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Text des Beschlusses
5 W 161/09;
Verkündet am: 
 25.01.2010
OLG Oberlandesgericht
 

Jena
Vorinstanzen:
6 O 276/08
Landgericht
Mühlhausen;
Rechtskräftig: unbekannt!
Aussetzung nach § 148 ZPO eines Rechtsstreits über die Rückforderung rechtswidriger (staatlicher) Beihilfen bei Vorgreiflichkeit eines Prozesses beim Europäischen Gericht ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen, sondern eine Frage des Einzelfalls
Leitsatz des Gerichts:
ZPO § 148

1. Die Aussetzung nach § 148 ZPO eines Rechtsstreits über die Rückforderung rechtswidriger (staatlicher) Beihilfen bei Vorgreiflicvhkeit eines Prozesses beim Europäischen Gericht ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen, sondern eine Frage des Einzelfalls.

2. § 148 ZPO ist nur dann im Hinblick auf europäisches Recht nicht anwendbar, wenn die Anwendbarkeit deutschen Rechts die sofortige und tatsächliche Vollstreckung der Kommissionsentscheidung verhindern und dadurch die Wiederherstellung eines wirksamen Wettbewerbs erschweren würde.
In dem Rechtsstreit

t-gesellschaft mbH
- Klägerin und Beschwerdeführerin -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte

gegen
M GmbH & Co.KG
- Beklagte und Beschwerdegegnerin -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte

hat der 5. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Ross, Richter am Oberlandesgericht Bayer und Richterin am Oberlandesgericht Rothe am 25.01.2010 beschlossen:

1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Landgerichts Mühlhausen vom 17.03.2009 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor des angefochtenen Beschlusses wie folgt lauten muss:

„Das Verfahren wird bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtes in der Sache T-120/07 bzw. dem verbundenen Verfahren T-102/07 und T-120/07 ausgesetzt.“

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.



Gründe:

1. Die Klägerin ist ein Tochterunternehmen der KfW und insbesondere im Bereich der Finanzierung mittelständischer Unternehmen der Technologiebranche durch Eingehung von Beteiligungen an diesen Unternehmen tätig.

Die Beklagte hat bis zum Jahr 2006 unter der Bezeichnung „ B S GmbH & Co T Z KG“ firmiert. Sie war im Bereich der Herstellung von Fahrrädern tätig.

Mit Beteiligungsvertrag vom 16./23.01.2001 ging die gbb Beteiligungs AG eine stille Beteiligung an der B S GmbH & Co T Z KG in Höhe von 4.050.000,- DM ein.
Als Entgelt für die stille Beteiligung wurde ein festes Entgelt in Höhe von 8,75 % p.a. sowie ein gewinnabhängiges in Höhe von 3,5 % p.a. vereinbart.

Im Rahmen eines Vermögensübertragungsvertrages aus dem Jahr 2003 wurden alle Aktiva der gbb auf die Klägerin übertragen.

Im Jahr 2005 geriet die B-Gruppe, zu der auch die B S GmbH & Co. T Z KG gehörte, in finanzielle Schwierigkeiten. Um eine Insolvenz der zur B-Gruppe gehörenden Unternehmen zu verhindern, wurden u.a. Ende 2005 sämtliche Betriebsgegenstände der B S GmbH & Co. T Z KG an einen Investor, die „L S Gruppe“, verkauft. Seither ist der Unternehmensgegenstand der Beklagten die Verwaltung von Grundstücken. Mit dem Kaufpreis aus dem Verkauf wurde gemäß einer Vereinbarung vom 15.12.2005 die stille Beteiligung abgelöst. Gegen Zahlung von 188.387,44 € verpflichtete sich die Klägerin insoweit, auf ihre stille Beteiligung und alle Forderungen aus der Beteiligungsvereinbarung aus dem Jahr 2001 nebst bis dahin aufgelaufener Zinsen/Grundvergütung/Aufgeld zu verzichten.

Aufgrund von Beschwerden von Wettbewerbern leitete die Europäische Kommission mit Beschluss vom 20.10.2005 ein förmliches Beihilfeprüfungsverfahren gemäß Art. 88 EG gegen die Bundesrepublik wegen möglicher staatlicher Beihilfen an die B Gruppe ein, das durch die Entscheidung der Europäischen Kommission vom 24.01.2007 abgeschlossen wurde. Darin erklärte die Europäische Kommission u.a. folgende Beihilfe als mit dem gemeinsamen Markt unvereinbar: „a) Maßnahme 1: eine stille Einlage in der B S GmbH & Co. T Z KG in Höhe von 2.070.732 EUR. Das Beihilfeelement entspricht der Differenz zwischen dem Referenzzins zuzüglich 1 000 Basispunkten und der Vergütung der stillen Einlage (Festsatz plus 50 % der variablen Vergütung)“. Gleichzeitig wurde die Bundesrepublik gemäß Art 14 Abs.1 der Beihilfeverfahrensverordnung vom 22.03.1999 (EG-VO Nr. 659/1999) aufgefordert, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die rechtswidrig zur Verfügung gestellte Beihilfe (Differenz zwischen marktüblicher und vereinbarter Vergütung) zurückzufordern.

Die Klägerin berechnete die zurückzufordernde Beihilfe mit Schriftsatz vom 11.01.2008 (irrtümlich datiert auf 27.12.2007) unter entsprechender Fristsetzung per 18.01.2008 mit 676.740,52 € und mit der vorliegenden Klage auf 697.456,- € zzgl. weiterer Zinsen in Höhe von 3,70 % ab 01.01.2008.

Mit Schriftsatz vom 07.03.2008 (?), bei Gericht eingegangen am 26.06.2008, beantragte die Beklagte, das Verfahren bis zu einer Entscheidung in dem Verfahren vor dem Europäischen Gericht, Az.:T-120/07, auszusetzen und verwies zur Begründung auf die mit Schriftsatz vom 16.04.2007 beim Europäischen Gericht erhobene Nichtigkeitsklage gegen die Beihilfeentscheidung der Kommission vom 24.01.2007. Die Entscheidung über die Nichtigkeitsklage sei vorgreiflich, da die vorliegende Rückforderungsklage nur dann begründet sei, wenn tatsächlich eine nicht mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbare, rechtswidrige Beihilfe gewährt worden wäre.

Nach Übertragung des Rechtsstreits auf die Kammer bestimmte diese Termin zur mündlichen Verhandlung letztlich auf den 26.11.2008.

In diesem Termin erging gegen die nicht erschienene Beklagte ein dem Klageantrag entsprechendes Versäumnisurteil, welches der Beklagten am 05.12.2008 zugestellt wurde. Mit Schriftsatz vom 19.12.2008, am gleichen Tag beim Landgericht Mühlhausen eingegangen, hat die Beklagte Einspruch gegen das Versäumnisurteil eingelegt und eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung beantragt.

Mit Beschluss vom 09.01.2009 hat das Landgericht Mühlhausen die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil vom 26.11.2008 einstweilen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 840.000,- € eingestellt.

Nach entsprechendem Hinweis vom 03.02.2009 und Gelegenheit zur Stellungnahme für beide Parteien hat das Landgericht Mühlhausen durch Beschluss vom 17.03.2009 den Rechtsstreit bis zur „rechtskräftigen“ Entscheidung des „Europäischen Gerichtshofs“ in der Sache T-120/07 bzw. dem verbundenen Verfahren T-102/07 und T-120/07 gemäß § 148 ZPO wegen Vorgreiflichkeit der Entscheidung ausgesetzt. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Gründe des Beschlusses verwiesen.

Gegen den ihr am 25.03.2009 zugestellten Beschluss hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 07.04.2009, am gleichen Tag bei Gericht eingegangen, sofortige Beschwerde eingelegt. Wegen der Begründung wird auf die Schriftsätze vom 28.04.2009, 29.09.2009, 01.10.2009 und 30.10.2009 verwiesen.

Mit Beschluss vom 14.04.2009 hat das Landgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

2. Die gemäß § 252 ZPO statthafte, form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde hat in der Sache nur den aus dem Tenor ersichtlichen geringen Erfolg.

Das Landgericht hat vorliegend zu Recht § 148 ZPO mit der Folge der Aussetzung des Verfahrens zur Anwendung gebracht.

Nach Ansicht des Senates ist § 148 ZPO vorliegend auch direkt anwendbar. Gegen-§ stand des Verfahrens beim EuG T 120/07 ist die Nichtigkeitserklärung der Entscheidung der Europäischen Kommission vom 24.01.2007. Die vorliegende, auf Rückzahlung der Beihilfe gerichtete Klage ist nur dann begründet, wenn, wie aufgrund der Entscheidung der Europäischen Kommission bindend festgestellt wird, die der B S GmbH & Co. T Z KG gewährte (Zins-)Beihilfe mit dem gemeinsamen Markt nicht vereinbar und damit rechtswidrig gewesen ist. Die Nichtigkeitsklage betrifft daher die Feststellung eines vorrangigen Rechtsverhältnisses. Nicht erforderlich ist in diesem Zusammenhang, dass dieses Verfahren zwischen den gleichen Parteien des vorliegenden Rechtsstreits geführt wird (vgl. Zöller-Greger, 28.Aufl. ZPO, § 148 Rn. 5 m.w.N.).

Die Anwendbarkeit des § 148 ZPO ist entgegen der Ansicht der Klägerin nach Ansicht des Senates auch nicht immer und in jedem Fall in Bezug auf Verfahren zur Rückforderung zu Unrecht bezogener staatlicher Beihilfen ausgeschlossen, sondern es hat in jedem Einzelfall eine Prüfung stattzufinden, ob § 148 ZPO mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist oder nicht.

Es ist völlig herrschende Meinung, dass der Mitgliedstaat, an den eine Entscheidung gerichtet ist, die ihn zur Rückforderung rechtswidriger Beihilfen verpflichtet, alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen hat, um die Durchführung der Entscheidung sicherzustellen (vgl. z.B. EuGH, Rs. C-209/00, Slg. 2002, I-11695 Rn. 31; Rs. C-404/00 Slg. 2003, I-6695 Rd. 21; Rs. C-232/05, EuZW 2007, 56, 58). Dabei soll der Mitgliedstaat erreichen, dass der Beihilfegeber die geschuldeten Beträge tatsächlich wiedererlangt. Das Hauptziel der Rückerstattung liegt dabei aber darin, die Wettbewerbsverzerrung zu beseitigen, die durch den mit der Beihilfe verbundenen Wettbewerbsvorteil verursacht wurde ( EuGH, Rs. C-277/00, Slg. 2004, I-3925 Rn.76; Verordnung (EG-VO) Nr. 659/1999 des Rates der Europäischen Union vom 22.03.1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Art. 93 des EG-Vertrages zu Ziffer (13) Satz 1 und 2) Mit der Rückzahlung verliert nämlich der Empfänger den Vorteil, den er auf dem Markt gegenüber seinen Konkurrenten besaß, und es wird die Lage vor der Zahlung der Beihilfe wiederhergestellt (EuGH, Rs. C-277/00, Slg. 2004, I-3925 Rn.75).

Die Rückforderung der Beihilfen erfolgt gemäß Art. 14 Abs.3 Satz 1 EG-VO 659/1999 nach den Verfahren des betreffenden Mitgliedstaates. Wie bereits in der Einleitung zur EG-VO 659/1999 unter Ziffer (13) Satz 4 zum Ausdruck gebracht wurde, sollte die Anwendung der Verfahrensvorschriften der Mitgliedstaaten die Wiederherstellung eines wirksamen Wettbewerbs durch Verhinderung der sofortigen und tatsächlichen Vollstreckung der Kommissionsentscheidung nicht erschweren. Gemäß Art. 14 Abs.3 Satz 2 EG-VO 659/1999 unternehmen die Mitgliedstaaten zu diesem Zweck im Fall eines Verfahrens vor nationalen Gerichten unbeschadet des Gemeinschaftsrechts alle in ihren jeweiligen Rechtsordnungen verfügbaren erforderlichen Schritte einschließlich vorläufiger Maßnahmen. Generell sind aber bei der Durchführung der Rückforderung auch die mit dem Beihilfeverbot verfolgten Ziele zu berücksichtigen (EugH, Rs. C-334/99, Slg. 2003, I-1139 Rn. 118).

Die deutschen Normen sind also nur dann im Hinblick auf Art. 24 Abs.1 GG nicht anzuwenden, wenn die Anwendung des deutschen Rechts die sofortige und tatsächliche Vollstreckung der Kommissionsentscheidung verhindert und sie dadurch die Wiederherstellung eines wirksamen Wettbewerbs erschweren (vgl. BGH Urteil vom 05.07.2007, IX ZR 221/05, Rn. 27 m.w.N.).

Den aufgezeigten Grundsätzen ist im vorliegenden Verfahren Rechnung getragen worden. Sie stehen einer Aussetzung vorliegend nach Ansicht des Senates nicht entgegen.

Die Klägerin ist durch die Erhebung der Klage vom 10.04.2008 der Verpflichtung zur (unverzüglichen) Rückforderung der Beihilfe nachgekommen. Im Termin vom 26.11.2008 hat die Klägerin ein – vorläufig vollstreckbares – Versäumnisurteil gegen die Beklagte erwirkt. Abgesehen davon, dass sich die Klägerin nicht gegen die vorläufige Einstellung der Vollstreckung mit Beschluss des Landgerichtes vom 09.01.2009 gewandt hat, ist diese im übrigen auch nicht unter vorgenannten Grundsätzen zu beanstanden, da sie nur gegen Sicherheitsleistung erfolgt ist. Damit ist zunächst einmal den Belangen des Art 14 Abs.3 EG-VO 659/1999 Genüge getan worden.

Aber auch die anschließende Aussetzungsentscheidung steht nicht in Widerspruch zu den genannten Grundsätzen. Nicht unberücksichtigt bleiben darf nämlich in diesem Zusammenhang zum einen, dass die Beklagte bereits seit 2006 nicht mehr werbend am (Zweirad-)Markt tätig, der Wettbewerb daher nicht (mehr) tangiert ist. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass zumindest durch die Erwirkung des (vorläufig) vollstreckbaren Versäumnisurteils am 26.11.2008 der Klägerin die Möglichkeit eröffnet wurde, den errechneten, wohl rechtswidrig erlangten Beihilfebetrag auch de facto zunächst einzuziehen und damit den Zustand vor Auskehrung der Beihilfe in wettbewerbsmäßiger Hinsicht zumindest derzeit wieder herzustellen. Der Grundgedanke der oben genannten Beihilfevorschriften wird daher nach Ansicht des Senates durch die Aussetzungsentscheidung im vorliegenden Fall nicht tangiert, so dass die Anwendung von § 148 ZPO vorliegend nicht gegen höherrangiges Recht verstößt.

Die tatsächlichen Voraussetzungen des § 148 ZPO liegen vor. Insbesondere steht die Tatsache, dass bereits ein Versäumnisurteil ergangen ist, der Entscheidung nicht entgegen. Allenfalls könnte vorliegend erörtert werden, ob ohne Bescheidung des Aussetzungsantrags ein Versäumnisurteil ergehen durfte. Diese Frage braucht im vorliegenden Beschwerdeverfahren aber nicht entschieden zu werden. Im streitigen Verfahren nach Einlegung des Einspruch war spätestens jetzt aber über den Aussetzungsantrag zu entscheiden. Durch das Versäumnisurteil ist das Landgericht im streitigen Verfahren auch nicht in der Beurteilung der Begründetheit der Klage gebunden. Da sich die Beklagte mit dem Aussetzungsantrag in Verbindung mit dem Verweis auf die von ihr erhobene Nichtigkeitsklage gerade darauf inzidenter beruft, dass überhaupt keine Beihilfe vorgelegen hat, ist es streitig, ob und in welcher Höhe die Klägerin einen Rückforderungsanspruch gemäß §§ 812, 818 BGB hat. Da die nationalen Gerichte die Voraussetzungen eines Rückforderungsanspruches nach nationalem Recht – soweit es in Einklang mit Gemeinschaftsrecht steht – zu beurteilen haben, kommt es entgegen der Ansicht der Klägerin darauf an, ob die Entscheidung der Kommission vom 24.01.2007 in Rechtskraft erwächst und damit die Feststellung der rechtswidrigen Beihilfe durch Zinsvergünstigungen den Beteiligungsvertrag als nichtig nach § 134 BGB erscheinen lässt. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtes ist daher für die hiesige Entscheidung vorgreiflich.

Die im Rahmen des § 148 ZPO zu erfolgende Ermessensausübung der beiderseitigen Interessen des Landgerichts lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Auch in diesem Zusammenhang hatte der Verfahrensablauf und das Bestehen eines (vorläufig) vollstreckbaren Titels Berücksichtigung zu finden. Das Risiko der Klägerin, dass durch Zeitablauf die Vollstreckungsmöglichkeiten verschlechtert werden könnten, hat sich zumindest reduziert. Zum anderen ist zu sehen, dass der Wettbewerbsvorteil mangels weiterer Teilnahme der Beklagten auf dem Zweirad-Markt sich seit Jahren schon nicht mehr auswirkt. Zum anderen ist zu sehen, dass eine Fortsetzung des Verfahrens für die Beklagte das Risiko birgt, im Falle einer für sie positiven Entscheidung des Europäischen Gerichtes im vorliegenden Verfahren in ein Rechtsmittel oder ein Wiederaufnahmeverfahren mit nicht unerheblichen Kosten gezwungen würde.

Der Ermessensentscheidung steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte in Bezug auf die hier in Rede stehende Beihilfe einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Europäischen Gericht nicht gestellt hat. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Rückforderung vorliegend erst unter Fristsetzung bis zum 18.01.2008 von der Klägerin geltend gemacht wurde, während in dem weiteren Beihilfeverfahren gegen das Land Sachsen aus der Kommissionsentscheidung vom 24.01.2007 ein solcher Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz bereits durch Beschluss vom 11.10.2007 zurückgewiesen worden war. Eine davon abweichende Entscheidung des Europäischen Gerichts war in Bezug auf die hiesige gewährte Beihilfe für die Beklagte nicht zu erwarten gewesen. Dass auch ein Antrag in Bezug auf die hier in Rede stehende Beihilfe aller Voraussicht nach zurückgewiesen worden wäre, hat aus den oben genannten Gründen keinen Einfluss auf die Frage der Aussetzung des landgerichtlichen Verfahrens im derzeitigen Verfahrensstand.

Allerdings hat die sofortige Beschwerde insoweit Erfolg, als es vorliegend nicht gerechtfertigt ist, über den mit dem Aussetzungsantrag begehrten Umfang hinaus das Verfahren auszusetzen. Wie die Beklagte auch im Rahmen des Beschwerdeverfahrens deutlich gemacht hat, begehrt sie die Aussetzung des vorliegenden Rechtsstreits bis zur Entscheidung in dem erstinstanzlichen Verfahren vor dem Europäischen Gericht. Ein weitergehender förmlicher Antrag wurde zu keinem Zeitpunkt gestellt.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (vgl. Zöller-Greger , 28.Aufl. ZPO, § 252 Rn. 3 m.w.N.).

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen, §§ 574 Abs.1 Nr.2, Abs.3, Abs.2 Nr.1 ZPO, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage, ob in einem Beihilferückforderungsverfahren die Anwendung des § 148 ZPO grundsätzlich ausgeschlossen ist, oder ob dies nur unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls jeweils zu entscheiden ist.

Ross Rothe Bayer
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