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Text des Urteils
5 U 23/10;
Verkündet am: 
 02.06.2010
OLG Oberlandesgericht
 

Naumburg
Vorinstanzen:
4 O 305/09
Landgericht
Dessau-Roßlau;
Rechtskräftig: unbekannt!
Befriedigt der Drittschuldner den Gläubiger auf Grund eines offen gelegten verlängerten Eigentumsvorbehalts aus der Schlussrechnungssumme, so führen vorausgegangene Abschläge an den Insolvenzschuldner nicht über § 366 BGB zu einer Gläubigerbenachteiligung
Leitsatz des Gerichts:
1. Befriedigt der Drittschuldner den Gläubiger auf Grund eines nunmehr offen gelegten verlängerten Eigentumsvorbehalts aus der Schlussrechnungssumme, so führen vorausgegangene Abschläge an den Insolvenzschuldner nicht über § 366 Abs. 2 BGB zu einer (teilweisen) Gläubigerbenachteiligung, wenn der Drittschuldner mit der Leistung eine (schlüssige) Tilgungsbestimmung trifft.

2. Auch die Tilgungsbestimmung benachteiligt die Insolvenzgläubiger nicht.
In dem Rechtsstreit
…

hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom 2. Juni 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Braun, des Richters am Oberlandesgericht Krause sowie der Richterin am Landgericht Bode für Recht erkannt:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 8. Februar 2010 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Dessau-Roßlau wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten ihres Rechtsmittels.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert der Berufungsinstanz wird auf 9.468,75 EUR festgesetzt.



Gründe:

Von der Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1, 543 Abs. 1, 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO abgesehen.


I.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Urteil des Landgerichts beruht auf keiner Rechtsverletzung i.S.v. § 513 Abs. 1 ZPO. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückgewähr aus § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO. Im Zusammenhang mit der Zahlung von 13.593,43 EUR der P. (Drittschuldnerin) an die Beklagte hat die Klägerin keine Rechtshandlung wirksam angefochten (1.). Der Klägerin steht daher auch der Anspruch auf Ersatz ihrer vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten nicht zu, zumal sie mit dem Auftrag zum außergerichtlichen Forderungseinzug und der hierdurch verursachten anwaltlichen Geschäftsgebühr nebst Auslagen und Umsatzsteuer gegen § 254 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BGB verstieß (2.).

Das Landgericht hat ausgeführt, die an die Beklagte geflossene Zahlung gehe nicht auf die Abtretung vom 17. März 2008 zurück, da sich die Forderungsübertragung auf die Rechnung mit der Nummer 06-90-245 und nicht auf die Schlussrechnung 06-90-243 beziehe, was besonders dadurch unterstrichen werde, dass die Schlussrechnung zum Zeitpunkt der Abtretung noch nicht erstellt gewesen sei. Aber selbst wenn sich die Abtretung auf die Schlussrechnung beziehe, greife die Anfechtung nicht durch. Auf Grund des verlängerten Eigentumsvorbehalts habe die Beklagte Ansprüche gegen die Drittschuldnerin erworben. Rechtsgrund für die Zahlung seien die zum Zeitpunkt der Lieferung im Jahre 2007 außerhalb des anfechtungsrelevanten Zeitraums erfolgten Vorausabtretungen. Die Zahlung habe daher das Vermögen der Schuldnerin nicht gemindert und es sei keine Gläubigerbenachteiligung eingetreten. Alle Baumaterialien habe die Beklagte unter verlängertem Eigentumsvorbehalt geliefert. Insofern könne dahinstehen, in welchem Gebäude das Material verbaut worden sei. Die Drittschuldnerin habe direkt an die Beklagte gezahlt. Auf eine verhältnismäßige Tilgung durch die Abschlagszahlungen der Drittschuldnerin komme es nicht an.

1. Der Berufung ist zuzugeben, dass sich das Landgericht danach mit dem Hauptargument der Klägerin nicht in dem durch Art. 103 Abs. 1 GG gebotenen Maß auseinandergesetzt hat.

Hierauf beruht die angefochtene Entscheidung allerdings im Ergebnis nicht. Entgegen der Auffassung der Klägerin haben die Abschläge der Drittschuldnerin die auf die Beklagte kraft verlängerten Eigentumsvorbehalts übergegangenen Forderungen unberührt gelassen (a). Die Werklohnansprüche der Insolvenzschuldnerin gingen auch dann insolvenzfest auf die Beklagte über, wenn das von ihr gelieferte Material teilweise im Gebäude 0123 und damit in einem anderen, als dem am 23. April 2008 abgerechneten Bauvorhaben der Drittschuldnerin Verwendung fand (b).

a) Gegenstand der Anfechtung der Klägerin ist die Erklärung der Insolvenzschuldnerin vom 17. März 2008 (Anlage K3).

Diese fasst die Klägerin als Abtretung auf, was auch die Beklagte so zu sehen scheint. Zweifel an dieser Sicht der Parteien ergeben sich aus der Anlage K3 selbst. Das damals verwendete Formular ist ausdrücklich mit „Abtretungsanzeige“ überschrieben. Der unstreitige und bis dahin nicht offenbarte Eigentumsvorbehalt spricht dafür, dass die Insolvenzschuldnerin und die Beklagte genau diese Anzeige an die Drittschuldnerin - verbunden mit der notwendigen Freigabeerklärung der Beklagten - im Auge und keine erneute, ins Leere gehende und sich in der Insolvenz gerade nicht bewährende Abtretung beabsichtigt hatten. Abschließend klären muss der Senat das nicht. Selbst wenn die Schuldnerin ihre Werklohnforderung am 17. März 2008 an die Beklagte abtrat, kann die Klägerin das Rechtsgeschäft nicht anfechten. Es fehlt an einer Gläubigerbenachteiligung.

Eine Abtretung ist mit keiner Gläubigerbenachteiligung verbunden, wenn dem Zessionar die übertragene Forderung sowieso bereits auf Grund eines verlängerten Eigentumsvorbehalts zustand. Die Abtretung geht in diesem Fall ins Leere (BGH NZI 2000, 364) und der Übergang der aus der Weiterveräußerung durch Verarbeitung oder Verbindung mit einem Grundstück stammenden Forderungen der Schuldnerin auf den Sicherungsnehmer führte lediglich zu einem Tausch der Sicherheiten, der die Insolvenzgläubiger - selbst wenn die abgetretene Forderung in kritischer Phase zur Entstehung gelangte - nicht benachteiligt, weil das gelieferte Material zu keinem Zeitpunkt in das Vermögen der Insolvenzschuldnerin gelangte (BGH NJW 1975, 1226, 1227; NZI 2000, 364, 365). Das hat zur Folge, dass auch die Zahlung der Drittschuldnerin an die Beklagte nicht der Anfechtung unterliegt. Die Beklagte erhielt mit dem Geld das, worauf sie nach dem anfechtungsfrei erworbenen Recht einen Anspruch hatte (§§ 51 Nr. 1, 50 Abs. 1 InsO; BGH NJW-RR 2000, 1215 m.w.N.).

Die Vereinbarung eines verlängerten Eigentumsvorbehalts ist im kaufmännischen Verkehr auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen möglich und wirksam (BGH NJW 1975, 1226; 1985, 1836, 1837; NZI 2000, 364, 365; Ganter, in: MünchKomm.-InsO, 2. Aufl. 2007, § 47 Rn. 122, 130). Die Bestimmbarkeit der im Voraus abgetretenen Forderung wird beispielsweise durch eine Orientierung am Wert der unter Eigentumsvorbehalt erfolgten Lieferung gewährleistet (BGH NZI 2000, 364, 365 m.w.N.). Nach der hier vereinbarten Klausel der Beklagten gingen die Werklohnforderungen der Schuldnerin sogar vollständig auf die Beklagte über. Bestimmbarkeitsprobleme stellten sich sonach von Anfang an nicht (BGH NJW 1995, 2553; Ganter, § 47 Rn. 133). Soweit eine Knebelung oder Übersicherung und damit über § 138 BGB die Nichtigkeit oder über § 307 BGB die Unwirksamkeit drohten (vgl. Munz BauR 2003, 621, 623), verhinderte dies die Freigabeklausel (BGH NJW 1985, 1836, 1837).

Entgegen der Auffassung der Klägerin fand mit den Abschlagszahlungen der Drittschuldnerin für das Bauvorhaben „Sanierung Gebäude 2456.7/Areal A“ keine verhältnismäßige Tilgung der auf die Beklagte übergegangenen Forderungen nach § 366 Abs. 2 BGB (vgl. BGH NJW 1991, 2629, 2630; Munz BauR 2003, 621, 625; FK-InsO/ Imberger, 5. Aufl., § 51 Rn. 26; Braun/Bäuerle, InsO, 4. Aufl., § 51 Rn. 23) statt.

Zum einen steht dem die konkrete Ausgestaltung des verlängerten Eigentumsvorbehalts in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten entgegen. § 366 BGB kommt im Falle des Eigentumsvorbehalts nur dann zur Anwendung, wenn die Vorausabtretung zur Folge hat, dass die Forderung gleichrangig verschiedenen Gläubigern zusteht (§ 366 Abs. 1 BGB; BGHZ 47, 168, 170 f.). Die Beklagte ließ sich indes alle Forderungen der Insolvenzschuldnerin in vollem Umfang abtreten. Mit den Abschlägen erloschen danach stets der Beklagten zustehende Forderungen und die Sicherheit beschränkte sich mangels Freigabe auf die übrig gebliebenen Werklohnansprüche.

Zum anderen eröffnet erst das Fehlen einer Tilgungsbestimmung die Anwendung des § 366 Abs. 2 BGB (BGH NJW 2006, 2845, 2847) und die Drittschuldnerin hat eine solche Tilgungsbestimmung getroffen. Kannte der Schuldner den verlängerten Eigentumsvorbehalt nicht, so darf er nach Offenlegung der Sicherungsabtretung analog § 366 Abs. 1 BGB unverzüglich eine nachträgliche Tilgungsbestimmung treffen (BGH NJW 2006, 2845, 2846 f.; 2008, 985, 986; Wenzel, in: MünchKomm.-BGB, 5. Aufl. 2006, § 366 Rn. 3; Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl. 2010, § 366 Rn. 4; Jauernig/ Stürner, BGB, 13. Aufl. 2009, § 366 Rn. 2). Das hat die Drittschuldnerin am 17. März 2008 und nachfolgend mit der Leistung an die Beklagte getan. Die Tilgungsbestimmung muss nicht immer ausdrücklich erfolgen. Für sie genügt es, wenn der Schuldner den geschuldeten Betrag zahlt (BGH NJW 1991, 2629, 2630; 2001, 3781, 3782; 2008, 3438, 3439). So überwies die Drittschuldnerin am 04. Juni 2008 von der Werklohnforderung der Insolvenzschuldnerin an die Beklagte 13.593,43 EUR der Schlussrechnungssumme. Zuvor hatte die Drittschuldnerin am 17. März 2008 die Offenlegung der Abtretung und damit die Forderung der Beklagten auch insoweit bestätigt (vgl. Anlage K4), als auf die Forderung der Beklagten noch nichts gezahlt war. Damit war zum Ausdruck gebracht, dass die vorausgegangenen Zahlungen der Drittschuldnerin die Forderung der Beklagten in diesem Umfang nicht beeinträchtigten.

Das geschah unverzüglich i.S.v. § 121 Abs. 1 BGB. Ohne schuldhaftes Zögern erfolgt die Tilgungsbestimmung innerhalb einer nach den Umständen des Einzelfalls zu bemessenden Prüfungs- und Überlegungsfrist. Der Schuldner muss sich also so bald erklären, wie ihm dies nach den Umständen des Einzelfalls möglich und zumutbar ist (BGH NJW 2008, 985, 986). Die Drittschuldnerin hat schon nach Anzeige des Forderungsübergangs erklärt, bisher nichts auf die Forderung der Beklagten geleistet zu haben. Selbst wenn dies nicht als ausreichende Tilgungsbestimmung angesehen werden sollte, erfolgte die anschließende Zahlung an die Beklagte zu einem Zeitpunkt, als die Drittschuldnerin auf Grund der notwendigen Rechnungsprüfung noch eine Tilgungsbestimmung vornehmen konnte. Erst nach Prüfung der Schlussrechnung und Ermittlung der noch offenen Forderung der Gemeinschuldnerin konnte die Drittschuldnerin beurteilen, was zur Befriedigung der unterschiedlichen Gläubiger zur Verfügung stand und wie sie es aufteilen wollte.

Die in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom Klägervertreter geäußerte Auffassung, die Tilgungsbestimmung der Drittschuldnerin anfechten zu können, teilt der Senat nicht. Auch insoweit fehlt es an einer Gläubigerbenachteiligung i.S.v. § 129 Abs. 1 InsO. Das von der Klägerin für sich in Anspruch genommene Erlöschen sicherungsübertragener Forderungen beruht auf § 366 Abs. 2 BGB. Dessen Rechtsfolgen sind erst eröffnet, wenn die Drittschuldnerin von ihrem aus § 366 Abs. 1 BGB folgenden Recht zur nachträglichen Tilgungsbestimmung keinen Gebrauch machte (BGH JuS 2006, 1129, 1130). Die vage Aussicht hierauf ist noch keine Vermögensposition der Schuldnerin (BGH NJW 1995, 1484, 1485; NJOZ 2003, 1817, 1819).

b) Die Klägerin stützt sich zu Unrecht hilfsweise darauf, dass das von der Beklagten gelieferte Baumaterial auch für das Gebäude 0123 Verwendung fand und deshalb nicht zum Übergang von Forderungen aus der Schlussrechnung vom 23. April 2008 auf die Beklagte habe führen können.

Der Forderungsübergang vollzog sich zumindest auf der Grundlage des ebenfalls wirksam vereinbarten erweiterten Eigentumsvorbehalts der Beklagten (BGH NJW 1985, 1836, 1837; 1994, 1154 f.; Palandt/Grüneberg, § 307 Rn. 99 f.). Da die Rechnungen der Beklagten alle aus dem Jahr 2007 stammen (vgl. Bd. I Bl. 5 d. A.), gibt es für eine wirksame Anfechtung des erweiterten Eigentumsvorbehalts und insbesondere des hierauf beruhenden Forderungsübergangs (§§ 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 140 Abs. 1 InsO i.V.m. § 641 BGB) keinen Anhaltspunkt.

Eine nach § 131 InsO anfechtbare inkongruente Deckung liegt nicht vor. An ihr fehlt es, wenn der Erwerb der Forderungen in vollem Umfange auf einer bereits seit unkritischer Zeit bestehenden anfechtungsfesten Vorausabtretungsvereinbarung beruht (BGH NJW 2008, 430, 431 ff.; OLG Köln NZI 2010, 345, 348).

2. Ihre Kosten der Rechtsverfolgung kann die Klägerin danach ebenso wenig erstattet verlangen.

Die Beklagte schuldete das Geforderte nicht. Es entspricht außerdem keiner zweckentsprechenden und damit zu billigenden Rechtsverfolgung, wenn eine Rechtsanwältin als Insolvenzverwalterin nach der eindeutig ablehnenden Stellungnahme des Anfechtungsgegners noch einen Rechtsanwalt mit ihrer außergerichtlichen Vertretung beauftragt.


II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713, 543 Abs. 1, 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO.

Die Revision lässt der Senat nicht zu, weil keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen sind und weder die Fortbildung des Rechts noch die Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung die Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Der Streitwert ist nach §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 40, 43 Abs. 1, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG und § 3 ZPO festgesetzt.

gez. Braun gez. Bode gez. Krause
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