Text des Urteils
10 U 54/09.Hs;
Verkündet am:
23.04.2010
OLG Oberlandesgericht Naumburg
Vorinstanzen: 36 O 159/09 (034) Landgericht Magdeburg; Rechtskräftig: unbekannt! Aussage eines kostenlosen Anzeigenblattes im Impressum, über Höhe seiner Druckauflage, die für erreichbare Haushalte im Verbreitungsgebiet erscheine, sowie die zahlenmäßige Zuordnung zu zwei Regionen, ist nicht irreführend Titelauswahl: Franz-Anton Plitt, Chisinau - Internet entrepreneurLeitsatz des Gerichts: Die Aussage eines kostenlosen Anzeigenblattes im Impressum, über die Höhe seiner Druckauflage, die für erreichbare Haushalte im Verbreitungsgebiet erscheine, sowie die zahlenmäßige Zuordnung zu zwei Regionen, ist nicht irreführend. Es wird damit nicht die (unrichtige) Vorstellung einer flächendeckenden Verteilung an sämtliche Haushalte zu 100% der Druckauflage erweckt. In dem einstweiligen Verfügungsverfahren … wegen wettbewerbsrechtlicher Unterlassung hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch die Richterin am Oberlandesgericht Göbel als Vorsitzende, die Richterin am Oberlandesgericht Wolter und den Richter am Oberlandesgericht Schubert-Wulfmeyer als beisitzende Richter auf die mündliche Verhandlung vom 12. Februar 2010 für Recht erkannt: Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das am 23. September 2009 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Magdeburg wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Verfügungsklägerin zu tragen. Der Streitwert für das Verfahren der einstweiligen Verfügung wird auf 15.000,00 EUR festgesetzt. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Nach erfolgloser Abmahnung nimmt die Verfügungsklägerin die Verfügungsbeklagte im Wege der einstweiligen Verfügung auf Unterlassung einer Werbeaussage zu ihrer Druckauflage in Anspruch. Die Verfügungsklägerin vertreibt u. a. das kostenlose Anzeigenblatt „G. “, die Verfügungsbeklagte das Anzeigenblatt „R. “. Inessen Impressum war in der Ausgabe August 2009 die Aussage enthalten, dass das „R. “ - nunmehr unstreitig - eine Druckauflage von 56.000 Exemplaren habe, die für erreichbare Haushalte im Verbreitungsgebiet erscheine sowie die Angaben hierzu: Region H. 27.433 Region W. 28.438. Die Verfügungsklägerin hat behauptet, diese Aussagen seien irreführend: Es komme nicht auf die Druckauflage an, sondern auf das tatsächliche Erreichen der Haushalte. Hierzu liege die Quote in im einzelnen aufgeführten Gemeinden aber nur zwischen rund 22 % und 44 %, teilweise hätten komplette Straßenzüge nicht die beanstandete Ausgabe erhalten. Dies ergebe sich aus aktuellen telefonischen Befragungsprotokollen (Anlage eV 3, Bd. I Bl. 41 ff. d. A.). Die Verfügungsklägerin ist der Auffassung gewesen, nachdem bei Mehrdeutigkeit einer Werbeaussage die ungünstigste Auslegung gelte, handele es sich bei den Angaben im Impressum um eine nachweisbar falsche Werbeaussage. Die Verfügungsklägerin hat beantragt, der Antragsgegnerin wird aufgegeben, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs mit folgenden Aussagen zu werben bzw. werben zu lassen: Das Anzeigenblatt „R. “ - Ausgabe Region H. (27.433 Haushalte) / Region W. (28.438 Haushalte) - mit einer Druckauflage von 56.000 Exemplaren erscheint für erreichbare Haushalte im Verbreitungsgebiet. Die Verfügungsbeklagte hat beantragt, den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückzuweisen. Sie hat behauptet, die angegebene Druckauflage habe die angegebenen Haushalte auch tatsächlich erreicht - überwiegend durch eine direkte Hauszustellung, im Übrigen auch durch Auslage an Stellen mit öffentlichem Publikumsverkehr. Auf „erreichbare” Haushalte sei abgestellt worden, um diejenigen mit diversen Zustellhindernissen auszuschließen. Das von der Verfügungsklägerin dargestellte Umfrageergebnis gehe von unzutreffenden Tatsachen aus. Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme durch Zeugenvernehmung den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung mit dem angefochtenen Urteil vom 23. September 2009 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Zeugin H. als Mitarbeiterin eines von der Verfügungsbeklagten beauftragten Unternehmens die Verteilung organisiert habe und diese auch stichprobenartig überwacht worden sei; Beanstandungen oder Probleme habe es nicht gegeben. Demgegenüber sei eine vergleichsweise geringe Anzahl - nur wenige Prozent - der potentiellen Empfänger auf Veranlassung der Verfügungsklägerin telefonisch befragt worden, wobei die nach eigenen Überlegungen verwertbaren Antworten noch deutlich niedriger gelegen hätten. Die Aussage des angerufenen Haushaltsmitglieds, er oder sie habe das Anzeigenblatt nicht erhalten, bedeute im Ergebnis nur, dass diese konkrete Person das Anzeigenblatt entweder nicht mehr in Erinnerung oder nicht zur Kenntnis genommen habe. Beides heiße aber nicht, dass eine Verteilung tatsächlich nicht stattgefunden habe. Hiergegen richtet sich das Rechtsmittel der Verfügungsklägerin. Sie hat gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 02. Oktober 2009 zugestellte Urteil am 15. Oktober 2009 Berufung eingelegt und diese am 19. Oktober 2009 begründet. Die Verfügungsklägerin hält es für sachdienlich, noch weitere Werbeaussagen der Verfügungsbeklagten zur Frage der „Lieferung”, der „Verteilung” und der „Verbreitung“ des Anzeigenblatts zum Gegenstand der Berufung zu machen. Insbesondere würden Exemplare des Anzeigenblatts, die lediglich ausgelegt würden, nicht in den erreichbaren Haushalten der Region verbreitet, wie der unbefangene potentielle Anzeigenkunde annehmen müsse. Die Verfügungsklägerin beantragt, unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Magdeburg vom 23.09.2009 der Antragsgegnerin bei Meidung der üblichen Ordnungsmittel gemäß § 890 ZPO zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr folgende Aussagen aufzustellen und/oder zu verbreiten: a) Das Anzeigenblatt „R. “ - Ausgabe Region H. (27.433 Haushalte) / Region W. (28.438 Haushalte) - mit einer Druckauflage von 56.000 Exemplaren erscheint für erreichbare Haushalte im Verbreitungsgebiet; und/oder b) das Anzeigenblatt „R. “ wird im Landkreis B. in den Regionen W. (28.602 Haushalte) und H. (25.797 Haushalte) an erreichbare Haushalte und Unternehmen frei Haus geliefert; und/oder c) das Anzeigenblatt „R. “ mit einer Druckauflage von 56.000 Exemplaren wird in der Region H. , W. und deren Umland durch ein externes Vertriebsnetz an erreichbare Haushalte und Unternehmen kostenlos in der Region verteilt. Die Verfügungsbeklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen; hilfsweise: das Verfahren zur erneuten Verhandlung an das erstinstanzliche Gericht zurückzuverweisen. Sie verteidigt das angefochtene Urteil und verweist darauf, dass das Berufungsvorbringen nicht dem erstinstanzlichen Antrag der Verfügungsklägerin entspreche; hier wäre über eine andere Streitfrage zu entscheiden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze und eingereichten Unterlagen Bezug genommen. Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Verfügungsklägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Die Berufung der Verfügungsklägerin ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 511, 517, 519, 520 ZPO). Der Zulässigkeit der Berufung steht nicht entgegen, dass die Verfügungsklägerin ihren ursprünglichen Verfügungsantrag in der Berufungsinstanz um zwei weitere Klageanträge erweitert hat. Nach zutreffender Rechtsprechung führt insbesondere die etwaige Unzulässigkeit einer Klageerweiterung nicht zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels insgesamt. Dieses bleibt vielmehr zulässig, als der Berufungskläger - zumindest teilweise - die Beseitigung der in dem angefochtenen Urteil liegenden Beschwer erstrebt (BGH NJW 2001, 206; BGH NJW-RR 1994, 1404; NJW-RR 1996, 765; NJW-RR 1998, 390). Nur wenn ausschließlich ein neuer, bisher noch nicht geltend gemachter Anspruch verfolgt wird, ist die Zulässigkeit der Berufung zu verneinen (so schon BGH, Urteil vom 08.06.1994, VIII ZR 178/93, zitiert nach juris). Daher kann bei einer im Übrigen zulässigen Berufung auch ein bisher nicht gestellter Antrag - wie im Streitfall die Berufungsanträge zu b) und zu c) - im Wege der Klageänderung grundsätzlich in das Berufungsverfahren eingeführt werden. Im Rahmen des Berufungsverfahrens sind Entscheidungen des ersten Rechtszugs nach § 513 Abs. 1 ZPO grundsätzlich nur noch darauf überprüfbar, ob die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung nach § 546 ZPO beruht oder ob die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Dabei ist grundsätzlich von den durch das Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen auszugehen. Im Hinblick hierauf hat das Berufungsgericht nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nur zu prüfen, ob ernstliche Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen bestehen. Zum Berufungsantrag zu a) ist das hier nicht der Fall. Das Urteil des Landgerichts, auf dessen Ausführungen der Senat im Wesentlichen Bezug nehmen kann, entspricht in vollem Umfang der Sach- und Rechtslage; das Berufungsvorbringen der Verfügungsklägerin rechtfertigt keine andere Beurteilung. Das Landgericht hat rechtlich zutreffend einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch gegen die Verfügungsbeklagte nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG in Verbindung mit §§ 3, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG verneint. Dabei ist auch die vom Landgericht vorgenommene Würdigung der Glaubhaftmachung nicht zu beanstanden: Wie das Landgericht insbesondere zutreffend festgestellt hat, folgt aus dem Ergebnis der von der Verfügungsklägerin beauftragten telefonischen Befragung nicht zwangsläufig, dass die von der Verfügungsbeklagten angegebenen Verteilungsmengen unzutreffend wären; vielmehr kommen für eine Verneinung der Befragten diverse andere Begründungen in Betracht, die die Verfügungsklägerin auch mit ihrem Berufungsvorbringen nicht ausgeräumt hat. Ein Verstoß gegen das Irreführungsverbot aus § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG kann ergänzend auch nicht angenommen werden, soweit die Geschäftsführerin der Verfügungsbeklagten im Rahmen ihrer nach § 141 ZPO angeordneten persönlichen Anhörung in erster Instanz erklärt hat, von den 56.000 gedruckten Exemplaren würden 48.000 Exemplare tatsächlich verteilt und weitere 8.000 Exemplare durch Auslage an entsprechenden Stellen mit Publikumsverkehr verbreitet. Die streitgegenständliche Angabe auch im Impressum des „R. “ erweist sich nämlich auch unter Berücksichtigung dieser Parteierklärung nicht als unrichtig und damit irreführend im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG. Ob und inwiefern die Werbeaussage der Verfügungsbeklagten zur Auflagenhöhe und Reichweite der Verbreitung zur Irreführung geeignet ist, beurteilt sich nach dem Verständnishorizont der angesprochenen Verkehrskreise. Das sind hier zum einen potentielle Anzeigenkunden und zum anderen Verbraucher, an die das Werbeblatt verteilt wird und die die streitige Impressumsangabe mit allenfalls situations-adäquater Aufmerksamkeit wahrnehmen. Eine irreführende Werbung liegt aber insoweit nur dann vor, wenn ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise der Auf-lagenangabe eine der Wirklichkeit nicht entsprechende Bedeutung beimisst. Dabei kann der Senat der Auffassung der Verfügungsklägerin nicht folgen, dass potentielle Inserenten und Verbraucher eine derartige Werbeaussage zur Auflagenstärke dahingehend verstehen, die gedruckten Exemplare aufgrund eines besonders effektiven Verteilungssystems der Verfügungsbeklagten würden vollständig und flächendeckend direkt an alle Haushalte des Verbreitungsgebietes verteilt, so dass im Ergebnis sämtliche erreichbaren Haushalte in der benannten Region in den tatsächlichen Besitz eines Anzeigenblattes gebracht werden. Die angegriffene Formulierung, nämlich das Anzeigenblatt mit einer Druckauflage von 56.000 Exemplaren erscheine für erreichbare Haushalte im Verbreitungsgebiet, erweckt bei den angesprochenen Verkehrskreisen keineswegs die (unrichtige) Vorstellung, die Verfügungsbeklagte habe damit eine flächendeckende Verteilung an sämtliche Haushalte zu 100 % der Druckauflage zugesagt. Eine derart 100 %-ige Verteilung sämtlicher Anzeigen-blätter erwartet der angesprochene Verkehrskreis aufgrund der streitbefangenen Angaben des Impressum nicht. Dem Anzeigenkunden ist vielmehr durchaus geläufig, dass eine Verteilung sämtlicher gedruckter Anzeigenblätter an alle Haushalte der Region in der Regel nicht umsetzbar ist; einer Verteilung durch Einwurf in den Briefkasten sind vielmehr aus verschiedenen Gründen tatsächliche Grenzen gesetzt: So verweigern einige Haushalte von Vornherein die Annahme von Werbeblättern (sog. Werbeverweigerer), zum Teil sind die Briefkästen dem Verteiler auch nicht zugänglich. Den angesprochenen Anzeigenkunden ist zudem der „Streuverlust“ bekannt, der üblicherweise bei derartigen kostenlos an Haushalten verteilten Regionalblättern entsteht. Wegen dieses bekannten Streuverlustes bei kostenloser Verteilung ist nicht anzunehmen, dass potentielle Inserenten die Verbreitung eines Anzeigenblattes mit dem lückenlosen Erreichen jedes Haushalts in dem Verteilungsgebiet gleichsetzen (vgl. KG, Urteil vom 15.07.1988 - 5 U 1845/88 - in AfP 1989, 546 - 548 zitiert nach juris). Ausgehend von dieser Kenntnis werden die angesprochenen Verkehrskreise die Impressum-angaben vielmehr nur als Hinweis darauf verstehen, dass sich die Druckauflage auf 56.000 Exemplare beläuft, die ganz überwiegend an die erreichbaren Haushalte der Region direkt verteilt, im Übrigen aber jedenfalls in der Region ausgeteilt bzw. ausgelegt werden. Wie schon das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, hat die Verfügungsbeklagte damit nicht schon deshalb einen falschen Eindruck über die Verbreitung des Anzeigenblatts erweckt, weil sie eine nicht wesentlich ins Gewicht fallende Anzahl an Exemplaren durch Auslage an exponierten Stellen mit Publikumsverkehr zur Mitnahme bereit hält. Mit der angegriffenen Formulierung im Impressum ist vielmehr durchaus vereinbar, dass ein Teil der Auflage auch durch Auslage an öffentlich zugänglichen Stellen verbreitet wird. Zu den Berufungsanträgen zu b) und zu c) ist auszuführen, dass es sich hierbei nach den Grundsätzen des § 263 ZPO um eine Klageänderung in Form der Klageerweiterung handelt; insbesondere liegt ein Fall des § 264 ZPO nicht vor. Die erstmals in der Berufungsinstanz gestellten, klageerweiternden Anträge sind jedoch unzulässig, weil die Voraussetzungen einer zulässigen Klageänderung im Sinne des § 533 ZPO nicht vorliegen. Nach dem Zweck des Berufungsrechts dient die Berufungsinstanz in erster Linie der Fehlerkontrolle der erstinstanzlichen Entscheidung. Die Vorschrift des § 533 ZPO verhindert deshalb, dass sich das Berufungsgericht im Rahmen neuer Streitgegenstände mit neuem Streitstoff befassen und hierzu im Berufungsrechtszug erstmalig eine Sachentscheidung treffen muss (vgl. BGH, Urteil vom 25.10.2007 - VII ZR 27/06 - zitiert nach juris). Im Streitfall sind schon die Voraussetzungen der Sachdienlichkeit nach § 533 Nr. 1 ZPO nicht gegeben. Dabei kommt es auf die Sachdienlichkeit hier deshalb an, weil die Verfügungsbeklagte bereits in ihrer Berufungserwiderung hat erkennen lassen, mit der Klageänderung nicht einverstanden zu sein. Für eine Einwilligungsvermutung gemäß § 267 ZPO i.V.m. § 525 Satz 1 ZPO bleibt damit kein Raum. Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Frage der Sachdienlichkeit grundsätzlich objektiv unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit zu beurteilen und dabei die Frage zu beantworten ist, ob eine Zulassung der Klageänderung den Streitstoff im Rahmen des anhängigen Rechtsstreits ausräumen und einem weiteren Prozess vorbeugen würde. Dies wäre hier möglicherweise zutreffend, bedarf an dieser Stelle jedoch keiner abschließenden Entscheidung. Denn die Sachdienlichkeit ist nach ganz herrschender Auffassung, der der Senat beipflichtet, regelmäßig dann zu verneinen, wenn mit dem neuen Anspruch ein völlig neuer Streitstoff in den Rechtsstreit eingeführt wird, bei dessen Beurteilung das bisherige Prozessergebnis nicht verwertet werden kann (vgl. Zöller/Greger, 27. Auflage 2009, Rdnr. 13 zu § 263 m.w.N.). So verhält es sich im Streitfall. Die Parteien haben in der Eingangsinstanz über die Werbeaussage der Verfügungsbeklagten gestritten, ob deren Druckauflage auch die angegebenen Haushalte erreiche; die Unterlassung dieser Behauptung war alleiniger Inhalt des erstinstanzlichen Klageantrags ebenso wie alleiniger Gegenstand der Glaubhaftmachung. Die von der Verfügungsklägerin mit ihrer Berufungsbegründung aufgeworfenen weiteren Fragen, ob die Druckauflage an Haushalte und Unternehmen im Wortsinne verteilt oder in vollem Umfang frei Haus geliefert werde, war deshalb naturgemäß weder Gegenstand des Verfahrens erster Instanz noch von der Glaubhaftmachung oder Beweisaufnahme umfasst. Erstinstanzliches Vorbringen beider Parteien zur Frage, ob die Druckauflage an Haushalte und Unternehmen im Wortsinne verteilt und in vollem Umfang frei Haus geliefert wird, existiert deshalb nicht. Vielmehr hat die Verfügungsklägerin im Anschluss an die mündliche Verhandlung und Beweisaufnahme erster Instanz durch ihren Prozessbevollmächtigten ausdrücklich erklären lassen, dass der angekündigte Antrag zum Schriftsatz vom 28.08.2009 so gestellt werde, wie er auch schriftsätzlich angekündigt worden sei (vgl. Seite 8 des Protokolls vom 23. September 2009, Bd. I, Bl. 213 d. A.). Daran muss sich die Verfügungsklägerin auch für die Beurteilung die Sachdienlichkeit zweiter Instanz festhalten lassen. Ferner hat der Senat zur weiteren Frage neuen Vorbringens nicht verkannt, dass nach inzwischen ganz herrschender Auffassung neues, unstreitiges Vorbringen in zweiter Instanz stets zu beachten ist, selbst wenn hierdurch eine neue Beweisaufnahme erforderlich werden würde (vgl. dazu Zöller/Heßler, a.a.O., Rdnr. 21 zu § 531 ZPO m.w.N.). Das neue Vorbringen der Verfügungsklägerin ist aber, wie sich aus der Berufungserwiderung ergibt, gerade nicht unstreitig. Im Übrigen hat die Verfügungsklägerin zu den Voraussetzungen einer Ausnahme des eingeschränkten Novenausschlusses nach § 531 Abs. 2 ZPO auch nichts vorgetragen. Schließlich ist auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Verfahrens der einst-weiligen Verfügung für die neuen Klageanträge der Verfügungsklägerin zum einen nicht die sog. funktionelle Zuständigkeit des Senats gegeben, zum anderen fehlt es insoweit am notwendigen Verfügungsgrund im Sinne der §§ 935, 940 ZPO: Nach den Vorschriften der §§ 937, 943 ZPO ist ein Berufungsgericht zum - erstmaligen - Erlass einer einstweiligen Verfügung grundsätzlich nicht berufen. Vielmehr muss zunächst ein Gericht erster Instanz über Anträge mit dem Ziel des Erlasses einer einstweiligen Verfügung befinden (so schon OLG Köln, Urteil vom 28.05.1982 - 6 U 36/82 - in WRP 1982, 599 f. m.w.N.). So ergibt sich auch aus der Vorschrift des § 937 ZPO, dass im Verfahren der einstweiligen Verfügung - wie vorliegend - nur dasjenige Gegenstand des Berufungsverfahrens sein kann, was schon bereits Gegenstand des erstinstanzlichen Verfügungsverfahrens war (dazu noch OLG Köln, Urteil vom 17.11.1989 - 6 U 152/98 - zitiert nach juris). Denn der vom Gesetzgeber vorgesehene Instanzenzug wäre ausgehöhlt, wenn aufgrund einer Klageerweiterung in der Berufungsinstanz eine erstmalige und zugleich endgültige gerichtliche Entscheidung über einen Antrag herbeigeführt werden könnte, der in erster Instanz noch nicht Gegenstand gerichtlicher Prüfung gewesen ist und auch gar nicht hätte sein können (dazu OLG München, Beschluss vom 07.10.2002 - 21 W 2385/02 - zitiert nach juris). Hinsichtlich des Verfügungsgrundes begründet § 12 Abs. 2 UWG für wettbewerbsrechtliche Unterlassungsverfügungen zwar eine tatsächliche Vermutung der Dringlichkeit. Diese ist jedoch widerleglich und kann insbesondere auch durch das eigene Verhalten eines Antragstellers während des einstweiligen Verfügungsverfahrens in Wegfall geraten, sofern jener hierdurch zu erkennen gibt, dass ihm selbst die Sache nicht allzu eilbedürftig ist (so schon BGH GRUR 2000, 151 f; Hefermehl/Köhler/Bornkamm a.a.O., Rdnr. 3.15 zu § 12 UWG). Die Dringlichkeit kann dabei insbesondere hinsichtlich solcher Anträge entfallen, die der Antragsteller sofort hätte stellen müssen, gleichwohl aber erst im Verlauf des einstweiligen Verfügungsverfahrens in dieser Fassung anbringt. Dies soll insbesondere auch für Antragserweiterungen gelten (vgl. Hanseatisches OLG Hamburg WRP 1982, 161; OLG Koblenz WRP 1997, 478 f.; OLG Köln WRP 1982, 599 f.; OLG Frankfurt MarkenR 2001, 162 - 165 - zitiert nach juris; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a.a.O.; Retzer in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, 2. Aufl., Rdnr. 458 zu § 12 UWG; ders. a.a.O., Rdnr. 322). So liegen die Dinge auch hier. Denn wie bereits ausgeführt ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen die Verfügungsklägerin ihre bereits in erster Instanz mögliche Antragserweiterung nicht schon dort angebracht hat. Damit scheitert die Zulässigkeit der neuen Anträge der Verfügungsklägerin auch unter diesen Gesichtspunkten. Ein im Wege der einstweiligen Verfügung sicherbarer Unterlassungsanspruch der Verfügungsklägerin gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG in Verbindung mit §§ 3, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG scheidet nach alledem im Ergebnis aus. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in §§ 48 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 1 Nr. 1, 63 Abs. 2 Satz 1 GKG, 3 ZPO. gez. Göbel Ri’in OLG Wolter ist gez. Schubert-Wulfmeyer wegen Abwesenheit an der Unterschriftsleistung gehindert. gez. Göbel ----------------------------------------------------- Die von uns erfassten Urteile wurden oft anders formatiert als das Original. 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