Text des Beschlusses
10 U 65/07;
Verkündet am:
08.01.2010
OLG Oberlandesgericht Naumburg
Vorinstanzen: 10 O 2589/06 Landgericht Magdeburg; Rechtskräftig: unbekannt! Im Rahmen einer Anhörungsrüge ist grundsätzlich davon auszugehen, dass Gerichte ihrer Pflicht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen nachkommen, auch wenn sie darauf nicht im einzelnen eingehen Leitsatz des Gerichts: Im Rahmen einer Anhörungsrüge ist grundsätzlich davon auszugehen, dass Gerichte ihrer Pflicht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen nachkommen, auch wenn sie darauf nicht im einzelnen eingehen, denn die Entscheidungsgründe enthalten gemäß § 313 Abs. 3 ZPO nur eine kurze Zusammenfassung der Erwägungen, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht. In dem Rechtsstreit … hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Schubert sowie die Richterinnen am Oberlandesgericht Göbel und Wolter am 8. Januar 2010 beschlossen: Die Anhörungsrüge des Beklagten vom 14. August 2009 gegen das Urteil des Senats vom 24. Juli 2009 wird zurückgewiesen. Die Kosten des Rügeverfahrens hat der Beklagte zu tragen. Mit Urteil vom 24. Juli 2009 hat der Senat die zulässige Berufung des Beklagten gegen das Urteil der Einzelrichterin der 10. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg vom 12. Juli 2007 zurückgewiesen. Das Urteil wurde dem Beklagtenvertreter ausweislich seines Empfangsbekenntnisses am 10. August 2009 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 14. August 2009, eingegangen per Telefaxkopie am selben Tag und im Original am 17. August 2009, beantragt der Beklagte, das Berufungsverfahren gem. § 321a Abs. 5 ZPO fortzuführen, das Urteil des Senates vom 24. Juli 2009 aufzuheben und die Klage unter Abänderung des Urteils des Landgerichtes Magdeburg vom 12. Juli 2007 abzuweisen sowie die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung einzustellen. Zur Begründung führt der Beklagte aus, das Urteil habe wesentliche Teile des von ihm vorgetragenen Sachverhaltes übergangen. Sein Anspruch auf rechtliches Gehör sei in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Der Senat habe sich nicht mit dem Vorbringen zum Inhalt der Vertragsverhandlungen vom 26. August 2006 befasst und das diesbezügliche Beweisangebot durch Vernehmung des Zeugen M. S. übergangen. Die Frage des Umfanges der von dem Festpreis erfassten Leistungen sei für die Entscheidung des Rechtsstreits von zentraler Bedeutung. Der Vortrag lasse sich nicht auf die noch im Rahmen der Klageerwiderung erfolgte Darlegung, der Beklagte und sein Vater seien lediglich davon ausgegangen, sämtliche Arbeiten seien von dem Festpreis erfasst, reduzieren. Es sei substantiiert vorgetragen worden, alle Beteiligten seien darüber einig gewesen, dass sich der Vertrag vom 26. August 2006 auf sämtliche Leistungen zur Neueindeckung des Daches inklusive Dämmung nebst Zubehör beziehe. Bei den Absprachen vom 14. September 2006 dagegen handele es sich um ein neues Vertragsverhältnis, das zudem wegen der am 26. August 2006 vereinbarten Schriftform mangels Unterschrift des Klägers formunwirksam sei. Hiermit habe sich der Senat ebenfalls nicht befasst. Gleiches gelte für den Vortrag des Beklagten, des Abschlusses einer Zusatzvereinbarung habe es wegen der dem Vertrag vom 26. August 2006 beigefügten Preisliste für Zusatzleistungen nicht bedurft. Der Senat dagegen gehe davon aus, die Parteien hätten mit der Vereinbarung vom 14. September 2006 die Frage, welche Zusatzleistung zu welchem Einheitspreis beauftragt worden seien, einer Ungewissheit entzogen. Völlig unreflektiert seien die Ausführungen des Senats, der Kläger sei am 14. September 2006 auf Bestellung des Beklagten erschienen. Der Beklagte habe vorgetragen, der Anlass für die Anwesenheit des Klägers auf der Baustelle am 14. September 2006 sei ausschließlich die Inempfangnahme der Anzahlung in Höhe von 12.000,00 Euro gewesen. Für den Anwendungsbereich der §§ 312 ff. BGB sei es aber von maßgeblicher Bedeutung, ob die vorhergehende Bestellung zum Zwecke der Durchführung von Vertragsverhandlungen oder zur Inempfangnahme eines Geldbetrages erfolge. Auch insoweit verletze das Urteil den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör. Mit Schriftsatz vom 23. September 2009 hat der Beklagte unter Bezugnahme auf die Entscheidungen des Bundesgerichtshofes vom 9. Februar 2009, Az.: II ZR 77/08, und vom 6. April 2009, Az.: II ZR 117/08, ergänzend vorgetragen, die Entscheidung des Senates verletze in einer an Rechtsverweigerung grenzenden Weise das Recht des Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs, in dem der Senat den Vortrag des Beklagten zum Gegenstand und Inhalt des Vertrages vom 26. August 2006 in der Entscheidung nicht berücksichtigt und die Beweisangebote des Beklagten unbeachtet gelassen habe. Die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist zulässig. Sie ist insbesondere innerhalb der Notfrist von zwei Wochen nach Kenntniserlangung gem. § 321a Abs. 2 Satz 2 ZPO erhoben worden. Der Beklagte hat vom Inhalt der Entscheidung mit Zustellung am 10. August 2009 Kenntnis erlangt. Die Rüge wurde am 14. August 2009 fristgerecht erhoben. Der Senat hat den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör gemäß § 321a Abs. 1 Ziff. 2 ZPO iVm. Art. 103 Abs. 1 GG nicht verletzt. Art. 103 Abs. 1 GG ist verletzt, wenn sich zweifelsfrei ergibt, dass ein Gericht seiner Pflicht zur Kenntnisnahme und zur Erwägung des Vorgetragenen nicht nachgekommen ist (BVerfG, Beschluss vom 19.10.2004, Az: 2 BvR 779/04, EuGRZ 2004, 656; BGH, Beschluss vom 27.03.2003, Az: V ZR 291/02, BGHZ 154, 288). Hier hat der Senat das als übergangen gerügte Vorbringen des Beklagten zur Kenntnis genommen und berücksichtigt. Das Beklagtenvorbringen wurde auch nicht missverstanden. Der Sinn des Vorbringens des Beklagten wurde vielmehr erfasst. Der Senat hat sich bei der Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen für die geltend gemachte Werklohnforderung sowohl mit dem tatsächlichen als auch mit dem rechtlichen Vorbringen umfassend auseinander gesetzt und dieses in seine Würdigung einbezogen. Eine gebotene Sachaufklärung ist nicht unterblieben. Dass der Senat, wie der Beklagte meint, mehrfach in zentralen Fragen des Streits Beweisantritte des Beklagten übergangen und das Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs so in einer an Rechtsverweigerung grenzenden Weise verletzt hätte, ist nicht ersichtlich. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass Gerichte ihrer Pflicht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen, nachkommen, auch wenn sie darauf nicht im Einzelnen eingehen (BVerfG, Beschluss vom 1. Februar 1978, Az: 1 BvR 426/77, BVerfGE 47, 182; BVerfG, Beschluss vom 8. Oktober 2003, Az: 2 BvR 949/02, RdL 2004, 68; BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2009, Az: V ZR 105/09, NSWGG Art. 103 - BGH – intern - zitiert nach juris). Die Entscheidungsgründe enthalten gem. § 313 Abs. 3 ZPO nur eine kurze Zusammenfassung der Erwägungen, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht. Es besteht keine Verpflichtung, sich mit jedem Vorbringen der Parteien in den Entscheidungsgründen auseinander zu setzen. Der Beklagte rügt, der Senat habe sich nicht mit dem Vorbringen zum Inhalt der Vertragsverhandlungen vom 26. August 2006 befasst und das diesbezügliche Beweisangebot durch Vernehmung des Zeugen M. S. übergangen. Der Vortrag und der Beweisantrag wurden zur Kenntnis genommen und erwogen. Entgegen der Ansicht des Beklagten bestand kein Anlass, den Zeugen zu vernehmen. In Abweichung von der Auffassung des Beklagten hat der Senat der schriftlichen Erklärung des Beklagten vom 14. September 2006, die Zusatzleistungen an Zubehör und Montage sowie die Gesamtsumme in Höhe von 31.060,00 € anzuerkennen, eine entscheidungserhebliche Bedeutung beigemessen. Diese Erklärung lag zeitlich nach der vom 26. August 2006. Sie ist auch, wie umfassend in den Entscheidungsgründen dargestellt, weder nichtig noch wirksam angefochten worden. Der Senat hat sich mit der Frage der Widerrufbarkeit und Anfechtbarkeit der Erklärung vom 14. September 2006 umfassend befasst. Er hat ausgeführt, weshalb in dem deklaratorischen Schuldanerkenntnis vom 14. September 2006 keine widerrufliche Erklärung auf Abschluss eines Vertrages i.S. § 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB liegt. Hiernach ist letztlich nicht entscheidungserheblich, zu welchem Zweck der Kläger am 14. September 2006 beim Beklagten erschienen ist. Soweit der Beklagte meint, der Senat habe den Vortrag des Beklagten, die Erklärung vom 14. September 2006 sei im Hinblick auf die Preisliste für Zusatzleistungen nicht erforderlich gewesen, eine Ungewissheit über die Zusatzleistungen habe nicht bestanden, übersehen, liegt auch insoweit keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vor. Der Senat hat den diesbezüglichen Vortrag erwogen. Er konnte gleichwohl von einer Ungewissheit der Parteien über die Zusatzleistungen ausgehen. In der Vertragsurkunde vom 26. August 2006 heißt es nur bezüglich der Ziffern 1 bis 5 und damit nur für die Grundausführung und gerade nicht für das Dachzubehör, dass diese „mit dem Besteller besprochen, im einzelnen ausgehandelt und endgültig festgelegt“ worden sind. Soweit der Beklagte weiter rügt, der Senat habe sich nicht damit befasst, dass der Kläger die Erklärung vom 14. September 2006 nicht unterschrieben hat, liegt auch insoweit keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vor. Auch das diesbezügliche Vorbringen ist nicht übergangen worden. Es sind Ausführungen zur konkludenten Annahme der Erklärung durch den Kläger in den Entscheidungsgründen des Urteils vom 24. Juli 2009 erfolgt. Richtig ist, dass der Senat in den Erklärungen des Beklagten vom 14. September 2006 wegen des erkennbaren rechtsgeschäftlichen Verpflichtungswillen ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis sieht, an das der Beklagte, nachdem die in Rechnung gestellten Mengen unbestritten sind, gebunden ist. Dass der Beklagte insoweit eine andere rechtliche Wertung vornimmt, hat der Senat ebenfalls erkennbar erwogen. Er hat sich, soweit entscheidungserheblich, auch mit dem Vorbringen des Beklagten zu den Absprachen vom 26. August 2006 umfassend auseinander gesetzt. Erkennbar hat der Senat das diesbezügliche Vorbringen des Beklagten nicht auf den Inhalt des Schriftsatzes vom 25. Januar 2007, wonach aufgrund der Erörterung sowohl der Beklagte als auch dessen Vater davon ausgegangen seien, sämtliche Dacharbeiten seien zu dem in Rede stehenden Festpreis erledigt, reduziert. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. gez. Schubert Präsident des Oberlandesgerichts gez. Göbel Richterin am Oberlandesgericht gez. Wolter Richterin am Oberlandesgericht ----------------------------------------------------- Die von uns erfassten Urteile wurden oft anders formatiert als das Original. Dies bedeutet, daß Absätze eingefügt und Hervorhebungen durch fett-/kursiv-/&farbig-machen sowie Unterstreichungen vorgenommen wurden. Dies soll verdeutlichen, aber keinesfalls natürlich den Sinn verändern.Wenn Sie vorsichtshalber zusätzlich die Originalversion sehen möchten, hier ist der Link zur QuelleLink zur Quelle (kein Link? Dann ist dieser Link nicht in unserer DB gespeichert, z.B. weil das Urteil vor Frühjahr 2009 gespeichert worden ist). |