücksichtigen, dass der Umfang der Tätigkeit infolge der Tätigkeit im Verwaltungsverfahren geringer ist (Anm. 1 u. 2. zu RVG VV Nr. 2301). Daraus folgt: Ein Überschreiten der 0,7 Geschäftsgebühr ist wegen des Umfangs der Tätigkeit gerechtfertigt, wenn die Vermutung des Gesetzgebers, dass der Umfang der Tätigkeit im Nachprüfungsverfahren infolge der vorausgegangenen Tätigkeit im Verwaltungsverfahren geringer ist, nicht eintritt. Umgekehrt gilt: Hat die Tätigkeit im Nachprüfungsverfahren einen Umfang, der dem Umfang bei einer ausschließlichen Tätigkeit im Nachprüfungsverfahren entspricht, so wird in Anbetracht des reduzierten Gebührenrahmens der Ansatz der 1,3 Geschäftsgebühr gerechtfertigt sein (Gerold/Schmidt/Madert RVG, 18. Aufl., VV 2300, 2301, Rn. 30). Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass in Vergabesachen regelmäßig eine überdurchschnittliche Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit anzunehmen ist (z.B. Senat, Beschluss vom 23.12.2008 – 1 Verg 11/08 -). Es ist nicht ersichtlich, worin die Erleichterung der Tätigkeit der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin allein durch ihre Beteiligung am Vergabeverfahren eingetreten sein soll. Die rechtliche Problematik (z.B. Abgrenzung danach, welche Rügen bereits im Vergabeverfahren [insbesondere in bezug auf die Abwehr von Rügen zugunsten der Antragsgegnerin] und welche noch im Nachprüfungsverfahren erhoben werden müssen/können) muss im Nachprüfungsverfahren unter einem anderen Blickwinkel erfolgen. Gerade hier ist die Sichtung und Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung erforderlich. Der von der Beschwerde in den Mittelpunkt gerückte Gesichtspunkt der fehlenden mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer ist vor diesem Hintergrund allenfalls geeignet, die Berechtigung der Höchstgebühr von 1,3 zu verneinen. Dem Gesichtspunkt, dass dadurch u.U. - eine Reduzierung des Umfangs der Tätigkeit eintreten kann, hat die Vergabekammer dadurch, dass sie lediglich eine 1,0 Geschäftsgebühr angesetzt hat, angemessen Rechnung getragen. Dass die Beigeladene letztlich ihrerseits nicht den Zuschlag erhalten hat, ist für die Beurteilung im Rahmen von RVG VV Nr. 2301 (schon überhaupt im Verhältnis zur Antragsgegnerin) ohne Belang. Da eine bestandskräftige Kostengrundentscheidung zulasten der Antragstellerin vorliegt, kommt es auf die Frage eines Obsiegens bzw. Unterliegens nicht mehr an.

Den Inhalt des Schriftsatzes vom 27.3.2010 hat der Senat zur Kenntnis genommen. Er enthält keinerlei Erwägungen, die eine abweichende Bewertung rechtfertigen könnten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO analog.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren bemisst sich nach der Differenz des von der Vergabekammer zugesprochenen Betrages (2.325,26 Euro) und dem von der Antragstellerin eingeräumten Betrag (0,7 Gebühren nach Streitwert von 51.006,05 = 786,10 Euro) = 1.539,16 Euro.

gez. Dr. Zettel gez. Dr. Tiemann gez. Grimm
-----------------------------------------------------
Die von uns erfassten Urteile wurden oft anders formatiert als das Original. Dies bedeutet, daß Absätze eingefügt und Hervorhebungen durch fett-/kursiv-/&farbig-machen sowie Unterstreichungen vorgenommen wurden. Dies soll verdeutlichen, aber keinesfalls natürlich den Sinn verändern.Wenn Sie vorsichtshalber zusätzlich die Originalversion sehen möchten, hier ist der Link zur QuelleLink zur Quelle (kein Link? Dann ist dieser Link nicht in unserer DB gespeichert, z.B. weil das Urteil vor Frühjahr 2009 gespeichert worden ist).