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Text des Beschlusses
1 WF 204/10;
Verkündet am: 
 14.06.2010
OLG Oberlandesgericht
 

Jena
Vorinstanzen:
38 F 603/00
Amtsgericht
Erfurt;
Rechtskräftig: unbekannt!
Verfahrenswert bei wiederaufgenommenen ausgesetzten VersAusgl-Verfahren ist mit 10 % des dreifachen Nettoeinkommens der Parteien je Anrecht anzusetzen, wobei die Einkommensverhältnisse zum Zeitpunkt der Einreichung des Scheidungsantrages maßgebend sind
Leitsatz des Gerichts:
Der Verfahrenswert bei wiederaufgenommenen ausgesetzten Versorgungsausgleichsverfahren ist mit 10 Prozent des dreifachen Nettoeinkommens der Parteien je Anrecht anzusetzen, wobei hierfür die Einkommensverhältnisse zum Zeitpunkt der Einreichung des Scheidungsantrages maßgebend sind.
In der Familiensache
R. S.
- Antragstellerin -
Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt K.

gegen
A. S.
- Antragsgegner -
Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwältin K,
- Beschwerdeführerin -

hat der 1. Familiensenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena auf die Beschwerde der Rechtsanwältin K. vom 21.05.2010 gegen die Verfahrenswertfestsetzung im Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Erfurt vom 17.05.2010, durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Parteina, Richterin am Oberlandesgericht Martin und Richter am Oberlandesgericht Knöchel am 14.06.2010 beschlossen:

1. In Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts – Familiengericht – Erfurt vom 17.05.2010 (Ziffer 4.) wird der Verfahrenswert für das erstinstanzliche Verfahren auf 1.043,04 € festgesetzt.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

2. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.



Gründe:


I.

Das Amtsgericht hat mit Urteil vom 08.03.2001 die Ehe der Parteien geschieden und das Versorgungsausgleichsverfahren nach § 2 Abs. 1 Satz 2 VAÜG ausgesetzt.

Die Antragsgegnerin beantragte am 05.11.2009 die Wiederaufnahme des Versorgungsausgleichsverfahrens aufgrund des angestrebten Bezuges einer Erwerbsunfähigkeitsrente.

Nach den neu eingeholten Auskünften der Versorgungsträger hat der Ehemann in der gesetzlichen Rentenversicherung ehezeitliche Anwartschaften Ost und die Ehefrau sowohl Ost- als auch Westanrechte erworben.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 15.05.2010 den Versorgungsausgleich geregelt, die Westanwartschaften der Ehefrau dem Ausgleich allerdings nicht unterzogen (§ 18 Abs. 2 VersAusglG).

Darüber hinaus setzte das Amtsgericht den Verfahrenswert unter Berücksichtigung dreier Anrechte sowie eines 10-prozentigen Anteils des in drei Monaten erzielten gemeinsamen Nettoeinkommens von 680,- € auf 2.040,- € fest und ließ die Beschwerde hinsichtlich der Festsetzung ausdrücklich zu.

Mit ihrer Beschwerde vom 21.05.2010 erstrebt die Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners die Anhebung des Verfahrenswertes unter Berücksichtigung des Ansatzes von 20 % des gemeinsamen Nettoeinkommens der Eheleute.


II.

Die Beschwerde ist gemäß § 59 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 57 FamGKG sowie § 32 Abs. 2 RVG statthaft und im Übrigen in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden; insbesondere ist sie fristgerecht (§§ 59 Abs. 1 Satz 3, 55 Abs. 3 Satz 2 FamGKG) eingelegt worden.

Der Senat entscheidet über die Beschwerde in voller Besetzung, da der gemäß §§ 59 Abs. 1 Satz 5, 57 Abs. 5 FamGKG an sich zuständige Einzelrichter das Verfahren wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache dem Senat übertragen hat.

Die Beschwerde führt im Umfang des Beschlusstenors zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung.

a) Das Amtsgericht hat das wiederaufgenommene Versorgungsausgleichsverfahren zutreffend nach Art. 111 Abs. 4 FGG-RG als selbständige Familiensache unter Anwendung des ab dem 01.09.2009 geltenden Rechts fortgeführt (vgl. auch Keidel/Engelhardt, FamFG, Art. 111 FGG-RG Rdn. 8).

Die Regelung des Art. 111 FGG-RG ist ebenfalls für die Anwendung des Kostenrechts maßgebend und verdrängt insbesondere § 63 FamGKG (vgl. Schneider/Wolf/Volpert, FamGKG, § 63 Rdn. 13 ff; Gerhardt/Keske, Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, 7. Aufl., Kap. 17 Rdn. 103).

b) Die Berechnung des Verfahrenswerts richtet sich dementsprechend, wie das Familiengericht damit zutreffend dargestellt hat, nach § 50 Abs. 1 FamGKG.

Danach beträgt der Verfahrenswert in Versorgungsausgleichssachen für jedes Anrecht 10 Prozent, bei Ausgleichsansprüchen nach der Scheidung für jedes Anrecht 20 Prozent des in drei Monaten erzielten Nettoeinkommens der Ehegatten, insgesamt mindestens 1.000 €.

c) Der Verfahrenswert in Versorgungsausgleichssachen ist entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin allerdings nur dann mit 20 Prozent des dreifachen Nettoeinkommens der Parteien je Anrecht anzusetzen, wenn der Versorgungsausgleich nach § 20 bis § 27 VersAusglG durchgeführt wird, nicht aber auch dann, wenn ein Ausgleich auf der Grundlage von § 1 bis § 19 VersAusglG zeitlich nach der Scheidung erfolgt (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 06.05.2010, 7 WF 598/10 – zitiert nach juris; so wohl auch Borth, Versorgungsausgleich, 5. Aufl., Rdn. 1120; Schneider/Wolf/Volpert, a.a.O., § 50 Rdn. 12; Hartmann, Kostengesetzte, 40. Aufl., § 50 FamGKG Rdn. 4 und 5; Enders, JurBüro 2009, 341; Schneider, FamRZ 2010, 87 ff; Grabow, FamRB 2010, 93).

Ein derartiger Verweis auf den Ausgleich nach §§ 20 ff VersAusglG findet sich im Übrigen auch in der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (BT-Drucks. 16/11903, S. 61). Dort heißt es: „In § 50 Absatz 1 Satz 1 FamGKG wird zunächst eine Sonderregel für die Bestimmung des Verfahrenswertes bei Ausgleichsansprüchen nach der Scheidung (§ 20 ff. VersAusglG) eingefügt: In diesen Fällen beträgt der Verfahrenswert für jedes Anrecht 20 Prozent des in drei Monaten erzielten Nettoeinkommens der Ehegatten.“

d) Das Amtsgericht hat für die Wertermittlung darüber hinaus beanstandungsfrei das Nettoeinkommen der Ehegatten zum Zeitpunkt der Einreichung des Scheidungsantrages seiner Berechnung zugrunde gelegt.

Die Frage, welcher Zeitpunkt für die Bewertung des Nettoeinkommens maßgebend ist, wird allerdings nicht einheitlich beantwortet (vgl. Grabow, a.a.O.; Schneider, a.a.O.).

Ausgangspunkt ist § 34 FamGKG. Danach gilt in Antragsverfahren der Wert bei erstmaliger Antragstellung und in Verfahren, die von Amts wegen eingeleitet werden, der Zeitpunkt der Fälligkeit der Gebühr.

Der Senat schließt sich der Auffassung von Schneider (a.a.O.) und Thiel (in Schneider/Wolf/Volpert, a.a.O., § 50 Rdn. 16) an und stellt auf den Zeitpunkt der Einreichung des Scheidungsantrages ab (§ 34 Satz 1 FamGKG). Denn bei dem Versorgungsausgleichsverfahrens handelt es sich um ein Antragsverfahren, da letztlich erst mit dem Scheidungsantrag auch die Verbundsache Versorgungsausgleich eingeleitet wird. Ein von Amts wegen einzuleitendes (isoliertes) Versorgungsausgleichsverfahren ist dem Gesetz fremd. Es ist vielmehr an den Scheidungsantrag gebunden, von dessen Schicksal abhängig und damit lediglich die zwingende Folge des freiwilligen Scheidungsantrages. Damit unterscheidet es sich grundlegend von den klassischen Verfahren, die auch gegen den Willen der Beteiligten von Amts wegen eingeleitet werden können, wie zum Beispiel aus dem Bereich der elterlichen Sorge.

e) Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts belief sich das in drei Monaten erzielte Nettoeinkommen der Eheleute zum Bewertungsstichtag jedoch nicht auf 6.800,- €, sondern auf 6.800,- DM (3.476,78 €).

Dementsprechend ist für jedes Anrecht lediglich ein Betrag von 347,68 € anzusetzen.

f) Nicht zu beanstanden ist hingegen, dass das Amtsgericht insgesamt 3 Anrechte seiner Wertberechnung zugrunde gelegt hat.

Nach § 50 Abs. 1 Satz 1 FamGKG ist jedes verfahrensgegenständliche Anrecht zu berücksichtigen, und zwar auch dann, wenn ein Ausgleich insoweit nicht stattfindet (vgl. auch BT-Drucks. 16/11903, S. 61; Schneider/Wolf/Volpert, a.a.O., § 50 Rdn. 10; Borth, a.a.O., Rdn. 1121), was hier das regeldynamische Anrecht der Ehefrau betrifft.

Als separate Anrechte sind auch die in der gesetzlichen Rentenversicherung erworbenen angleichungsdynamischen und regeldynamischen Anwartschaften aufzufassen (Grabow, a.a.O.).

g) Ausgehend von 3 Anrechten der Eheleute sowie einem dreimonatigen gemeinsamen Nettoeinkommen von 3.476,78 € errechnet sich der Verfahrenswert abweichend von der Berechnung des Amtsgerichts auf lediglich 1.043,04 € (347,68 € x 3).

Der Senat ist an einer Änderung der Wertfestsetzung zum Nachteil der Beschwerdeführerin nicht gehindert. Denn das Verbot der sogenannten reformatio in peius ist im Rahmen der Verfahrenswertbeschwerde nicht zu beachten. Vielmehr ist das Rechtsmittelgericht im eröffneten Beschwerdeverfahren verpflichtet, den Streitwert von Amts wegen festzusetzen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.10.2009, 24 W 32/09, zitiert nach juris; OLG Brandenburg JurBüro 1997, 196; OLG Saarbrücken OLGR 2008, 364; OLGR 2007, 430).


III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 59 Abs. 3 FamGKG.

Die Beschwerdeentscheidung ist nicht anfechtbar (§§ 59 Abs. 1 Satz 5, 57 Abs. 7 FamGKG).

Parteina Martin Knöchel
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