Mi, 14. Mai 2025, 19:16    |  Login:  User Passwort    Anmelden    Passwort vergessen
Arbeitsplattform NEWS URTEILE GESETZE/VO KOMMENTARE VIDEOS SITEINFO/IMPRESSUM NEWSLETTER
Achtung! Die Seite wird derzeit nicht aktualisiert. Die Inhalte sind im wesentlichen auf dem Stand 31.12.2011
Text des Beschlusses
5 VA 11/10;
Verkündet am: 
 27.05.2010
OLG Oberlandesgericht
 

Naumburg
Rechtskräftig: unbekannt!
Für den Insolvenzverwalter ein Treuhandkonto führender Bank kann das rechtliche Interesse an einer Einsicht der Insolvenzakten nicht abgesprochen werden
Leitsatz des Gerichts:
Der für den Insolvenzverwalter ein Treuhandkonto führenden Bank kann das rechtliche Interesse an einer Einsicht der Insolvenzakten nicht abgesprochen werden.
In der Justizverwaltungssache
…

hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg am 27. Mai 2010 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Braun, die Richterin am Oberlandesgericht Ewald und die Richterin am Landgericht Bode beschlossen:

Der Beschluß des Antragsgegners vom 26. April 2010 wird aufgehoben.

Der Antragsgegner hat das Akteneinsichtsgesuch der Antragstellerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senates neu zu bescheiden.

Der Geschäftswert dieses Verfahrens beträgt 3.000 Euro.



Gründe:


A.

Das Amtsgericht Stendal hat am 16. Januar 2004 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der weiteren Beteiligten zu 1. eröffnet und den Diplom-Kaufmann F. L. aus St. zum Verwalter bestellt (Geschäftsnummer 7 IN 506/03). Dieser ließ bei der Antragstellerin ein Treuhandkonto führen und übertrug ihr die Verwaltung zur Masse gehörender liquider Mittel. Die Staatsanwaltschaft verdächtigt ihn, der Antragstellerin dafür ein überhöhtes Entgelt versprochen und mit ihr vereinbart zu haben, daß ein Teil dieses Entgeltes ihm persönlich zufließen solle. Dies nahm das Amtsgericht zum Anlaß, ihn am 10. Februar 2010 aus dem Amt des Insolvenzverwalters zu entlassen und an seiner Stelle den weiteren Beteiligten zu 2. als Verwalter einzusetzen. Der weitere Beteiligte zu 2. hält den Vermögensverwaltungsvertrag für insolvenzzweckwidrig und daher für unwirksam und beabsichtigt, das bislang gezahlte Entgelt von der Antragstellerin zurückzufordern.

Die Antragstellerin hat den Antragsgegner am 15. März 2010 gebeten, in die Insolvenzakten Einsicht nehmen zu dürfen. Sie befürchtet neben dem Verlangen nach Rückzahlung des Entgeltes auch Schadensersatzforderungen und möchte aus den Akten zum Zwecke der Beurteilung der Ansprüche des weiteren Beteiligten zu 2. in Erfahrung bringen, ob der frühere Insolvenzverwalter „Zustimmungserfordernisse des § 149 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 InsO“ eingehalten habe. Der weitere Beteiligte zu 2. hat der Akteneinsicht durch die Antragstellerin widersprochen.

Durch Beschluß vom 26. April 2010 hat der Antragsgegner das Gesuch der Antragstellerin zurückgewiesen, weil ihr das erforderliche rechtliche Interesse an der Akteneinsicht fehle.

Die Entscheidung ist der Antragstellerin am 30. April 2010 zugestellt worden. Sie hat am 5. Mai 2010 bei dem Amtsgericht ein als Erinnerung bezeichnetes Rechtsmittel dagegen eingelegt, mit dem sie ihr Akteneinsichtsgesuch weiter verfolgt. Das Amtsgericht hat die Eingabe als sofortige Beschwerde angesehen und die Sache dem Landgericht Stendal zur Entscheidung vorgelegt. Von dort aus sind die Akten zuständigkeitshalber hierher weitergeleitet worden, weil es um einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit eines Justizverwaltungsaktes gehe. Seit dem 18. Mai 2010 liegen die Akten mit der Rechtsmittelschrift dem Oberlandesgericht vor.


B.

Die Erinnerung der Antragstellerin ist als Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen die Versagung der Akteneinsicht gemäß § 23 Abs. 1 und 2 EGGVG auszulegen. Benennt ein Beteiligter, wie hier die Antragstellerin, das Rechtsmittel, dessen er sich bedienen will, nicht mit dem einschlägigen gesetzlichen Begriff, beschreibt er es aber zumindest durch die Bezeichnung seines Rechtsschutzzieles und der angegriffenen Maßnahme, so ist regelmäßig anzunehmen, daß er denjenigen Rechtsbehelf wählen wollte, den die Rechtsordnung für das aus seinem Vorbringen zu ersehende Begehren bereit hält (Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., vor § 128 Rn. 192 m. w. Nachw.).

Dies ist hier der Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 23 Abs. 1 und 2 EGGVG), denn die Antragstellerin erstrebt den Erlaß eines ihr günstigen Justizverwaltungsaktes. Es geht um das Gesuch einer dritten, nicht selbst am Verfahren beteiligten Person (§§ 299 Abs. 2 ZPO, 4 InsO) um die Gewährung der Einsicht in die Insolvenzakten. Solche Anträge werden durch Verfügung einer Justizbehörde, nämlich des Vorstandes des mit dem Verfahren befaßten Gerichtes beschieden. Die Verfügung ergeht zur Regelung einer einzelnen Angelegenheit auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts einschließlich des Zivilprozeßrechts (KG Rpfleger 2008, 510). Die Antragstellerin ist Dritte im Sinne der §§ 299 Abs. 2 ZPO, 4 InsO, weil sie weder Insolvenzgläubigerin, noch anderweitig an dem Insolvenzverfahren beteiligt ist. Daß sie möglicherweise in vertraglichen Beziehungen mit dem Insolvenzverwalter steht, vermittelt ihr nicht die Stellung einer Verfahrensbeteiligten. In ihrer Rechtsmittelschrift hat sie hinreichend deutlich gemacht, daß sie die Versagung der Akteneinsicht nicht hinnehmen und ihr Gesuch mit einem förmlichen Rechtsbehelf weiter verfolgen will.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist vor Ablauf der in § 26 Abs. 1 EGGVG bestimmten Frist von einem Monat nach der Zustellung der angefochtenen Verfügung bei dem Oberlandesgericht eingegangen.

Auch im übrigen ist der Antrag zulässig. Die Antragstellerin macht geltend, in einem ihr vermeintlich zustehenden Recht auf Akteneinsicht verletzt zu sein (§ 24 Abs. 1 EGGVG). Einem förmlichen Rechtsbehelf im Verwaltungsverfahren, der zunächst ausgeschöpft werden müßte (§ 24 Abs. 2 EGGVG), unterliegt die Versagung der Akteneinsicht nicht.

Antragsgegner ist der Vorstand des Gerichts, der die Akteneinsicht gewähren soll. Dessen Beteiligtenfähigkeit folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 8 Nr. 3 FamFG. Die Verfahrensgrundsätze des FamFG sind hier heranzuziehen, weil das Verfahren nach den §§ 23 ff. EGGVG der Sache nach ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist, soweit es – wie hier – gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 EGGVG vor den Zivilsenaten stattfindet (Zöller-Lückemann, ZPO, 28. Aufl., Vorbem. §§ 23 - 30 EGGVG Rn. 1).

Der Antrag führt zur Aufhebung des Beschlusses vom 26. April 2010, denn der Antragsgegner hat zu Unrecht angenommen, daß kein rechtliches Interesse der Antragstellerin an der Akteneinsicht bestehe.

Das rechtliche Interesse des Antragstellers im Sinne des § 299 Abs. 2 ZPO setzt voraus, daß ihm zustehende Rechte durch den Akteninhalt berührt werden (BGH ZinsO 2006, 597 m. w. Nachw.). Dazu bedarf es eines rechtlichen Bezuges zwischen dem Gegenstand des Verfahrens, über das die Akten geführt werden und einem auf Rechtsnormen beruhenden gegenwärtigen Verhältnis des Antragstellers zu anderen Personen oder zu Sachen. Das Verfahren selbst oder wenigstens der ihm zugrunde liegende Sachverhalt muß für die rechtlichen Interessen des Antragstellers von konkreter Bedeutung sein (OLG Dresden ZinsO 2003, 1148; OLG Frankfurt ZinsO 2005, 1327; 2009, 740).

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Antragstellerin hat ein rechtliches Interesse daran, durch Einsichtnahme in die Insolvenzakten festzustellen, ob und ggfls. mit welchem Inhalt der Gläubigerausschuß (§ 149 Abs. 1 Satz 1 InsO), das Insolvenzgericht (§ 149 Abs. 1 Satz 2 InsO) oder die Gläubigerversammlung (§ 149 Abs. 2 InsO) Beschlüsse über die Hinterlegung oder die Anlage von zur Masse gehörendem Geld gefaßt haben. Sie steht in einem durch Vertrag mit dem früheren Insolvenzverwalter begründeten Rechtsverhältnis, in dessen Rahmen zur Masse gehörendes Geld bei ihr hinterlegt und angelegt wurde. Für dieses Rechtsverhältnis können etwaige Beschlüsse nach § 149 InsO wenigstens mittelbare rechtliche Bedeutung haben. Derartige Beschlüsse sind Bestandteil des Insolvenzverfahrens und Inhalt der Akten, jedenfalls soweit sie vom Insolvenzgericht oder der Gläubigerversammlung gefaßt worden sein sollten (MünchKomm/Schmid-Burgk, InsO, 2. Aufl., § 72 Rn. 24; MünchKomm/Ehricke, a. a. O., § 76 Rn. 12). Es erscheint nicht ausgeschlossen, daß die Beurteilung der Frage, ob die Vereinbarungen der Antragstellerin mit dem früheren Insolvenzverwalter wegen Insolvenzzweckwidrigkeit oder Kollusion unwirksam sind, davon abhängt, inwieweit dem früheren Insolvenzverwalter die Vertragsbedingungen durch einen solchen Beschluß vorgegeben waren. Ferner kann die Antragstellerin vertraglichen Schadensersatzansprüchen ausgesetzt sein, wenn sie gegen ihr fahrlässig unbekannte Bestimmungen im Sinne des § 149 Abs. 1 InsO oder gegen die Erfordernisse des am 30. Juni 2007 außer Kraft getretenen § 149 Abs. 2 InsO a. F. in Verbindung mit einem Beschluß nach § 149 Abs. 1 oder 3 InsO a. F. verstoßen hat (MünchKomm/Füchsl/Weißhäupl, a. a. O., § 149 Rn. 26; Nerlich/Römermann, InsO, § 149 Rn. 13; Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 149 Rn. 16 f. jew. m. w. Nachw.).

Die Sache ist allerdings nicht spruchreif (§ 28 Abs. 2 Satz 1 EGGVG), denn die Annahme des rechtlichen Interesses der Antragstellerin führt nicht ohne weiteres dazu, daß ihr die erbetene Akteneinsicht gewährt werden muß. Vielmehr eröffnet das rechtliche Interesse gemäß §§ 299 Abs. 2 ZPO, 4 InsO nur die Möglichkeit, ihr die Einsichtnahme in die Akte zu gestatten. Ob davon Gebrauch gemacht werden soll, liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Antragsgegners. Diese Ermessensentscheidung ist allein ihm als Vorstand des Gerichtes übertragen. Keinesfalls darf der Senat sein Ermessen an die Stelle des Ermessens des Antragsgegners setzen (Zöller-Lückemann, a. a. O., § 28 EGGVG Rn. 15 m. w. Nachw.). Nach § 28 Abs. 3 EGGVG obliegt ihm nur die Überprüfung der Ermessensentscheidung der Justizbehörde auf etwaige Ermessensfehler (Baumbach/Lauterbach, ZPO, 68. Aufl., § 28 EGGVG Rn. 8 m. w. Nachw.). Es kann offen bleiben, ob der Senat ausnahmsweise selbst die abschließende Entscheidung treffen könnte, wenn das Ermessen des Antragsgegners unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände unzweifelhaft darauf beschränkt wäre, der Antragstellerin die Akteneinsicht zu erlauben (Kissel/Mayer, GVG, 5. Aufl., § 28 EGGVG Rn. 5 m. w. Nachw.), denn das ist hier offensichtlich nicht der Fall. Es liegt auf der Hand, daß die Antragstellerin zur Befriedigung ihres berechtigten Informationsinteresses nicht den gesamten Inhalt der Insolvenzakten sehen muß. Ihr genügt stattdessen die Kenntnis von etwaigen Beschlüssen des Gläubigerausschusses, des Insolvenzgerichtes oder der Gläubigerversammlung nach § 149 Abs. 1 und 2 InsO. Daher müssen ihr allenfalls diese Beschlüsse zur Kenntnis gegeben werden. Sofern keine derartigen Beschlüsse aus den Insolvenzakten ersichtlich sind, genügt es auch, sie hierüber zu unterrichten, statt ihr die Möglichkeit zu geben, die Akten selbst nach solchen Entscheidungen zu durchsuchen.

Zu einer Kostenentscheidung nach § 30 Abs. 2 EGGVG besteht kein Anlaß. Die Staatskasse mit den außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu belasten, kommt nur ausnahmsweise in Betracht, insbesondere wenn die angefochtene Maßnahme offensichtlich rechtswidrig war und der Antragsteller mit seinem Begehren letztlich in vollem Umfange durchdringt (Zöller-Lückemann, a. a. O., § 30 Rn. 1). Das ist hier nicht der Fall.

Den Geschäftswert hat der Senat gemäß §§ 30 Abs. 3 EGGVG, 30 Abs. 2 KostO in Ermangelung hinreichender Anhaltspunkte für eine anderweitige Schätzung mit dem Regelbetrag bemessen.

gez. Braun gez. Ewald gez. Bode
-----------------------------------------------------
Die von uns erfassten Urteile wurden oft anders formatiert als das Original. Dies bedeutet, daß Absätze eingefügt und Hervorhebungen durch fett-/kursiv-/&farbig-machen sowie Unterstreichungen vorgenommen wurden. Dies soll verdeutlichen, aber keinesfalls natürlich den Sinn verändern.Wenn Sie vorsichtshalber zusätzlich die Originalversion sehen möchten, hier ist der Link zur QuelleLink zur Quelle (kein Link? Dann ist dieser Link nicht in unserer DB gespeichert, z.B. weil das Urteil vor Frühjahr 2009 gespeichert worden ist).