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Text des Beschlusses
10 W 45/10 (KfB);
Verkündet am:
01.09.2010
OLG Oberlandesgericht Naumburg
Vorinstanzen: 2 O 558/08 Landgericht Dessau-Roßlau; Rechtskräftig: unbekannt! Haben die Parteien sich mit Klage und Widerklage verglichen und dabei die Verteilung der Kosten nach Verfahrensgegenständen vorgenommen, scheitert die Umsetzung daran, dass der Gebührenberechnung nicht zwei getrennte Verfahren zugrunde gelegt werden könne Leitsatz des Gerichts: Haben die Parteien sich in einem Verfahren mit Klage und Widerklage verglichen und dabei die Verteilung der Kosten nach Verfahrensgegenständen vorgenommen, scheitert die Umsetzung daran, dass der Gebührenberechnung nicht zwei getrennte Verfahren zugrunde gelegt werden können. Die Vereinbarung ist daher nach §§ 133, 157 BGB auszulegen, mit dem Ergebnis, dass die Parteien die außergerichtlichen Gesamtkosten nach dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens unter Berücksichtigung der Streitwertanteile der Klage und Widerklage und der jeweiligen Beteiligung der Parteien verteilen wollten. In der Beschwerdesache … hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch die Richterin am Oberlandesgericht Wolter als Einzelrichterin (gemäß § 568 Satz 1 ZPO) am 01. September 2010 beschlossen: Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Kostenfestsetzungsbeschluss I der Rechtspflegerin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 01. Oktober 2009 aufgehoben und die Sache - auch zur Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens - an das Landgericht zurückverwiesen. Die sofortige Beschwerde der Drittwiderbeklagten zu 1) und 2) gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss I der Rechtspflegerin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 01. Oktober 2009 wird verworfen. Der Beschwerdewert wird auf 540,61 € festgesetzt. Der Kläger und die Drittwiderbeklagten zu 1) und 2) wenden sich dagegen, dass mit Kostenfestsetzungsbeschluss I der Rechtspflegerin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 01. Oktober 2009 - hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der Klage - die von dem Kläger an die Beklagten auszugleichenden Kosten auf 1.574,44 € festgesetzt worden sind. Der Kläger hat in der zugrundeliegenden Verkehrsunfallsache Zahlungsklage gegen die Beklagten zu 1), 2) und 3) in Höhe von 16.559,69 € zzgl. Nebenforderungen erhoben. Mit Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten Rechtsanwälte B. vom 25. September 2008 haben die Beklagten beantragt, die Klage abzuweisen. Der Beklagte zu 2) hat sodann - anwaltlich vertreten durch Rechtsanwälte M. - am 29. Oktober 2010 aus demselben Verkehrsunfallereignis widerklagend die Kläger und die Drittwiderbeklagten zu 1) und 2) auf Zahlung in Höhe von 3.914,50 € zzgl. Nebenforderungen in Anspruch genommen. Im Termin vom 20. März 2009 haben sich die Parteien nach einer Beweisaufnahme auf eine hälftige Teilung der jeweils bei dem Verkehrsunfall entstandenen Schäden verglichen. Unter Berücksichtigung der bereits vorprozessual erfolgten Teilzahlung verpflichteten sich die Beklagten, an den Kläger gesamtschuldnerisch weitere 4.919,89 € zu zahlen. Der widerbeklagte Kläger sowie die Drittwiderbeklagten verpflichteten sich, gesamtschuldnerisch 1.957,25 € an den Widerkläger zu leisten. Bezüglich der Kosten vereinbarten die Parteien, dass von den außergerichtlichen Kosten der Klage der Kläger 70 % und die Beklagten gesamtschuldnerisch 30 % zu tragen haben. Von den außergerichtlichen Kosten der Widerklage sollen der Widerbeklagte und die Drittwiderbeklagten 50 % und der Widerkläger ebenfalls 50 % tragen. Die Verteilung der Gerichtskosten wurde dem Gericht überlassen. Auf den Vergleich wird Bezug genommen (Bl. 89 d. A.). Mit Urteil vom 08. Mai 2009 wurden die Gerichtskosten in Höhe von 4 % gesamtschuldnerisch dem Kläger und den Drittwiderbeklagten zu 1) und 2), in Höhe weiterer 64 % dem Kläger allein, in Höhe von 28 % gesamtschuldnerisch den Beklagten und in Höhe von weiteren 4 % dem Beklagten zu 2) allein auferlegt. Auf das Urteil wird Bezug genommen. Der Streitwert wurde mit Beschluss vom selben Tag auf 20.474,19 € festgesetzt. Für die Beklagten hat deren Prozessbevollmächtigter unter Zugrundelegung eines Streitwertes in Höhe von 16.559,69 € mit Schriftsatz vom 09. April 2009 Kosten in Höhe von 2.980,47 € zum Kostenausgleich angemeldet (Bl. 99 d. A.). Der Klägervertreter hat mit Schriftsätzen vom 28. Mai 2009 für den Kläger - ausgehend von einem Streitwert von 16.559,69 € - Kosten in Höhe von 2.229,05 € und für die Widerbeklagten - unter Zugrundelegung eines Streitwertes in Höhe von 3.914,50 € - Kosten in Höhe von 1.219,16 € zum Ausgleich angemeldet (Bl. 121 und 122 d. A.). Der Widerklagevertreter hat ausgehend von einem Streitwert in Höhe von 3.914,50 € beantragt, Kosten von 854,72 € gemäß § 106 ZPO auszugleichen. Mit Beschluss vom 01. Oktober 2009 hat die Rechtspflegerin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Dessau-Roßlau hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der Klage (Kostenfestsetzungsbeschluss I) die von dem Kläger an die Beklagten auszugleichenden Kosten auf 1.574,44 € und mit Beschluss vom selben Tag hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der Widerklage (Kostenfestsetzungsbeschluss II) die von der Beklagten zu 2) an den Kläger und die Drittwiderbeklagten zu erstattenden Kosten auf 72,93 € festgesetzt. Auf die Beschlüsse wird Bezug genommen. Gegen den dem Klägervertreter am 07. Oktober 2009 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss I haben der Kläger und die Drittwiderbeklagten zu 1) und 2) mit einem am 15. Oktober 2009 eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdeführer vertreten die Ansicht, Klage und Widerklage seien aus dem Gesamtstreitwert abzurechnen. Eine Ausgleichung anhand fiktiver Einzelvergütungen verstoße gegen § 15 Abs. 3 RVG. Die angefallenen Gebühren seien anteilig nach dem Verhältnis der Werte der Klage und der Widerklage zum Gesamtstreitwert auszugleichen. Die durch den Kläger an die Beklagten auf deren außergerichtlichen Kosten der Klage zu erstattenden Kosten betrügen danach nur 1.033,83 €. Auf die Beschwerdeschrift wird Bezug genommen. Das Landgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 28. Juli 2010 nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. 1. Die gemäß §§ 106, 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO in Verbindung mit § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, § 11 Abs. 1 RPflG statthafte und form- und fristgerecht nach § 569 ZPO eingelegte sofortige Beschwerde des Klägers ist zulässig, die der Drittwiderbeklagten zu 1) und 2) ist unzulässig. Die Drittwiderbeklagten zu 1) und 2) sind nach dem Inhalt des angegriffenen Kostenfestsetzungsbeschlusses I vom 01. Oktober 2010 nicht beschwert. Sie sind von der nur die Klage betreffenden Entscheidung nicht berührt. Die Drittwiderbeklagten zu 1) und 2) sind allein von dem die Widerklage betreffenden Kostenfestsetzungsbeschluss II betroffen. Diesen haben sie nicht angegriffen. Die sofortige Beschwerde kann auch nicht dahin ausgelegt werden, dass der die Widerklage betreffende Kostenfestsetzungsbeschluss II angefochten werden sollte. Die Drittwiderbeklagten zu 1) und 2) behaupten nicht, dass ihnen durch den Beklagten zu 2) mehr als 72,93 € zu erstatten seien. Sie behaupten allein, der Kläger habe an die Beklagten statt 1.574,44 € nur 1.033,83 € zu erstatten. Hiervon sind die Drittwiderbeklagten aber nicht beschwert. Hat der Rechtspfleger die zu erstattenden Kosten in zwei getrennten Beschlüssen festgesetzt, sind dieselben auch selbständig mit Rechtsmitteln anzufechten (vgl. Herget in Zöller, ZPO, 28. Aufl., § 106, Rdn. 6; Heßler in Zöller, a.a.O., § 567, Rdn. 48). Die sofortige Beschwerde der Drittwiderbeklagten zu 1) und 2) gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss I vom 01. Oktober 2010 ist mangels Beschwer unzulässig. Der angegriffene Kostenfestsetzungsbeschluss I berücksichtigt nicht die hier gebotene Auslegung der Kostenteilungsvereinbarung der Parteien. Die Vereinbarung der Parteien in dem gerichtlichen Vergleich vom 20. März 2010 bedarf hinsichtlich der Verteilung der Kosten der Auslegung (vgl. Herget in Zöller, a.a.O., § 104, Rdn. 21, Stichwort: „Prozessvergleich“). Sie ist unklar. Die Verteilung der Kosten erfolgte hier nach Verfahrensgegenständen. Eine derartige Verteilung der Kosten danach, ob es sich um Kosten der Klage oder Kosten der Widerklage handelt, scheitert aber - auch wenn sie vergleichsweise erfolgt - daran, dass vorliegend der Gebührenberechnung nicht zwei getrennte Verfahren zugrunde gelegt werden können. Die Rechtsanwaltsgebühren unterliegen nach dem RVG einer Degression, die auch die Kostenfestsetzung zwingend zu berücksichtigen hat. Die Rechtspflegerin hatte daher vorliegend den mutmaßlichen Parteiwillen zu erforschen und ihn der Auslegung der Kostenteilungsvereinbarung zugrunde zu legen. Die Vereinbarung ist gemäß §§ 133, 157 BGB dahin auszulegen, dass die Parteien die außergerichtlichen Gesamtkosten nach dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens unter Berücksichtigung der Streitwertanteile der Klage und Widerklage und der jeweiligen Beteiligung der Parteien verteilen wollten (vgl. Herget in Zöller, a.a.O., § 104, Rdn. 21, Stichworte: „Auslegung“ und „Klage und Widerklage“; § 91, Rdn. 13, Stichwort: „Vergleich“). Wie bei einer unter Verletzung des Gebotes einer einheitlichen Kostenverteilung fälschlich durch das Gericht vorgenommenen Kostentrennung ist auch hier die korrekte Verteilungsquote durch Auslegung zu ermitteln und vom Rechtspfleger festsetzungsfähig zu machen (OLG Naumburg, Beschluss vom 08. April 1999, Az: 8 WF 77/99). Die Verteilung erfolgt dabei - wie auch bei gerichtlichen Kostenentscheidungen in vergleichbaren Prozesssituation üblich - unter Anwendung der sog. Baumbachschen Formel (vgl. Bork in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 104, Rdn. 6; Herget in Zöller, a.a.O., § 104, Rdn. 21; Schneider in Prütting/Gehrlein, ZPO, 1. Aufl., § 100, Rdn. 6). Hierzu sind die rechnerisch zu ermittelnden Beteiligungen aller Parteien an den Prozessrechtsverhältnissen zugrunde zu legen. Der Kläger hat in der Hauptsache auf Zahlung von 16.559,69 € gegen die Beklagten zu 1), 2) und 3) als Gesamtschuldner geklagt. Der Beklagte zu 2) hat Widerklage gegen den Kläger und die Drittwiderbeklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner auf Zahlung von 3.914,50 € erhoben. Das heißt, für den Kläger beläuft sich die Summe aller Prozessrechtsverhältnisse rechnerisch auf 53.593,57 € (3 x 16.559,69 € für die Klage und 3.914,50 € für die Widerklage), für die Beklagten zu 1) und 3) auf jeweils 16.559,69 €, für den Beklagten zu 2) auf 28.303,19 € (3 x 3.914,50 € für die Widerklage und 16.558,69 € für die Klage) und für die Drittwiderbeklagten zu 1) und 2) auf jeweils 3.914,50 €. Die Beklagten zu 1), 2) und 3) haben sich in dem Vergleich gesamtschuldnerisch verpflichtet, an den Kläger 4.919,89 € zu zahlen. Der Kläger und die Drittwiderbeklagten zu 1) und 2) haben sich in demselben gerichtlichen Vergleich verpflichtet, an den Beklagten zu 2) gesamtschuldnerisch 1.957,25 € zu zahlen. Der Kläger unterlag bezüglich der Klage rechnerisch mithin in Höhe von 3 x 11.639,80 € und in Höhe von 1.957,25 €, insoweit gesamtschuldnerisch mit den Drittwiderbeklagten zu 1) und 2). Der Beklagte zu 2) dagegen unterlag aus der Widerklage rechnerisch mit 3 x 1.957,25 € allein und aus der Klage mit 4.919,89 € gesamtschuldnerisch mit den übrigen Beklagten. Die Beklagten zu 1) und 3) unterlagen - gesamtschuldnerisch mit dem Beklagten zu 2) - in Höhe von 4.919,89 €. Die Drittwiderbeklagten zu 1) und 2) unterlagen mit 1.957,25 € gesamtschuldnerisch mit dem Kläger. Daraus ergibt sich, dass die Parteien bei der gebotenen Auslegung entsprechend §§ 133, 157 BGB bei einer einheitlichen Verteilung der Gesamtkosten ohne eine Trennung nach Klage und Widerklage vereinbart hätten, dass von den außergerichtlichen Kosten des Klägers die Beklagten zu 1), 2) und 3) gesamtschuldnerisch 27 % tragen sollten und weitere 4 % der Beklagte zu 2) allein. Von den außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) sollte dagegen der Kläger 42 % allein tragen und weitere 20 % sollte der Kläger gesamtschuldnerisch mit den Drittwiderbeklagten zu 1) und 2) tragen. Von den außergerichtlichen Kosten der Drittwiderbeklagten zu 1) und 2) sollte der Beklagte zu 2) 50 % tragen. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) und des Beklagten zu 3) sollte dagegen der Kläger 70 % tragen. Im übrigen sollte bei entsprechender Auslegung jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen. Eine derartige Auslegung der Kostenvereinbarung kommt dem in dem Vergleich zum Ausdruck gebrachten Parteiwillen erkennbar am nächsten. Die Parteien wollten unzweifelhaft, dass das Verhältnis des Unterliegens und Obsiegens für Klage und Widerklage und die jeweilige Beteiligung der Partei Berücksichtigung finden. Die Kosten der Beweisaufnahme waren für Klage und Widerklage erforderlich. Diesbezügliche Auslagen waren daher vorliegend nicht separat zu berücksichtigen (Herget in Zöller, a.a.O., § 92, Rdn. 5). Nach dem Inhalt des Beweisbeschlusses sollte der Unfallhergang, auf den es sowohl für die Klage als auch für die Widerklage ankam, aufgeklärt werden. Andere Anhaltspunkte ergeben sich auch nicht aus der Vereinbarung der Parteien. Das Landgericht hat über die Kostenfestsetzung gemäß § 572 Abs. 3 ZPO nach entsprechender differenzierter Antragstellung erneut unter Berücksichtigung dieses durch Auslegung ermittelten Umfangs der jeweiligen Kostenübernahme zu entscheiden. 3. Die Entscheidung über die Kostentragungspflicht im Beschwerdeverfahren ist wegen des noch offenen Umfangs des Obsiegens und Unterliegens des Klägers vorliegend dem Landgericht zu übertragen (Heßler in Zöller, a.a.O., § 573, Rdn. 47). Eine Auferlegung von Kosten auf die Drittwiderbeklagten kommt trotz des insoweit bereits feststehenden Unterliegens im Beschwerdeverfahren wegen des Gebotes einer einheitlichen Kostenentscheidung nicht in Betracht. Die Entscheidung über die Festsetzung des Beschwerdewertes findet ihre Grundlage in §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, 3 ZPO. gez. Wolter ----------------------------------------------------- Die von uns erfassten Urteile wurden oft anders formatiert als das Original. Dies bedeutet, daß Absätze eingefügt und Hervorhebungen durch fett-/kursiv-/&farbig-machen sowie Unterstreichungen vorgenommen wurden. Dies soll verdeutlichen, aber keinesfalls natürlich den Sinn verändern.Wenn Sie vorsichtshalber zusätzlich die Originalversion sehen möchten, hier ist der Link zur QuelleLink zur Quelle (kein Link? Dann ist dieser Link nicht in unserer DB gespeichert, z.B. weil das Urteil vor Frühjahr 2009 gespeichert worden ist). |