Pressemitteilung
T-348/07 ;
Verkündet am:
09.09.2010
EuG-1. Inst. Europäisches Gericht erster Instanz
Rechtskräftig: unbekannt! EuG 1.-Instanz erklärt Rechtsakte des Rates für nichtig, mit denen iRd. Bekämpfung des Terrorismus das Einfrieren von Geldern der Stichting Al-Aqsa angeordnet wurde Titelauswahl: Franz-Anton Plitt, Chisinau - Internet entrepreneurLeitsatz des Gerichts: Das Gericht erklärt Rechtsakte des Rates für nichtig, mit denen im Rahmen der Bekämpfung des Terrorismus das Einfrieren von Geldern der Stichting Al-Aqsa angeordnet wurde Da die nationale Entscheidung, die die Grundlage für diese Maßnahmen gebildet hatte, aufgehoben worden war, durfte der Rat finanzielle Sanktionen gegenüber Al-Aqsa nicht weiter aufrechterhalten Zur Durchführung einer Resolution des Sicherheitsrats der UNO nahm der Rat einen Gemeinsamen Standpunkt1 an und erließ eine Verordnung2, in denen das Einfrieren der Gelder von Personen und Organisationen angeordnet wurde, die in einer regelmäßig aktualisierten Liste genannt sind. Die Aufnahme in diese Liste hat auf der Grundlage des Beschlusses zu erfolgen, den eine zuständige nationale Behörde, in der Regel eine Justizbehörde, gegenüber Personen oder Organisationen gefasst hat, die in terroristische Aktivitäten verwickelt sind. Am 3. April 2003 erließ der niederländische Außenminister die Sanctieregeling terrorisme 2003 (Ministerialerlass über Sanktionen auf dem Gebiet des Terrorismus), mit der alle Gelder und sonstigen finanziellen Vermögenswerte der Stichting Al-Aqsa, einer Stiftung niederländischen Rechts, die sich selbst als eine islamische Einrichtung für Sozialfürsorgeleistungen beschreibt und verschiedene Organisationen in Israel, im Westjordanland und im Gaza-Streifen finanziell unterstützt, um bei humanitären Notsituationen Abhilfe zu schaffen, mit der Begründung eingefroren wurden, dass von dieser Stiftung vorgenommene Geldtransfers für Organisationen bestimmt seien, die – wie die Hamas – den Terrorismus im Mittleren Osten unterstützten. Ein auf die Aussetzung der Sanctieregeling gerichteter Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz wurde vom zuständigen nationalen Gericht zurückgewiesen. Mit Beschluss vom 27. Juni 2003 aktualisierte der Rat die Liste und nahm u. a. die Stichting Al-Aqsa in die Liste auf. Am 3. August 2003, beinahe sogleich nach Erlass dieser gemeinschaftlichen Entscheidung, wurde die Sanctieregeling aufgehoben. Mit Urteil vom 11. Juli 2007 erklärte das Gericht auf Antrag von Al-Aqsa den Beschluss des Rates vom 27. Juni 2003 sowie mehrere Folgebeschlüsse zur Aktualisierung der Liste im Wesentlichen deshalb für nichtig, weil sie nicht angemessen begründet waren3. Zwischenzeitlich hatte der Rat am 28. Juni 2007 einen neuen Beschluss4 erlassen, mit dem die Liste aktualisiert und Al-Aqsa in sie aufgenommen wurde. Im Zuge des Erlasses dieses Beschlusses lieferte der Rat den betroffenen Personen und Vereinigungen eine Begründung für ihre Aufnahme in die Liste. Hinsichtlich der Aufnahme von Al-Aqsa berief sich der Rat auf die Sanctieregeling und das Urteil im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes als einen von einer zuständigen nationalen Behörde gefassten Beschluss, der die Aufnahme von Al-Aqsa in die Liste rechtfertige. Al-Aqsa erhob Klage beim Gericht, um die Nichtigerklärung dieses Beschlusses zu erwirken. Seither hat der Rat mehrere Beschlüsse und Verordnungen zur Aktualisierung der fraglichen Liste erlassen. Al-Aqsa blieb darin immer aufgeführt. Sie passte ihre Klage an, um sie auf die Nichtigerklärung auch dieser neuen Maßnahmen bis zu einer im Juni 2009 erlassenen Verordnung zu richten5. Am 22. Dezember 2009 erließ der Rat eine neue Durchführungsverordnung6, die Al-Aqsa auf der streitigen Liste beließ. Diese Verordnung ist noch immer in Kraft und nicht Gegenstand der vorliegenden Rechtssache. In seinem Urteil befindet das Gericht zunächst, dass das Urteil im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, zusammen mit der Sanctieregeling betrachtet, als Beschluss einer zuständigen nationalen Behörde erscheint, der grundsätzlich geeignet ist, den Erlass einer Maßnahme des Einfrierens von Geldern auf Gemeinschaftsebene zu rechtfertigen. Es weist jedoch darauf hin, dass die Überprüfung, ob ein Beschluss einer zuständigen nationalen Behörde vorliegt, eine wesentliche Voraussetzung für den Erlass eines gemeinschaftlichen Ausgangsbeschlusses über das Einfrieren von Geldern ist, während die Überprüfung der weiteren Entwicklung hinsichtlich dieses Beschlusses auf nationaler Ebene für den Erlass eines gemeinschaftlichen Folgebeschlusses über die Aufrechterhaltung des Einfrierens von Geldern unerlässlich ist. In diesem Zusammenhang stellt das Gericht fest, dass seit der Aufhebung der Sanctieregeling weder diese noch das Urteil im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, dessen Rechtswirkungen von der Existenz der Sanctieregeling abhängen, als wirksame Grundlage für eine Gemeinschaftsmaßnahme des Einfrierens der Gelder von Al-Aqsa dienen kann. Der Rat hätte feststellen müssen, dass es im nationalen Recht kein „Substrat“ mehr gab, das die Aufrechterhaltung der Gemeinschaftsmaßnahme rechtlich hinreichend begründet hätte. Daher erklärt das Gericht die angefochtenen Maßnahmen für nichtig, soweit sie Al-Aqsa betreffen. Es führt ergänzend aus, dass der Rat verpflichtet ist, alle Folgemaßnahmen des Einfrierens von Geldern, durch die die angefochtenen Maßnahmen bis zur Verkündung dieses Urteils aufgehoben und ersetzt worden sind, von denselben Fehlern oder Regelwidrigkeiten zu befreien. Täte er dies nicht, würde der Rat seine Verpflichtung aus dem EG-Vertrag verkennen, die Maßnahmen zu treffen, die mit der Durchführung eines Urteils des Unionsrichters verbunden sind. ----------------------------------------------------- 1 Gemeinsamer Standpunkt 2001/931/GASP des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (ABl. L 344, S. 93). 2 Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 des Rates vom 27. Dezember 2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (ABl. L 344, S. 70). 3 Urteil des Gerichts vom 11. Juli 2007, Al-Aqsa/Rat (T-327/03), siehe auch PM Nr. 47/07. 4 Beschluss 2007/445/EG des Rates vom 28. Juni 2007 zur Durchführung von Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung Nr. 2580/2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung der Beschlüsse 2006/379/EG und 2006/1008/EG (ABl. L 169, S. 58). 5 Die betreffenden Maßnahmen sind: Beschluss 2007/445/EG des Rates vom 28. Juni 2007, Beschluss 2007/868/EG des Rates vom 20. Dezember 2007, Beschluss 2008/583/EG des Rates vom 15. Juli 2008, Beschluss 2009/62/EG des Rates vom 26. Januar 2009 und Verordnung (EG) Nr. 501/2009 des Rates vom 15. Juni 2009. 6 Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1285/2009 zur Durchführung von Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung Nr. 2580/2001 und zur Aufhebung der Verordnung Nr. 501/2009 (ABl. L 346, S. 39). _____________________________________ HINWEIS: Gegen die Entscheidung des Gerichts kann innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Zustellung ein auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel beim Gerichtshof eingelegt werden. HINWEIS: Eine Nichtigkeitsklage dient dazu, unionsrechtswidrige Handlungen der Unionsorgane für nichtig erklären zu lassen. Sie kann unter bestimmten Voraussetzungen von Mitgliedstaaten, Organen der Union oder Einzelnen beim Gerichtshof oder beim Gericht erhoben werden. Ist die Klage begründet, wird die Handlung für nichtig erklärt. Das betreffende Organ hat eine durch die Nichtigerklärung der Handlung etwa entstehende Regelungslücke zu schließen. ----------------------------------------------------- Die von uns erfassten Urteile wurden oft anders formatiert als das Original. Dies bedeutet, daß Absätze eingefügt und Hervorhebungen durch fett-/kursiv-/&farbig-machen sowie Unterstreichungen vorgenommen wurden. Dies soll verdeutlichen, aber keinesfalls natürlich den Sinn verändern.Wenn Sie vorsichtshalber zusätzlich die Originalversion sehen möchten, hier ist der Link zur Quelle (kein Link? 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