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Text des Urteils
2 U 19/10;
Verkündet am: 
 17.06.2010
OLG Oberlandesgericht
 

Naumburg
Vorinstanzen:
5 O 1934/07
Landgericht
Magdeburg;
Rechtskräftig: unbekannt!
Einzelanwalt hat ihm zumutbare Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass auch bei seiner eigenen Verhinderung unaufschiebbare Prozesshandlungen vorgenommen werden können
Leitsatz des Gerichts:
Ein Einzelanwalt hat ihm zumutbare Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass auch bei seiner eigenen Verhinderung unaufschiebbare Prozesshandlungen vorgenommen werden können. Dies umfasst eine allgemeine Anweisung an das Büropersonal, sich bei Ausfall des Anwalts um eine Übernahme unaufschiebbarer Termine durch einen vertretungsbereiten Rechtsanwalt zu bemühen.
In dem Rechtsstreit
…

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Engel, den Richter am Oberlandesgericht Manshausen und den Richter am Oberlandesgericht Wiedemann auf die mündliche Verhandlung vom 9. Juni 2010 für Recht erkannt:

Die Berufung des Klägers gegen das am 3. Februar 2010 verkündete 2. Versäumnisurteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Mageburg wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.



Gründe


A.

Von einer Darstellung der tatsächlichen Feststellungen i.S.v. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO wird nach §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.


B.

Das als Berufung auszulegende Rechtsmittel des Klägers ist zulässig, insbesondere ist es form- und fristgemäß eingelegt und begründet worden. Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht hat zu Recht ein 2. Versäumnisurteil gegen den Kläger erlassen.


I.

Die Rechtsmittelschrift des Klägers vom 18. Februar 2010 ist als Berufung auszulegen. Die abweichende Bezeichnung des Rechtsmittels ist unschädlich. Nach § 345 ZPO ist gegen ein 2. Versäumnisurteil, wie das hier angefochtene Urteil vom 3. Februar 2010, ein weiterer Einspruch nicht zulässig. Eine Überprüfung in derselben Instanz findet nicht mehr statt. Das gegen ein 2. Versäumnisurteil eröffnete Rechtsmittel ist die Berufung (§§ 511 Abs. 1, 514 Abs. 2 ZPO).

Die Berufung ist fristgerecht eingelegt worden. Zwar hat der Kläger sein Rechtsmittel beim Landgericht eingelegt. Der Eingang beim Landgericht hat die Berufungsfrist des § 517 ZPO nicht wahren können (§ 519 Abs. 1 ZPO). Die Rechtsmittelschrift ist jedoch rechtzeitig mit den Gerichtsakten beim Oberlandesgericht eingegangen.

Der Kläger hat auch die Anforderungen der §§ 514 Abs. 2, 519 Abs. 2 bis 4 ZPO erfüllt.


II.

Die Berufung des Klägers ist nicht begründet.

Bei Erlass des 2. Versäumnisurteils gegen den Kläger lagen die Voraussetzungen des § 345 ZPO vor. Der Kläger war im Termin der mündlichen Verhandlung über seinen Einspruch gegen das am 16. Juni 2008 verkündete Versäumnisurteil nicht vertreten, obwohl er ordnungsgemäß zu diesem Termin geladen worden war. Er hat auch nicht schlüssig darlegen können, dass seine Säumnis im Termin vom 27. Januar 2010 unverschuldet war, insbesondere dass sein Prozessbevollmächtigter unverschuldet daran gehindert war, die Vertretung des Klägers im Termin sicherzustellen. Dem Kläger ist das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen.

1. Allerdings geht der Senat davon aus, dass die Verhinderung des Prozessbevollmächtigten des Klägers selbst schlüssig dargelegt ist.

Die behauptete Havarie der Heizungsanlage im Wohnhaus des Prozessbevollmächtigten des Klägers bei gerichtsbekannt starken Frosttemperaturen führte, soweit sie vorgelegen hat, zu dessen Verhinderung am Erscheinen im Termin. Der Kläger hat insoweit dargelegt, dass sich sein Prozessbevollmächtigter um eine Übertragung der Notmaßnahmen zur Schadensbegrenzung, insbesondere der Aufrechterhaltung des Frostschutzes für Haus und Heizungsanlage, auf einen technischen Notdienst oder auf Verwandte und Bekannte seines Vertrauens erfolglos bemüht habe. Entgegen der Auffassung des Landgerichts war er nicht verpflichtet, auf Mitarbeiter seiner Kanzlei für diese private Angelegenheit zurückzugreifen, wie auch diese grundsätzlich nicht verpflichtet gewesen wären, private Geschäfte ihres Dienstherren zu besorgen.

2. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat dessen Säumnis im Termin aber deshalb zu vertreten, weil er es unterlassen hat, in seiner Kanzlei Vorkehrungen für den Fall seiner plötzlichen Verhinderung zu treffen, um zu gewährleisten, dass selbst dann Notfristen und wichtige Termine gewahrt werden.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, der sich der Senat anschließt, hat insbesondere ein Einzelanwalt die ihm zumutbaren Maßnahmen zu treffen, die sicherstellen, dass in einem Notfall unaufschiebbare Prozesshandlungen vorgenommen werden können (vgl. BGH, Beschluss v. 6. März 1990, VI ZB 4/90 – VersR 1990, 1026; Beschluss v. 2. Februar 1994, XII ZB 175/93 – VersR 1994, 1207; Bechluss v. 17. März 2005, IX ZB 74/04 – zitiert nach juris, m.w.N.).

Dies umfasst auch die Vorsorge für den Fall, dass der Anwalt selbst bei Vorliegen des Notfalls keine Einzelanweisungen mehr geben kann. Mit anderen Worten: Das Büropersonal muss allgemein angewiesen sein, sich um eine Übernahme unaufschiebbarer Termine durch einen vertretungsbereiten Rechtsanwalt zu bemühen. Die Vorsorgepflicht unterscheidet sich von der gesetzlichen Verpflichtung zur Bestellung eines offiziellen ständigen Vertreters (§ 53 Abs. 1 BRAO), die erst bei voraussichtlich längeren Verhinderungszeiträumen begründet ist.

b) Der Prozessbevollmächtigte des Klägers war, wie er im Termin der mündlichen Verhandlung des Senats im Rahmen der Erörterung dieser Frage bekräftigt hat, Einzelanwalt.

Im Januar 2010 existierte nach seinen eigenen Angaben keinerlei allgemeine Anweisung für die Büromitarbeiter über Verhaltensmaßregeln bei seiner plötzlichen, unerwarteten Verhinderung und auch keine allgemeine Vertretungsabrede mit einer Kollegin bzw. einem Kollegen. Die konkreten Anweisungen des Prozessbevollmächtigten des Klägers am Terminstag beschränkten sich darauf, dem Gericht und eventuell auch der Prozessbevollmächtigten der Beklagten Nachricht von seiner Verhinderung zu geben. Sie umfassten jedoch keine Maßnahmen zur Sicherstellung der Vertretung des Klägers in diesem Termin. Die getroffenen Anordnungen waren nicht ausreichend. Unter diesen Umständen war nicht gewährleistet, dass prozessual zulässige und für den Kläger im Ergebnis nachteilige Verfahrenshandlungen der Beklagten und des Gerichts unterblieben.

c) Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat auch zu vertreten, dass seine Vorkehrungen für seine unerwartete Verhinderung sowie seine Einzelanweisungen an sein Personal am Morgen des 27. Januar 2010, des Terminstages, unzureichend waren.

Er hätte die vorausgeführten rechtliche Anforderungen kennen und in seiner Tätigkeit und Büroorganisation beachten müssen. Dies gilt hier umso mehr, weil der Prozessbevollmächtigte des Klägers gerade in dem vorliegenden Rechtsstreit schon einmal in eine vergleichbare Notsituation geraten war. Er war bereits im ursprünglichen Termin zur mündlichen Verhandlung über den Einspruch am 12. August 2009 säumig gewesen; auch in diesem Termin war von der Beklagten bereits ein Antrag auf Erlass eines zweiten Versäumnisurteils gestellt worden. Auch wenn der Antrag letztlich abgewiesen worden war und das Gericht die – damals auch nachgewiesenen – Hinderungsgründe als ausreichend anerkannt hatte, stellte dieses Geschehen einen deutlichen Hinweis darauf dar, dass allgemeine Vorkehrungen für Verhinderungsfälle zu treffen waren.


C.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 26 Nr. 8 EGZPO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1, 713 sowie 543, 544 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

gez. Dr. Engel gez. Manshausen gez. Wiedemann
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