Text des Beschlusses
4 TaBV 113/09;
Verkündet am:
27.05.2010
LAG Landesarbeitsgericht München
Vorinstanzen: 5 BV 24/09 Arbeitsgericht Rosenheim; Rechtskräftig: unbekannt! Der Antrag des Arbeitgebers auf Anfechtung auch der Wahl der insgesamt freizustellenden Betriebsratsmitglieder nach § 38 BetrVG ist mangels Anfechtungsberechtigung und damit Antragsbefugnis unzulässig, jedenfalls ohne weiteres unbegründet Leitsatz des Gerichts: Der Antrag des Arbeitgebers auf Anfechtung auch der Wahl der insgesamt freizustellenden Betriebsratsmitglieder nach § 38 BetrVG - parallel zu seiner Anfechtung der Betriebsratswahl insgesamt aus dem nämlichen Grund (Verkennung des Betriebsbegriffs - Gemeinschaftsbetrieb -, § 19 BetrVG) - ist mangels Anfechtungsberechtigung und damit Antragsbefugnis unzulässig, jedenfalls ohne weiteres unbegründet, da das Risiko divergierender Beurteilungen des Wahlvorstands für die Betriebsratswahl und des Betriebsrats bei seiner Freistellungsentscheidung nach § 38 BetrVG und divergierender gerichtlicher Entscheidungen in beiden Anfechtungsverfahren - mit Rechtskraftproblemen - bestünde. In dem Beschlussverfahren mit den Beteiligten 1. Firma J. B. GmbH & Co. KG - Antragstellerin, Beteiligte zu 1 und Beschwerdeführerin - 2. Firma B. F. GmbH - Antragstellerin, Beteiligte zu 2 und Beschwerdeführerin - Verfahrensbevollmächtigte zu 1 und 2: 3. Betriebsrat der J. B. GmbH & Co. KG und B. F. GmbH - Beteiligter zu 3 - Verfahrensbevollmächtigte zu 3: hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Anhörung vom 29. April 2010 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Burger und die ehrenamtlichen Richter Brandl und Jansen für Recht erkannt: I. Die Beschwerde der Arbeitgeberinnen und Beteiligten zu 1 und zu 2 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Rosenheim vom 6. Oktober 2009 - 5 BV 24/09 - wird zurückgewiesen. II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines Beschlusses des Betriebsrats und hier Beteiligten zu 3 mit der Wahl von zwei von ihrer beruflichen Tätigkeit vollständig freizustellenden Betriebsratsmitgliedern (§ 38 BetrVG). Die Beteiligte zu 1 produziert und vertreibt Molkereiprodukte an Einzelhandelsketten, wobei sie, nunmehr, etwa 490/495 Arbeitnehmer beschäftigt. Die Beteiligte zu 2 ist ein Tochterunternehmen der Beteiligten zu 1, das durch Abspaltung der ehemaligen Abteilung (bezeichnet auch als Betriebsteil bzw. Sachgebiet V bzw. Profit Center) „F.“ der Beteiligten zu 1 auf der Grundlage eines „Ausgliederungsvertrages“ (vom, so die Beteiligten zu 1 und zu 2, 15.07.2009, Bl. 27 f d. A.) - im Wege der Umfirmierung einer bereits vorhandenen Vorratsgesellschaft - mit Wirkung zum 01.01.2009 entstanden ist. Die Beteiligte zu 2 ist nach den Ausführungen der Antragstellerinnen ein Dienstleistungsunternehmen, das, mit ca. 130/132 Arbeitnehmern, Großabnehmer - Großküchen, Altenheime, Hotelketten, Gastronomiebetriebe - mit Molkereiprodukten beliefert, die zu etwa 10 % / 20 % von der Beteiligten zu 1 als ihrer Muttergesellschaft und im Übrigen, somit zu etwa 80 % / 90 %, von anderen Herstellern stammen. Der W. Betrieb der Beteiligten zu 2 - ein weiterer Betrieb dieser Beteiligten befindet sich, als selbstständiger Betriebsteil mit eigenem Betriebsrat, in G. - hat nach dem Vorbringen der Beteiligten zu 1 und zu 2 nunmehr seinen Sitz in einem Neubau auf demselben Betriebsgelände wie die Beteiligte zu 1. Organgeschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der Beteiligten zu 1 sind Herr F. B. und Herr M. B. ; Organgeschäftsführer der Beteiligten zu 2 sind Herr F. B. und Herr O. K. Im Zusammenhang mit der Abspaltung - rechtlichen Verselbstständigung - der Beteiligten zu 2 und der damit verbundenen Betriebsänderung wurden ihm Rahmen eines Einigungsstellenverfahrens ein Interessenausgleich vom 14.07.2008 (Bl. 13 - 16 d. A.) sowie eine „Vereinbarung zur Erledigung der im Hause der J. B. GmbH & Co. KG gebildeten Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand `Abspaltung des F.´“ vom 21.10.2008 (Bl. 17 d. A.) geschlossen. Die betroffenen Arbeitnehmer wurden im Rahmen des mit dieser Abspaltung ebenfalls verbundenen Betriebsübergangs mit Informationsschreiben jeweils vom 03.11.2008 (Bl. 18/19 und Bl. 20 - 26 d. A.) hierüber informiert. Der zum Zeitpunkt der Abspaltung bei der Beteiligten zu 1 bestehende Betriebsrat trat während der Laufzeit seines nach der Abspaltung bestehenden Übergangsmandats mit Beschluss vom 26.03.2009 (Anlage AS 2, Bl. 34 d. A.) vollständig zurück, woraufhin der von diesem bestellte Wahlvorstand für die Neuwahl eines Betriebsrats in der Annahme eines bestehenden gemeinsamen Betriebs der Beteiligten zu 1 und zu 2 die Wahl eines einzigen Betriebsrats für diesen Gemeinschaftsbetrieb ausschrieb und durchführte. In der Betriebsratswahl am 22.06.2009 wurden elf Betriebsratsmitglieder dieses angenommenen gemeinsamen Betriebs gewählt (Wahlniederschrift, Anlage AS 5, Bl. 36/37 d. A.). Der neu gewählte Betriebsrat teilte mit Schreiben an die Arbeitgeberinnen vom 09.07.2009 (Anlage AS 6, Bl. 38 d. A.) mit, dass er am selben Tag einen Beschluss zur Freistellung von zwei Betriebsratsmitgliedern gefasst habe, da nach der gesetzlichen Regelung in § 38 BetrVG der (gemeinsame) Betrieb mehr als 500 Arbeitnehmer aufweise. Die Beteiligten zu 1 und zu 2 auch des vorliegenden Verfahrens haben die Wahl des Betriebsrats mit Schriftsatz zum Arbeitsgericht Rosenheim vom 07.07.2009 im Rahmen eines anderweitigen Verfahrens angefochten und mit Schriftsatz vom 22.07.2009, am selben Tag zunächst per Telefax beim Arbeitsgericht Rosenheim eingegangen, vorliegend auch den Beschluss des Betriebsrats vom 09.07.2009 über die Freistellung von zwei Betriebsratsmitgliedern angegriffen. Die Beteiligten zu 1 und zu 2 begründen dies im Wesentlichen damit, dass sie nach der rückwirkend zum 01.01.2009 erfolgten Abspaltung der Beteiligten zu 2 und deren organisatorischer Verselbstständigung keinen gemeinsamen Betrieb unterhielten und deshalb auch der Betriebsratsbeschluss vom 09.07.2009 mit der Wahl zweier freizustellender Betriebsratsmitglieder unwirksam sei - was unabhängig von der Betriebsratswahlanfechtung inhaltlich zu überprüfen gewesen sei und gerichtlich getrennt geltend gemacht werden könne. Wegen des weitergehenden Sachverhalts im Übrigen und des Vorbringens sowie der Anträge der Beteiligten im ersten Rechtszug wird auf die Darstellung im angegriffenen Beschluss des Arbeitsgerichts Rosenheim vom 06.10.2009, der den Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1 und zu 2 am 21.10.2009 zugestellt wurde, Bezug genommen, mit dem dieses den vorliegenden Freistellungswahlanfechtungsantrag mit der Begründung abgewiesen hat, dass nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zwar entsprechend § 19 BetrVG auch die Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder - hier auch durch den Arbeitgeber - angefochten werden könne, der im Rahmen der gleichzeitig angefochtenen Wahl gewählte Betriebsrat jedoch zur uneingeschränkten Ausübung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Rechte und Pflichten so lange berechtigt sei, als die Anfechtung der Betriebsratswahl nicht rechtskräftig entschieden sei. Auch wenn der Betriebsrat im Rahmen seiner Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder gehalten wäre, die Betriebsgröße zu überprüfen, dürfe er hierbei von dem Betrieb ausgehen, der ihn gewählt habe, da andernfalls - müsste der Betriebsrat hier einen anderen Betriebsbegriff zugrunde legen - die Entscheidung über die Anfechtung der Betriebsratswahl vorweggenommen würde, was der Tatsache widersprechen würde, dass nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sämtliche Rechte des Betriebsrats bis zur Rechtskraft einer Entscheidung über die Betriebsratswahlanfechtung bestehen blieben. Da Sinn und Zweck der Freistellung der Betriebsratsmitglieder die Tatsache des Anfalls eines bestimmten Volumens von Arbeit für die Betriebsratsmitglieder bei einem Betrieb entsprechender Größe sei, würde eine anderweitige Entscheidung dazu führen, dass der Betriebsrat keine Betriebsratsmitglieder freistellen dürfe, wenn er dann evtl. von einer geringeren Betriebsgröße ausgehen müsste, andererseits seine Aufgaben gleichblieben. Deshalb müsse es bis zu einer Entscheidung über die Anfechtung der Betriebsratswahl beim gewählten Betriebsrat bleiben - dieser dürfe deshalb bei seiner Entscheidung über die freizustellenden Betriebsratsmitglieder die vorhandene Mitarbeiterzahl des Betriebs bzw. der Betriebe, die ihn gewählt hätten, zugrunde legen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Arbeitgeberinnen und Beteiligten zu 1 und zu 2 mit Schriftsatz vom 20.11.2009, am (Montag, den) 23.11.2009 zunächst per Telefax beim Landesarbeitsgericht München eingegangen, zu deren Begründung diese nach auf ihren Antrag erfolgter Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis 21.01.2010 mit Schriftsatz von diesem Tag, am selben Tag wiederum zunächst per Telefax beim Landesarbeitsgericht München eingegangen, ausgeführt haben, dass ausweislich des Wortlauts des § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG die Anzahl der in der Regel im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des Betriebsrats für die Frage der Freistellung von Betriebsratsmitgliedern ausschlaggebend sei. Deshalb müsse der Betriebsrat auch hier eigens den für die Belegschaftsstärke und damit die Zahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder maßgeblichen „Betrieb“ feststellen. Es gebe weder im Gesetz noch in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Anhaltspunkte dafür, dass nicht sowohl die Betriebsratswahl als solche als auch die Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder durch den gewählten Betriebsrat parallel und unabhängig voneinander angefochten werden könnten, zumal die Anfechtungsgründe in beiden Fällen nur im Ausnahmefall identisch seien. Jedes Verfahren sei deshalb für sich getrennt zu betrachten. Da der Begriff des gemeinsamen Betriebs gesetzlich nicht definiert sei, könne letztlich die Prüfung der zugrunde liegenden Tatsachen zu verschiedenen Zeitpunkten zu einem jeweils anderen Ergebnis führen. Eine unreflektierte Fortgeltung der Ansicht des Wahlvorstandes hinsichtlich der Frage des Vorliegens eines gemeinsamen Betriebs könne für die Entscheidung des Betriebsrats gem. § 38 Abs. 1 BetrVG nicht maßgebend sein, was auch die Überlegung zeige, dass es dem Arbeitgeber letztlich unbenommen sein müsse, den Beschluss des Betriebsrats zur Freistellung von Betriebsratsmitgliedern gem. § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG auch dann anzufechten, wenn er die Betriebsratswahl selbst nicht angefochten bzw. ggf. die hier geltende Anfechtungsfrist versäumt habe. Zumal, wenn die Frage der Wirksamkeit der Betriebsratswahl gerichtlich überprüft werde, überwögen die Interessen des Arbeitgebers an der grundsätzlichen Aufrechterhaltung der Arbeitsverpflichtung des einzelnen ggf. freizustellenden Betriebsratsmitglieds die Interessen des Betriebsrats hinsichtlich seiner Freistellungswahl. Die Beteiligten zu 1 und zu 2 beantragen: 1. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Rosenheim vom 06.10.2009, Az. 5 BV 24/09, wird aufgehoben. 2. Der Beschluss des Betriebsrats vom 09.07.2009 über die Freistellung der Betriebsratsmitglieder Herrn H. T. und Herrn J. K. wird für unwirksam erklärt. Der Betriebsrat und Beteiligte zu 3 trägt zur Begründung seines Antrags auf Zurückweisung der Beschwerde vor, dass die Beschwerdebegründung zunächst nicht schlüssig sei, da sie sich nur darauf stütze, dass vom Betriebsrat bei seiner Freistellungsentscheidung ein anderer Betriebsbegriff zugrunde gelegt hätte werden müssen, wobei es erforderlich gewesen wäre, dass sich die Beschwerdebegründung dann mit dem anderen Betriebsbegriff beschäftigt hätte, woran es fehle. Im Übrigen verteidigt der Betriebsrat die Ausführungen des Arbeitsgerichts im angefochtenen Beschluss mit dem Hinweis, dass die Anfechtung einer Betriebsratswahl nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers nur ex nunc wirke, weshalb es für die Freistellungswahl gem. § 38 BetrVG maßgeblich beim Zustand des Betriebsrats zu deren Zeitpunkt bleiben müsse. Andernfalls müsste im selben Betrieb von zwei verschiedenen Betriebsbegriffen ausgegangen werden. Dies zu Ende gedacht könnte dazu führen, dass z. B. bei einem Gemeinschaftsbetrieb von drei Unternehmen, für den die Arbeitgeberinnen geltend machten, dass jedes Unternehmen gesondert einen Betriebsrat wählen hätte müssen, auch bei unterbliebener Anfechtung der Betriebsratswahl für jedes Unternehmen eine isolierte Betrachtung gem. § 38 BetrVG angestellt und dann ggf. drei voneinander völlig getrennte Freistellungswahlen durchgeführt werden müssten - was nicht richtig sein könne. Im Übrigen bestehe hier tatsächlich ein gemeinsamer Betrieb der Unternehmen der Beteiligten zu 1 und zu 2, wie im Parallel verfahren über die Anfechtung der Betriebsratswahl vom 22.06.2009 im Einzelnen vorgetragen. Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Beschwerdeverfahren im Übrigen wird auf die Schriftsätze vom 21.01.2010 und vom 03.02.2010 verwiesen. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 und zu 2 ist statthaft und form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 87 Abs. 1 und Abs. 2, 89 Abs. 1 und Abs. 2, 66 Abs. 1 ArbGG, 518, 519, 222 Abs. 2 ZPO) und damit zulässig. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend und inhaltlich überzeugend begründet ausgeführt, dass dann, wenn - wie hier - parallel auch die Betriebsratswahl, zumal aus dem nämlichen Grund der Verkennung des Betriebsbegriffs (wegen der Frage des Bestehens eines Gemeinschaftsbetriebes), angefochten ist, vor Rechtskraft einer ex nunc wirkenden Entscheidung über deren Unwirksamkeit - qua Anfechtbarkeit, die Nichtigkeit der Betriebsratswahl wird weder geltend gemacht noch wäre diese hier sonst in irgendeiner Weise denkbar - die vom gewählten Betriebsrat vorgenommene Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder gem. § 38 BetrVG nicht ebenfalls aus demselben Grund - vom Arbeitgeber - angefochten werden kann. 1. Zum einen ist es bereits fraglich, ob überhaupt von einer Berechtigung der Arbeitgeberinnen und Beteiligten zu 1 und zu 2 hinsichtlich der erfolgten Freistellungswahl vom 09.07.2009 und damit deren Antragsbefugnis im vorliegenden Verfahren ausgegangen werden kann. Das Bundesarbeitsgericht hat in ständiger Rechtsprechung anerkannt, dass auch die Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder nach § 38 BetrVG in entsprechender Anwendung von § 19 BetrVG innerhalb von zwei Wochen ab Feststellung des Wahlergebnisses (BAG, B. v. 20.04.2005, 7 ABR 44/04, AP Nr. 30 zu § 38 BetrVG 1972) angefochten werden kann - durch ein einzelnes oder mehrere Betriebsratsmitglieder (BAG, aaO - III. 2. a der Gründe -; ebenso etwa BAG, B. v. 20.04.2005, 7 ABR 47/04, AP Nr. 29 zu § 38 BetrVG 1972 - I. 1. der Gründe -; B. v. 15.01.1992, 7 ABR 24/91, AP Nr. 10 zu § 26 BetrVG 1972 - III. 2. der Gründe -, jeweils m. w. N.). Da es sich bei der Freistellungswahl gem. § 38 BetrVG um eine betriebsratsinterne Wahl handelt, den Bereich dessen Geschäftsführung, spricht vieles dafür, dass - anders als hinsichtlich der Berechtigung zur Anfechtung der Betriebsratswahl insgesamt in § 19 Abs. 2 Satz 1 BetrVG ausdrücklich normiert - hier allerdings grundsätzlich nur Betriebsratsmitglieder anfechtungsberechtigt sind, mangels deren unmittelbarer Betroffenheit eine Anfechtungsberechtigung der im Betrieb vertretenen Gewerkschaft ebenso fehlt wie eine Anfechtungsberechtigung des Arbeitgebers (vgl. auch BAG, B. v. 16.02.1973, 1 ABR 18/72, AP Nr. 1 zu § 19 BetrVG 1972; BAG, B. v. 12.10.1976, 1 ABR 17/76, AP Nr. 2 zu § 26 BetrVG 1972 - II. 4. der Gründe -; LAG Düsseldorf, B. v. 10.04.1975, 14 TaBV 137/74, DB 1975, S. 1897 f; Fitting/Engels/Schmidt et al., BetrVG, 25. Aufl. 2010, § 38 Rz. 106; GK-BetrVG-Weber, Bd. I, 9. Aufl. 2010, § 38 Rz. 103; Richardi/Thüsing, BetrVG, 12. Aufl. 2010, § 38 Rz. 67, jeweils m. w. N.; auch Kamphausen, NZA 1991, S. 880 f). Das Bundesarbeitsgericht hat die Bestimmungen zur Anfechtung der Betriebsratswahl nach § 19 (Abs. 1 und Abs. 2) BetrVG auf die betriebsinterne - hier - Freistellungswahl nach § 38 BetrVG keineswegs uneingeschränkt übertragen, sondern zwar die Anfechtbarkeit einer solchen Wahl in entsprechender Anwendung des § 19 BetrVG, nebst - notwendig - der Anfechtungsfrist des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG, angenommen, hinsichtlich der Anfechtungsberechtigung jedoch, soweit ersichtlich, durchgängig beschränkt auf Betriebsratsmitglieder, die durch solche betriebsratsinternen Wahlen, auch die Freistellungswahl gem. § 38 BetrVG, unmittelbar betroffen sein können. Auch sieht die gesetzliche Regelung vor, dass der Arbeitgeber, wenn er der Auffassung ist, dass er eine Freistellung(-swahl) für sachlich nicht vertretbar ansieht, die Einigungsstelle anrufen kann (§ 38 Abs. 2 Satz 4 bis Satz 7 BetrVG) - deren Spruch er ggf. anfechten kann. Auch dies müsste gegen die Berechtigung zu einer unmittelbaren gerichtlichen Anfechtung der Freistellungswahl nach § 38 BetrVG sprechen. 2. Selbst wenn jedoch hier von einer Anfechtungsberechtigung und damit Antragsbefugnis auch des Arbeitgebers - der Arbeitgeberinnen und Beteiligten zu 1 und zu 2 des vorliegenden Verfahrens - deshalb ausgegangen werden könnte/müsste, wie das Arbeitsgericht angenommen hat, weil dieser durch die wirtschaftlichen Folgen der Freistellungsentscheidung (mittelbar !?) betroffen ist, wäre der Anfechtungsantrag jedenfalls in den Fällen unbegründet, bei denen - wie hier - zum einen gleichzeitig, ebenfalls vom Arbeitgeber, die Betriebsratswahl als solche angefochten ist, und beide Anfechtungsverfahren auf den nämlichen Grund - hier: Verkennung des Betriebsbegriffs (Gemeinschaftsbetrieb) - gestützt sind. a) Zwar stellt § 38 Abs. 1 BetrVG für die pauschalierte Freistellungsentscheidung nicht, abgeleitet, auf die Zahl der gewählten Betriebsratsmitglieder, sondern, wie zuvor bei der Betriebsratswahl (§ 9 BetrVG), ebenfalls auf die Zahl der im Betrieb in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer (hier, anders als bei der Betriebsratswahl, nicht der „wahlberechtigten“ Arbeitnehmer) ab. Dies gewinnt auf den ersten Blick insofern Sinn, als sich die Zahl der im Betrieb in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer bei der Entscheidung des Wahlvorstands zum hier maßgeblichen Zeitpunkt des Wahlausschreibens (§ 3 WO) aufgrund etwa zwischenzeitlich eingetretener tatsächlicher Entwicklungen anders darstellen kann als bei einer späteren - ggf. wiederholten - Freistellungswahl nach § 38 BetrVG. Beides steht jedoch in direkter Korrelation und kann nicht als Indiz für eine Überlegung des Gesetzgebers des Betriebsverfassungsgesetzes gewertet werden, der Betriebsrat müsse deshalb bei seiner Freistellungswahl gem. § 38 BetrVG, wie zuvor der Wahlvorstand für die Betriebsratswahl, damit selbst erneut genuine Überlegungen zum Betriebsbegriff als solchen anstellen und diesen autonom beurteilen. b) In einem solchen Fall verbietet sich eine Anfechtung auch der Freistellungswahl nicht nur aus pragmatischen, sondern auch aus rechtlichen Erwägungen im Hinblick auf nahezu zwangsläufige Inkompatibilitäten zweier paralleler Anfechtungsverfahren aus dem nämlichen Grund, wie dies bereits ansatzweise das Arbeitsgericht an einem Beispiel aufgezeigt hat: Wäre der gewählte - trotz Anfechtung seiner Wahl bis zur Rechtskraft einer späteren, deren Unwirksamkeit feststellenden, Entscheidung hierüber unverändert und uneingeschränkt im Amt befindliche - Betriebsrat bei seiner Freistellungsentscheidung nach § 38 BetrVG nicht nur zur Feststellung der zu letzterem Zeitpunkt in dem Betrieb, für den er gewählt ist, beschäftigten Arbeitnehmer im bloß quantitativen Sinn, sondern auch noch - wie der Wahlvorstand für die Betriebsratswahl - zur genuinen Ermittlung/Entscheidung des Betriebsbegriffs grundsätzlich befugt bzw. sogar verpflichtet, wie dies die Beteiligten zu 1 und zu 2 annehmen wollen, müsste er in diesem Zusammenhang (theoretisch - es wird kaum ein gewählter Betriebsrat seine „Geschäftsgrundlage“ - Zuständigkeit - mehrheitlich anders beurteilen als zuvor der, häufig auch personell teilidentische, Wahlvorstand für die durchgeführte Betriebsratswahl …), wie der Wahlvorstand, seine eigene Rechtsbasis, Zuständigkeit, qua Definition des Betriebs, für dessen Belegschaft er gewählt ist, selbstständig beurteilen und ggf. in Frage stellen. Dies wäre nicht nur annähernd absurd, sondern auch von den möglichen Konsequenzen vollständig unnachvollziehbar: Käme der gewählte Betriebsrat bei einer ihm anzusinnenden Überprüfung des Betriebsbegriffs im Vorfeld seiner Freistellungswahl nach § 38 BetrVG - also damit letztlich seiner Zuständigkeit - im Gegensatz zum Wahlvorstand zuvor zur Auffassung, er sei doch für mehrere Betriebe zuständig, weil diese einen Gemeinschaftsbetrieb bildeten, müsste es ihm dann konsequent möglich sein, eine dementsprechende Freistellungsentscheidung nach § 38 BetrVG zu treffen (Beispiel: Der Betriebsrat war für einen vom Wahlvorstand angenommenen eigenständigen Betrieb von etwa 600 Arbeitnehmern gewählt; der gewählte Betriebsrat nimmt im Rahmen der Freistellungswahl nach § 38 BetrVG in genuiner Beurteilungskompetenz des Betriebsbegriffs an, dieser Betrieb bilde mit zwei weiteren Betrieben von jeweils ca. 300 Arbeitnehmern einen gemeinsamen Betrieb: Soll es ihm dann, in diesem Zusammenhang, ermöglicht sein, nach der Staffel in § 38 Abs. 1 BetrVG drei statt zwei freizustellende Betriebsratsmitglieder zu wählen - und was, wenn eines der beiden anderen kleineren Betriebssubstrate, oder beide, seinerseits/ihrerseits über einen Betriebsrat verfügt/verfügen und seinerseits/ihrerseits (jeweils) ein Betriebsratsmitglied freigestellt haben … ?). Käme im vorigen Beispiel der Betriebsrat jedoch umgekehrt - im Fall eines vom Wahlvorstand angenommenen Gemeinschaftsbetriebs dreier Betriebe von somit insgesamt ca. 1.200 Beschäftigten - bei der Freistellungswahl und einer ihm hier obliegenden Entscheidung zum Betriebsbegriff - und damit seiner Zuständigkeit - wiederum gegenteilig zur Auffassung, es liege kein Gemeinschaftsbetrieb vor (oder ein solcher nur für zwei der drei angenommenen Betriebe mit zusammen 600/900 Arbeitnehmern): Müsste er dann die Freistellung von, nach der Staffel in § 38 BetrVG, nur zwei (statt drei) Betriebsratsmitgliedern beschließen - obwohl er in diesem Fall für einen Gemeinschaftsbetrieb von ca. 1.200 Arbeitnehmern gewählt wäre, mit entsprechend größerem Aufgabenumfang, wie ihn die gesetzliche Regelung in § 38 BetrVG pauschalierend, nachvollziehbar, unterstellt (wie dies auch das Arbeitsgericht ausgeführt hat)? Ebenso müsste sich in einem Fall wie dem vorliegenden die Frage stellen, ob bei Anfechtung der Betriebsratswahl wegen Verkennung des Betriebsbegriffs (wie hier) durch den Arbeitgeber aufgrund unzutreffend angenommenen Vorliegens eines Gemeinschaftsbetriebs bzw. Anfechtung durch den Betriebsrat wegen fehlerhafter Nichtannahme des Vorliegens eines Gemeinschaftsbetriebs nach Rechtskraft einer den jeweiligen Anfechtungsantrag zurückweisenden Entscheidung immer noch eine Überprüfung des Betriebsbegriffs bei einer, auch späteren, Freistellungsentscheidung nach § 38 BetrVG stattfinden müsste/könnte? Was wäre umgekehrt, wenn der vorliegende Anfechtungsprozess gem. § 38 BetrVG mit einer inhaltlichen Überprüfung des Betriebsbegriffs rechtskräftig vor der Entscheidung im parallelen Betriebsratswahlanfechtungsverfahren entschieden wäre: Müsste dies zu einer „Rechtskrafterstreckung“ oder aber dem Risiko einer „Rechtskraftdurchbrechung“ führen können? Wie wäre es zu beurteilen, wenn eine Anfechtung der Betriebsratswahl unterblieben - oder verfristet erfolgt - war: Wäre auch in diesem Fall eine Überprüfung der Freistellungswahl nach § 38 BetrVG hinsichtlich des dort angenommenen Betriebsbegriffs möglich - mit der Folge, dass bei etwa späterer Überprüfung einer Freistellungsentscheidung damit das Wahlanfechtungsverfahren in § 19 BetrVG mittelbar „nachgeholt“ - bzw. die rechtlichen Folgen einer fehlenden (rechtzeitigen) Betriebsratswahlanfechtung durchbrochen - werden könnten? Die mit der Auffassung der Beteiligten zu 1 und zu 2 verbundene Möglichkeit - das konkrete Risiko - divergierender Entscheidungen müsste die Gefahr der Rechtskraftdurchbrechung der einen Entscheidung durch die andere provozieren. Für solche Anfechtungsverfahren werden im Übrigen häufig verschiedene Spruchkörper - Kammern - desselben Gerichts der Tatsacheninstanzen zuständig sein (hier: im jeweiligen Beschwerdeverfahren zum einen die Vierte Kammer und zum anderen (Betriebsratswahlanfechtung) die Elfte Kammer des Landesarbeitsgerichts München). c) Auch die gesetzlichen Regelungen über die Betriebsratswahlanfechtung (§ 19 BetrVG) und das in § 18 Abs. 2 BetrVG gesetzlich vorgesehene Verfahren, dass im Vorfeld einer Betriebsratswahl sowohl - dort erstgenannt - der Arbeitgeber als auch vorhandene Betriebsräte als auch der Wahlvorstand als auch eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft eine gerichtliche Klärung des Vorliegens einer betriebsratsfähigen Organisationseinheit - gerade auch eines etwaigen Gemeinschaftsbetriebs - beantragen können, müssen zwingend die Ausnahme begründen, dass die Frage des Betriebsbegriffs und damit der Reichweite/Zuständigkeit des Betriebsrats allein im dafür gesetzlich vorgesehenen „Vorverfahren“ nach § 18 Abs. 2 BetrVG oder dann einer Anfechtung der durchgeführten Betriebsratswahl - bei denen jeweils der Arbeitgeber ausdrücklich antragsbefugt ist - geklärt werden kann - nicht auch im Rahmen der Freistellungsentscheidung des nach einer solchen Vorbeurteilung auf der Basis deren Ergebnisses gewählten Betriebsrats gemäß § 38 BetrVG. Bei Letzterer handelt es sich um eine Folge der durchgeführten Betriebsratswahl, dessen interne Geschäftsführung, ohne notwendige - oder nur mögliche - eigenständige Entscheidung über die Grundlagen seiner Wahl und damit seiner Zuständigkeit. Hat ein Wahlanfechtungsantrag Erfolg, ist mit Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung hierüber das Mandat des fehlerhaft gewählten Betriebsrats beendet, weshalb die durch diesen erfolgte Freistellungsentscheidung nach § 38 BetrVG damit eo ipso gegenstandslos (ein solches paralleles Freistellungswahlanfechtungsverfahren erledigt) ist. Die umgekehrte Annahme - im Fall einer parallelen Anfechtung der Freistellungsentscheidung nach § 38 BetrVG durch den, angenommen, auch insoweit anfechtungsberechtigten Arbeitgeber - würde zu absurden Konsequenzen und nicht lösbaren rechtlichen Komplikationen (divergierende Entscheidungen, Risiko möglicher Rechtskraftdurchbrechungen …) führen müssen. Deshalb ist der Antrag der Arbeitgeberin und Beteiligten zu 1 und zu 2 unbegründet, weshalb deren Beschwerde zurückzuweisen ist. Da dem Verfahren über die Klärung der konkreten Problemstellung hinaus keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, bestand für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß §§ 92 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung. Gegen diesen Beschluss ist deshalb die Rechtsbeschwerde nur gegeben, wenn sie das Bundesarbeitsgericht aufgrund einer Nichtzulassungsbeschwerde, auf deren Möglichkeit und Voraussetzungen gem. § 92 a ArbGG die Beteiligten zu 1 und zu 2 hingewiesen werden, zulassen sollte. Burger Brandl Jansen ----------------------------------------------------- Die von uns erfassten Urteile wurden oft anders formatiert als das Original. Dies bedeutet, daß Absätze eingefügt und Hervorhebungen durch fett-/kursiv-/&farbig-machen sowie Unterstreichungen vorgenommen wurden. Dies soll verdeutlichen, aber keinesfalls natürlich den Sinn verändern.Wenn Sie vorsichtshalber zusätzlich die Originalversion sehen möchten, hier ist der Link zur Quelle (kein Link? Dann ist dieser Link nicht in unserer DB gespeichert, z.B. weil das Urteil vor Frühjahr 2009 gespeichert worden ist). |