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Text des Beschlusses
1 Verg 4/10;
Verkündet am: 
 24.06.2010
OLG Oberlandesgericht
 

Naumburg
Rechtskräftig: unbekannt!
Mit Diskriminierungsverbot des § 97 GWB ist es nicht zu vereinbaren, wenn Ausschreibung von Anfang an so angelegt ist, dass letztlich nur ein Bieter die Kriterien erfüllen kann
Leitsatz des Gerichts:
Mit dem Diskriminierungsverbot des § 97 GWB ist es nicht zu vereinbaren, wenn eine Ausschreibung von Anfang an so angelegt ist, dass letztlich nur ein Bieter die Kriterien erfüllen kann (hier bei Postdienstleistungen).
In dem vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren (Beschwerdeverfahren) betreffend die im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft vom 8.10.2009 (S. 194) ausgeschriebene Vergabe des Dienstleistungsauftrages „Erbringung von Postdienstleistungen“

Verfahrensbeteiligte
1. ...
- Antragstellerin und Beschwerdeführerin -
Prozessbevollmächtigter:
...
2. ...
- Antragsgegner und Beschwerdegegner -

hat der Vergabesenat des Oberlandesgerichts Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom 8. Juni 2010 durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Zettel, den Richter am Oberlandesgericht Grimm und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Tiemann beschlossen:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der 1. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt des Landes Sachsen-Anhalt vom 1.2.2010 (1 VK LvwA 63/09) aufgehoben.

Der Antragsgegner wird verpflichtet, das bisherige Vergabeverfahren aufzuheben.

Der Antragsgegner wird weiter verpflichtet, bei Fortbestehen der Absicht der Ausschreibung eines Dienstleistungsauftrages zur „Erbringung von Postdienstleistungen“ ein (neues) Vergabeverfahren nach §§ 97, 101 GWB unter Beachtung der Rechtsansichten des Senats durchzuführen.

Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin in diesem Verfahren hat der Antragsgegner zu tragen.

Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer bleiben auf 2.743,02 Euro festgesetzt.

Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin für das Verfahren vor der Vergabekammer wird für notwendig erklärt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin hat der Antragsgegner zu tragen.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf ... Euro festgesetzt.



I.

Der Antragsgegner schrieb im offenen Verfahren Postdienstleistungen aus (Deutschlandweiter Versand von Briefen [= Los 1] und Postzustellungsaufträgen [= Los 2] – II.1.5 der Bekanntmachung [Bl. 17 BA]).

Eine Aufteilung des Auftrages in Regionallose erfolgte nicht.

In III.2.1 der Bekanntmachung heißt es u.a.:

- Personalmanagement, berufliche Erfahrung und Ausbildung des Personals (einschlägige Berufs- oder Studienabschlüsse

- Wenn Nachunternehmer eingesetzt werden sollen:

Alle Nachunternehmer sind mit Vorlage des Angebots zu benennen, pro Unterauftragnehmer sind jeweils eine Erklärung des Bieters über die Verpflichtung eines Subunternehmens sowie eine Verpflichtungserklärung des Nachunternehmers vorzulegen

In III.2.3 der Bekanntmachung heißt es u.a.:

Der Bieter muss über ein ausgewogenes Verteilernetz verfügen und die Zustellung an alle Objekte deutschlandweit garantieren. Mit dem Angebot sind hierzu ausführliche Angaben zu machen.

Unter Punkt 4 des Aufforderungsschreibens zur Angebotsabgabe werden Eignungsnachweise gemäß § 7a Abs. 3 VOL/A verlangt. Im Angebot heißt es unter 1.2

Vertragsbestandteile... . Andere etwaige Allgemeine Geschäftsbedingungen sind unzulässig. Soweit ein Angebot auf der Grundlage eigener Geschäftsbedingungen abgegeben wird, ist dieses aus Gründen des Chancengleichheit aus der Wertung ausgeschlossen (Hervorhebung wie im Original).

Die Antragstellerin trägt vor, dass sie in Zusammenarbeit mit 36 weiteren privaten Zustellpartnern 60 % des gesamten Bundesgebietes abdecken könne. Ein flächendeckendes Angebot von Postdienstleistungen für das gesamte Bundesgebiet gelinge ihr – wie anderen Wettbewerbern auch – nur dann, wenn sie auch der Deutschen Post AG Sendungen des Auftraggebers für Gebiete überlassen, in denen weder sie selbst noch ein Partnerunternehmen präsent sei. Die Deutsche Post AG sei zur Zustellung dieser Poststücke verpflichtet. Die Deutsche Post AG wird in einem solchen Fall auf der Basis ihrer AGB nicht als Nachunternehmer für die Antragstellerin tätig, sondern erbringt die Leistung für den Absender. Die Antragstellerin tritt in diesen Fällen nicht als Vertragspartner der Deutschen Post AG auf, sondern fungiert – nach ihrem Vortrag – als Bote. Der Antragsgegner hat im Senatstermin erklärt, dass rund 90 % seiner Postsendungen innerhalb von Sachsen-Anhalt versandt werden.

Mit Schreiben vom 19.10.2009 (Bl. 51 – 55 BA) bat die Antragstellerin um Klärung verschiedener Fragen betreffend die in Punkt 4 des Aufforderungsschreibens genannten Bankerklärungen sowie der geforderten Leistungsnachweise der Mitarbeiter. Die Antragstellerin weist in diesem Schreiben (unter 4.) hinsichtlich der geforderten Nachunternehmererklärungen darauf hin, dass sie sich zum flächendeckenden Versand der Deutschen Post AG bedienen müsse. Weiter heißt es: Wir bitten um Bestätigung darüber, dass hinsichtlich dieses Unternehmens das Nachunternehmerverzeichnis nicht ausgefüllt werden muss. In dem Schreiben werden verschiedene Rügen gemäß § 107 Abs.3 Nr.1 GWB erhoben, denen der Antragsgegner später – teilweise – abgeholfen hat. Der Antragsgegner antwortete mit Schreiben vom 26.10.2009 (Bl. 56/57 BA – bei der Antragsgegnerin am 28.10.2009 eingegangen) in dem es u.a. heißt:

Die zum Nachweis der Eignung vorzulegenden Unterlagen nach Nr. 4 der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots sind auch für alle Nachunternehmer vorzulegen.

Mit Schreiben vom 30.10.2009 (Bl. 58 BA) bat die Antragstellerin – u.a. – um Beantwortung der von ihr im Schreiben vom 19.10.2009 (unter 4.) gestellten Frage hinsichtlich der Beteiligung der Deutschen Post AG. Mit Schreiben vom 6.11.2009 rügte die Antragstellerin, dass der Antragsgegner abweichend von III.2.1 der Bekanntmachung im Schreiben vom 26.10.2009 hinsichtlich der Eignungsnachweise für Nachunternehmer nachträglich zusätzliche Anforderungen gestellt habe. Mit Datum vom 4.11.2009 (Bl. 61/62 BA – bei der Antragstellerin am 9.11.2009 eingegangen -) richtete der Antragsgegner ein weiteres Schreiben an die Antragstellerin in dem es u.a. heißt:

Ein Universalanbieter kann als Nachunternehmer fungieren, wenn er nicht im Auftrag des Auftraggebers, sondern im Auftrag des Auftragnehmers tätig wird (...). Wird beabsichtigt, Universalanbieter als Nachunternehmer einzusetzen, ist auch deren Eignung durch den Bieter nachzuweisen. Sollen Leistungen nach § 51 Abs. 1 Nr. 5 Postgesetz als Konsolidierer angeboten werden (...) ist dies nicht Gegenstand der Ausschreibung. Nebenangebote sind nicht zugelassen.

Mit weiterem Schreiben vom 9.11.2009 (Bl. 63 BA) bestritt der Antragsgegner, mit seinem Schreiben vom 26.10.2009 weitere Anforderungen gestellt zu haben. Die Antragstellerin hat mit Schreiben vom 12.11.2009 (Bl. 65 BA) weitere Rügen – insbesondere gegen das Transparenz- und das Diskriminierungsverbot erhoben, denen der Antragsteller nicht abgeholfen hat (Bl. 64 BA). Mit Schriftsatz vom 12.11.2009 hat die Antragstellerin bei der Vergabekammer einen Antrag auf Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens gestellt.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag teilweise als unzulässig verworfen und im übrigen als unbegründet zurückgewiesen:

Soweit die Antragstellerin vorbringe, dass der Antragsgegner in seinem Schreiben vom 26.10.2009 gegenüber der Bekanntmachung in vergaberechtswidriger Weise erweiternde Anforderungen an den Eignungsnachweis für Nachunternehmer gestellt habe, sei sie gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB präkludiert. Die Rüge im Schreiben vom 6.11.2009 sei nicht mehr unverzüglich erfolgt. Der Inhalt des Schreibens vom 26.10.2009 sei unmissverständlich hinsichtlich der Eignungsnachweise für Nachunternehmer. Die Kenntnis dieses Anforderungsprofils sei gleichzusetzen mit der Kenntnis von der vermeintlichen Rechtswidrigkeit der erweiterten Aufforderungen. Der Antragstellerin habe sich im Hinblick auf den eindeutigen Inhalt des Schreibens das vergaberechtswidrige Verhalten der Antragsgegnerseite geradezu aufdrängen müssen, sodass es der Konsultation eines Rechtsanwalts vor Erhebung einer Rüge nicht bedurft hätte. Vor diesem Hintergrund sei ein Untätigbleiben von 8 Tagen nicht mehr unverzüglich.

Im übrigen sei der Nachprüfungsantrag unbegründet: Die Antragstellerin werde durch das vom Antragsgegner für verbindlich erachtete Anforderungsprofil einer Leistungserbringung durch den jeweiligen Bieter nicht in ihren Rechten i.S.v. § 97 Abs. 7 GWB verletzt. Das Erfordernis der Leistungserbringung durch den Bieter komme in III.2.3 der Bekanntmachung hinreichend transparent zum Ausdruck. Die ausgeschriebene Leistung könne nur von einem Bieter anforderungsgemäß erbracht werden, wenn ihm die Leistungserbringung rechtlich zuzurechnen sei. Es könne daher kein Bieter sein, der die Postsendung auf der Grundlage der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Deutschen Post AG diesem Unternehmen zur eigenverantwortlichen Beförderung übergeben müsse. Das Erfordernis der rechtlichen Zurechnung der Leistungserbringung verstoße auch nicht gegen den Grundsatz des freien Wettbewerbs. Es liege auch kein Verstoß § 5 VOL/A vor, weil keine Aufteilung in Regionallose vorgenommen worden sei. Dem Vergabevermerk des Antragsgegners könne entnommen werden, dass auf die Aufteilung in Regionallose verzichtet worden sei, weil sich dies in der Vergangenheit nicht bewährt habe. Die Sortierung der Post sowie die Abrechnungskontrolle gegenüber verschiedenen Anbietern hätten zu erheblichem nicht mehr leistbaren Mehraufwand für den Antragsgegner geführt. Damit habe der Antragsgegner sein Ermessen nachvollziehbar ausgeübt. Ein Verstoß gegen § 97 Abs. 7 GWB liege auch nicht hinsichtlich der unter 4. des Aufforderungsschreibens geforderten Nachweise der Bankbestätigungen und der beruflichen Qualifikationen der Mitarbeiter vor. Die entsprechenden Fragen aus dem Schreiben der Antragstellerin vom 19.120.2009 habe der Antragsgegner mit seinem Schreiben vom 4.11.2009 hinreichend beantwortet.

Gegen diesen Beschluss der Vergabekammer wendet sich die Antragstellerin mit der sofortigen Beschwerde:

Sie beanstandet, dass die Vergabekammer ihre Rügen aus dem Schreiben vom 6.11.2009 als verspätet ausgeschlossen habe. Der Antragsgegner habe in seinem Schreiben vom 26.10.2009 in Abänderung der ursprünglichen Vorgabe die Vorlage sämtlicher Eignungsnachweise in Bezug auf Nachunternehmer verlangt. Die dagegen gerichtete Rüge sei unverzüglich erhoben worden. Das Schreiben des Antragsgegners sei am 28.10.2009 bei der Antragstellerin eingegangen. Am 29.10.2009 habe sie das Schreiben an ihre Prozessbevollmächtigten weitergegeben. Dort habe am 30.10.2009 eine Prüfung stattgefunden. Am 2.11.2009 habe erst eine Besprechung stattfinden können, die dann zu dem Schreiben vom 6.11.2009 geführt habe. Die Antragstellerin verweist in diesem Zusammenhang auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 28.1.2010 (Rs C-406/08).

Die Antragsstellerin rügt weiter, dass sie weder aus der Bekanntmachung noch aus sonstigen Äußerungen habe erkennen können, dass ein Einsatz der Deutschen Post AG untersagt sei.

Rechtsirrig sei die Vergabekammer zudem davon ausgegangen, dass durch die unterbliebene Aufteilung in Regionallose kein Verstoß gegen das Gebot der Mittelstandsförderung vorliege. Im Zusammenhang mit einem Verbot der Einschaltung der Deutschen Post AG sei – abgesehen von diesem Unternehmen – kein Unternehmen in der Lage, den vorliegenden Dienstleistungsauftrag auszuführen. Der Antragsgegner sei verpflichtet, ausdrücklich zu dokumentieren, warum eine Losbildung unterblieben sei. Der Antragsgegner habe dazu nichts vorgetragen, sodass nicht nachvollziehbar sei, wie die Vergabekammer zu ihren Feststellungen gelangt sei.

Letztlich liege auch ein Verstoß gegen das Transparenzgebot vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Beschwerdebegründung vom 22.10.2010 (Bl. 38 – 52) und des Schriftsatzes vom 27.4.2010 (Bl. 90 – 93).

Die Antragstellerin beantragt,

1. Den Beschluss der Vergabekammer Sachsen-Anhalt vom 1.2.2010 – 1 VK LVwA 63/09 – aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, das Vergabeverfahren „deutschlandweiter Versand von Briefen und deutschlandweiter Postzustellungsversand“ (Vergabenummer 86/09) gemäß der Veröffentlichung im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union 2009/S. 194-2 791 15 in den Stand vor Übersendung der Ausschreibungsunterlagen zurückzuversetzen und im Falle der fortbestehenden Beschaffungsabsicht die Ausschreibungsunterlagen entsprechend der Rechtsauffassung der Vergabekammer und unter Berücksichtigung ihrer Bietermitteilung vom 26.10.2009 einheitlich für alle Bieter zu überarbeiten;

2. Dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer sowie die des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen;

3. auszusprechen, dass die Hinzuziehung der Bevollmächtigten der Antragsstellerin im Verfahren vor der Vergabekammer notwendig war.

Der Antragsgegner beantragt, die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt die Entscheidung der Vergabekammer. Die von der Beschwerde zitierte Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs sei nicht einschlägig. Die vom Gerichtshof gerügte britische Vorschrift sei mit § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB nicht vergleichbar. Bei Öffnung des Angebotes der Antragstellerin habe festgestellt werden können, dass sie für Zustellungen im südlichen Sachsen-Anhalt einen Nachunternehmer einsetzen und den Auftrag im übrigen Bundesgebiet außerhalb von Sachsen-Anhalt ausschließlich über die Deutsche Post AG abwickeln wolle. Dies widerspreche der Behauptung der Antragstellerin mit 36 Partnern Zustellungen in 60 % des Bundesgebietes erbringen zu können.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Beschwerdeerwiderung 9.3.2010 (Bl. 81 – 84).


II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 116 Abs. 1 GWB), insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 117 GWB).

Das Rechtsmittel hat Erfolg. Der Inhalt der erfolgten Ausschreibung verletzt die Antragstellerin in ihren Rechten (§ 97 Abs. 7 GWB). Der Rechtsverstoß kann nur dadurch beseitigt werden, dass das Vergabeverfahren in Gänze aufgehoben wird:

Einen öffentlichen Auftraggeber trifft die Pflicht, seinen Willen, Aufträge zu vergeben, öffentlich bekannt und transparent zu machen. Er darf dabei keine Bieter diskriminieren (§ 97 GWB). Mit diesem Ansatz ist es nicht zu vereinbaren, wenn die Ausschreibung von Anfang an so angelegt ist, dass letztlich nur ein Bieter die Kriterien erfüllen kann. Unstreitig ist, dass kein Postdienst¬leister in Deutschland einen flächendecken Zustelldienst (für die ausgeschriebenen Lose 1 und 2) gewährleisten kann, ohne auf die Leistungen der Deutschen Post AG zurückgreifen zu müssen. Für den konkreten Fall hat die Antragstellerin eingeräumt, auch bei Einschaltung von Nachunternehmern die ausgeschriebenen Leistungen in rund 40 % des Bundesgebietes nicht selbst erbringen zu können. In diesem restlichen Gebiet ist sie auf die Leistungen der Deutschen Post AG angewiesen.

Nach 1.2 des Angebots (als Teil der Verdingungsunterlagen) hat der Antragsgegner verbindlich vorgegeben, dass andere Allgemeine Geschäftsbedingungen unzulässig sind und ein Angebot, das auf der Grundlage eigener Geschäftsbedingungen abgegeben wird, von der Wertung ausge¬schlossen wird (der Hinweis auf die Ausschlussfolge wird dabei drucktechnisch hervorgehoben).

Die Antragsgegnerin hat die ausgeschriebene Leistung lediglich in zwei deutschlandweite Lose aufgeteilt. Eine stärkere Stückelung in Regionallose ist rein tatsächlich unterblieben. Diese beiden Gesichtspunkte in ihrer Kombination bedeuten bei den tatsächlich herrschenden Marktbedingungen für Postdienstleistungen, dass abgesehen von der Deutschen Post AG (und eventuell deren Tochterunternehmen) kein Wettbewerber in der Lage ist, die Verdingungsbedingungen zu erfüllen. Sämtliche Wettbewerber der Deutschen Post AG sind (bezogen auf den Zeitpunkt dieser Entscheidung) unstreitig zur deutschlandweit flächendeckenden Leistung nur dann in der Lage, wenn sie die Leistungen der Deutschen Post AG in Anspruch nehmen. Dazu ist die Deutsche Post AG zwar verpflichtet. 1.2 des Angebots lässt die Inanspruchnahme dieser Leistungen aber nicht zu. Es kann dahinstehen, ob die Verdingungsbedingungen generell die Einschaltung der Deutschen Post AG verbieten (was dann, wenn sich die Deutsche Post AG bereit finden würde, für einen Bieter als Nachunternehmer tätig zu werden, wohl nicht angenommen werden könnte). Die Deutsche Post AG ist zwar – wie ausgeführt - rechtlich verpflichtet, Einlieferungen der Antragstellerin zu befördern. Die Deutsche Post AG erbringt die Beförderungsleistung in diesem Fall dann aber auf der Grundlage ihrer eigenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Diese AGB sehen vor, dass sie die Leistung – ebenfalls unstreitig – nicht für den Einleger (= Antragstellerin), sondern für den Absender (= Antragsgegner) erbringt. Das Vertragsverhältnis kommt daher hinsichtlich dieser Sendungen nicht zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner zustande, sondern zwischen dem Antragsgegner und der Deutschen Post AG, deren Allgemeinen Geschäftsbedingungen er sich damit gleichzeitig unterwerfen muss. Dies ist mit 1.2. des Angebots eindeutig nicht vereinbar. Der Senat hält zwar ausdrücklich an seiner Ansicht fest (Senat Beschluss vom 2.7.2009 – 1 Verg 2/09 – [OLGR Naumburg 2009, 873]; hier: zitiert nach juris [insbesondere Rn. 58]), dass ein Angebot, das 1.2 widerspricht, grundsätzlich nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. d i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 4 VOL/A ausgeschlossen werden kann. Ein Auftraggeber muss sich von einem Bieter nicht gegen seinen Willen in ein Vertragsverhältnis mit einem Dritten (Deutsche Post AG) drängen lassen. Dies kann aber nur dann gelten, wenn auch bei Beachtung dieses Verbots, andere Anbieter als die Deutsche Post AG ein grundsätzlich zuschlagsfähiges Angebot abgeben können. Wird durch 1.2 des Angebots die Beteiligung der Deutschen Post AG für einen Bieter unmöglich, müssen die Vergabebedingungen im übrigen so gestaltet sein, dass ein Angebot noch möglich ist.

§ 5 Nr.1 VOL/A sieht beispielsweise ausdrücklich vor, dass der Auftraggeber die Zerlegung in solche Lose zu erwägen hat, die es auch kleinen und mittleren Unternehmen gestattet, sich an der Ausschreibung zu beteiligen. Das heißt für den vorliegenden Fall (z.B.), Regionallose zu bilden, die es Wettbewerbern der Deutschen Post AG ermöglichen, ohne deren Beteiligung zuschlagsfähige Angebote abzugeben. § 5 Nr. 1 S. 1 VOL/A unterstellt die losweise Vergabe dem Ermessen des öffentlichen Auftraggebers („zweckmäßig“). Bei der Abwägung der für und gegen eine Losvergabe sprechenden Gesichtspunkte darf sich der Auftraggeber für eine Gesamtvergabe entscheiden, wenn dafür anerkennenswerte, und überwiegende Gründe festzustellen sind. Solche Gründe können vielgestaltiger, insbesondere wirtschaftlicher und technischer Natur sein. Sie rechtfertigen einen Verzicht auf eine Losaufteilung, wenn die damit für den Auftraggeber verbundenen Nachteile bei vertretbarer prognostischer, d.h. auf den Zeitraum der Auftragserfüllung bezogener Sicht, überwiegen. Demgegenüber dient eine Losvergabe nicht dem Zweck einen bestimmten Markt, erst recht bestimmte Anbieter, zu bedienen. Vorderstes Ziel des Vergaberechts ist, dem öffentlichen Auftraggeber zur Deckung seines Bedarfs einen wirtschaftlichen und rationalen Einkauf zu ermöglichen (OLG Düsseldorf Beschluss vom 22.10.2009 – VII-Verg 25/09 – [IBR 2009, 733]; hier: zitiert nach juris, Rn. 27).

Um Missverständnissen vorzubeugen: Der Senat beabsichtigt nicht, Auftraggebern von Postdienstleistungen ein konkretes Verfahren vorzugeben. Ein Auftraggeber ist im Hinblick auf das ihm von § 5 Nr.1 VOL/A eingeräumte Ermessen nicht in jedem Fall verpflichtet, derartige Lose zu bilden, er kann über die Verdingungsbedingungen auch – beschränkt – zulassen, dass sich Bieter der Dienste der Deutschen Post AG bedienen dürfen. Insoweit stellt es dann, wenn 90 % der Postsendungen innerhalb von Sachsen-Anhalt versandt werden, eine naheliegende Variante dar, für das restliche Bundesgebiet die Dienste der Deutschen Post AG zuzulassen. Was der Auftraggeber vergaberechtlich nicht darf ist, über die Kombination verschiedener Kriterien Wettbewerb überhaupt auszuschließen, weil nur noch ein Anbieter rein tatsächlich in der Lage ist, diese Kombinationskriterien überhaupt zu erfüllen. Will der Auftraggeber die Beteiligung der Deutschen Post AG unterbinden, weil es sich nicht deren AGB unterwerfen will oder will er keine Regionallose bilden, dann muss über andere „Stellschrauben“ im Vergabeverfahren dafür Sorge tragen, dass es überhaupt Wettbewerb geben kann.

Der Senat braucht letztlich nicht zu entscheiden, ob es überhaupt Gründe geben kann, die es einem Auftraggeber erlauben, von dem vorgenannten Ansatz abzuweichen. Der Antragsgegner hat jedenfalls keine solchen Gründe dargelegt, es sind auch sonst keine ersichtlich. Die Vergabekammer hat unter Hinweis auf den Vergabevermerk berücksichtigt:

- Aufteilung in Regionallose bewusst unterblieben, weil sich dies in der Vergangenheit nicht bewährt hat

- Die Sortierung der Post sowie die Kontrolle der Rechnungslegung der verschiedenen Anbieter hätten in der Vergangenheit einen erheblichen und nun nicht mehr leistbaren Mehraufwand für den Antragsgegner bedingt.

Im Senatstermin hat der Vertreter des Antragsgegners insoweit ergänzt, dass es auch darum gegangen sei, nur einen Ansprechpartner zu haben, sich bei Problemen mit einzelnen Postsendungen nur mit dem Auftragnehmer nicht aber auch noch mit einem Dritten (= Deutsche Post AG) auseinandersetzen zu müssen. Diese Gründe sind zwar grundsätzlich nachvollziehbar, aber nicht ausreichend, um Wettbewerb völlig auszuschließen. So ist im Rahmen der Erörterung unstreitig geblieben, dass es lediglich in 1 – 2 Promille aller Versendungsfälle zu Beanstandungen kommt. Dass dies einen völlig unzumutbaren Aufwand für den Antragsgegner mit sich bringen würde, der es rechtfertigen würde, Wettbewerb völlig auszuschließen, ist nicht ersichtlich.

Gleiches gilt für die Frage von Mehrbelastungen durch die behauptete Notwendigkeit der Vorsortierung der Postsendungen bei der Ausschreibung von Regionallosen. Dazu ist anzumerken, dass der Beschwerdegegner in der Beschwerdeerwiderung selbst zum Inhalt des Angebots der Antragstellerin vorgetragen hat, dass diese die Zustellung innerhalb von Sachsen-Anhalt mit einem (nach den Vergabebedingungen zulässigen) Nachunternehmer vornehmen will und sich lediglich im übrigen Bundesgebiet der Deutschen Post AG bedienen will. Rein tatsächlich erscheint daher eine Aufteilung allein in das Gebiet von Sachsen-Anhalt und das übrige Bundesgebiet ausreichend zu sein, um zuschlagsfähige andere Angebote zu bekommen. D.h.: Entweder müsste lediglich nach diesen beiden Gebieten vorsortiert werden, oder das Problem entfiele ganz, wenn für das übrige Bundesgebiet die Beteiligung der Deutschen Post AG zugelassen würde. Aber selbst wenn der Beschwerdegegner sich für die Vorsortierung entscheiden würde (weil er sich nicht den AGB der Deutschen Post AG unterwerfen will) ist für den Senat nicht hinreichend erkennbar, dass der Aufwand den tatsächlichen Ausschluss von Wettbewerb rechtfertigen könnte. Außerdem könnte er jederzeit die Vorsortierung als Leistungsinhalt mit ausschreiben, womit er das Problem eigenen Aufwands beseitigen würde.

Im Ergebnis kann somit dahinstehen, ob die von der Beschwerde vorgetragenen (und von der Vergabekammer geprüften) übrigen Vergabeverstöße vorliegen.

Die dargelegten Vergabeverstöße sind im Rahmen des laufenden Vergabeverfahrens nicht mehr heilbar. Die Bekanntmachung der Bedingungen in der Vergabebekanntmachung bindet den Antragsgegner im nachfolgenden Vergabeverfahren. Der Fehler kann also nur durch ein Zurückversetzen des Vergabeverfahrens bis zum Zeitpunkt einer erneuten Vergabebekanntmachung beseitigt werden. Dies steht in der vorliegenden Situation einer Neuausschreibung gleich (Senat Beschluss vom 3.9.2009 – 1 Verg 4/09 -).

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer beruht auf §§ 128 Abs. 3 Satz 1 und 2 GWB und § 128 Abs. 4 GWB. Der Antragsgegner ist mit seinem Sachantrag im Nachprüfungsverfahren unterlegen, die Anrufung der Nachprüfungsinstanzen durch die Antragstellerin war im Ergebnis erfolgreich. Hinsichtlich der Höhe der Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer, die sich nach dem durch die Nachprüfung verursachten personellen und sachlichen Verwaltungsaufwand bemessen (§ 128 Abs. 1 GWB), bestehen keine durchgreifenden Bedenken gegen die Berechnung der Vergabekammer. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Antragstellerin war angesichts der sachlichen und erheblichen rechtlichen Schwierigkeiten der Angelegenheit notwendig (§ 128 Abs. 4 Satz 3 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2 VwVfG LSA).

Die Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO analog.

Die Festsetzung des Kostenwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 50 Abs. 2 GKG.

Gegenstandswert:
...

gez. Dr. Zettel gez. Dr. Tiemann gez. Grimm
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