Text des Urteils
3 UF 191/09;
Verkündet am:
20.04.2010
OLG Oberlandesgericht Naumburg
Vorinstanzen: 3 F 279/09 Amtsgericht Dessau-Roßlau; Rechtskräftig: unbekannt! Hat der Unterhaltsschuldner auf den eingeklagten Unterhalt bereits Zahlungen erbracht, so kann dies bei der Entscheidung im Tenor auch in der Weise berücksichtigt werden, dass der Tenor einen Ausspruch zur Anrechnung bereits geleisteter Zahlungen enthält Leitsatz des Gerichts: Hat der Unterhaltsschuldner auf den eingeklagten Unterhalt bereits Zahlungen erbracht, so kann dies bei der Entscheidung, statt durch Berechnung oder Ausweisung der geleisteten Beträge im Einzelnen, im Tenor auch in der Weise berücksichtigt werden, dass der Tenor einen Ausspruch zur Anrechnung bereits geleisteter Zahlungen enthält, wodurch dem Unterhaltsschuldner die Möglichkeit einer Vollstreckungsgegenklage nach § 767 BGB – Erfüllungseinwand, § 362 BGB - für die bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung erfolgten Zahlungen erhalten bleibt. In dem Unterhaltsverfahren … hat der 3. Zivilsenat – 1. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom 30. März 2010 durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Goerke-Berzau, den Richter am Oberlandesgericht Materlik und den Richter am Oberlandesgericht Hellriegel für Recht erkannt: Auf die Berufung des Beklagten wird das am 30. September 2009 verkündete Urteil des Amtsgerichts -Familiengerichts- Dessau-Roßlau (Geschäftszeichen 3 F 279/09) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst: 1. Der Beklagte wird unter Einbeziehung der Urkunde des Jugendamtes D. vom 24.02.2009 (Urkunden - Reg.-Nr. ... ) verurteilt, zu Händen der Klägerin für das am 21.02.1995 geborene Kind J. Z. Unterhalt wie folgt zu zahlen: a) ab 01.11.2008 bis 31.12.2008 monatlich 68,5 % , b) ab 01.01.2009 bis 31.12. 2009 monatlich 68,4 % , c) ab 01.01.2010 bis 31.07.2011 monatlich 62,9 % und ab 01.08.2011 monatlich 59,1 % des jeweiligen Mindestunterhalts der 3. Altersstufe jeweils abzüglich hälftiges Kindergeld für ein erstes Kind (77 EUR im Jahre 2008, 82 EUR im Jahre 2009 und ab dem 01.01.2010 92 EUR). Hierauf sind vom Beklagten bereits gezahlte Leistungen anzurechnen. 2. Der Beklagte wird unter Einbeziehung der Urkunde des Jugendamtes D. vom 24.02.2009 (Urkunden-Reg.-Nr.... ) verurteilt, zu Händen der Klägerin für das am 01.08.1999 geborene Kind L. Z. Unterhalt wie folgt zu zahlen: a) einen Unterhaltsrückstand in Höhe von 147 EUR für die Zeit vom 01.11.2008 bis 30.08.2009, b) ab 01.09.2009 bis 31.12.2009 monatlich 70,2 % der zweiten Altersstufe, c) ab 01.01.2010 bis 31.07.2011 monatlich 64,8 % der zweiten Altersstufe und d) ab 01.08.2011 monatlich 59,1 % des jeweiligen Mindestunterhalts der dritten Altersstufe, zu b), c) und d) jeweils abzüglich hälftiges Kindergeld für ein zweites Kind (77 EUR im Jahre 2009 und ab dem 01.01.2010 92 EUR). Die Zahlungen bis zum Monat der Rechtskraft des Urteils haben an die Unterhaltsvorschusskasse zu erfolgen, soweit Unterhaltsvorschuss gezahlt worden ist. Zu b), c) und d) sind die vom Kläger bereits geleisteten Zahlungen anzurechnen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen. Die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz tragen zu 1/3 die Klägerin und zu 2/3 der Beklagte. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Revision ist nicht zugelassen. Die Parteien sind getrenntlebende Eheleute und Eltern der Kinder J. , geboren am 21.02.1995 und L. , geboren am 01.08.1999. Die Klägerin begehrt vom Beklagten für die beiden Kinder Unterhalt in Höhe von jeweils 100 % des Mindestunterhalts ab November 2008. Der Beklagte hat unter dem 24.02.2009 für jedes Kind eine Jugendamtsurkunde errichtet, mit der er sich zur Zahlung eines monatlichen Unterhalts verpflichtet hat (59 EUR für J. und 48 EUR für L. – jeweils 20 % des Mindestunterhalts). Für L. zahlte und zahlt die Unterhaltsvorschusskasse Unterhaltsvorschuss, und zwar 168 EUR im Dezember 2008, 158 EUR jeweils im Januar und Februar 2009 und 110 EUR seit März 2009. Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht den Beklagten zur Zahlung jeweils des Mindestunterhalts an die Kinder entsprechend ihrer Altersstufen unter Berücksichtigung des Unterhaltsvorschusses bei L. und des Kindergeldes verurteilt; bezüglich des Kindes L. hat es für die Zeit von November 2008 bis August 2009 einen Rückstand in Höhe von 978 EUR errechnet und zuerkannt. Gegen das Urteil hat der Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Er behauptet, keinen höheren als den durch die Jugendamtsurkunden festgehaltenen Betrag zahlen zu können; eine andere Arbeit als die, die er seit nahezu 30 Jahren ausübe, könne er nicht leisten. Im Übrigen wiederholt er sein Vorbringen aus der ersten Instanz. Der Beklagte beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen, soweit mehr als 234 EUR Unterhaltsrückstand für J. und 196 EUR für L. für den Zeitraum November 2008 bis Februar 2009 und ab März Unterhalt über die jeweiligen Jugendamtsurkunden hinaus gefordert werden. Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Der Beklagte ist nicht in der Lage; den ausgeurteilten Unterhalt in Höhe von jeweils 100 % des Mindestunterhalts zu zahlen, weil er dazu nicht leistungsfähig ist. Er ist 46 Jahre alt und seit über 20 Jahren durchgehend in seiner jetzigen Firma als Tierpfleger tätig. Ein Wechsel des Arbeitsplatzes erscheint deshalb, aber auch mit Blick auf mögliche andere ausübbare Beschäftigungen, die allenfalls Hilfstätigkeiten sein dürften, nicht zumutbar. Aus seiner Vollbeschäftigung mit unterschiedlichen Anfang- und Endzeiten, bedingt durch die Art der Tätigkeit erzielt er ein durchschnittliches Monatsnettoeinkommen in Höhe von rund 1.120 EUR. Da dies nicht ausreicht, den Unterhalt angemessen abzudecken, trifft ihn aus dem Grundsatz der gesteigerten Erwerbsobliegenheit gegenüber minderjährigen Kindern die Pflicht, das Einkommen durch Nebenerwerbstätigkeiten aufzubessern. Das erscheint in einem Umfange von etwa 100 EUR nach den Erfahrungen des Senats möglich, wobei an Tätigkeiten wie Prospektaustragen, Aushilfsfahrertätigkeiten u.ä. zu denken ist. Demnach ist ein Einkommen in Höhe von 1.220 EUR zugrunde zu legen. Dass der Beklagte im eigenen Haus mietfrei wohnt, begründet im Allgemeinen zwar einen geldwerten Vorteil. Da aber monatlich Schuldrückzahlungen in Höhe von rund 354 EUR für dieses Haus zu erbringen sind, kann ein solcher möglicher Vorteil hier nicht berücksichtigt werden. Demnach stehen unter Beachtung des notwendigen Selbstbehalts von 900 EUR für Unterhaltszwecke 320 EUR zur Verfügung, die nach dem Alter der Kinder zu verteilen sind. Dafür gilt Folgendes: Der Bedarf der Kinder betrug angesichts der Altersstufe drei bei J. und zwei bei L. bis Juli 2011 in 2008 533 EUR (J. 288 EUR/L. 245 EUR); in 2009 535 EUR (J. 295 EUR/ L. 240 EUR); in 2010 606 EUR (J. 334 EUR/L. 272 EUR) und ab 01.08.2011 668 EUR (beide je 334 EUR). Das Kindergeld, das bedarfsdeckend anzurechnen ist, hat sich von 154 EUR im Jahre 2008 über 164 EUR in 2009 auf 184 EUR ab 2010 erhöht. Die Ansprüche der Kinder errechnen sich daher wie folgt: J. für 2008: 288 EUR * 320 EUR : 533 EUR = 173 EUR. 173 EUR entsprechen 68,5 % des Mindestunterhalts ihrer Altersstufe (Anspruch plus 1/2 Kindergeld dividiert durch 100 % des jeweiligen Mindestunterhalts). Nach der gleichen Berechnung unter Einstellung der vorgenannten Zahlen errechnen sich dann die im Urteilstenor ausgewiesenen Beträge. Ausgehend davon, ergeben sich in 2008 ein Anspruch für L. in Höhe von 147 EUR, in 2009 für J. 176 EUR und für L. 144 EUR, danach in 2010 für J. 176 EUR und für L. 144 EUR. Ab 01.08.2011 ergibt sich für jedes Kind in der dritten Altersstufe ein Prozentsatz von 59,1 % des Mindestunterhalts ausgehend von einem Zahlbetrag in Höhe von je 160 EUR des Mindestunterhalts. Bei L. ist zu beachten, dass die Vorschusskasse - wie ausgeführt - Zahlungen erbracht hat. Unter Beachtung der vorstehenden Ansprüche errechnet sich mithin lediglich ein Rückstandsbetrag für November 2008 in Höhe von 147 EUR, denn danach waren die Unterhaltsvorschusszahlungen höher als der Zahlungsanspruch (Dezember 2008 bis Februar 2009) bzw. überstiegen danach die Vorschusszahlungen zusammen mit den durch die Urkunde anerkannten und gezahlten Beträge die Zahlungsansprüche. Festzuhalten hatte der Senat, dass, soweit bis zum Monat der Urteilsrechtskraft Zahlungen der Vorschusskasse erfolgen, insoweit Zahlung an sie zu erfolgen hat (§ 7 UVG, § 265 ZPO). Hinsichtlich der vom Beklagten im streitigen Zeitraum bereits erbrachten Unterhaltszahlungen (soweit bei L. nicht bereits beim Rückstand bis August 2009 berücksichtigt), war die Anrechnung dieser Zahlungen auszusprechen, um dem Beklagten die Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 ZPO zu erhalten – Erfüllungseinwand, § 362 BGB – falls die Klägerin auch die bereits gezahlten Beträge vollstrecken sollte. Die übrigen Entscheidungen beruhen auf §§ 91, 92, 708 Nr. 10, 711, 713, 543 Abs. 1 und 2 ZPO. gez. Goerke-Berzau gez. Materlik gez. Hellriegel ----------------------------------------------------- Die von uns erfassten Urteile wurden oft anders formatiert als das Original. Dies bedeutet, daß Absätze eingefügt und Hervorhebungen durch fett-/kursiv-/&farbig-machen sowie Unterstreichungen vorgenommen wurden. 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