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Text des Urteils
1 U 972/07;
Verkündet am: 
 19.02.2009
OLG Oberlandesgericht
 

Jena
Vorinstanzen:
6 O 1883/05
Landgericht
Gera;
Rechtskräftig: unbekannt!
Baugeld behält Treuhandeigenschaft (nach § 1 GSB), bis ausgeschlossen ist, dass noch Gelder zur Befriedigung von Bauforderungen benötigt werden
Leitsatz des Gerichts:
Baugeld behält seine Treuhandeigenschaft, bis ausgeschlossen ist, dass noch Gelder zur Befriedigung von Bauforderungen benötigt werden. Eine spätere Refinanzierung durch Leistungen der Käufer (Beahlung auf Sonderwunsch erbrachter Leistungen) steht der Baugeldeigenschaft nicht entgegen.
In dem Rechtsstreit
A
- Klägerin und Berufungsklägerin
Prozessbevollmächtigte:

gegen
B
- Beklagter und Berufungsbeklagter
Prozessbevollmächtigte:

hat der 1. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Pfalzer, die Richterin am Oberlandesgericht Zimmermann-Spring und die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Brenneisen aufgrund des Sach- und Streitstandes vom 29.01.2009 für Recht erkannt:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Gera _____ vom 25.10.2007 – 6 O 1883/05 _____ – abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 54.281,90 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 29.03.2006 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits fallen dem Beklagten zur Last.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.


Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckungsfähigen Betrags abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.



Gründe:


I.

Die Klägerin macht gegen den Beklagten, den ehemaligen Geschäftsführer der in Insolvenz geratenen RB-Regionalbau GmbH (im folgenden: Gemeinschuldnerin), Schadensersatzforderungen wegen Verstoßes gegen die Baugeldverwendungspflicht gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 1 GSB (Gesetz über die Sicherung der Bauforderungen) geltend.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Mit Urteil vom 25.10.2007 hat das Landgericht die Klage mangels hinreichender Darlegung eines Verstoßes gegen die Bestimmungen des Schutzgesetzes (§ 1 GSB) – insbesondere Darlegung der Baugeldeigenschaft mit Bezug auf Geldbeträge, welche die Gemeinschuldnerin vom Bauherrn erhalten hat, sowie ferner Darlegung der zweckwidrigen Verwendung etwa erhaltenen Baugeldes – abgewiesen. Wegen näherer Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils verwiesen.

Gegen das Urteil hat die Klägerin form- und fristgerecht Berufung eingelegt und begründet, mit welcher sie ihr erstinstanzliches Klagebegehren in vollem Umfang weiter verfolgt.

Die Klägerin macht insbesondere geltend:

Sie habe hinreichend dargelegt und anhand des vorgelegten Auszugs des betreffenden Wohnungseigentumsgrundbuchs beim Amtsgericht München _____ (Grundbuch von St. Anna-Vorstadt _____, Blatt 4413) mit Grundschuldeintragungen für das betreffende (Gesamt-)Grundstück über 12.600.000,-- € zu Gunsten der Europäischen Hypothekenbank der Deutschen Bank _____ (Anlage K2) sowie Vorlage der Schlussrechnung der Gemeinschuldnerin gegenüber der Bauherrin vom 15.09.2003 (Anlage K 38, Bl. 66 ff. d.A., aus welcher Anzahlungen des Bauherrn in Höhe von insgesamt 1.777.626,35 € brutto hervorgehen) nachgewiesen, dass die Gemeinschuldnerin Baugeld in einer die Klageforderung weit übersteigenden Höhe erhalten und dieses insoweit nicht ordnungsgemäß verwendet habe. Höchst vorsorglich biete sie für die Baugeldeigenschaft der erhaltenen Anzahlungen auf die Werklohnforderung Zeugenbeweis (durch Zeugnis von Rechtsanwalt Better _____, München _____) an.

Da der Beklagte der Aufforderung der Klägerin zur Vorlage des Baubuchs – so die Kostenstellenrechnungen überhaupt der Pflicht zur Führung des Baubuchs gemäß § 2 GSB genügten – nicht nachgekommen sei, treffe ihn nach höchstrichterlicher Rechtsprechung die Beweislast der vollständigen zweckentsprechenden Verwendung des Baugeldes. Den Beweis habe er jedoch nicht geführt.

Höhe und Bestand der gegen die Gemeinschuldnerin bestehenden Werklohnforderung, wegen deren Nichtbegleichung vorliegend Ersatzansprüche geltend gemacht werden, stünden nach Erlass des Versäumnisurteils des Landgerichts Gera _____ in Sachen 2 HKO 241/03 _____ vom 25.02.2004, welches die Werklohnforderung tituliert, fest. Überdies sei die Forderung im Insolvenzverfahren in voller Höhe zur Tabelle festgestellt worden, wie sich aus der vorgelegten Mitteilung des Insolvenzgerichts vom 12.05.2004 ergebe.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Landgerichts Gera _____ vom 25.10.2007 – 6 O 1883/05 _____ – abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an sie 54.281,90 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil als richtig und macht insbesondere geltend:

Die Klägerin habe nicht hinreichend dargetan noch nachgewiesen, dass die Gemeinschuldnerin Baugeld erhalten und zweckwidrig verwendet habe. Der Umstand, dass die Gemeinschuldnerin ausweislich der vorgelegten Schlussrechnung vom 15.09.2003 seitens des Bauherrn Werklohn in Höhe von 1.777,626,35 € erhalten habe, sei überdies deshalb unerheblich, weil sämtliche erhaltenen Zahlungen (der letzte Zahlungseingang war ausweislich der Rechnung am 13.05.2003) vor Auftragserteilung an die Klägerin (jedenfalls mit Bezug auf die Nachtragsaufträge, welche die Grundlage der geltend gemachten Schadensersatzforderung bilden) erfolgten.

Der Beklagte beruft sich weiterhin darauf, dass die Schadensersatzforderungen aus Werklohnansprüchen wegen Sonderwünschen von Kunden resultieren, für die aber etwa erhaltenes Baugeld ohnehin habe nicht verwendet werden sollen. Zudem meint er, die Klägerin habe ein Recht auf Einsicht in das Baubuch nicht in Anspruch genommen.

Schließlich ist er der Ansicht, es dürfe nicht zu Grunde gelegt werden, dass die Klägerin gegen die Gemeinschuldnerin einen Werklohnanspruch wegen der behaupteten Nachträge in Höhe der Klageforderung habe; die diesbezüglich erstellten Rechnungen der Klägerin seien nicht prüffähig und das Bestehen entsprechender Werklohnforderungen sei bestritten. Im übrigen sei das Versäumnisurteil des Landgerichts Gera _____ gegen die Gemeinschuldnerin vom 25.02.2004 wegen der Werklohnforderung über 54.281,90 € erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die Gemeinschuldnerin ergangen.


II.

1. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin ist in vollem Umfang begründet.

Ihr steht ein gegen den Beklagten gerichteter Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Baugeldverwendungspflicht gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 1 GSB in ausgeurteilter Höhe zu.

2. Der Klägerin stehen gegen die in Insolvenz verfallene RB-Regionalbau GmbH (Gemeinschuldnerin), deren Geschäftsführer der Beklagte war, offene Werklohnforderungen in Höhe der Klageforderung zu.

Dies steht fest auf Grund des vor Insolvenzeröffnung vom 01.03.2004 ergangenen Versäumnisurteils des Landgerichtes Gera _____ gegen die Gemeinschuldnerin vom 25.02.2004, 2 HKO 241/03 _____, in Form des Berichtigungsbeschlusses vom 12.03.2004 (der Umstand, dass die Berichtigung des Urteils erst nach Insolvenzeröffnung erfolgt ist, ist unerheblich). Im übrigen hat der Insolvenzverwalter die betreffende Werklohnforderung ausweislich der von der Klägerin vorgelegten Mitteilung des Insolvenzgerichts vom 12.05.2004 zur Tabelle festgestellt.

3. Ferner steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Gemeinschuldnerin Baugeld in die Klageforderung weit übersteigender Höhe erhalten hat.

§ 1 GSB ist auf die als Generalunternehmerin mit der Sanierung des Bauobjekts beauftragte Gemeinschuldnerin (und damit auch den Beklagten als deren Geschäftsführer) anwendbar; die Errichtung eines Neubaus ist hierfür nicht Voraussetzung.

Die Gemeinschuldnerin hat dinglich gesicherte Finanzierungsmittel in Höhe von 1.777.626,35 € brutto erhalten, darunter auch Werklohnzahlungen wegen Käuferwünschen. Dies geht aus der Schlussrechnung der Gemeinschuldnerin gegenüber der Bauherrin (Eurythos _____ GmbH in Baldham _____) vom 15.09.2003 (Anlage K 38, Bl. 66 ff. d.A.) hervor, die Zahlungseingänge in Form von Anzahlungen in entsprechender Gesamthöhe ausweist.

Die dingliche Sicherung der Werklohnzahlungen ergibt sich aus folgendem:

Die Klägerin hat durch Vorlage des Wohnungseigentumsgrundbuchs über eine der im streitgegenständlichen Bauobjekt befindlichen Wohnungen (Liebherrstr _____. 4, München _____, St. Anna-Vorstadt _____) dargetan und nachgewiesen, dass am 25.01.2002 (zur Mithaft teilweise übertragen in das Wohnungseigentumsgrundbuch am 19.11.2003) eine Grundschuld ohne Brief zu 12.600.000,-- € eingetragen wurde. Die Eintragung dieser Grundschuld steht in zeitlichem Zusammenhang mit dem Bauvorhaben, auf welches ab dem 16.08.2002 Abschlagszahlungen erfolgt sind (vgl. Schlussrechnung Anlage K 38). Der Bauherr hat die Gemeinschuldnerin ratenweise nach Baufortschritt bezahlt. Bei größeren Bauvorhaben, wie dem vorliegenden (die Bausumme überstieg 2 Millionen €), ist aber regelmäßig eine Finanzierung erforderlich.

Darüber hinaus kann die Klägerin als Baugläubigerin nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 09.12.1986, VI ZR 287/85) Beweiserleichterungen erlangen, soweit sie nicht ausschließen kann, dass die auf dem Baugrundstück nachgewiesenermaßen (vgl. oben) lastenden Grundpfandrechte Forderungen von Geldgebern sichern, die nicht zur Bestreitung von Baukosten gewährt wurden. Denn die Gemeinschuldnerin hat, worauf der Senat bereits mit Beschluss vom 15.12.2007 hingewiesen hat, kein Baubuch geführt. Die durch EDV gestützte Buchhaltung ersetzt ein solches nicht. Überdies hat der Beklagte der Klägerin – unter Berufung darauf, dass ihm solches mangels vorliegender Unterlagen nicht möglich sei – bislang keine Einsicht in die Buchhaltung für das betreffende Bauvorhaben bzw. in ein Baubuch gewährt. Dies, obgleich die Klägerin spätestens mit der Klage sowie darüber hinaus mit Schriftsatz vom 08.11.2008 die Einsichtnahme verlangt hat.

Dem entsprechend kann davon ausgegangen werden, dass sämtliche kurz vor oder während der Bauzeit im Grundbuch zulasten des Baugrundstücks eingetragenen Hypotheken und Grundschulden – hier die Grundschuld über 12.600.000,-- € - Geldleistungen sichern, die zur Bestreitung der Baukosten gewährt wurden und damit Baugeld waren.

Der Beklagte hat (als Empfänger der als Werklohn an die Gemeinschuldnerin als Generalunternehmerin weitergeleiteten Geldbeträge) dem gegenüber nicht dargelegt noch bewiesen, dass die Baugelder tatsächlich ganz oder teilweise (im Falle eines sogenannten modifizierten Baudarlehens, welches nicht ausschließlich für die Baukosten gewährt wurde) nicht zur Bestreitung der Kosten des Baus gewährt worden sind.

Der vom Beklagten angeführte Umstand, dass die Auftragserteilung an die Klägerin jedenfalls mit Bezug auf die geltend gemachten Nachtragsforderungen erst nach Erhalt der letzten Abschlagszahlung durch die Gemeinschuldnerin (welche am 13.05.2003 einging) erfolgt ist, ist unerheblich. Baugeld behält seine Treuhandeigenschaft, bis ausgeschlossen ist, dass noch Gelder zur Befriedigung von Bauforderungen benötigt werden.

Ebenso unbeachtlich ist, dass die Werklohnansprüche vorliegend Zusatzaufträge betreffen, die zumindest teilweise auf Grund von Käuferwünschen erteilt wurden. Dies ändert, worauf der Senat bereits mit Beschluss vom 06.11.2008 hingewiesen hat, nichts daran, dass es sich um Baukosten handelt, dass die entsprechenden Leistungen den Wert des Grundstücks erhöht haben und dass diese Leistungen und die hierfür aufgewandten bzw. aufzuwendenden Beträge dem Schutzbereich des GSB unterfallen. Eine spätere Refinanzierung durch Leistungen der Käufer (durch Zahlung auf Sonderwunsch erbrachter Leistungen) steht dem nicht entgegen. Im übrigen wird das gesamte Bauvorhaben letztlich durch Zahlungen der Käufer refinanziert.

4. Für die – hier gegebene – Verletzung der Baugeldverwendungspflicht gemäß § 1 GSB reicht es aus, dass die Gemeinschuldnerin als Generalunternehmerin, wie dargelegt, Baugeld in entsprechender (die Klageforderung übersteigender) Höhe erhalten hat und dass von dem Geld nichts mehr vorhanden ist (was nach der Insolvenz der Fall ist), ohne dass bestehende und fällige Werklohnforderungen der Klägerin (hierzu die Ausführungen unter 2. der Entscheidungsgründe).

befriedigt worden wären. Sache des Beklagten als Baugeldempfänger wäre es, die anderweitige, ordnungsgemäße Verwendung des Geldes, d.h. eine Auszahlung an andere Baugläubiger, nachzuweisen (BGH, Urteil vom 13.12.2001, VII ZR 305/99). Seiner Darlegungs- und Beweislast für eine ordnungsgemäße Verwendung der erhaltenen Baugelder hat der Beklagte indes nicht genügt.

5. Schließlich ist auch der für den Verstoß gegen § 1 GSB erforderliche Vorsatz – insoweit genügt Eventualvorsatz – gegeben.

Jedenfalls größere Bauvorhaben, wie das vorliegende, werden regelmäßig durch grundpfandrechtlich abgesicherte Fremdmittel finanziert (BGH, Urteil vom 13.12.2001, VII ZR 305/99). Es liegt nahe, dass der Beklagte als in der Baubranche tätiger Unternehmer (er war Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin, die als Generalunternehmerin fungierte) mit einer Fremdfinanzierung des Bauvorhabens unter dinglicher Absicherung des Baugrundstücks rechnete und sich damit wie auch mit gegebenenfalls zweckwidriger Verwendung der Baugelder um des erstrebten Zieles willen abfand. Dass der Beklagte der Finanzierung des Geldgebers (der Bauherrin) nachgegangen ist, hat er selbst nicht behauptet.

6. Nach alledem haftet der Beklagte der Klägerin gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 1 GSB wegen der Werklohnforderung, mit der er infolge der zweckwidrigen Baugeldverwendung ausgefallen ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Revisionszulassungsgründe im Sinne des § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben.

Pfalzer Dr. Brenneisen Zimmermann-Spring
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