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Text des Urteils
VII ZR 40/66;
Verkündet am:
16.05.1968
BGH Bundesgerichtshof
Rechtskräftig: unbekannt! Unternehmer kann vor Fertigstellung des Werkes Bezahlung des Werklohns verlangen, wenn Besteller die Erfüllung des Vertrags grundlos und endgültig ablehnt Titelauswahl: Franz-Anton Plitt, Chisinau - Internet entrepreneurLeitsatz des Gerichts: 1. Der Unternehmer kann vor Fertigstellung des Werkes die Bezahlung des Werklohns verlangen, wenn der Besteller die Erfüllung des Vertrags grundlos und endgültig ablehnt. 2. Der Unternehmer ist nicht auf die Rechte aus BGB §§ 642, 643 und 645 beschränkt, wenn der Besteller ihm obliegende Mitwirkungspflichten endgültig verweigert. Er kann in diesem Falle auch Erfüllung durch Vorauszahlung des Werklohns beanspruchen. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Celle vom 5. November 1965 aufgehoben. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts in Hannover vom 11. Dezember 1964 wird zurückgewiesen, soweit die Beklagte zur Zahlung von 59.240 DM nebst 5 % Zinsen hiervon seit dem 12. Mai 1964 sowie zur Tragung von 9/10 der Kosten des ersten Rechtszugs verurteilt worden ist. Im übrigen wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Die Kosten der Revision hat die Beklagte zu 9/10 zu tragen. Über das restliche 1/10 hat das Berufungsgericht zu befinden. Die Beklagte bestellte am 13. Juli 1963 bei der Klägerin eine S-IBM Abrechnungsanlage für 47.900 DM und am 14. August 1963 einige Zusatzgeräte für 11.340 DM. Die Maschinen sollten von der Klägerin hergestellt werden; jedoch mußte die Beklagte hierzu einige Daten erarbeiten und der Klägerin mitteilen. 2 Die Klägerin stellte die Geräte im wesentlichen fertig. Sie konnte jedoch die Arbeit nicht beenden, weil ihr die Beklagte nicht die zugesagten Daten übermittelte. Deswegen setzte ihr die Klägerin hierzu eine Frist bis zum 6. Januar 1964 und forderte für den Fall des fruchtlosen Ablaufs „Zahlung des Gesamtkaufpreises ... aus dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung”. Die Beklagte hat der Klägerin die fehlenden Daten trotzdem nicht mitgeteilt. 3 Diese hat mit der Klage den „Kaufpreis” von 59.240 DM nebst 10 % Zinsen seit dem 14. Februar 1964 verlangt; hilfsweise hat sie die Verurteilung der Beklagten Zug um Zug gegen Lieferung der Maschinen erbeten. 4 Die Beklagte hat im ersten Rechtszug den Abschluß eines wirksamen Vertrags bestritten; sie hat ihn vorsorglich angefochten und ist davon zurückgetreten. Aus diesen Gründen hat sie auch die Abnahme der Anlage abgelehnt, S. 2 des Schriftsatzes vom 8. Mai 1964. 5 Das Landgericht hat dem Hauptantrag unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Schadensersatzes stattgegeben. 6 Im zweiten Rechtszuge hat die Beklagte das Zustandekommen des Vertrages nicht mehr bestritten, andererseits aber auf Frage des Gerichts eine Erklärung darüber ausdrücklich verweigert, ob er noch als bestehend anzusehen sei. Sie hat ihre Pflicht zur Vorleistung in Abrede gestellt. Ferner hat sie geltend gemacht, daß sie mangels geeigneter Fachkräfte bisher nicht in der Lage gewesen sei, die Daten zu erarbeiten. Schließlich hat sie die Entstehung eines Schadens bestritten. 7 Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen. 8 Mit der Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Beklagte bittet, das Rechtsmittel zurückzuweisen. Das Berufungsgericht hat durch Anordnung des Vorsitzenden den Betriebsleiter der Firma I in H, M, als Sachverständigen geladen und alsdann im Verhandlungstermin angehört, „um sich über technische Begriffe zwecks Verdeutlichung des Parteivorbringens zu informieren”. Es sagt in dem Urteil, daß es keinen Beweis erhoben habe (S. 7 d. Urt.). 10 Die Revision weist darauf hin, daß das Ergebnis der Anhörung nirgends mitgeteilt sei; darin erblickt sie einen Verstoß gegen § 373 ZPO. 11 Eines Eingehens hierauf bedarf es nicht, weil der Revision ohnehin auf die Sachrüge stattzugeben ist. Die Klägerin hat erklärt, sie halte am Vertrag fest und stütze ihren Anspruch nicht auf die §§ 642 ff BGB; vielmehr verlange sie Erfüllung durch Entrichtung des Werklohns; im zweiten Rechtszuge hat sie das nochmals ausdrücklich bestätigt. 13 Die Beklagte habe, so führt es aus, nicht gegen eine Schuldnerverpflichtung verstoßen. Sie habe zwar ihre Mitwirkung bei Herstellung des Werks verweigert; das sei aber die Verletzung einer Gläubigerobliegenheit, die nicht geeignet sei, die unbedingte Zahlungspflicht auszulösen. Auch aus dem Verhalten der Beklagten im ersten Rechtszuge ergebe sich keine nachhaltige Verweigerung ihrer Vertragspflichten; es habe sich dabei nur um ein „prozeßtaktisches Verhalten” gehandelt, das sie in der Berufungsinstanz aufgegeben habe. Unter diesen Umständen sei die Klägerin auf die Rechte aus dem § 643 BGB angewiesen, die sie aber nicht geltend gemacht habe. 14 1.) Bei dem hier vorliegenden Werklieferungsvertrag über eine nicht vertretbare Sache war grundsätzlich die Klägerin als Unternehmerin vorleistungspflichtig, soweit es sich um die Herstellung des Werks handelte; die Abnahme hatte Zug um Zug gegen Zahlung des Werklohns zu erfolgen u. a. RGZ 171, 287, 307. 16 a) Diese Rechtslage ändert sich, wenn der Besteller die Abnahme endgültig ablehnt, die Vergütung überhaupt nicht zahlen will und erklärt, daß er den Vertrag als nicht bestehend ansieht. 17 Ein solches Verhalten kann je nach dem besonderen Inhalt der Erklärungen verschiedene Bedeutung haben. Es kann, wenn es auf Vertragsverletzungen des Unternehmers gestützt wird, als Rücktritt oder Wandelung angesehen werden; ferner kann es eine Kündigung gemäß dem § 649 BGB enthalten. Danach richten sich dann die jeweiligen Rechtsfolgen. 18 Alles dies kommt hier nicht in Betracht. Die Beklagte hat im ersten Rechtszuge unmißverständlich und unzweideutig erklärt, daß sie keine vertraglichen Pflichten übernommen habe; hierauf hat sie ihre Weigerung gestützt. Dazu hatte sie, wie sie später eingesehen hat, kein Recht; dasselbe gilt für die von ihr zunächst ausgesprochene Anfechtung (BU S. 4). 19 Bei einer solchen Sach- und Rechtslage kann der Besteller dem Verlangen des Unternehmers auf Zahlung des Werklohns, wie allgemein anerkannt ist, nicht die Einrede der mangelnden Fälligkeit oder des nicht erfüllten Vertrags entgegensetzen. Denn es wäre widersinnig, dem Besteller zu Lasten des Unternehmers Rechte zuzubilligen, deren Ausübung er von vornherein ablehnt (u. a. RG aaO; Urt. d. Sen. vom 14. April 1960 VII ZR 63/59; RGRK BGB 11. Aufl. § 320 Anm. 10). 20 Allerdings hält das Berufungsgericht der Beklagten zugute, daß sie sich nur aus „prozeßtaktischen Gründen” so verhalten habe. Es ist aber nicht zu erkennen, was das an der Rechtslage ändern soll. Der Vortrag der Beklagten war seinem Wortlaut, Sinn und Zweck nach eindeutig. Sie beabsichtigte, damit die Forderung der Klägerin zu Fall zu bringen; hierzu waren ihre Einwendungen auch geeignet, wenn sie erwiesen wurden. 21 Bei einer dem § 157 BGB entsprechenden Auslegung ist demnach nur der Schluß möglich, daß die Beklagte im ersten Rechtszuge ohne Grund ernsthaft und endgültig die Abnahme verweigert und die vertragliche Übernahme von Pflichten geleugnet hat. Daraus folgt nach dem Gesagten, daß jedenfalls damals die Klage begründet war. 22 b) Im zweiten Rechtszuge hat die Beklagte das Zustandekommen des Vertrags allerdings nicht mehr bestritten. 23 Es kann dahinstehen, ob die Beklagte durch ein nachträgliches Bekenntnis zu ihren Pflichten die Rechtsstellung wieder erlangen konnte, die sie durch ihr Verhalten im ersten Rechtszuge verloren hatte. Denn in jedem Falle wäre zu verlangen, daß dieses Bekenntnis vorbehaltlos und uneingeschränkt ausgesprochen wurde. 24 Daran fehlt es hier. Die Beklagte hat noch im Berufungsverfahren offen gelassen, ob der Vertrag als fortbestehend anzusehen oder ob eine Kündigung nach § 649 BGB erfolgt sei. Daraus folgt, daß sie nach wie vor nicht vorbehaltlos zu den von ihr übernommenen Pflichten steht. 25 Ein solches Verhalten ist in keinem Falle geeignet, die Wirkungen ihrer bisherigen Erfüllungsverweigerung zu beseitigen. Jedenfalls war und ist der Klägerin nach Treu und Glauben eine Vorleistung gegenüber einem Schuldner nicht zuzumuten, der sich als so unzuverlässig erwiesen hat. Auch die Einrede des nicht erfüllten Vertrags muß der Beklagten aus den angegebenen Gründen verschlossen bleiben. 26 2.) Das Berufungsgericht meint, die Mitwirkungspflicht der Beklagten sei eine Gläubigerobliegenheit. Deren Verletzung sei nur geeignet, die Rechte des Unternehmers aus den §§ 642, 643 und 645 BGB auszulösen; sie könne aber nicht dazu führen, ihm einen Anspruch auf vorbehaltlose Erfüllung des Vertrags zu gewähren. 27 Dabei übersieht das Oberlandesgericht zunächst, daß die Beklagte nicht nur die Mitwirkung bei Erarbeitung der Daten verweigert hat, sondern auch die Abnahme und die Zahlung des Werklohns. 28 Abgesehen hiervon ist aber auch die Ansicht unrichtig, daß der Unternehmer bei Nichterfüllung der dem Besteller obliegenden Mitwirkungspflicht auf die Rechte aus den §§ 642 ff BGB beschränkt ist. Wie in der Entscheidung BGHZ 79, 80 dargelegt worden ist, gehören zu den Verbindlichkeiten aus einem Schuldverhältnis auch die im § 642 BGB erwähnten Gläubigerobliegenheiten. Ihre Verletzung gewährt daher dem Unternehmer alle die Rechtsbehelfe, die ihm bei Zuwiderhandlungen des Vertragspartners gegen sonstige Verbindlichkeiten zustehen; daneben hat er noch die zusätzlichen Rechte aus den §§ 642 ff BGB BGH aaO. 29 Diese Grundsätze gelten nicht nur dann, wenn der Unternehmer neben den Rechten aus den §§ 642 BGB solche aus positiver Vertragsverletzung herleitet, wie sie in der angeführten Entscheidung des Bundesgerichtshofs erörtert worden sind. Vielmehr sind sie auch anzuwenden, wenn der Unternehmer Erfüllung verlangt (Staudinger, 11. Aufl., § 642 Anm. 2 a). Die Interessenlagen unterscheiden sich insoweit nicht von einander. Es wäre auch ein unerträgliches und mit Treu und Glauben nicht zu vereinbarendes Ergebnis, wenn es dem Besteller freistehen sollte, durch willkürliche Nichterfüllung seiner Gläubigerobliegenheiten den Unternehmer zur Kündigung des Vertrags zu zwingen. 30 Dieser Beurteilung steht die von der Revisionsbeklagten angeführte Entscheidung des Senats vom 15. November 1962 VII ZR 113/61 nicht entgegen. In ihr ist der § 643 BGB nur insoweit als Sondervorschrift angesehen worden, als es sich um die Voraussetzungen für die Kündigung des Unternehmers handelte ähnlich Staudinger aaO, § 643 Anm. 1. Eine solche Kündigung steht hier nicht in Rede. 31 3.) Danach ist die Beklagte zur Zahlung des der Höhe nach unstreitigen Werklohns zu verurteilen, § 565 Abs. 3 Nr. 2 ZPO, ohne daß es eines Eingehens darauf bedarf, ob sich die Beklagte wegen schuldhafter Verletzung ihrer Mitwirkungspflicht entsprechend den aus den §§ 162 und 242 BGB folgenden Rechtsgrundsätzen so behandeln lassen muß, als wären die Fertigstellung und die Abnahme erfolgt. 1.) Die Klägerin hat als Verzugsschaden 10 % Zinsen seit dem 14. Februar 1964 mit der Begründung verlangt, daß sie infolge der Nichtzahlung Bankkredit habe in Anspruch nehmen müssen. 34 Die Beklagte hatte im ersten Rechtszuge keine Einwendungen gegen den Zinssatz erhoben. Jedoch hat sie in zweiter Instanz S. 9 des Schriftsatzes vom 17. März 1965 dagegen Stellung genommen. Der Senat ist bei dieser ungeklärten Lage nicht befugt, der Klägerin mehr als die ihr gemäß den § 288 BGB, § 352 HGB zustehenden 5 % zuzusprechen. 35 2.) Auch die Frage, von wann ab die Zinspflicht läuft, steht noch offen. 36 Sicher ist allerdings, daß sich die Beklagte seit dem Zeitpunkt im Verzuge befand, zu dem sie die Abnahme, Mitwirkung bei Erstellung der Daten und die Entrichtung der Vergütung endgültig verweigerte. Das hat sie mit Schriftsatz vom 8. Mai 1964 getan, der spätestens am 12. Mai 1964 der Klägerin vorlag. Ihre Zinspflicht von diesem Tage an kann somit nicht bezweifelt werden. 37 Dagegen ist ungeklärt, ob die Beklagte schon vorher die Gültigkeit des Vertrags bestritten hat. Das muß der Tatrichter ermitteln. Gegebenenfalls könnte der Verzug der Beklagten auch daraus hergeleitet werden, daß sie die Erstellung der Daten vor dem 12. Mai 1964 schuldhaft verweigert hat. Soweit der Senat in der Sache erkannt hat, sind der Beklagten die Kosten der ersten und dritten Instanz gemäß den §§ 91 und 92 ZPO auferlegt worden. Da nicht feststeht, ob die restlichen Zinsen zugesprochen werden, hat der Senat die Kostentscheidung in diesem Umfange dem Berufungsgericht überlassen (BGH LM § 92 ZPO Nr. 7). ----------------------------------------------------- Die von uns erfassten Urteile wurden oft anders formatiert als das Original. Dies bedeutet, daß Absätze eingefügt und Hervorhebungen durch fett-/kursiv-/&farbig-machen sowie Unterstreichungen vorgenommen wurden. Dies soll verdeutlichen, aber keinesfalls natürlich den Sinn verändern.Wenn Sie vorsichtshalber zusätzlich die Originalversion sehen möchten, hier ist der Link zur QuelleLink zur Quelle (kein Link? Dann ist dieser Link nicht in unserer DB gespeichert, z.B. weil das Urteil vor Frühjahr 2009 gespeichert worden ist). |